Silvia Annen Bundesinstitut für Berufsbildung, Bonn

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 Präsentation transkript:

Silvia Annen Bundesinstitut für Berufsbildung, Bonn Schnittstellen in der beruflichen Erwachsenenbildung – Funktion und Bedeutung von Abschlüssen Silvia Annen Bundesinstitut für Berufsbildung, Bonn KEBÖ Jahrestagung 2014, Wien Dr. Silvia Annen

Traditionelle Ziele der Erwachsenenbildung ursprüngliche Zielsetzung: zweckfreie Bildung zunehmend Funktion, auf Bildungsbedürfnisse zu reagieren, die sich aus den Ansprüchen von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft ergaben Seit 1970 gewinnen die berufliche Orientierung, die Ausrichtung auf formale Abschlüsse und die Systematisierung sowie ein neues Verständnis von Weiterbildung an Bedeutung. Quelle: KMK 2013 Dr. Silvia Annen

Ziele und Leitgedanken der Erwachsenenbildung heute Bei Fortentwicklung des Bereichs der Weiterbildung im Rahmen des lebenslangen Lernens sollen Grundlagen dafür geschaffen werden, dass Einzelner die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen entwickelt, die für lebensbegleitendes Lernen erforderlichen Kompetenzen erwirbt, institutionalisierte sowie neue Lernmöglichkeiten in seinem Lebens- und Arbeitszusammenhang nutzt. Leitgedanken sind dabei: Stärkung der Eigenverantwortung sowie Selbststeuerung der Lernenden Abbau der Chancenungleichheiten Kooperation der Bildungsanbieter und Nutzer Stärkung der Bezüge zwischen allen Bildungsbereichen Quelle: KMK 2013 Dr. Silvia Annen

Grundsätze der Weiterbildung in Deutschland Weiterbildung in geringerem Umfang durch Staat geregelt als andere Bildungsbereiche Grund: vielfältigen und sich rasch wandelnden Anforderungen an Weiterbildung kann am besten durch Struktur entsprochen werden, die durch Pluralität und Wettbewerb der Träger und der Angebote gekennzeichnet ist Freiwilligkeit leitender Grundsatz für Teilnahme an Weiterbildung Quelle: KMK 2013 Dr. Silvia Annen

Abschlussbezogene Weiterbildung Abschlussbezogene Weiterbildung (staatlich anerkannte Prüfung) bis 1960er Jahre eher Ausnahme, da mit traditionellem Selbstverständnis nicht vereinbar Bildungsverständnis, in dem Entwicklung individueller Persönlichkeit als nicht abschließbarer Prozess gedacht wird, wird durch Abschlüsse konterkariert (Kuper 2004) Seit 1960er Jahre verstärkte Bemühungen um Erwerb von Qualifikationen, Abschlüssen und Zertifikate (vor allem in beruflicher Weiterbildung) Große Nachfrage, aber Vielzahl der Angebote kaum vergleichbar Insbesondere Etablierung von Zertifikatssystemen bei Volkshochschulen und Kammern Föderalismus erschwert bundesweite Durchsetzung von Abschlüssen und Zertifikaten, soweit nicht bundeseinheitlich geregelt (BBiG, HwO) Quelle: Reutter 2010 Dr. Silvia Annen

Abschlussbezogene Weiterbildung Erwartung von mehr Vergleichbarkeit und Verbindlichkeit wurde aufgrund fehlender Systematisierung des Bildungssektors und damit verbundener Intransparenz nur begrenzt erreicht Versuch einer Vereinheitlichung durch Vergabe von Berufsbildungspässen in den 1970er Jahren war nicht erfolgreich Aber aktuell wird Diskussion um Berufsbildungspässe aus europäischen Kontext wieder angestoßen und um Debatte um die Erfassung nicht formal erworbener Kompetenzen erweitert (Beispiele: „bilan de compétences“ in F, „Accreditation of Prior (Experiential) Learning“ (AP(E)L) in UK, „ProfilPass“ in D) Drei Typen abschlussbezogener Weiterbildung: staatlich anerkannte Abschlüsse, insb. in der beruflichen Weiterbildung und im Nachholen von Schulabschlüssen weiterbildungsspezifische Abschlüsse, die sich vorrangig auf beruflich verwertbare Inhalte und auf Fremdsprachen beziehen (im IT-Bereich insb. Herstellerzertifikate) organisationsspezifische Abschlüsse, bei denen Qualifikationen zertifiziert werden, die vor allem innerhalb der jeweiligen Organisation von Bedeutung und anerkannt sind Quelle: Reutter 2010 Dr. Silvia Annen

Vielfältige rechtliche Grundlagen Im europäischen Strukturrahmen vor allem Artikel 47 (Freizügigkeit und freier Dienstleistungs- und Kapitalverkehr, gegenseitige Anerkennung von Diplomen, Zeugnissen und sonstigen Zertifikaten) -> jedoch Beschränkung auf beruflichen Bereich Weitere Vereinheitlichung in Europa durch „Europass“, Gemeinsame Prinzipien zur Validierung von Kompetenzen sowie ECVET und EQR Regelungen auf Bundesebene: berufliche Fortbildungsabschlüsse, Fortbildungen in IT-Berufen, im Gesundheits- und Pflegewesen, Meisterprüfungen, Ausbildereignung, Fernunterricht, wissenschaftliche Weiterbildung, Weiterbildungsförderung im SGB III sowie (personengruppenspezifisch) die Weiterbildung von Beamten und Soldaten Regelungen auf Länderebene: Weiterbildungsgesetze der Länder, Hochschulgesetze und Bestimmungen für den zweiten Bildungsweg; Unterschiedlichkeit Daneben Kammerregelungen auf Grundlage des Berufsbildungsgesetzes Quelle: Nuissl 2010 Dr. Silvia Annen

Abschlüsse in der beruflichen Fort- und Weiterbildung Zulassungsbedingungen Berufliche Weiterbildung richtet sich an Zielgruppen mit unterschiedlichsten Bildungsvoraussetzungen (Arbeitslose ohne Schul- und Berufsabschluss bis zur Führungskraft) Abschlusszeugnis Nur Teil der Maßnahmen beruflicher Weiterbildung darauf ausgerichtet, auf gesetzlich geregelte oder von den Kammern verliehene Abschlüsse vorzubereiten Quelle: KMK 2013 Dr. Silvia Annen

Weitere Weiterbildungsbereiche und deren Abschlüsse Als Abschlüsse in der wissenschaftlichen und künstlerischen Weiterbildung werden Zertifikate, bei weiterbildenden Studiengängen auch Hochschulgrade erworben Für die Leistungsbeurteilung und die Prüfungen in der schulabschlussbezogenen Weiterbildung gelten vergleichbare Grundsätze und Zielvorstellungen wie im Sekundarbereich. Für Angebote der allgemeinen und politischen Weiterbildung bestehen in der Regel keine Zugangsvoraussetzungen. Quelle: KMK 2013 Dr. Silvia Annen

Zur Bedeutung von Zertifikaten in der Weiterbildung Zertifikate in Weiterbildung immer wichtiger aufgrund der Verzahnung der Bildungsbereiche sowie der Verzahnung des Berufslebens mit der Weiterbildung dabei ist internationale, vor allem europäische Dimension der Anerkennung von Zertifikaten bedeutsam Begriffliche Unterscheidung zwischen Teilnahmebescheinigungen, Zertifikaten und Abschlüssen Zahlenmäßig am häufigsten sind Zertifikate (meist Sprachenbereich, IT und berufsbezogene Kurse) insgesamt (geschätzt) knapp eine Million Zertifikate und Abschlüsse pro Jahr Quelle: Reutter 2010 Dr. Silvia Annen

Zertifikate und Abschlüsse - Begriffliche Unschärfen Für den Bereich der Erwachsenen- bzw. Weiterbildung gibt es in Deutschland keine allgemeingültige Definition des Zertifikatsbegriffs Vorhandene Definitionen sind rudimentär Ähnliche Situation hinsichtlich der Begriffe Abschluss, Nachweis oder Zeugnis Zertifikate sind oft mit einer offiziellen Anerkennung verbunden, die mit staatsnahen oder staatlichen Institutionen in Verbindung steht. Quelle: Käpplinger 2007 Dr. Silvia Annen

Unterscheidung der Begriffe Abschluss, Zertifikat und (TN-)Bescheinigung Quelle: Annen 2012 Dr. Silvia Annen

Polyfunktionalität von Zertifikaten ergeben sich aus Zusammenhang zwischen Zertifikaten und Lernprozess sowie Verwendungssituationen Lernanreizfunktion Beurteilungsfunktion Disziplinierungsfunktion Informationsfunktion Allokationsfunktion Selektionsfunktion Optionsfunktion Monopolisierungsfunktion Herrschaftsfunktion Lernanreizfunktion: die mit den Zertifikaten verbundenen Berechtigungen schaffen Motivation zum Lernen. Beurteilungsfunktion: Durch Zertifikate werden Urteile über Lernergebnisse dokumentiert. Disziplinierungsfunktion: Leistungsdruck entsteht durch den drohenden Nichterwerb eines Zertifikats. Informationsfunktion: Zertifikate enthalten Informationen über die Lernenden sowie deren Wissen. Der Wert der Zertifikate hängt von ihrer Aussagekraft ab. Allokationsfunktion: Die durch Zertifikate nachgewiesenen Qualifikationen bieten Orientierung für die Platzierung der Absolventen von Lernprozessen auf dem Arbeitsmarkt. Selektionsfunktion: Zertifikate weisen ihren Inhabern soziale Positionen zu entsprechend den Hierarchien in Betrieben ebenso wie in der Gesellschaft. Optionsfunktion: Mit Zertifikaten sind Zugangsmöglichkeiten oder -rechte zu weiteren Bildungsgängen oder beruflichen Laufbahnen verbunden.483 Monopolisierungsfunktion: Durch Zertifikate werden Zugänge begrenzt, weshalb sie auf bestehende Konkurrenzsituationen wettbewerbsbeschränkend wirken. Herrschaftsfunktion: Zertifikate legitimieren den Aufstieg in betriebliche und gesellschaftliche Machtpositionen und die Machtausübung. Quelle: Kell 1982 Dr. Silvia Annen

Ausgestaltung und Inhalte von Zertifikaten und Abschlüssen Zertifikate und Abschlüsse legen in der Regel folgende Bereiche fest: Geltungsbereich (Personengruppen und Einsatz- und Verwendungsfelder) Nachgewiesene Qualifikationen (unterschiedlicher Differenzierungsgrad; keine Standardisierung) Zugangsvoraussetzungen (Person sowie curriculare Lernprozesse, die zuvor absolviert sein müssen) Prüfungsverfahren (in der Regel standardisiert, transparent, verbindlich und überprüfbar formuliert) Prüfungsinstitutionen und -gremien (in der Regel Berechtigung durch staatliche Stellen notwendig; weitere formale Regeln) Zeugnisse (Gestaltung; Bewertung in Einzelprüfungen bzw. Gesamtprüfung; Bezeichnung der Prüfungsfächer) Quelle: Nuissl 2010 Dr. Silvia Annen

Bedeutung von Zertifikaten und Abschlüssen für verschiedene Akteure Funktion von Zertifikaten und Abschlüssen in vier Kontexten sichtbar: Erwerber der Zertifikate (Nachweis von Lernerfolg bzw. Lernleistung; Motivierung zu weiteren Lernprozessen; Positionierung auf dem Arbeitsmarkt) Interessenten an zertifizierter Kompetenz (Betriebe: Selektionsinstrument; Bildungssystem: Zugangsberechtigung) Zertifizierende Instanz (Zertifizierungsrecht als Aufwertung; oft Monopolfunktion; Herrschaftsfunktion) Gesellschaft oder einzelne gesellschaftliche Gruppierungen (Selektionsfunktion; ordnungsstiftende und standardsetzende Funktion) Quelle: Nuissl 2010 Dr. Silvia Annen

Anerkennung von Zertifikaten Anerkennung von Zertifikaten ist höchst unterschiedlich und abhängig von deren Art Vielfach ist Anerkennung Frage des Marktes Übergreifende Qualitätsmerkmale existieren kaum Konkrete Anerkennungsverfahren und Richtlinien gibt es in Berufsausbildung, bei den allgemeinbildenden Schulen und bei den Hochschulen Stellenwert der Zertifikate höher wenn Teil eines Zertifizierungssystems oder durch entsprechende staatliche oder statuszuweisende Funktionen im betrieblichen Kontext ausgewiesene Einmündungsstruktur haben Erwartung: Zertifikate spielen im Rahmen des zunehmend realisierten lebenslangen Lernens immer größere Rolle Quelle: Nuissl 2010 Dr. Silvia Annen

Informations- bzw. Signalfunktion von Zertifikaten Zertifikate stellen in standardisierter Form Informationen über Wissensstand bereit (z.B. durch Noten bzw. Bewertungen) Sie enthalten Informationen über den vergangenen Lernprozess (z. B. Dauer und vermittelte Inhalte) Diese Informationen aus der Gegenwart und der Vergangenheit nutzen die Rezipienten der Zertifikate, um auf ihrer Grundlage Vermutungen über die Zukunft anzustellen Signaling Theorie Quelle: Käpplinger 2007 Dr. Silvia Annen

Doppelte Informationsasymmetrie im Prozess der Anerkennung Quelle: Annen 2012 Dr. Silvia Annen

Zusammenhang zwischen Kompetenz, Performanz und Zertifikaten Unterscheidung zwischen: Performanz-Prüfung und Dokumenten-Prüfung Quelle: Annen 2012 Dr. Silvia Annen

Unterscheidung der Lernformen Nicht-formales Lernen ist nicht zwangsläufig abschlussbezogen, jedoch wie formales Lernen stets institutionell organisiert Informelles Lernen ist grundsätzlich ohne Abschlussbezug und nicht organisiert, oft auch ungeplant und unbewusst. Dr. Silvia Annen

Zielsetzungen des EQR und des DQR Quelle: Gutschow 2014 Dr. Silvia Annen

Grundproblematik des DQR Die DQR-Deskriptoren der Kategorien Wissen und Fertigkeiten (Fachkompetenz) sowie Sozialkompetenz und Selbstständigkeit (Personale Kompetenz) beschreiben zu Kompetenzen gebündelte Lernergebnisse In den DQR eingeordnet werden hingegen nicht Kompetenzen, sondern Qualifikationen, die wiederum standardisierte Kompetenz-bündel darstellen. Quelle: Gutschow 2014 Dr. Silvia Annen

Einordnung der Qualifikationen in den DQR Quelle: DQR Handbuch 2014 Dr. Silvia Annen

Abschlüsse formaler Weiterbildung versus non-formale Bildung In Deutschland existiert in der formalen Weiterbildung eine etabliertes und breit akzeptiertes Prüfungssystem der Kammern. Es führt zu staatlich anerkennten Fortbildungs-abschlüssen. Diesen Abschlüssen wird vertraut, da das System objektiv und transparent ist. Im Bereich der nicht-formalen Bildung existieren unterschiedliche Standards, die in der Regel nicht denen der formalen Bildung entsprechen (andere Gestaltung der Lernprozesses und der Validierung der Lernergebnisse). Zur Einbeziehung von Qualifikationen des nicht-formalen Bildungsbereichs in den DQR wurde von BMBF und Kultusministerkonferenz im April 2013 eine Expertenarbeitsgruppe eingerichtet. Dr. Silvia Annen

Berücksichtigung non-formalen und informellen Lernens im DQR Quelle: Gutschow 2014 Dr. Silvia Annen

Probleme im Bereich non-formalen Lernens Nicht-formale Lernprozesse führen häufig nicht zu einem Abschluss Für eine Einordnung in den DQR benötigen sie daher ein Validierungsverfahren Ein weiteres Problem stellen die Anteile informellen Lernens sowohl im Bereich des nicht-formalen als auch des formalen Lernprozesse dar (es wird stets mehr gelernt als durch ein Zertifikat oder einen Abschluss bestätigt wird) Letzteres spielt insbesondere im Bereich der formal geregelten Fortbildung eine wichtige Rolle hinsichtlich der Zulassungsvoraussetzungen Dr. Silvia Annen

Probleme im Bereich non-formalen Lernens Gleichwertigkeit verschiedenartiger Qualifikationen bzw. Kompetenzbündel führt derzeit nicht direkt zu mehr Durchlässigkeit Entscheidung bleibt letztendlich bei der aufnehmenden bzw. anerkennenden Organisation/Institution Hier sind gesetzliche Regelungen erforderlich, um Grundlagen für mehr Durchlässigkeit zu schaffen und/oder Kooperationen bzw. Netzwerke Dr. Silvia Annen

Überblick und Systematisierung des Prozesses der Anerkennung Quelle: Annen 2012 Dr. Silvia Annen

Wesentliche Anforderungen für den non-formalen Bereich Identifizierung und outcome-orientierte Dokumentation der Lernergebnisse An transparenten Standards orientierte Bewertung/Beurteilung sowie Validierung der Lernergebnisse Ggf. Notwendigkeit der Akkreditierung weiterer Organisationen/Institutionen für Zertifizierung Verhältnis zu formalen Qualifikationen ist zu klären Insgesamt outcome-orientierte Gestaltung der Standards in allen Bildungsbereichen Dr. Silvia Annen

Potenziale für Anbieter der Erwachsenenbildung Stärkere Berücksichtigung von Qualitätssicherungsaspekten Neuetablierung der Angebote auf institutioneller, organisatorischer und inhaltlichen Ebene Festlegung definierter und abgesicherter Standards Transparente Lernergebnisorientierung als Bildungsmarketinginstrument Quelle: Fuchs 2011 Dr. Silvia Annen

Potenziale für und Anforderungen an Beschäftigte Dokumentation und Validierung informell und non-formal erworbener Kompetenzen sowie deren Zuordnung zum DQR können berufliche Mobilität von Quereinsteiger/innen erhöhen - z.B. von in Erwachsenenbildung tätigen Dozent/innen, die in vielen Fällen nicht über eine formale Qualifikation der Erwachsenenbildung verfügen (siehe BMBF 2004) Pädagogisches Personal ist hinsichtlich outcome- oder lernergebnisorientierter Planung und Beschreibung von Kursen zu informieren und zu qualifizieren Förderung von Qualitätssicherung, Professionalitäts- und Organisationsentwicklung Quelle: Fuchs 2011 Dr. Silvia Annen

Potenziale für und Anforderungen an Beschäftigte Für nicht reguliertes Berufsfeld der Erwachsenen-bildner/innen ist DQR Chance, pädagogische Kompetenz im Erwachsenenbildungsbereich deutlich und beruflich verwertbar zu machen Beispiele: pädagogische Fortbildungen für Erwachsenenbildner/innen der Volkshochschulen (z.B. Kursleiter/innenfortbildungen, VHS-Grundlagenqualifikationen Erwachsenenbildung, Lernberater/in oder Lernbegleiter/in) Quelle: Fuchs 2011 Dr. Silvia Annen

Netzwerk der Anerkennung Das Ziel der Durchlässigkeit ermöglicht neuartige regionale und bildungsbereichsübergreifende Kooperationen und Netzwerke (Volkshochschu-len, Kammern, Hochschulen und Betriebe). Quelle: Annen 2012 Quelle: Fuchs 2011 Dr. Silvia Annen

Typologie der Anerkennung von Kompetenzen Quelle: Annen 2012 Dr. Silvia Annen

Thesen zur Typologie Nur die Verfahren des integrativen Typs decken den gesamten Prozess der Anerkennung ab. Eine umfassende Performanz-Prüfung findet nur im Rahmen der Verfahren des autonomen Typs statt. Den Anforderungen des non-formalen und insbesondere des informellen Lernens werden am besten die Verfahren des sekundierenden Typs gerecht. Dr. Silvia Annen

Weitere Argumente und Ausblick Angebote der Weiterbildung weisen teilweise bereits stark formalisierte Lernprozesse auf. Kritik an traditioneller Differenzierung in berufliche und nicht berufliche Weiterbildung. Fokussierung auf formales Lernen im DQR: Gefahr, dass nicht zertifizierte und nicht standardisierte – aber dennoch beruflich relevante – Lernprozesse vernachlässigt werden. Wichtig ist gemeinsames Begriffsverständnis des non-formalen und informellen Lernens sowie Festlegung, wann von „Qualifikationen“ in der Weiterbildung gesprochen werden kann. Dr. Silvia Annen

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Kontakt: annen@bibb.de Dr. Silvia Annen

Struktur der EQR-Niveaus Quelle: Europäische Kommission 2008 Dr. Silvia Annen

Struktur der DQR-Niveaus Quelle: DQR Handbuch / Grundlage DQR-Dokument 2011 Dr. Silvia Annen

Definitionen der Subkategorien des DQR Quelle: DQR Handbuch 2014 Dr. Silvia Annen

Definitionen der Subkategorien des DQR Quelle: DQR Handbuch 2014 Dr. Silvia Annen

Beispiel: 3-jährige Ausbildungsberufe auf Niveau 4 Quelle: DQR Handbuch 2014 Dr. Silvia Annen