Pädagogik und Zwang Fachtagung LJA Rheinland

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 Präsentation transkript:

Pädagogik und Zwang Fachtagung LJA Rheinland 18.5.2006

Freiheitsbeschränkg. ↔ Freiheitsentzug Pädagogik Zwang

1.Definitionen →FE: Ausschluss der körperlichen Bewegungs- freiheit eines K/J entgegen o. ohne dessen Willen →FB: Körperliche Bewegungsfreiheit erschwert o. kürzere Zeit (max. wenige Std.) ausgeschlossen →Abgrenzung FB- Konzepte zu anderen Inten- sivgruppen: kein Ausgang ohne Begleitung →Zwang = alle mit dem Ziel der Abwehr von Eigen- oder Fremdgefahr verbundenen Maßnahmen

2.Bisherige Entwicklungen zum Thema FE / FB →1998 - 2002 Forschungsmodell „Was tun mit den besonders Schwierigen“: verbess. Kooperation JA- Einrichtung - Kinder/ Jugendpsychiatrie - Schule - Polizei →2.11.2000 „Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung“ →27.6.2004 Landtag NRW, „Hearing“

2.Bisherige Entwicklungen zum Thema FE / FB →ab 2003 Publikationsreihe „Pädagogik u. Zwang“ →2003/2004 Rheinisches Modell, Betriebserlaubnisse MG und Neukirchen-Vluyn →2004: Ergänzung: „Einschluss in einem Raum“ →2004: Ergänzung: freiheitsbeschränkende Konzepte / Paradigma der Freiwilligkeit

3.Der gesellschaftl. Rahmen des FE Wirkungen unklarer Gesetzeslage: →3 Rechtsmeinungen →Grundrecht Freiheit: unterschiedlicher Schutz →Drehtüreffekt KJP →Grauzonen in den Einrichtungen

3.Der gesellschaftl. Rahmen des FE Wirkungen unklarer Gesetzeslage: →Gesellschaftliche/ politische Strömungen beeinflussen pädagogische Konzepte →Funktion des LJA: -Aufsicht: Regeln feststellen, z.B. Rhein. Modell -Beratung: pädagogische Position entwickeln

4. Derzeitiger Stand Bund / Land →Interministerielle AG Bund -richterlicher Auflagen/ § 1666 BGB verschärfen -unmittelbar den Minderjährigen verpflichtende richterliche Weisungen →Interministerielle AG Land -„Expertengruppe zur Bekämpfung der Ki- u. Ju- kriminalität“/Prävention, u.a. zum FE -Rheinisches Modell liegt vor

5.Die Aufträge an die Jugendhilfe →Erziehung zu eigenverantwortl., gemeinschaftsf. Persönlichkeit - § 1 I SGB VIII / Jugendhilferecht →Schutz bei Selbst- o. Fremdgefährdg.,Gefahren- abwehr durch Aufsicht - § 1631 I / Zivilrecht →Gesundheitspflege u. Aufenthaltsbestimmg - § 1631 I / Zivilrecht

6.Spannungsfeld Erziehung - Gefahrenabwehr →i.d.R. beide Ziele gekoppelt →Vorsicht bei ausschließlicher Gef.abwehr wie FE: - keine Gewalt i. d. Erziehung - FE = Rahmen d. Erziehung, n. päd. indiziert - Pädagogik u. Zwang diametral entgegengesetzt →Zielkonflikt zwischen Verantwortung für Persön- lichkeitsentwicklung und Sicherungsauftrag →Konflikt lösbar ? → päd. Position / Ziffer 8

7.Das „Rheinische Modell“ Ziele: →Rechtssicherheit:„Leib- o. Lebensgefahr“ →Abbau d. Grauzone Freiheitsbeschränkg. →Einheitliche Mindeststandards FE/ FB, unabhängig v. Rechtsgrundlage, z.B. § 71 II JGG

7.Das „Rheinische Modell“ - FE → kein FE unter 12 = Soll, unter 10 = Muss →Freiheitsentzug „ultima ratio“,zeitl. begrenzt →Indikationen i.S. der Gef.abwehr festlegen

7.Das „Rheinische Modell“ - FE →„Leib- o. Lebensgefahr“= erhebliche Gefahr für körperliche oder seelische Gesundheit →Festlegen pädagog. Normen durch Träger, z.B. zum Zielkonflikt „Pädagogik - Zwang“ →Verbot „entw. Maßnahmen“: z.B. Fixierg./Isolierg.

7.Das „Rheinische Modell“ - FE →Fakultativ geschlossene Gruppe: Platzzahl 6/7, →Aufnahmekriterien für die Gruppe: „Leib- oder Lebensgefahr“ bzw. Wiederholungsgefahr →Rechte derjenigen, die nicht unter FE stehen, sichern →Beschulung gewährleisten (§22 AGKJHG), ausnahmsweise externer Schulbesuch

7.Das „Rheinische Modell“ - FE →Intensität des FE richtet sich nach Notwendigkeit des Einzelfalls + „Verhältnismäßigkeit“ → FE umfasst folgende Stufen: Stufe 1: Freiheitsentzug ohne Ausgang Stufe 2: Gelockerter Freiheitsentzug mit begleitetem Ausgang Stufe 3: Gelockerter Freiheitsentzug mit unbegleitetem Ausgang Stufe 4: Wegfall des Freiheitsentzugs

7.Das „Rheinische Modell“ - FE →Eingespieltes Team,pädagogisches Fachpersonal mehrjähr. Erfahrg. m. Schwerstverhaltensgestört. →Doppeldienst über Tag, Nachtdienst 1 Person →Rufbereitschaft für Krisen (max. 20 Min. entfernt) →Supervision, jährl. praxisorientierte Fortbildungen

7.Das „Rheinische Modell“ - FE →Wird FE notwendig, hat die Einrichtungsleitung dies festzustellen →Pädagoge führt zur „Leib- oder Lebensgefahr“ regelmäßige Gefährdungsprognosen durch →Sicherst. Tel.kontakt MJ - fallführendes JA →Begleitung durch Facharzt KJP

8.Rheinisches Modell - Konzept der FB →Zeitweiliger Verschluss d. Gruppentür o. „Sichent- fernen“ erschwert durch intensive Tagesstruktur u. Druck: Hilfeabbruch o. U- Haft - Androhg/ §71IIJGG →Abgrenzung zu anderen Intensivgruppen: zeitweiliges Verbot des Einzelausgangs →“Eigen- o. Fremdgefahr“: Aufsicht u. Erziehung ge- koppelt: pädagogische Vereinbarung/ Freiwilligkeit

8.Rheinisches Modell - Konzept der FB →Einrichtungsleitung und Gruppenmitarbeiter/innen mit besonderen fachlichen u. pers. Kompetenzen →regelmäßige praxisorientierte Fortbildungen →Personalschlüssel im unteren Bereich RV I (1,0- 1,3) →Sicherstellung,dass Grenze z. FE nicht überschritten

9.Pädagogische Position zum FE →„Pflicht“ jeden Landesjugendamtes ist es, generelle Regeln festzulegen, z.B. Rhein. Modell: - Erläuterung der Rechtslage - Ergänzende Hinweise Es ist einfach, aber nicht verantwortbar, nur auf die Genehmigungspraxis von Richtern zu vertrau- en, die vorrangig zivilrechtlich ausgeprägt ist

9.Pädagogische Position zum FE →Die „Kür“ beschreibt das LJA, indem es sich zur Qualifizierung der eigenen gegenüber Einrichtungen und JÄ bestehenden Beratungsfunktion auf der Grundlage der zuvor festgelegten Regeln pädagogisch positioniert

9.Pädagogische Position zum FE / Grundlagen →Wechselwirkung Pädagogik ↔ Zwang : Pädagogik kann Aufsichtsbedarf reduzieren, intensive Aufsicht fordert die Pädagogik besonders →Eine Entflechtung des Zielkonfliktes würde erz. Handeln voraussetzen,das mittels Quantität (personell, zeitlicher Umfang) und Qualität (spez. Konzept) geeignet ist, Negativwirkungen des FE (Zwang) zu begegnen

9.Pädagogische Position zum FE / Fragen →Wie wirkt sich Zwang in Form von FE auf die Pädagogik aus ? →Gibt es spezifische Konzepte für Pädagogik unter freiheitsentziehenden Bedingungen ? →Wenn ja: welchen Inhalts müssten diese sein ?

9.Pädagogische Position zum FE / Fragen →Ist es möglich, dass Freiheitsentzug integraler Bestandteil pädagogischen Handelns wird ? →welche Fähigkeiten der/des Päd. wären erforderl.? →Wie könnte eine plausible Erklärung aussehen, die nicht nur das Verhindern einer „Entweichung“ bein- haltet, sondern d. Geschlossenheit zum Inhalt der persönlichen Beziehung zw. Pädag. u. MJ macht ?

9.Pädagogische Position zum FE / Fragen →Was muss passieren, damit ein Minderjähriger die Notwendigkeit des FE einsehen kann ? →Was muss vermittelt werden ? →Was darf nicht passieren ?

9.Pädagogische Position zum FE / Voraussetzungn für ein spezifisches Konzept →Erforderlich ist Glaubwürdigkeit der/ des Pädagog. in der Doppelfunktion, die nur hergestellt werden kann, wenn die „Regeln“ des FE nicht Selbstzweck sind →Erforderlich ist,dass die Notwendigkeit und die Regeln des FE erläutert werden sowie erkennbar ist, dass sich die/ der Pädagoge/ in auch selbst an diese Regeln hält

9.Pädagogische Position zum FE/ Voraussetzungn für ein spezifisches Konzept →Solange die äußerlich geschlossene Form des Festhaltens ein Ausdruck zwischenmenschlicher, persönlicher Auseinandersetzung bleibt, könnte sie ein menschliches Geschehen und damit pädago- gisch sinnvoll sein. FE müsste also - neben der Funktion der Gefahrenabwehr - ein Instrument persönlicher Auseinandersetzung mit dem MJ sein →Fiktion ?

Freiheitsbeschränkg. ↔ Freiheitsentzug Pädagogik und/oder Zwang

10.Fazit 1. Über die Regeln des Rhein. Modells mag man streiten 2. Wichtig ist, dass LJÄ solche Regeln festlegen und diese in den päd. Prozess eingebracht werden 3. Das LJA empfiehlt in seiner Beratungsfunktion: - Intensivangebote, insbesondere mit FB, sind dem FE vorzuziehen - nur in Fällen anderweit nicht beherrschbarer Gefahrenlage werden im Einzelfall Betreuungen unter FE empfohlen, außerhalb fester Angebots- strukturen und mit richterlicher Genehmigung