Definition von Abschlüssen und Zertifikaten „In der Weiterbildung sind Abschlüsse und Zertifikate Nachweise über erbrachte Lernleistungen. Abschlüsse.

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Berichtspräsentation Mittelschule: Lessing-MS Freital-Potschappel
Advertisements

D. ZAMANTILI NAYIR – 8. SEMESTER
Lebenslanges Lernen Aufnahme von Lern- und Bildungsprozessen gemäß Interesse und Bedarf.
Ekkehard Nuissl von Rein Erfahrungen aus dem deutschen Programm
Pro-Skills-Hintergrundphilosophie
Drei gute Gründe eine Berufsausbildung zu haben
Berufsbildung in Österreich und in der Tourismusregion Salzburg
Tourbo meets Europe Europaweite Anerkennung und Zertifizierung von Lern- ergebnissen im Tourismus unter Einbezug einer Leistungspunktesystematik vor dem.
Auswirkungen des Bologna-Prozesses auf die Durchlässigkeit zwischen den Hochschulen und dem System der beruflichen Aus- und Weiterbildung.
Kriterien zum Vergleich von Berufsbildungssystemen
Begründer Begriffsklärung Zentrale Untersuchungsgegenstände
Evelyn Naucke Jessica Vogts
Chancen zur Stärkung de Schulsports an meiner Schule Allgemeine Überlegungen zur Qualitätsentwicklung des Schulsports helfen nur, wenn sie in der speziellen.
DIE HAUPTSCHULE ...macht stark ...und eröffnet viele Wege.
Untersuchungen zum Informationsverhalten Jugendlicher
Entwicklung von Prüfungen und Prüfungssystem
Berufliche Kompetenzentwicklung
Die besonderen Potentiale Älterer Lebenskunst/Balance Lebenserfahrung Soziale Kompetenz Soziales Verantwortungsbewusstsein/Disziplin gewachsene Netzwerke.
Deutscher Qualifikationsrahmen Ein Thema für die Weiterbildung?
Kompetenzerfassung und Kompetenzentwicklung mit dem ProfilPASS-System
Eine Klammer um alle für Berufs- und Studienorientierung
Ein Instrument von Modell F mit Unterstützung des Bundesamtes für Berufsbildung und Technologie BBT & SECO Bern, 7. September 2010.
Werkrealschule Baden-Württemberg: Pädagogisches Profil
Präsentation der Analyse der Stellungnahmen aus dem NQR Konsultationsprozess – Schwerpunkt Berufsbildung Vortrag im Modul am 23. Oktober 2008, –
Die neuen DELF und DALF Prüfungen
NÖ-Wertschöpfungskette Bildung
Europäische Kommission Generaldirektion für Bildung und Kultur
EQR und NQR – Idee und Ziele der Europäischen Kommssion
Vorlesung: Wie erfolgreich ist die Politik? Die deutsche Bilanz im internationalen Vergleich Bilanz der Bildungspolitik.
Qualitätssicherung in der Weiterbildung – Einblicke zur Praxis in Österreich Schlögl Peter Berlin, November 2010.
Lernergebnisorientierung
Gesamtschule Eine Schule für alle.
Workshop Informell erworbene Kompetenzen im Unternehmen nutzen – Kompetenzpässe für die betriebliche Praxis Kompetenzpässe – Charakteristika und betrieblicher.
Prof. Dr. Gerd Egloff, TU Darmstadt
NQF Inclusive Projektidee & Ergebnisse AT Abschlusskonferenz Gleisdorf,
1 Abschlussqualifikationen und Arbeitsmarkt Differenzierte Abschlussprofile als Herausforderung für die Berufsbildung im Gesundheitswesen Josef Widmer.
BQF-Themen-Netzwerk „Kompetenzfeststellung“
Stellenwert der Fachschulen im agrarischen Bildungssystem
Birgit Wittenberg Kompetenzzentrum eLearning Niedersachsen
Dr. Michael Miller Landeskonferenzen SfE, Mai 2008 Bildungspolitischer Referenzrahmen Schulen für Erwachsene Kompetenzorientierung und zentrale Prüfungsaufgaben.
Projekt: Schüler verbessern ihren Unterricht
Projekt: Schüler verbessern ihren Unterricht
als Aufgabe der Schulen
- die Schaffung eines Systems leicht verständlicher und vergleichbarer Abschlüsse - ECTS/Modularisierung - die Schaffung eines zweistufigen Systems.
Zwei Themenkreise Top down: Validierung von Bildungsleistungen bzw. "andere Qualifikationsverfahren" (aQV: BBG, Art. 33), meist kombiniert mit Nachholbildung.
Entwicklung von Fähigkeiten und
LLL-Strategie 2020 Projekttag für Comenius und Grundtvig- Partnerschaften, 30. September 2010 Martin Netzer.
Qualifikation und Werteorientierung Berufliche Bildung in der Diakonie.
Auf dem Weg zum kompetenzorientierten Unterricht
Anerkennung von Weiterbildungsleistungen der Beschäftigten
Ansatzpunkte und Aspekte der Qualitätssicherung von E-Learning-Weiterbildungskursen Worshop zur Qualitätssicherung im Rahmen des TEMPUS-Projekts TEMPUS-DE-TEMPUS-JPHES.
Erfahrungsaustausch der Ergebnisse der DQR-Erprobungsphase in den Berufs- und Tätigkeitsfeldern Metall / Elektro, Gesundheit, Handel und IT Veranstaltung.
Warum (nicht) einfach lieben?
Univ.-Prof. Dr. Ada Pellert Donau-Universität Krems Department für Weiterbildungsforschung und Bildungsmanagement Vorschläge zur Implementierung einer.
Workshop Vom September 2010 in LONDON 1.
Allgemeine Bildungsziele versus Funktionen der Schule
Wissenschaftliche Begleitung: Erkenntnisse und Perspektiven
Dagmar Much Empirische Erhebung Bildungsträger und Bildungsplaner.
Nachholbildung und Grundkompetenzen: Herausforderungen und Modelle, die den Zugang zur Bildung und zur Arbeit erleichtern. l … „mit einer Renaissance des.
Mehr Fachkräfte für die Schweiz Bern, 20. Mai 2015.
Das Projekt „European Workplace Tutor“
Evaluation der Großtagespflege im Landkreis Schaumburg Mai 2009 – April 2011 Vortrag am in Oldenburg Prof. Dr. Joachim Romppel Fachhochschule.
Fachtagung der Bundesvereinigung Lebenshilfe: Migration und Behinderung: Zugangsbarrieren erkennen – Teilhabe ermöglichen 29.–30. September 2015 in Berlin.
Beruflichkeit: Erosion, Stabilität, Expansion? – Entwicklungstendenzen im Ingenieurwesen Prof. Dr. Margret Bülow-Schramm (Universität Hamburg) Entwicklungstendenzen.
Das Schweizer Weiterbildungsgesetz Entstehung - Regelung - Auswirkungen Bernhard Grämiger, Stv. Direktor SVEB Berlin, 4. November 2015.
OER-Festival 2016 Berlin - #OERde16 – OER-Fachforum Panel PaB16: OER und Qualitätssicherung , Uhr Input: Qualitätssicherung als Prozess.
6. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (Dresden, September 2002) DGGG: FB IV - Forum Geragogik in der lernenden.
© Best Bildungs-GmbH Verkaufsleiter-/Vertriebsleiterausbildung mit international anerkanntem Bildungsabschluss Bachelor professionell of Sales & Distribution.
Silvia Annen Bundesinstitut für Berufsbildung, Bonn
Workshop 1: „Instrumente für nachhaltige Erfolge bei der Integration in Arbeit“ Moderation: Frau Gesa Sternkopf (DE) und Frau Seija Aalto (FI)
 Präsentation transkript:

Definition von Abschlüssen und Zertifikaten „In der Weiterbildung sind Abschlüsse und Zertifikate Nachweise über erbrachte Lernleistungen. Abschlüsse und Zertifikate sind mit Prüfungen verbunden und unterscheiden sich dadurch von Teilnahmebescheinigungen, die lediglich Auskunft über den Besuch einer Bildungsveranstaltung geben. Abschlüsse sind Lernnachweise, die von offiziellen Stellen (...) vergeben werden und oftmals gesetzlichen Regelungen unterliegen. Durch diesen höheren Grad an Formalisierung und öffentlicher Regulierung unterscheiden sich Abschlüsse von Zertifikaten, wenngleich eine klare Trennung in der Praxis schwer fallen kann. Neben Abschluss und Zertifikat existieren noch weitere Bezeichnungen für Lernnachweise in der Weiterbildung (z.B. Diplom, Pass), die eine regionale, sektor- bzw. themenspezifische Bedeutung haben.“ Käpplinger 2007, S. 19

3s research laboratory, Zertifikate oder Qualifikationen? Eine gängige Definition von Qualifikation „Qualifikation [ist] das formale Ergebnis eines Beurteilungs- und Validierungs- prozesses, bei dem eine dafür zuständige Stelle festgestellt hat, dass die Lern- ergebnisse einer Person vorgegebenen Standards entsprechen.“ Quelle: EMPFEHLUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 23. April 2008 zur Einrichtung des Europäischen Qualifikationsrahmens für lebenslanges Lernen

Ca. jede fünfte Kursteilnahme in der dt. Erwachsenen- bildung schließt mit einem Zertifikat oder Abschluss ab Quelle: BMBF 2013, S. 12

Zertifikatstypologie (Berliner Studie) Quelle: Käpplinger 2007, S KurseStunden- volumen A)Weiterbildungszertifikate in Verknüpfung mit anderen Bildungsbereichen, z.B.: Nachholen von Schulabschlüssen, Mappenvor- bereitungskurse, bestimmte Sprachkurse für Universitäten 115 (2,4%) (1,7%) B) Weiterbildungszertifikate in Verknüpfung mit dem Berufsbildungsystem, z.B. Meisterkurse, Fortbildungsprüfungen, komplementäre Nachweise (43,5%) (82,1%) C) Weiterbildungszertifikate, die auf weiterbildungsspezifischen Systematiken basieren, z.B. IT-Kurse, Europäischer Sprachenrahmen, Träger-/Verbandzertifikate (54,1%) (16,2%) Total (100%) (100%)

3s research laboratory, Quelle: Markowitsch 2009www.3s.co.at Typologie von Qualifikationen Haupt- qualifikationen Teil-, Zusatz- oder Spezialqualifikationen Teil des öffentlichen-formalen Bildungssystems Reife- und Diplom- prüfung, akade- mische Grade, etc. Teilabschlüsse von Universitätslehrgänge oder der BRP Nicht Teil des öffentlich- formalen Bildungssystems, jedoch gesetzlich geregelt SchilehrerInnen-, TaxilenkerInnen-, ZiviltechnikerInnen- prüfung etc. Erste Hilfe Kurse sowie diverse Lenker- berechtigungen Nicht Teil des öffentlich- formalen Bildungssystems und nicht gesetzlich geregelt „SAP Business Process ManagerIn“, Yoga-TrainerIn, etc. Sprachenzertifikate (z.B. TOEFEL, etc.) oder IT-Zertifikate (z.B. ECDL)

3s Unternehmensberatung, Ein anderer Blick auf Zertifikate Sichtbarmachung Anerkennung Zertifizierung Validierung Bewertung des Lernens Zufälliges Lernen Informelles Lernen Non-formales Lernen Formales Lernen Zugang zum Arbeitsmarkt Gewerbeberechtigung, Befähigungsnachweise, Zertifizierungen gemäß EN ISO/IEC Zugang zum Bildungssystem Externistenprüfungen, Berufsreifeprüfung, Zugang zu Fachhochschulen und Universitätslehrgängen Betrieblicher Personalentwicklung Arbeitszeugnisse, firmeninterne Zertifizierungen Produkt-Schulungszertifikate, Individuelle Kompetenzentwicklung Portfolios, Bildungspässe, ProfilPASS, Kompaz, Schweizerische Qualifikations- handbuch

Abschlüsse und Zertifikate im Geflecht der Interessen Quelle: Käpplinger 2007, S. 13

Zertifikate in der Weiterbildung und Arbeitsmärkte - Faulstich/Vespermann (2001) verdeutlichen das sogenannte Poaching- Problem mit dem Zitats eines Personalverantwortlichen: „Da ich viel in ihn investiert habe, möchte ich das als Unternehmensvertreter gar nicht, sondern möchte ihn halten und wäre unter diesem Aspekt mit einer Zertifizierung eher zurückhaltend. Mir ist allerdings bekannt, dass die Mitarbeiter ein gegenteiliges Interesse haben.“ - Zertifikate bewegen sich mehrfach im „Zwischen“. Einerseits zwischen Bildungssystem und Arbeitsmärkten und andererseits z.B. zwischen verschiedenen Bildungsbereichen: „Zertifikate kommunizieren Selektionen.“ (Kade 2005, S. 506)

Verschiedene Interessen führen zu verschiedenen Funktionen von Zertifikaten und Abschlüssen Kell (1982, S. 291f) listet neun Funktionen von Nachweisen auf: 1. Lernanreizfunktion (Berechtigungen schaffen Motivation zum Lernen) 2. Beurteilungsfunktion (Zertifikate dokumentieren Urteile über Lernergebnisse) 3. Disziplinierungsfunktion (der Nichterwerb oder Erwerb eines Zertifikats erzeugt Leistungsdruck) 4. Informationsfunktion (Aussagen über die Lernenden und ihr Wissen) 5. Allokationsfunktion (Orientierung bei der Platzierung von Absolventen) 6. Selektionsfunktion (Zertifikate helfen bei der Bewerberauswahl) 7. Optionsfunktion (weitere Zugangsmöglichkeiten zu Bildungsgängen und beruflichen Laufbahnen) 8. Monopolisierungsfunktion (Zertifikate begrenzen Zugänge und wirken so limitierend auf Konkurrenzsituationen) 9. Herrschaftsfunktion (Legitimierung der Besetzung von Machtpositionen)

Anforderungen an ein erwachsenengerechtes Zertifikatssystem (vgl. Schulenberg 1974) 1.Anpassungsfähigkeit der Zertifikatssysteme an neue gesellschaftliche Entwicklungen 2.Ausbaumöglichkeiten der Zertifikatssysteme bei neuen Bildungsbedarfen 3.Anschlussfähigkeit der Zertifikatssysteme an andere Bildungsbereiche 4.Sammeln von Zertifikaten über eine Akkumulation von Teilqualifikationen 5.Zeitliche und räumliche Unabhängigkeit bei der Sammlung von Teilqualifikationen 6.Räume der Eigenverantwortung und eigenverantwortlichen Schwerpunktsetzung für die Lernenden 7.Akzeptanzsicherung der Zertifikate bei Nachfragern im Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt

Abschlüsse und Zertifikate: Umstrittene, aber nicht wegzudenkende Elemente von Bildungssystemen -„Abschlüsse, die wieder neue Lernanschlüsse generieren.“ (Nittel 1996) -„Die Gründe für die erneute Diskussion um Zertifikate und Abschlüsse sind eng verbunden mit der ökonomisch motivierten bildungspolitischen Debatte um das lebenslange Lernen.“ (Nuissl 2000, S. 111) -„Schicksalsstunden bestimmen hier über Lebenswege. Es sieht so aus, als ob manchesmal Minuten über Jahrzehnte entscheiden.“ (Tietgens 1984, S. 243) -Abschlüsse „waren ja das Vehikel der liberalen bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts, um ständische und zunftgebundene Privilegien auszuhöhlen und zu beseitigen. Es ist damit auch ein Mittel des sozialen Aufstieges.“ (Oehler 1980, S. 125). -„In den vergangenen Jahrzehnten hat in Deutschland eine Angleichung an das altchinesische Bürokratiemodell dergestalt stattgefunden, dass die Höhe eines Bildungsabschlusses die zukünftigen Status- und Einkommenschancen reguliert.“ (Volkholz/Köchling 2001, S. 381) -„Bildung oder Qualifikation?“ (Kade 1983)

Was haben diese beiden Persönlichkeiten gemein? © ©wikipedia

Erwachsenenbildungseinrichtungen treten in Österreich seit etwa 15 Jahren verstärkt als Anbieter formaler (abschlussbezogener) Erwachsenenbildung auf:  Vorbereitungskurse für den Hauptschulabschluss  Berufsreifeprüfung  berufsbegleitender Fachhochschul-Studiengänge Megatrends der Erwachsenenbildung Entgrenzung der Bildung, Pädagogisierung bzw. Universalisierung der Pädagogik, Professionalisierung, Ökonomisierung der Bildung, Vocationalism (Verberuflichung), Formalisierung … Beispiele für Formalisierungstrend

Wie soll sich die Erwachsenenbildung im stetig wachsenden Angebot der öffentlichen Zertifikate und Industriezertifikate positionieren? Welche Rolle spielen Zertifikate in der zunehmenden Verflechtung von formalen und non-formalen Lernen sowie Erstausbildung und Weiterbildung und welche Auswirkungen sind für die Erwachsenenbildung zu erwarten? Bedarf es national bzw. international eines Klassifizierungssystems der Qualifikationen? Und wenn ja, wie sollten Eckpunkte aussehen? Welche realen Auswirkungen haben Zertifikate auf Lehr- und Lernprozesse? Erhöhen Sie die Qualität der Lehrangebote? Befördern Sie rein instrumentell abschlussorientierte Lernhaltungen? Diskussionsanreize

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Wir freuen uns auf Ihre Fragen und Kommentare!