Entwicklungsländer in der Weltwirtschaft II – Das Vorsorgeprinzip –

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 Präsentation transkript:

Entwicklungsländer in der Weltwirtschaft II – Das Vorsorgeprinzip – Kristin Hoffmann hoffmann@wif.gess.ethz.ch © ETH Zürich | Taskforce Kommunikation

Gegenstand des Vorsorgeprinzips Das Vorsorgeprinzip zielt darauf ab, trotz fehlender wissenschaftlicher Gewissheit bezüglich Art, Ausmaß, Eintrittswahrscheinlichkeit oder Kausalität von möglichen Schadensfällen vorbeugend zu handeln, um diese Schäden von vornherein zu vermeiden. Rechtlich-moralischer Entscheidungsrahmen zum Umgang mit Unsicherheit Dient der Risiko- bzw. Gefahrenvorsorge

Entstehung des Vorsorgeprinzips Wesen der Vorsorge wird bereits in zahlreichen Sprichwörtern reflektiert; z.B. "Better safe than sorry" VP wie es heute angewandt wird, entstand in der ersten Hälfte des 20. Jh. in Deutschland und Schweden VP ist heute v. a. in Europa ein weitgehend anerkanntes Rechtsprinzip vor allem im Bereich der Umwelt- und Gesundheitspolitik Seit den 1980er Jahren findet das VP zunehmend Eingang in die internationale Umweltpolitik; Bspw. Verankerung in der Erklärung der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung oder in der Klimarahmenkonvention von 1992

Definition des Vorsorgeprinzips Eine einheitliche Definition des VP existiert nicht Die Erklärung der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED) 1992 in Rio konkretisiert das Vorsorgeprinzip in Annex I, Prinzip 15: „In order to protect the environment, the precautionary approach shall be widely applied by States according to their capabilities. Where there are threats of serious or irreversible damage, lack of full scientific certainty shall not be used as a reason for postponing cost-effective measures to prevent environmental degradation.“

Auslegung des Vorsorgeprinzips Uncertainty does not justify inaction Uncertainty justifies action Uncertainty requires shifting the burden and the standard of proof Wiener, J.B. und Rogers, M.D. (2002): Comparing precaution in the United States and Europe. In: Journal of Risk Research 5 (4), 317-349

Auslegung des Vorsorgeprinzips: Version 1 Uncertainty does not justify inaction VP gestattet demnach Massnahmen zum Schutz der menschlichen Gesundheit und natürlichen Umwelt, auch wenn der vollständige wissenschaftliche Beweis über Wahrscheinlichkeit, Ausmass oder Kausalität des spezifischen Risikos fehlt, bzw.: Mangel an abschliessender wissenschaftlicher Sicherheit soll kein Grund für den Aufschub von Schutzmassnahmen sein Kritik: Frage nach geeigneten Massnahmen zum Umgang mit dieser Unsicherheit bleibt unbeantwortet

Auslegung des Vorsorgeprinzips: Version 2 Uncertainty justifies action stärker als Version 1 Stellt eine Aktivität eine potentielle Gefahr für die menschliche Gesundheit und natürliche Umwelt dar, soll Vorsorge getroffen werden, selbst wenn ein direkter Zusammenhang zw. Aktivität und Schaden nicht bekannt ist Kritik: auch hier bleibt die Frage nach geeigneten Massnahmen zum Umgang mit dieser Unsicherheit unbeantwortet

Auslegung des Vorsorgeprinzips: Version 3 Uncertainty requires shifting the burden and the standard of proof Stärkste Form der Auslegung Eine mit Unsicherheit behaftete Aktivität bleibt solange verboten, bis die Befürworter der Aktivität den Nachweis der Unschädlichkeit bzw. den Nachweis erbracht haben, dass das Risiko „akzeptabel“ ist Umkehr der Beweislast, d.h. statt der Schädlichkeit muss die Unschädlichkeit bewiesen werden z.B. Weissbuch der EU zum Umgang mit gefährlichen Chemikalien: “Responsibility to generate knowledge about chemicals should be placed on industry. Industry should also ensure that only chemicals that are safe for the intended purposes are produced. The Commission proposes to shift responsibility to enterprises for generating and assessing data and assessing the risks of the use of the substances”

Vorsorgeprinzip vs. principal of legality Vorsorgeprinzip als Grundlage zur Gestaltung von staatlicher Regulierungen v.a. in USA umstritten Bis in die 70er Jahre in USA tendenziell vorsorgende Umweltpolitik; Bspw. sehr frühzeitiges Verbot von verbleitem Benzin und verpflichtender Einsatz von Katalysatoren Politik der Reagan-Administration → Anwendung des Vorsorgeprinzips zur Gestaltung staatlicher Regulierungen ungeeignet, weil allein auf Basis umfassender wissenschaftlicher Beweise staatliche Eingriffe in den Markt gerechtfertigt seien

Vorsorgeprinzip vs. principal of legality Competitive Enterprise Institute: “Even the most well-intentioned precautionary measure can have terrible results. The precautionary principle’s threat to technological progress is itself a threat to public health and environmental protection. The world would be safer without it.” 1980 entschied der Supreme Court in Bezug auf den Umgang mit Benzol, dass das Vorsorgeprinzip zu fehleranfällig und teuer sei und deshalb nicht zur Anwendung kommen sollte Heute: principal of legality als Entscheidungsgrundlage zum Umgang mit Risiken

Kritische Beurteilung des Vorsorgeprinzips Bewertung von neuen Technologien Kritiker: Nichtanwendbarkeit des Vorsorgeprinzips zur Bewertung von Technologien, da die Einführung jeder neuen Technologie Risiken und negative Folgen mit sich bringt Befürworter: Vorsorgeprinzip sei keine allgemeingültige Regel, sondern Instrument zur Klärung von Auseinandersetzungen Bewertung neuer im Vergleich zu alten Technologien Kritiker: Vorsorgeprinzip werde nur auf neue Technologien angewandt und nicht auf die Technologie, die von der neuen verdrängt wird Befürwortern zufolge wäre dies ein Missbrauch des Vorsorgeprinzips, da es auf existierende und neue Technologien gleichermaßen angewandt werden müsse Missbrauch des Vorsorgeprinzips aus protektionistischen Gründen Regierungen könnten versucht sein im Namen des Vorsorgeprinzips den Import ausländischer Produkte zum Schutz der heimischen Industrie zu verbieten, obwohl es keinen Grund gibt diese Produkte als risikoreich zu klassifizieren Handelspolitische Konflikte zwischen EU und USA; bspw. Hormonfleisch

Schutz vor Missbrauch: Grundsätze zur Anwendung des Vorsorgeprinzips in der EU Anwendung des VPs sollte auf einer möglichst umfassenden wissenschaftlichen Bewertung beruhen, in der auch das Ausmaß der wissenschaftlichen Unsicherheit ermittelt wird Vor jeder Entscheidung für oder gegen eine Tätigkeit sollten die Risiken und die möglichen Folgen einer Untätigkeit bewertet werden (Opportunitätskosten)

Vorsorgeprinzip und Klimawandel Annahme zweier Handlungsoptionen zum Umgang mit anthropogenem Klimawandel: Einführung von Massnahmen zur Verringerung der CO2-Emissionen vs. Zulassung der Verdopplung der THG-Konzentration Unsicherheit: Heute besteht grössere Unsicherheit über die Folgen einer Erhöhung der THG-Konzentration, als über die ökonomischen Folgen der Einführung einer Massnahme zur Verringerung der THG Entsprechend des VP sollten Klimaschutzmassnahmen getroffen werden, obwohl nicht sicher ist, dass die Gewinne der Massnahmen die Kosten übersteigen

Verankerung des Vorsorgeprinzips in der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) In Artikel 3, Absatz 3 heisst es: Die Vertragsparteien sollen Vorsorgemaßnahmen treffen, um den Ursachen der Klimaänderungen vorzubeugen, sie zu verhindern oder so gering wie möglich zu halten und die nachteiligen Auswirkungen der Klimaänderungen abzuschwächen. In Fällen, in denen ernsthafte oder nicht wiedergutzumachende Schäden drohen, soll das Fehlen einer völligen wissenschaftlichen Gewissheit nicht als Grund für das Aufschieben solcher Maßnahmen dienen ....

Ökonomische Effizienz des Vorsorgeprinzips Das Vorsorgeprinzip aus ökonomischer Sicht: Unter welchen Bedingungen ist die Anwendung des Vorsorgeprinzips ökonomisch effizient? In welchem Zusammenhang stehen Irreversibilität und Unsicherheit mit dem Vorsorgeprinzip? Epstein (1980) sowie Arrow und Fischer (1974): Durch Irreversibilität wird für eine risiko-neutrale Gesellschaft bei frühzeitigem Handeln ein Optionswert erzeugt, weil hierdurch in der Zukunft grössere Handlungsspielräume gesichert werden → Begründung der ökonomischen Effizienz des Vorsorgeprinzips anhand der Theorie des Optionswerts (2. Teil der Veranstaltung)

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