Übung: Recht 1 – Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Grundlagen RA Philipp Franke, wiss. Mit. 2. Stunde Fall 1: Im Mai 2010 erlässt der Bundesgesetzgeber.

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Übung: Recht 1 – Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Grundlagen RA Philipp Franke, wiss. Mit. 2. Stunde Fall 1: Im Mai 2010 erlässt der Bundesgesetzgeber formell ordnungsgemäß ein Gesetz, durch das mehrere steuerliche Sondertatbestände, die bestimmte Einkommen steuerfrei stellen, gestrichen werden. Das Gesetz tritt auf Grund finanzieller Engpässe bereits zum in Kraft. Hierdurch drohen dem Kläger K sowohl für das Jahr 2009 als auch das Jahr 2010 Einbußen von mehreren Tausend Euro. Bezüglich des Jahres 2010 macht das Finanzamt zutreffend geltend, dass der staatliche Steueranspruch erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums, also erst zum Ende 2010 entstehe. Nachdem K den Rechtsweg erfolglos bestritten hat, klagt er vor dem BVerfG. Wie ist die Rechtslage?

Übung: Recht 1 – Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Grundlagen RA Philipp Franke, wiss. Mit. 2. Stunde DAS RECHTSSTAATSPRINZIP I. Die normativen Grundlagen Die normative Grundlage des Rechtsstaatsprinzips unmittelbar in Art. 28 I 1 GG, mittelbar u. a. in Art. 1 III, 20 II, III GG II. Der formelle Rechtsstaat Der formelle grundgesetzliche Rechtsstaat ist in erster Linie ein Gesetzesstaat, d.h., dass jedes staatliche Handeln auf eine staatlich gesetzte Norm zurückgeführt werden können muss. III. Der materielle Rechtsstaat Der materielle Rechtsstaat beschränkt sich nicht auf ein formalisiertes System, sondern ist der Idee der Gerechtigkeit verpflichtet.

Übung: Recht 1 – Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Grundlagen RA Philipp Franke, wiss. Mit. 2. Stunde IV. Wesentliche Elemente der Rechtsstaatlichkeit 1. Das Gewaltenteilungsprinzip, Art. 20 II 2, III GG Gewaltenteilung in Legislative, Exekutive und Judikative Begrenzung staatlicher Macht durch gegenseitige Kontrolle Keine strikte Trennung, sondern wechselseitige Verschränkung 2. Gewährleistung d. Rechtsordnung / Rechtssicherheit Der Vorrang der Verfassung innerhalb der deutschen Rechtsordnung ergibt sich aus Art. 20 III GG. Die Höherrangigkeit der Gesetze im formellen Sinne gegenüber Rechtsverordnungen ergibt sich aus Art. 80 I GG. Der Vorrang der Gesetze gegenüber dem autonomen Recht ergibt sich u.a. aus Art. 28 II GG. Der Vorrang des Bundesrechts gegenüber dem Landesrecht ergibt sich aus Art. 31 GG. Der Vorrang der allgemeinen Regeln des Völkerrechts vor einfachem Bundesrecht ergibt sich aus Art. 25 GG. Der Vorrang sowohl des primären als auch sekundären Rechts der Europäischen Gemeinschaften auch vor deutschem Verfassungsrecht ergibt sich in den Grenzen des Art. 79 III GG aus dem so genannten Integrationshebel des Art. 23 GG und Art. 4 III EUV (sog. „effet utile“).

Übung: Recht 1 – Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Grundlagen RA Philipp Franke, wiss. Mit. 2. Stunde 2b. Die Normenpyramide Überpositives Recht (Radbruchsche Formel) 1. Grundsätze des Art. 79 III GG 2. Europäisches Gemeinschaftsrecht (Anwendungsvorrang, Art. 23 I GG, Art. 4 III EUV („effet utile“) 3. Grundgesetz, Art. 20 III GG 4. Allgemeine Regeln des Völkerrechts, Art. 25 GG 5. Bundesgesetze, Art. 20 III GG 6. Rechtsverordnungen des Bundes, Art. 80 I GG 7. Landesverfassungsrecht 8. Landesgesetze 9. Rechtsverordnungen des Landes 10. Autonomes Recht (Satzungen, vgl. z.B. Art. 28 II GG

Übung: Recht 1 – Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Grundlagen RA Philipp Franke, wiss. Mit. 2. Stunde 3. Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, Art. 20 III Vorrang des Gesetzes („keine Handlung gegen Gesetz“) Vorbehalt des Gesetzes („kein Eingriff ohne Gesetz“) staatliche Eingriffe bedürfen einer Rechtsgrundlage (P) Totalvorbehalt: Rechtsgrundlage für alle staatlichen Handlungen nach h.M. (-) (P) bei Leistungsverwaltung Nach h.M. keine Rechtsgrundlage erforderlich, ausreichend: Bereitstellung der Mittel im Haushaltsplan. Rechtsgrundlage nötig, wenn mittelbar in Rechte eines Dritten eingegriffen wird Parlamentsvorbehalt (sog. Wesentlichkeitstheorie)

Übung: Recht 1 – Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Grundlagen RA Philipp Franke, wiss. Mit. 2. Stunde 4. Bestimmtheitsgrundsatz Normen müssen hinreichend klar und bestimmt sein (P) Generalklauseln, unbestimmte Rechtsbegriffe und Ermessensspielräume sind zulässig. Art. 103 II GG als spezielle Ausformung für Strafrechtsnormen

Übung: Recht 1 – Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Grundlagen RA Philipp Franke, wiss. Mit. 2. Stunde 5. Rückwirkungsverbot / Vertrauensschutz Schutz des Vertrauens der Bürger - Beständigkeit des Rechts (P) Rückwirkende Rechtsänderung Wichtige Unterscheidung: Unechte Rückwirkung Eingreifen des Gesetzgebers in Tatbestände, die zwar in der Vergangenheit liegen aber noch nicht vollendet sind (Dauertatbestände) → tatbestandliche Rückanknüpfung ist grundsätzlich zulässig Echte Rückwirkung Eingreifen des Gesetzgebers in abgeschlossene Tatbestände → Rückwirkung von Rechtsfolgen ist grundsätzlich unzulässig, nach Abwägung nur in Ausnahmefällen Aber: Absolutes Rückwirkungsverbot rückwirkender Strafgesetze, Art. 103 II GG, Ausnahme: Überpositives Recht, wie z.B. DDR-Mauerschützen, NS-Unrecht, s. Normenpyramide!

Übung: Recht 1 – Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Grundlagen RA Philipp Franke, wiss. Mit. 2. Stunde 6. Übermaßverbot – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Übergreifende Leitregel allen staatlichen Handelns, primär bei Eingriffsmaßnahmen der Exekutive, Legislative und Judikative aber auch allgemein rechtsstaatlicher Grundsatz Legitimer Zweck (nur bei Legislativakten) Geeignetheit, d.h., eine geplante Maßnahme kann den angestrebten Zweck tatsächlich erreichen → Tauglichkeit Erforderlichkeit, d.h., unter mehreren gleich wirksamen Mitteln ist die am geringsten Belastende auszuwählen → Wahl des relativ mildesten Mittels Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, d.h. die erforderliche Maßnahme darf nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg stehen → Güterabwägung

Übung: Recht 1 – Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Grundlagen RA Philipp Franke, wiss. Mit. 2. Stunde 7. Rechtsschutzgarantie, Art. 19 IV GG 8. Widerstandsrecht, Art. 20 IV GG

Übung: Recht 1 – Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Grundlagen RA Philipp Franke, wiss. Mit. 2. Stunde Lösung von Fall 1: I. Verstoß gegen Art. 14 GG? 1. Schutzbereich a) Sachlicher Schutzbereich Eigentumsbegriff des Art. 14 GG nicht identisch mit BGB. Eigentum iSd Art. 14 GG nur vermögenswerte Rechte, die Gesetzgeber als Eigentum definiert. Nicht geschützt: Vermögen als solches, z.B. vor Steuern, Gebühren und Abgaben, außer nach Rspr.: Erdrosselnde Wirkung (-)

Übung: Recht 1 – Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Grundlagen RA Philipp Franke, wiss. Mit. 2. Stunde II. Verstoß gegen Art. 2 I GG? 1. Schutzbereich a) Sachlicher Schutzbereich Allgemeine Handlungsfreiheit im umfassenden Sinne geschützt, d.h. jedes menschliche Tun und Unterlassen, damit auch Schutz vor staatlichen Belastungen wie z.B. die Steuerpflichtigkeit b) Persönlicher Schutzbereich (+)

Übung: Recht 1 – Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Grundlagen RA Philipp Franke, wiss. Mit. 2. Stunde 2. Eingriff Belastende Regelung der öffentlichen Gewalt: Ausgangsbescheid / letztinst. Urt. 3. Rechmäßigkeit des Eingriffs Sog. Schrankentrias: Nur verfassungsmäßigen Ordnung relevant, deckt auch Rechte anderer und Sittengesetz ab. Definition: Verfassungsmäßige Ordnung: Gesamtheit der Normen, die formell und materiell vfm. sind. a) formelle Rechtmäßigkeit Einkommensteuergesetzes (+) b) materielle Rechtmäßigkeit des Einkommenssteuergesetzes Verstoß gegen den im Rechtsstaatsstaatsprinzip (Art. 20 III GG) verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes?

Übung: Recht 1 – Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Grundlagen RA Philipp Franke, wiss. Mit. 2. Stunde aa) Rückwirkungsverbot: Verfassungsgrundsatz? Ausdrücklich nur Verbot rückwirkender Strafgesetze, Art. 103 II GG, hier (-). Rechtssicherheit und Vertrauensschutzes ungeschriebene Element des Rechtsstaatsprinzips. Rückwirkende Gesetze oder Gesetzesänderungen können daher gegen Art. 20 GG verstoßen, wenn schutzwürdiges Vertrauen des Bürger.

Übung: Recht 1 – Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Grundlagen RA Philipp Franke, wiss. Mit. 2. Stunde bb) Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung Echte Rückwirkung liegt vor, wenn ein Gesetz nachträglich in bereits abgewickelte Tatbestände eingreift. Unechte Rückwirkung liegt dagegen vor, wenn ein Gesetz für noch andauernde Tatbestände, neue Rechtsfolgen. Echte Rückwirkung zu Lasten des Bürgers ist grundsätzlich unzulässig, außer: kein schutzwürdiges Vertrauen des Bürgers in Rechtslage, z.B. weil bisherige Rechtslage unklar oder mit Neuregelung zu rechnen war oder aber zwingende Gründe des Allgemeinwohls. Unechte Rückwirkung ist grds. zulässig, wenn verhältnismäßig.

Übung: Recht 1 – Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Grundlagen RA Philipp Franke, wiss. Mit. 2. Stunde Für Jahr 2009 echte Rückwirkung? Da Tatbestand abgeschlossen: Echte Rückwirkung. Nur zulässig, wenn zwingender Grund. Allgemeine finanzielle Situation ist kein zwingender Grund. Das Gesetz verstößt für das Jahr 2009 gegen das Rückwirkungsverbot, ist rechtswidrig und damit nichtig.

Übung: Recht 1 – Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Grundlagen RA Philipp Franke, wiss. Mit. 2. Stunde Für das Jahr 2010 anders, da Steuerschuld für 2010 erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entsteht, also zeitlich nach dem In- Kraft-Treten des Gesetzes? Da der Veranlagungszeitraum bereits vorher begonnen hat, könnte eine grundsätzlich zulässige tatbestandliche Rückanknüpfung vorliegen. Dies wurde bisher bejaht. Allerdings wirkt nach neuer Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Rückwirkung hier trotz des Entstehens der Steuerschuld erst zum Ende des Jahres wie eine echte Rückwirkung. Auch für das Jahr 2010 ein Verstoß gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot. Ergebnis: Das Gesetz verstößt gegen Art. 20 GG und ist damit verfassungswidrig und nichtig und verstößt gegen Art. 2 I GG.