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Das Kind als geschädigte Person

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Präsentation zum Thema: "Das Kind als geschädigte Person"—  Präsentation transkript:

1 Das Kind als geschädigte Person
Rechtsanwältin Bibiane Egg Jahrestagung SKG

2 Inhalt Einleitung: II. Die Rolle des Kindes im Strafverfahren
Die Wahrheitsrede (aus dem Film „Festen“ von T. Vinterberg) Besondere Ausgangslage bei Kindern als geschädigte Person/Opfer im Strafverfahren II. Die Rolle des Kindes im Strafverfahren Geschädigte Person Opfer Privatkläger/in Prozessfähigkeit III. Die Aussage des Kindes im Strafverfahren Statistik Befragungen Kt. Zürich Zeugnisfähigkeit/Auskunftsperson Glaubhaftigkeit 3.1. Problematik der Suggestion 3.2. Glaubhaftigkeitsprüfung/Glaubhaftigkeitsgutachten - Voraussetzung für Gutachten - Fachliche Standards Hypothesengeleitetes Vorgehen Nullhypothese Täuschungshypothese: Inhaltsanalyse/Realkennzeichenanalyse Suggestionshypothese Fallbeispiel 4. Besondere Bestimmungen für kindliche Opfer - Schutzbestimmungen Art. 154 StPO - Einstellung des Verfahrens Art. 319 Abs. 2 StPO 5. Sekundäre Viktimisierung 6. Fazit IV. Das Kind als Klient

3

4 Sexuelle Handlungen mit Kindern Art
Sexuelle Handlungen mit Kindern Art. 187 StGB Bundesamt für Statistik, Kriminalität und Strafvollzug Jahr Total Beschuldigte Männer Frauen 2009 820 785 35 2010 685 655 30 2011 728 698 29 2012 716 678 38

5 Geschädigte Person (Art. 115 StPO)
Wer durch die Straftat in seinen Rechten unmittelbar verletzt worden ist. Opfer (Art. 116 StPO) Geschädigte Person, welche durch die Straftat in ihrer körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität unmittelbar beeinträchtigt worden ist. Privatkläger/in (Art. 118 StPO) Geschädigte Person, die ausdrücklich erklärt, sich am Strafverfahren als Straf- oder Zivilkläger/in zu beteiligen.

6 Prozessuale Handlungsfähigkeit
Prozessfähigkeit: Prozessuale Handlungsfähigkeit Recht, den Prozess als Partei selbst oder durch selbst bestellte Vertretung zu führen. Volljährigkeit und Urteilsfähigkeit

7 Urteilsfähigkeit (Art. 16 ZGB)
Fähigkeit, Sinn, Zweckmässigkeit und Wirkung einer bestimmten Handlung zu erkennen sowie Fähigkeit, gemäss der vernünftigen Erkenntnis nach seinem freien Willen zu handeln und allfälliger fremder Willensbeeinflussung in normaler Weise Widerstand zu leisten. Opfer ist urteilsfähig, wenn es über die Fähigkeit verfügt, die Bedeutung eines Strafverfahrens zu ermessen und dement-sprechend vernunftgemäss zu handeln. Falls keine Urteilsfähigkeit: Gesetzliche Vertretung = Eltern oder Elternteil, evtl. Vormund Bei Interessenkonflikt: Prozessbeistandschaft

8 Prozessfähigkeit von urteilsfähigen Minderjährigen
(Art. 106 Abs. 3 StPO) Ausübung von Schutz- und Parteirechten im Strafverfahren = Ausübung höchstpersönlicher Rechte (BGE 88 IV 11,120 Ia 369)

9 Befragungen von Kindern (Kt. Zürich)
Quelle: Markus Oertle, Staatsanwalt Zürich, Leiter Fachbereich Kinderschutz Alter 2009 2010 2011 2012 Total 3-5 Jahre 20 14 17 10 61 6 Jahre 3 9 4 26 7 Jahre 12 11 7 47 8 Jahre 16 15 55 9 Jahre 37 10 Jahre 43 11 Jahre 52 12 Jahre 13 51 13 Jahre 46 14 Jahre 18 25 62 15 Jahre 31 82 16 Jahre 23 19 60 17 Jahre Total Befragungen 202 177 174 131 684

10 Zeugnisfähigkeit (Art. 163 StPO)
Ab 15 Jahren Urteilsfähigkeit hinsichtlich des Gegenstands der Einvernahme Auskunftsperson (Art. 178 lit. b, c StPO) Unter 15 Jahren Privatkläger/in Eingeschränkte Urteilsfähigkeit in Bezug auf den Gegenstand der Einvernahme

11 Fehler und Irrtümer Falschaussage Absichtliche Lüge Suggestion
(Ludewig, Tavor, Baumer, Zwischen Wahrheit und Lüge, in „Justice-Justiz-Giustizia“ 2012/2 S. 4)

12 Suggestion Beeinflussung, durch die eine Person Informationen übernimmt, welche ihr durch Gespräche, Befragungen oder in irgendeiner Form übermittelt worden sind. Beeinträchtigen die Aussagezuverlässigkeit (Aussagevalidität) allenfalls trotz inhaltlicher Qualität! Ludewig, Tavor, Baumer, Zwischen Wahrheit und Lüge, in „Justice-Justiz-Giustizia“ 2012/2), S. 15

13 Zwei Arten von suggestiven Effekten:
Falschinformationseffekte: Vor allem Kinder neigen dazu, suggestivem Druck während der Befragung nachzugeben und Falschinformationen zu übernehmen, passen sich den Erwartungen der befragenden Person an. Pseudoerinnerungen: Experimente haben aufgezeigt, dass es möglich ist, bei Kindern und Erwachsenen unter Anwendung suggestiver Techniken „Erinnerungen“ über komplette Ereignisse zu produzieren, die überhaupt nie stattgefunden haben.

14 Glaubhaftigkeitsprüfung:
Kerntätigkeit des Gerichts, kann grundsätzlich nicht an Dritte delegiert werden Glaubhaftigkeitsgutachten (BGE 128 I 81): Abklärung der Zeugenfähigkeit oder der Aussagequalität bei Besonderheiten in der Person oder der Entwicklung des Zeugen, wenn dies besondere Fachkenntnisse erfordert. Fachliche Standards Freie Beweiswürdigung durch das Gericht; Abweichungen vom Gutachten müssen triftig begründet werden.

15 Glaubhaftigkeitsgutachten
Fachliche Standards (Urteil BGH vom , 1 StR 618/98) Hypothesengeleitetes Vorgehen: Nullhypothese Arbeitshypothese, dass Aussage unwahr ist Alternativhypothesen z.B. Täuschungshypothese Suggestionshypothese

16 Überprüfung mittels inhaltlicher Aussageanalyse:
Täuschungshypothese Überprüfung mittels inhaltlicher Aussageanalyse: Wie wahrscheinlich ist es, dass eine bestimmte Person mit ihren individuellen Voraussetzungen unter den entsprechenden Rahmenbedingungen eine Aussage mit der vorliegenden Qualität ohne Erlebnisgrundlage konstruiert haben könnte?

17 19 Realkennzeichen (nach Steller/Köhnken)
Allgemeine Merkmale Logische Konsistenz Ungeordnete Darstellung Quantitativer Detailreichtum 4 Raum- zeitliche Verknüpfungen 5 Interaktionsschilderungen 6 Wiedergabe von Gesprächen 7 Schilderung Komplikationen

18 Inhaltliche Besonderheiten
8 Ausgefallene Einzelheiten 9 Schilderungen von Nebensächlichkeiten 10 Schilderung unverstandener Handlungselemente 11 Indirekt handlungsbezogene Schilderungen 12 Schilderung eigener psychischer Vorgänge 13 Schilderung psychischer Vorgänge des Täters 19 Realkennzeichen (nach Steller/Köhnken)

19 Motivationsbezogene Inhalte
14 Spontane Verbesserung der eigenen Aussage 15 Eingeständnis von Erinnerungslücken 16 Einwände gegen die Richtigkeit der eigenen Aussage 17 Selbstbelastungen Entlastung des Angeschuldigten Deliktspezifische Inhalte 19 Deliktspezifisch 19 Realkennzeichen (nach Steller/Köhnken)

20 Nicht motivationsbezogene Merkmale
Ist es möglich, dass eine Person - unter Berücksichtigung ihrer kognitiven Fähigkeiten - eine Schilderung dieser spezifischen inhaltlichen Qualität ohne Erlebnisgrundlage erfinden könnte? Motivationsbezogene Merkmale Würde eine absichtlich falschaussagende Person, die sich selbst in ein positives Licht rücken will, Inhalte der beschriebenen Art in ihre Aussage aufnehmen?

21  Grundlage der Inhaltsanalyse der Realkennzeichen
Objektiv dokumentiertes Aussagematerial: genaue Wortprotokolle der Einvernahmen (keine Übersetzung Deutsch-Schweizerdeutsch), Videoaufnahmen Zentrale Bedeutung der Befragungstechnik: Offene, nicht geschlossene Fragen, freier Bericht  

22 Keine Checklistendiagnostik!
Achtung: Keine Checklistendiagnostik! Berücksichtigung der spezifischen Fähigkeiten der aussagenden Person und der Komplexität des vorgebrachten Geschehens. Vergleich zwischen der Aussagequalität und der (Erfindungs-) Kompetenz der aussagenden Person nötig. Kompetenzen, Erfahrungen und allfällige psychische Störungen der aussagenden Person müssen bei der Beurteilung berücksichtigt werden.

23 Kritik an Realkennzeichenanalyse
Nicht geeignet für Kinder mit schweren Traumafolgen und/oder psychischen Beeinträchtigungen mit kognitiven Beeinträchtigungen/niedriger Intelligenz jüngeren Alters Schlechtere Justiziabilität gerade in den Risikofällen (besonders wehrlose Kinder)!

24 Glaubhaftigkeit im Gutachten verneint Vor BGH-Urteil Nach BGH--Urteil
Allgemein 18% 46% Kognitiv beeinträchtigte Opfer 14% 60% Verfahrenseinstellung/Freisprüche Vor BGH-Urteil Nach BGH-Urteil Kognitiv beeinträchtigte Opfer 47% 83% König, Fegert, in DGfPI, Interdisziplinäre Fachzeitschrift 12/2/2009, S. 16ff.

25 Nonverbales Verhalten / Körpersprache
Erröten, Bewegungen, Stimmveränderungen, Pausen, Vermeiden von Blickkontakt, etc. Wissenschaftlich ungeeignet, da praktisch immer mehrdeutig interpretierbar. Dasselbe gilt für Zeichnungen/Spiele mit anatomischen Puppen.

26 Suggestionshypothese
Ist das Kind (unbewusst) beeinflusst worden? Ist die Aussage allenfalls trotz suggestiver Einflüsse erlebnisbegründet? Suggeriertes Ereignis = subjektive Wahrheit Hohe Aussagequalität möglich Geschichte der Aussageentstehung und Aussageentwicklung zeigt auf, ob suggestive Bedingungen vorlagen.

27 Hinweise auf fremd-suggestiven Prozess:
Zu klärende Fragen: Hinweise auf fremd-suggestiven Prozess: Wem gegenüber wurde die erste Aussage gemacht? In welcher Situation wurde sie gemacht? Welche genauen Angaben wurden gemacht? Wurde die Aussage spontan oder auf Fragen hin gemacht? Welche (Vor)Einstellung und Erwartung hatte der Aussage-empfänger? Befragungen erfolgten nicht erlebnisoffen, sondern auf ein bestimmtes Ziel hin („Aufdeckung“). Kind bestätigt entsprechende Fragen zunächst nicht bzw. verneint diese explizit. Erste Äusserung erst nach mehreren Befragungen. Zunächst vage, inkonsistente Äusserungen, erst im Laufe mehrerer Befragungen zunehmende Konstanz und Überzeugung (ev. mit phantasti-schen und unmöglichen Elementen). (Ludewig, Tavor, Baumer, Zwischen Wahrheit und Lüge, in „Justice-Justiz-Giustizia“ 2012/2 S. 17)

28 Fallbeispiel Anna (24j.), die von ihrem Vater zwischen 8 und 16j. sexuell ausgebeutet worden ist, hört, dass ihre Halbschwester Martina (8j.) erzählt, sie habe ein Geheimnis mit ihrem Vater. Anna befragt sie deshalb: Anna: Ich habe gehört, dass du ein Geheimnis hast mit Papi. Komm, erzähl‘s mir doch, ich sag‘s bestimmt niemandem weiter. Martina: Papi hat gesagt, er habe das mit dir auch gemacht. Anna: Was hat er denn gemacht? Martina: (stockend) ...das Dings da da... Anna: Das heisst, du musstest sein Schnäbi anlangen? Martina: Ja Anna: Das macht dir nichts aus? Martina ... (schweigt) Anna: Also du machst das einfach, weil du Papi gern hast, oder? Martina: .... (schweigt) Anna: Was machst du sonst noch mit Papi? Martina: Nur das.

29 Besondere Massnahmen zum Schutz von Kindern als Opfer (Art. 154 StPO)
Kind = weniger als 18 Jahre alt zum Zeitpunkt der Einvernahme Erste Einvernahme so rasch als möglich. Vertrauensperson kann vom Verfahren ausgeschlossen werden, wenn sie einen bestimmenden Einfluss auf das Kind ausüben könnte.

30 Falls schwere psychische Belastung durch die Einvernahme oder Gegenüberstellung (Art. 154 Abs. 4 StPO): Gegenüberstellung nur, falls das Kind sie ausdrücklich verlangt oder Anspruch der beschuldigten Person auf rechtliches Gehör anders nicht gewährleistet werden kann. In der Regel nicht mehr als zwei Einvernahmen des Kindes. Zweite Einvernahme nur dann, wenn Parteien bei der ersten ihre Rechte nicht ausüben konnten oder diese im Interesse der Ermittlungen oder des Kindes unumgänglich ist. Soweit möglich Befragung durch die selbe Person. Einvernahmen im Beisein von SpezialistIn durch speziell ausgebildete ErmittlungsbeamtIn; Aufzeichnung mit Bild und Ton, falls keine Gegenüberstellung. Rechtsausübung der Parteien durch die befragende Person. Besondere Beobachtungen werden im Bericht festgehalten durch befragende Person oder SpezialistIn.

31 Einstellung des Verfahrens (Art. 319 Abs. 2 StPO)
Wenn das Interesse des Kindes es zwingend verlangt und dieses Interesse das Interesse des Staates an der Strafverfolgung offensichtlich überwiegt; und das Opfer oder bei Urteilsunfähigkeit seine gesetzliche Vertretung der Einstellung zustimmt.

32 Sekundäre Viktimisierung
Negative Folgen, denen das Opfer nach Bekanntwerden der primären Viktimisierung ausgesetzt ist: emotionale Reaktionen der Familie Stigmatisierung durch den sozialen Nahraum dramatisierende Reaktionen von Polizei, Untersuchungsbehörden, Gericht und Medien formalistische Routine des Strafverfahrens (Alexandra Scheidegger, Minderjährige als Zeugen und Auskunftspersonen im Strafverfahren, 2006, S. 30)

33 Opfer Anwalt / Anwältin Andere Bezugspersonen Mutter Beistand Vater
Lehrer/in Untersuchungs-behörde / Gericht Therapeut/in

34 Literatur Jörg M. Fegert, Gewalt, Traumatisierung, Glaubhaftigkeit, Wahrheitsfindung und Opferschutz: Möglichkeiten und Grenzen von Gutachten im Strafverfahren, , Saarbrücken, Christophe A. Herzig, Die Partei- und Prozessfähigkeit von Kindern und Jugendlichen sowie ihr Anspruch auf rechtliches Gehör, AJP 2/2013 Vera Kling, Das fachgerechte Glaubhaftigkeits-Gutachten, AJP 9/2003 Cornelia König, Jörg M. Fegert, Qualitative und quantitative Inhaltsanalyse der Glaubhaftigkeitsbegutachtung unter besonderer Berücksichtigung entwicklungpsychologischer und psychopathologischer Aspekte. Ein evaluativer Vergleich vor und nach dem BGH-Urteil, Revital Ludewig, Daphna Tavor, Sonja Baumer, Zwischen Wahrheit und Lüge, Justice-Justiz-Giustizia, 2012/2 Susanna Niehaus, Begutachtung der Glaubhaftigkeit von Kinderaussagen, fampra.ch 02/2010 S. 315 ff. Markus Oertle, Befragungen von Kindern im Strafverfahren – Spannungsfeld zwischen Wahrheitsermittlung und Opferschutz, ZStrR 127/2009 S. 258ff. Alexandra Scheidegger, Minderjährige als Zeugen und Auskunftspersonen im Strafverfahren, Zürich 2006


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