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Jahrestagung der Fachkräfte für die Kommunale Jugendarbeit

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Präsentation zum Thema: "Jahrestagung der Fachkräfte für die Kommunale Jugendarbeit"—  Präsentation transkript:

1 Jahrestagung der Fachkräfte für die Kommunale Jugendarbeit
in Rheinland-Pfalz, , Cochem Bildquelle: [ "Kinder und Jugendliche stärken - Anregungen aus der Resilienzforschung" Institut für angewandte Familien-, Kindheits- und Jugendforschung an der Universität Potsdam Institute for Applied Research on Childhood, Youth, and the Family Prof. Dr. habil. Dietmar Sturzbecher Burgwall 15, Oberkrämer Internet: Mail:

2 Überblick zum Vortrag: „Kinder und Jugendliche stärken - Anregungen aus der Resilienzforschung “
Psychische Bedürfnisse und „Reparaturfähigkeiten“ von Menschen Das Resilienzkonzept Der Klassiker der Resilienzforschung: die Kauai-Studie Das Konzept der Salutogenese Vertiefende Bemerkungen zum Resilienzkonzept Merkmale resilienter Menschen Weitere Resilienzstudien Wie kann man Resilienz fördern?

3 Tagesspiegel Berlin, September 2004

4 Psychische Bedürfnisse und „Reparaturfähigkeiten“ (1)
Selbstwirksamkeitserleben: Die Freude am „Selber machen“, am „Es sich selbst und anderen zeigen“ ist Menschen in die Wiege gelegt. Flammer (1995) beschreibt, wie bei Kleinkindern die Aktivität durch Wirksamkeitswahrnehmungen steigt. Dazu wird ein Spielmobil genutzt, das man durch Nuckeln bewegen kann. Ab dem 2. Monat nuckeln Babys auch dann, wenn sie satt sind, also aus Spaß am Beobachten selbstproduzierter Effekte; ab dem 4. Monat reicht schon das Erkennen des Mobils.  Der Aufbau von Selbstwirksamkeits- bzw. Kontrollerfahrungen erfolgt über fünf Stufen: Funktionserfahrung, Kausalerfahrung, interne Kausalattribution, Erfolgs- und Misserfolgserfahrung sowie Ursachendifferenzierung.  Zweijährige wollen alles selber machen; Fünfjährige besitzen schon ein differenziertes Tüchtigkeitskonzept.  Die Überzeugung, „Etwas fertig zu kriegen“, hat allerhöchste Bedeutung für die Lebensqualität und den Lebensverlauf: o Resilienz-/Salutogeneseforschung: Um trotz widriger Umstände eine geachtete Persönlichkeit zu werden, sind Selbstwirksamkeits- und Erfolgs- erfahrungen entscheidende Voraussetzungen! o Altersforschung: Das Gefühl, „Zu nichts nütze" zu sein, führt zu geringem Lebenswillen und befördert physische und psychische Krankheit! Quellen: Bandura, A. (1994). Self-efficacy: The exercise of control. New York: Freeman. Flammer, A. (1990). Erfahrung der eigenen Wirksamkeit. Bern: Huber. Flammer, A. (1995). Kontrolle, Sicherheit und Selbstwert in der menschlichen Entwicklung. In W. Edelstein (Hrsg.), Entwicklungskrisen kompetent meistern. Heidelberg: Roland Asanger. Brehm, J.W. (1966). A theory of psychological reactance. New York: Academic Press.

5 Psychische Bedürfnisse und „Reparaturfähigkeiten“ (2)
Soziale Anerkennung: Jeder will anerkannt sein: Versagen von Anerkennung bedeutet eine Demütigung und die Zerstörung innerer Motivation!  Der Streit zwischen Kain und Abel war ein Kampf um soziale Anerkennung. Kontrolle und Reaktanz: Menschen sind von Grund auf bestrebt, die Kontrolle über ihre Lebensumstände zu gewinnen und zu erhalten; sie setzen sich bei Frustrationen gegen Einschränkungen zur Wehr („Reaktanz“)! Risikoerfahrung: Schon das Kleinkind, das gestützt auf sichere emotionale Bindungen mutiger als seine ängstlichen Altersgenossen die Umgebung exploriert, eignet sich erfolgreicher seine Umwelt an.  Wer etwas unternimmt, kann durch Spaß und Erfolg belohnt werden.  Risikoverhalten bietet Chancen zur Selbstwerterhöhung.  Misserfolge vermitteln Grenzerfahrungen zur eigenen Wirksamkeit.  Die Suche nach den Handlungsfehlern bei Misserfolgen enthüllt Kompetenzdefizite und falsche Selbstwahrnehmungen.  Risikobereitschaft, die man bei Erfolglosen als „Leichtsinn“ bezeichnet, ist vielleicht ein Bonus von Heranwachsenden, um ihre Erfolgsaussichten zu verbessern? Das Bedürfnis nach Selbstwirksamkeitserleben, …, Risikoerfahrung kann unterschiedlich befriedigt werden (innovative Forschung vs. Bankeinbruch)! Quellen: Schwarzer, R. (1993). Streß, Angst und Handlungsregulation (3. Aufl.). Stuttgart: Kohlhammer. Schwarzer, R. (1995). Entwicklungskrisen durch Selbstregulation meistern. In W. Edelstein (Hrsg.), Entwicklungskrisen kompetent meistern. Heidelberg: Roland Asanger.

6 Psychische Bedürfnisse und „Reparaturfähigkeiten“ (3)
Festinger (1983) untersuchte die Entwicklung von 277 jungen Männern, die von früher Kindheit an bis zur Volljährigkeit immer wieder in Heimen N.Y.s lebten; 68% von ihnen konnten 3 oder mehr Aufenthalte vorweisen. Vernachlässigung, Missbrauch, Misshandlung oder Krankheiten der Eltern hatten sie teilweise über Jahre erlebt. Viele hatten anhaltende Schulprobleme. Festinger verglich diese Männer 10 Jahre später, als sie 30 Jahre alt waren, mit einer landesrepräsentativen Kontrollgruppe gleichaltriger Männer. Ph. D. Trudy Festinger (1993) New York University Die beiden Gruppen unterschieden sich nicht hinsichtlich der Arbeitslosenraten, des Gesundheitsstatus, der Zukunftserwartungen, der emotionalen Zufriedenheit oder ihres „Glücksgefühls“. Darüber hinaus gab es keine Anzeichen dafür, dass bei den Kindern dieser Männer wiederum häufiger Heimaufenthalte notwendig oder diese Männer in erhöhtem Masse von öffentlicher Unterstützung abhängig waren.  Die Forschung und Lebenserfahrungen deuten darauf hin, dass sich Menschen von schwer wiegenden Schicksalsschlägen nicht nur erholen können, sondern auch zu neuer Kraft und Stärke finden und ihr Leben erfolgreich meistern. Quelle: Festinger, T. (1983). No One Ever Asked Us: A Postscript to Foster Care. New York: Columbia University Press.

7 Das Resilienzkonzept (1)
Rutter (1990): Resilienz ist das Vermögen einer Person oder eines sozialen Systems (z.B. Familie), sich trotz schwieriger Lebens- bedingungen („im Angesicht des Elends“) auf sozial akzeptiertem Wege gut zu entwickeln. Dieses Vermögen umfasst  den Widerstand gegen die Zerstörung der eigenen Integrität (Unbescholtenheit, Unverletzlichkeit, Unbestechlichkeit) unter äußerem Druck und  den Aufbau eines positiven Lebens unter widrigen Umständen. Sir Michael Rutter University of London Der aus dem Englischen stammende technische Begriff „resilience“ bezeichnet eigentlich die Eigenschaft von Werkstoffen, nach starken Verformungen die ursprüngliche Gestalt wieder anzunehmen („Fußballeffekt“). Während die Risikoforschung untersucht, welche Risiken in welchem Ausmaß und auf welche Weise mit Entwicklungsbeeinträchtigungen verknüpft sind, fragt die Resilienz-forschung danach, warum sich Menschen trotz erdrückender Entwicklungsrisiken zu psycho-sozial gesunden Persönlichkeiten entwickeln. Quellen: Rutter, M. (1990). Psychosocial resilience and protective mechanisms. In J. Rolf, A.S. Masten, D. Cicchetti, K.H. Nüchterlein & S. Weintraub (Eds.), Risk and protective factors in the development of psychopathology. Cambridge: Cambridge University Press. Masten, A.S., Best, K.M. & Garmezy, N. (1990). Resilience and development: Contributions from the study of children who overcome adversity. Development and psychopathology 2,

8 Das Resilienzkonzept (2) Die Kauai-Studie
Werner (1982) begann in den 1950er Jahren eine Studie mit dem Ziel, die physische, kognitive und soziale Entwicklung einer Kohorte in einem abgegrenzten Territorium, der Insel Kauai des Hawaii-Archipels, zu verfolgen. Es wurden alle Kinder (N = 698) des Geburtsjahres unmittelbar nach der Geburt sowie im zweiten, zehnten, achtzehnten und dreißigsten Lebensjahr untersucht. Prof. Emmy E. Werner University of California Werner bezeichnete die Kinder, die bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres vier oder mehr psychosozialen Risikofaktoren ausgesetzt waren, als Risiko-Kinder.  Von diesen Kindern zeigten ca. 75 Prozent im Alter von 10 Jahren schwer wiegende Lern- und Verhaltensstörungen, oder sie wurden bis zum Lebensjahr straffällig bzw. psychiatrisch auffällig.  Ein Drittel der Risiko-Kinder (42 Mädchen, 30 Jungen) entwickelten sich jedoch trotz massiver multiplen Belastungen zu „normalen“, kompetenten und störungsfreien Personen. Werner nannte diese Kinder, die psychisch besonders widerstandsfähig waren, „invulnerabel“. Die Ergebnisse der Kauai-Studie führten zu einem theoretischen Modell der Resilienz. Quellen: Werner, E.E. (1993). Risk, resilience and recovery: Perspectives from the Kauai Longitudinal Study. In Development and Psychopathology 5, Werner, E.E. & Smith, R.S. (1982). Vulnerable but Invincible: A Study of Resilient Children. New York.

9 Die Ergebnisse der Kauai-Studie (1) Ein Resilienzmodell
Hauptrisikofaktoren VULNERABILITÄT Unterstützungsquellen Förderliche Umweltbedingungen Hauptstressquellen Kindheit und Jugendalter Schutzfaktoren im Kind Spannbreite der möglichen Entwicklung

10 Die Ergebnisse der Kauai-Studie (2)
Hauptrisikofaktoren (bei Geburt) Chronische Armut Geringe Schulbildung der Mutter Mittelschwere Geburtskomplikationen Entwicklungsverzögerungen Genetische Störungen Psychische Erkrankungen der Eltern VULNERABILITÄT Hauptstressquellen Kindheit und Jugendalter Unterstützungsquellen Förderliche Umweltbedingungen Schutzfaktoren im Kind Spannbreite der möglichen Entwicklung

11 Die Ergebnisse der Kauai-Studie (3)
Hauptrisikofaktoren Hauptstressquellen Kindheit und Jugendalter Längere Trennung von primärer Bezugsperson im 1. Lj. Abstand zum nächst jüngeren Geschwister < zwei Jahre Häufige oder schwere Kinderkrankheiten Elterliche Krankheiten (physisch, psychisch) Chronisch familiale Disharmonie Abwesenheit des Vaters Arbeitslosigkeit der Eltern Wohnortwechsel, Schulwechsel Scheidung/Trennung der Eltern Neuheirat eines Elternteils, Einzug eines Stiefelternteils Behindertes Geschwister, Verlust älterer Geschwister Heimeinweisung (für Mädchen: Schwangerschaft) Unterstützungsquellen Förderliche Umweltbedingungen Schutz-faktoren im Kind Spannbreite der möglichen Entwicklung

12 Die Ergebnisse der Kauai-Studie (4)
Hauptrisikofaktoren Hauptstressquellen Kindheit und Jugendalter Unterstützungsquellen Förderliche Umweltbedingungen 4 oder weniger Kinder mit mehr als 2 Jahren Abstand Beachtung durch die Umwelt im ersten Lebensjahr Positive Eltern-Kind-Beziehung in der frühen Kindheit Weitere Versorgungspersonen neben der Mutter Betreuung durch Geschwister und Großeltern Außerhäusige Berufstätigkeit der Mutter Emotionale Unterstützung durch Nachbarn/Verwandte Strukturen und Regeln im Haus Geteilte Werte Gleichaltrige Freunde Beratung durch Lehrer/innen Zugang zu sozialen und Bildungseinrichtungen Schutz-faktoren im Kind Spannbreite der möglichen Entwicklung

13 Die Ergebnisse der Kauai-Studie (5)
Hauptrisikofaktoren Hauptstressquellen Kindheit und Jugendalter Unterstützungsquellen Förderliche Umweltbedingungen Schutzfaktoren im Kind Erstgeborene/r Hohes Aktivitätsniveau Gutmütig, auf andere leicht reagierend „Pflegeleicht“, Positive soziale Orientierung Autonomie, Eigenständigkeit Altersangemessene sensomotorische und Wahrnehmungsfähigkeiten Angemessene kommunikative Fähigkeiten Aufmerksamkeit und Impulskontrolle Eigene Interessen und Hobbys Selbstwirksamkeitsgefühl, Ehrgeiz Internale Kontrollüberzeugungen Spannbreite der möglichen Entwicklung

14 Die Ergebnisse der Kauai-Studie (6) Zusammenfassung
Kinder, die von Beginn ihres Lebens an 4 oder mehr signifikanten Risikofaktoren ausgesetzt waren (z.B. chronische Armut, niedriger mütterlicher Ausbildungsstand, instabile familiale Situationen), entwickelten in der Regel Lern- und Verhaltensprobleme. Ungefähr ein Drittel dieser „Risikokinder“ behauptete sich trotz belastender Lebenswelten. Sie entwickelten sich zu aussichtsreichen Jugendlichen und blieben auch als Erwachsene erfolgreich. So wiesen sie mit 40 Jahren – im Vergleich zur gleichaltrigen Kontrollgruppe – eine geringere Rate an Todesfällen, chronischen Gesundheitsproblemen und Scheidungen auf. Trotz einer schweren Rezession (Verwüstung der Insel durch einen Hurrikan) behielten sie ihre Jobs und benötigte keine Hilfe sozialer Dienste. Seit Anfang der 1980er Jahre führte das Konzept der „unverwundbaren Kinder“ auch in Deutschland zu einem verstärkten theoretischen und empirischen Interesse (Mannheimer Risikokinderstudie, Bielefelder Invulnerabilitätsstudie; vgl. dazu Opp et al., 1999). Davon inspiriert vollzog sich weitgehend parallel in den Human- und Sozialwissenschaften ein Umdenken von einer pathogenetischen Sicht zu einer ressourcenorientierten Perspektive.  In den Vordergrund rückte die Leitfrage, was den Menschen gesund erhält; in den Hintergrund rückte, was ihn krank macht! Quellen: Opp, G., Fingerle, M. & Freytag, A. (Hrsg.) (1999). Was Kinder stärkt. Erziehung zwischen Risiko und Resilienz. München: Reinhardt. Werner, E.E. & Smith, R.S. (1982). Vulnerable but Invincible: A Study of Resilient Children. New York.

15 Das Konzept der Salutogenese (1)
Antonovsky (1987/1997) entwickelte das „Gesundheitsmodell der Salutogenese“.  Ausgangspunkt: Er beoachtete 1970 bei einer Gruppe Überlebender von KZ‘s, dass diese trotz erlittener Qualen durch drei Kriege über einen angemessenen Gesundheitszustand verfügten und ein neues erfolgreiches Leben in einem anderen Land begannen.  Die Wortneuschöpfung „Salutogenese“ bedeutet „Gesundheitsentstehung“ und soll einen Paradigmenwechsel weg von der bisherigen pathogenetischen Sichtweise verdeutlichen. Aaron Antonovsky Das Konzept der Salutogenese brachte eine völlig veränderte Sichtweise auf Gesundheit und Krankheit mit sich: Es führte weg von der bislang praktizierten Ursachenforschung von Krankheiten und hin zur Erforschung von Gesundheitsfaktoren. Das Konzept berücksichtigt erstmals soziale, physiologische, biochemische, emotionale und kognitive Aspekte. Die Grundidee des Konzepts ist, dass alle mobilisierbaren Ressourcen in ihrer Wirksamkeit letztlich von einer zentralen Kompetenz abhängen: dem „Kohärenzsinn“. Quelle: Antonovsky, A. (1997). Salutogenese. Zur Entmystifizierung der Gesundheit. Deutsche erweiterte Herausgabe von Alexa Franke. Tübingen: dgvt-Verlag.

16 Das Konzept der Salutogenese (2)
Kohärenzsinn ist eine „globale“ Kompetenz, die dazu führt, in seinem Leben Sinn zu entdecken oder zu stiften. Antonovsky beschreibt den Kohärenzsinn als „… eine grundlegende Lebenseinstellung, die ausdrückt, in welchem Ausmaß jemand ein „durch- dringendes, überdauerndes und zugleich dynamisches Gefühl der Zuver- sicht hat, dass seine interne und externe Umwelt vorhersagbar ist und eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass sich die Angelegenheiten so gut entwickeln, wie man vernünftigerweise erwarten kann" (1979). Quelle: Antonovsky, A. (1979). Health, stress, and coping. Jossey-Bass: San Francisco.

17 Das Konzept der Salutogenese (3)
Diese zentrale Grundhaltung, die Welt sinnvoll zu erleben, setzt sich aus 3 Faktoren zusammen: 1. dem Gefühl von Verstehbarkeit (Sense of Comprehensibility)  Das Gefühl von Verstehbarkeit meint die Fähigkeit, bekannte und auch unbekannte Reize als geordnete, konsistente und strukturierte Informationen verarbeiten zu können. 2. dem Gefühl von Bewältigbarkeit (Sense of Manageability)  Das Gefühl von Bewältigbarkeit bzw. Handhabbarkeit ist die Überzeugung eines Menschen, dass er geeignete Ressourcen zur Verfügung hat, um den Anforderungen zu begegnen - wozu auch der Glaube an die Hilfe anderer Menschen zählt. 3. dem Gefühl von Bedeutsamkeit (Sense of Meaningfulness)  Das Gefühl, dass die vom Leben gestellten Probleme und Anforderungen es wert sind, das man Energie in sie investiert, dass man sich für sie einsetzt und sich ihnen verpflichtet fühlt. Das „Gefühl von Bedeutsamkeit“ als motivationale Komponente sieht Antonovsky als den wichtigsten Aspekt des Kohärenzgefühls an, denn ohne das Erleben von Sinnhaftigkeit neigt der Mensch dazu, das Leben vor allem als Last zu empfinden und jede weitere sich stellende Aufgabe als Qual.

18 Das Konzept der Salutogenese (4)
Der Kohärenzsinn entscheidet also darüber, wie gut eine Person vorhandene Ressourcen zum Erhalt der Gesundheit und des Wohlbefindens zu nutzen weiß – er bestimmt die „Stresswahrnehmung“. Menschen mit hoch ausgeprägtem Kohärenzsinn:  schätzen fordernde Situationen nicht als Belastung ein,  schätzen Stressoren verstärkt als positiv oder irrelevant für das eigene Wohlbefinden ein,  nehmen Probleme klarer, differenzierter und somit effizienter wahr,  neigen zu fokussierten, sich weniger lähmend auswirkende Emotionen. Zusammenfassung: Eine Einstellung gegenüber der Umwelt, in der Anforderungen als bedeutsam, verstehbar und handhabbar erlebt werden, liefert die motivationale und kognitive Basis für ein Verhalten, mit dem diese Anforderungen wahrscheinlicher bewältigt werden können als eine Sicht, die die Welt als beschwerlich, chaotisch und überwältigend ansieht.

19 Das Resilienzkonzept – vertiefende Bemerkungen (1) Überblick über Resilienzmodelle (Garmezy et al., 1984) Das Kompensationsmodell postuliert eine additive bzw. kompensatorische Wirkung von Belastungen auf der einen und adaptiven Schutz-faktoren auf der anderen Seite. Das Schutzfaktorenmodell geht davon aus, dass protektive Faktoren die Beziehung zwischen Risiko-faktoren und Outcome moderieren (abmildern oder verstärken. Das Challange-(Steeling-) modell besagt, dass Risiken und Outcomes sich wandeln und auf neuen Entwick-lungsplateaus zusammen-wirken („optimaler Stress“; kurvilineare Beziehung. Quelle: Garmezy, N.,, Masten, A.S. & Tellegen, A. (1984). The study of stress and competence in children: A building block for developmental psychopathology. Child Development, 55, 97–111.

20 Das Resilienzkonzept – vertiefende Bemerkungen (2)
In den vorliegenden Forschungsarbeiten zu Resilienzfaktoren wurde am häufigsten das Kompensationsmodell empirisch überprüft. Dabei wiesen Schutzfaktoren (Selbstwirksamkeit, Familienklima u.a.) positive Beziehungen zu psychischer Gesundheit oder entwicklungsbezogenen Outcomes (z.B. schulischem Erfolg) auf, ohne dass ihre Wirkweise genauer spezifiziert worden wäre. Eine Überprüfung des Schutzfaktorenmodells nahmen Laucht et al. (1998) anhand der Daten ihrer Mannheimer Risikokinderstudie vor. Die kindliche Entwicklung als Outcome-Parameter wurde im Alter von 4 1/2 Jahren mittels Tests der motorischen, kognitiven und sprachlichen Entwicklung, eines Elterninterviews über soziale und emotionale Probleme des Kindes und eine Verhaltensbeobachtung gemessen. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Varianzaufklärung in den Zielgrößen durch die Risikofaktoren beschränkt ist (max. 20% nach schrittweiser Regression). Bei einem großen Anteil gemeinsamer Varianz ist die spezifische erklärte Varianz der Resilienzfaktoren niedriger als die der Risikofaktoren. Quelle: Laucht, M., Esser, G. & Schmidt, M.H. (1998). Risiko- und Schutzfaktoren der frühkindlichen Entwicklung: Empirische Befunde. Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 26, 6–20.

21 Das Resilienzkonzept – vertiefende Bemerkungen (3)
In der Studie von Garmezy et al. (1984) wurden die Wirkungen der Einflussgrößen Intelligenz, sozioökonomischer Status und Stress auf das Sozialverhalten und die Schulleistungen untersucht. Es konnte kein Nachweis für das Herausforderungsmodell gefunden werden, wonach die Outcomes (Sozialverhalten und Schulleistungen) bei einem mittleren Stressniveau ihre positivste Ausprägung erreichen sollten. Stattdessen sanken beide Zielgrößen mit steigendem Stress kontinuierlich ab. Insgesamt ist festzustellen, dass noch ein Mangel an längsschnittlichen Studien besteht, die eine Überprüfung der Wirkmodelle von Resilienz- und Risikofaktoren erlauben (Thyen et al., 2000). Insbesondere besteht Forschungsbedarf, um die Wirkweisen einzelner Einflussgrößen auf die psychische und physische Gesundheit von Menschen genauer zu spezifizieren. Es liegen bislang kaum Erkenntnisse darüber vor, welche Merkmale und welche Prozesse jeweils die notwendigen protektiven Mechanismen für eine resiliente Entwicklung bereitstellen. Quelle: Thyen, U., Kirchhofer, F. & Wattam, C. (2000). Gewalterfahrung in der Kindheit – Risiken und gesundheitliche Folgen. Gesundheitswesen, 62, 311–319.

22 Das Resilienzkonzept – vertiefende Bemerkungen (4) Zusammenfassung
Schlüsselüberlegung: Menschen wählen und formen ihre Umwelten und Erfahrungen (Lebenspraxis) in einem bedeutenden Umfang. Die Betrachtung individueller bzw. psychologischer Aspekte von Problembewältigung ist für den Einzelnen daher aussichtsreicher als die Diskussion von (sozial bedingten) Risiken. Resilienz ist keine „einheitliche“ Persönlichkeitseigenschaft; sie existiert in abgestuften Facetten, die risikospezifisch, kontextabhängig und ein Ergebnis des Zusammenspiels von Person und Umwelt sind. Resilienzentwicklung ist kein lineares Phänomen: Ihr Wiederaufbau nach Schicksalsschlägen ist oft unvollständig; zuweilen zeigt sich eine gestiegene Verwundbarkeit bei späteren ähnlichen Unglücksfällen. Protektive Mechanismen sind nicht nur von der Stärke der Risiko- und Schutzfaktoren abhängig, sondern auch von genetischen Anfälligkeiten (z.B. kognitive Voraussetzungen), früheren biografischen Umständen („stählende“ Erfahrungen) und vorteilhaften Wendepunkten (Bildungs- und Berufschancen, Wahl eines Ehepartners, Veränderung durch einen Umgebungswechsel).

23 Das Resilienzkonzept – vertiefende Bemerkungen (5) Zusammenfassung
Zehn Resilienzfaktoren – Eine Synthese wissenschaftlicher Forschungsergebnisse:  Stabile emotionale Beziehungen zu mindestens einem Elternteil oder einer anderen Bezugsperson;  Soziale Unterstützung durch Personen außerhalb der Familie, Akzeptanz der Person;  Emotional positives, offenes, beratendes, unterstützendes, lenkendes und normorientiertes („strukturgebendes“) Erziehungsklima;  Rollenvorbilder für ein konstruktives Bewältigungsverhalten bei Belastungen;  Balance von sozialen Verantwortlichkeiten und Leistungsforderungen;  Kognitive Kompetenzen (wie zumindest Durchschnittsintelligenz);  Temperamentsmerkmale, die effektives Bewältigungsverhalten begünstigen (z.B. Flexibilität, Frustrationstoleranz, Soziabilität, nicht zuletzt Humor);  Selbstwirksamkeitserfahrungen, Selbstachtung, internale Kontrollüberzeugungen;  Aktives Bemühen, Stressoren zu bewältigen, statt sie zu vermeiden oder zu relativieren;  Erfahrung von Sinnhaftigkeit, Struktur und Bedeutung in der eigenen Entwicklung. Quelle: Lösel, F. & Bliesener, T. (1990). Resilience in Adolescence: A study on the Generalizability of Protective Factors. In K. Hurrelmann & F. Lösel (editors), Health Hazards in Adolescence. New York: Walter de Gruyter.

24 Merkmale resilienter Menschen (1)
Kersting (2005) nennt Resilienz: „the mental muscle everyone has“. In ihrer Publikation „The road to resilience“ nennt die Amerikanische Psychologenvereinigung Wege, wie man zu einem resilienten Menschen wird. Resiliente Menschen …  … akzeptieren die Krise und die damit verbundenen Gefühle. Sie lassen sich Zeit. Sie wissen: Weglaufen hilft nicht.  … schämen sich nicht ihrer Tränen, ihrer Wut, ihrer Ängste. Sie versuchen nicht, ihre Gefühle einzufrieren.  … suchen nach Lösungen. Sie glauben an die eigene Kompetenz. Sie grübeln nicht unentwegt über ein Problem nach, sondern sind sogar im tiefsten Schmerz in der Lage, nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen.  … bearbeiten ihre Probleme nicht allein. Sie bauen auf ihre sozialen Kontakte. Sie versuchen erst gar nicht, ihre Schwierigkeiten im Alleingang zu lösen. Dabei achten Resiliente darauf, dass sie sich in ihrer Not an die richtigen Personen wenden. Quellen: Kersting, K. (2005). Monitor on Psychology, APA Monitor article Vol.88 5/2005). 10 Ways to Build Resilience.

25 Merkmale resilienter Menschen (2)
Resiliente Menschen …  … fühlen sich nicht als Opfer, wobei auch resiliente Menschen nicht gegen Opfergefühle gefeit sind. Doch nach einer gewissen Zeit gelingt es ihnen, anders über ihre Situation zu denken. Statt: „Ich kann nicht“ zu sagen und damit dem Gefühl Ausdruck zu verleihen, völlig die Kontrolle über das Geschehen verloren zu haben, sagen sie: „Ich will es versuchen...“.  … bleiben optimistisch. Krisen werden nicht als unüberwindliches Problem betrachtet. Eine optimistische Lebenseinstellung ist das wichtigste Merkmal der Resilienz.  … verallgemeinern nicht. Wenn sie eine Niederlage einstecken müssen, dann denken sie nicht „Ich tauge nichts“, sondern: „Diesmal hatte ich keinen Erfolg, das nächste Mal wird es wieder klappen.“  … geben sich nicht (allein) selbst die Schuld. Sie erklären sich das Geschehen nicht mehr ausschließlich internal („ich allein bin schuld“), sondern erkennen auch, was andere oder die Umstände dazu beigetragen haben. Quelle: 10 Ways to Build Resilience.

26 Merkmale resilienter Menschen (3)
Resiliente Menschen planen voraus. Sie nehmen eine Langzeitperspektive ein und entwickeln realistische Ziele. Resiliente Menschen, so zeigt die Forschung, halten nichts für selbstverständlich. Sie rechnen mit den Wechselfällen des Lebens und beschäftigen sich gedanklich damit. Die Frage „Was wäre, wenn ...“ stellen sie sich auch in Zeiten, in denen noch kein Anlass zur Sorge besteht. Auf diese Weise sind sie auf die „vorhersehbaren Veränderungen“ im Leben vorbereitet, zu denen nach Flach (1997) vor allem bestimmte Wendepunkte und Transitionen gehören. Wright (1997) ist überzeugt davon, dass vorausplanendes Krisenmanagement Resilienz stärkt. Seiner Ansicht nach müsste beispielsweise so manche Ehe nicht vor dem Scheidungsrichter enden, wenn sich die Paare mit den Problemen und Herausforderungen beschäftigen würden, die im Laufe des Zusammenlebens auftreten können (z.B. Erstelternschaft). Ph. D. H. Norman Wright, Biola University Quellen: Flach, F.F. (1998). Resilience. The Power to Bounce Back When the Going Gets Tough! New York: Hatherleigh Press. Wright, H.N. (1997). Resilience. Rebounding When Life’s Upsets Knock You Down. Michigan: Servant Pubns.

27 Weitere Resilienzstudien (1) Schule als protektiver Faktor
Rutter et al. (1979) untersuchten die Rolle der (Sekundar-) Schule für die Entwicklung von Schülern in Londoner Schulen mit Messpunkten bei 11, 14 und 16 Jahren.  Schulen in unterprivilegierten Gegenden hatten große Unterschiede hinsichtlich Delinquenz, Verhaltensstörungen, Schulbe- such und Schulleistung (Delinquenz variierte bis 1:3).  Die Lage einer Schule in einem Hoch-Delinquenzgebiet war nicht die Ursache von Verhaltens- und Leistungsproblemen.  Der Zusammenhang zwischen Schulcharakteristik und Schüler- charakteristik wuchs über die Untersuchungsperiode, ebenfalls die Unterschiede zwischen Schülern verschiedener Schulen. „Schulen, die Selbstwertentwicklung anregen und sozialen wie Leistungserfolg fördern, reduzieren die Wahrscheinlichkeit emotionaler und Verhaltensstörungen; sie sind ein protektiver Faktor gegen familiale Benachteiligungen und prädizieren Lebenserfolg.“ Quelle: Rutter, M., Maughan, B., Mortimore, P. & Ouston, J. (1979). Fifteen thousand hours: Secondary schools and their effects on children. London: Open Books.

28 Weitere Resilienzstudien (2) Schule als protektiver Faktor
Maughan (1989) beschrieb anhand der Rutter-Studien Merkmale “guter” Schulen. Hauptmerkmale:  Binnendifferenzierung sowie Variation von Lehrinhalten und Lehrformen  Schülergerechte Angebote mit Relevanz für Lebensbewältigung  Prinzip der individuellen Bestleistung unterhalb der Überforderungsschwelle: Ziele setzen, die als Erfolg gelten und akzeptabel sind  Projekte als Mittel gegen Versagen aufgrund fehlender Vorkenntnisse und gegen Stigmatisierung der Versager Weitere Merkmale:  Schülerzusammensetzung („Nukleus mit Durchschnittsintelligenz und normalem sozialem Hintergrund“), Auslesedruck aus der Mittelstufe nehmen, keine Frühselektion  Zielgerichtete Führung durch einen Klassenlehrer („ein Lehrer soll sich als protektiver Faktor fühlen, der die Folgen von Deprivation und Benachteiligung dämpft“)  Freundliche Umwelt: Schulkultur und -tradition, Hausmeister, kein Vandalismus  Planung und Strukturiertheit des Unterrichts (Hausaufgaben, Examen)  Entscheidungsfreiräume/Verantwortlichkeiten für Schüler, sanktionsfreudige Lehrer  Außerschulische (Freizeit-) Aktivitäten und Bibliothek  Einbeziehung der Eltern, gemeinsame Regelwerke  Ganzheitliches Lehrerethos (“statt Arzt und Therapeut besser Lehrer und Erzieher”)  Psychosoziale Beratung, Berufs- und Arbeitsberatung Quelle: Maughan, B. (1989). School experiences as risk/protective factors. In M. Rutter (Ed.), Studies of Psychosocial Risk. NY: Press Syndicate of University of Cambridge.

29 Weitere Resilienzstudien (3) Arbeit als protektiver Faktor
„Ein Beruf ist das Rückgrat des Lebens.“ (Nietzsche, 1883) „Der Zugang zu Erwerbsarbeit und Beruf entscheidet nicht lediglich über Höhe und Stabilität der materiellen Existenzsicherung, sondern auch über Status, Sozialkontakte sowie über berufliche wie zu einem guten Teil auch außerberufliche Interessenlagen und Handlungschancen. Man kann also sagen, dass Erwerbsarbeit und Beruf zur ´Achse der Lebensführung´ der Menschen im Industriezeitalter geworden sind.“ (Beck 1986) Die Statistik weist einen eher geringen Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Straffälligkeit aus (Schumann, 2003). „Im Grunde sind die Zusammenhänge zwischen Ausbildung, Arbeit und strafbarem Verhalten kaum aufgeklärt …“ (Schumann, 2003).  Sind Ausbildung und Beschäftigung protektive Faktoren gegen Delinquenz bzw. Kriminalität? Quellen: Nietzsche, F. (1883). Menschliches, Allzumenschliches. In: Sämtliche Werke, 15 Bde. Kritische Studienausgabe (2. Neuausgabe, 1999). De Gruyter: Berlin, New York. Beck, U. (1986). Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Schumann, K.F. (Hrg.) (2003). Berufsbildung, Arbeit und Delinquenz. Bremer Längsschnittstudie zum Übergang von der Schule in den Beruf bei ehemaligen Hauptschülern, Bd. 1, Weinheim/ München.

30 Weitere Resilienzstudien (4) Arbeit als protektiver Faktor
Forschungsgegenstand und Forschungsdesign der Bremer Längsschnittstudie (Schumann, 2003):  Diese Studie befasste sich mit dem häufig postulierten Zusammenhang zwischen beruflicher Qualifikation, Erwerbsverlauf und Kriminalität.  Es handelte sich um eine Längsschnittstudie (1988 bis 2001). Untersucht wurden die Abgänger aus Haupt- und Sonderschulen des Jahres Das Forschungsdesign war charakterisiert durch: - 5 quantitative Befragungswellen (732 Pbn bei der ersten Welle, 333 Pbn bei der letzten Erhebung), - 5 qualitative Befragungswellen (problemzentrierte Interviews mit 60 Personen) bspw. zu folgenden Inhalten: Ausbildung, Beruf, Einbindung in die Herkunftsfamilie, Freundschaft, Cliquen, Partnerschaft, Freizeitverhalten, Einstellung zu Delinquenz, Alkohol- und Drogenmissbrauch, Lebensplanung, Bewertungen der jeweiligen Lebenslage.  Die gewonnenen Daten wurden durch Auskünfte aus dem Bundeszentralregister (registrierte Straftaten) und Analysen von Strafverfahrensakten ergänzt. Zusätzlich wurden mittels Experteninterviews 21 betriebliche Ausbilder des dualen Systems, Lehrkräfte der berufsbezogenen Ausbildung und 6 Berufserzieher in betrieblichen Einrichtungen des Ausbildungsvorbereitungsjahres befragt. Quellen: Schumann, K.F. (Hrg.) (2003a). Berufsbildung, Arbeit und Delinquenz. Bremer Längsschnittstudie zum Übergang von der Schule in den Beruf bei ehemaligen Hauptschülern, Bd. 1, Weinheim/ München. Schumann, K.F. (Hrg.) (2003b). Delinquenz im Lebensverlauf. Bremer Längsschnittstudie zum Übergang von der Schule in den Beruf bei ehemaligen Hauptschülern, Bd. 2, Weinheim/ München.

31 Weitere Resilienzstudien (5) Arbeit als protektiver Faktor
Ausgewählte Forschungsergebnisse der Bremer Längsschnittstudie (Schumann, 2003)  Aspekte des Ausbildungsverlaufs und des Arbeitslebens zeigten sich ohne systematischen Einfluss auf die Delinquenzentwicklung Jugendlicher und junger Erwachsener. Bedeutsamer als der Arbeitssektor erwies sich für die Probanden die Zugehörigkeit zu Cliquen.  Delinquenz wurde durch den Beginn von Berufsausbildungen nicht ver- ringert, die Tatprävalenzen (Prävalenz ist eine Kennzahl und sagt aus, wie viele Individuen einer Population einen bestimmten Sachverhalt erfüllen) waren bei der Mehrheit der Delikte vor und nach Schulabgang ähnlich.  Ob eine Lehre erfolgreich durchlaufen wurde oder nicht, ob ein Abbruch erfolgte oder von der Schule in ungelernte Arbeit gewechselt wurde – der Ausbildungsstatus spielte praktisch für das delinquente Verhalten keine Rolle. Fast durchgängig relevant waren dagegen: Geschlecht, Nationalität, Cliquenzugehörigkeit, Vordelinquenz und Justizkontakte. Quellen: Schumann, K.F. (Hrg.) (2003a). Berufsbildung, Arbeit und Delinquenz. Bremer Längsschnittstudie zum Übergang von der Schule in den Beruf bei ehemaligen Hauptschülern, Bd. 1. Weinheim/ München. Schumann, K.F. (Hrg.) (2003b). Delinquenz im Lebensverlauf. Bremer Längsschnittstudie zum Übergang von der Schule in den Beruf bei ehemaligen Hauptschülern, Bd. 2. Weinheim/ München.

32 Weitere Resilienzstudien (6) Arbeit als protektiver Faktor
Ausgewählte Forschungsergebnisse der Bremer Längsschnittstudie (Schumann, 2003)  Die an der Qualifizierung Gescheiterten unterlagen keinem erhöhten Delinquenzrisiko; mehrfaches „Scheitern“ führe in einigen Fällen zu sehr konformen Entwicklungen, in anderen zu starker Delinquenz.  Aktuelle Arbeitslosigkeit fördert (mit Ausnahme der Straftat „Schwarzarbeit“) nicht die Begehung strafbarer Delikte.  Maßgeblich für das Abstandnehmen von delinquentem Handeln war der Ausstieg aus Cliquen delinquenter Gleichaltriger sowie der Rückzug in die Privatsphäre einer Partnerschaft oder eigenen Familie. Zusammenfassung: Parameter der Ausbildungs- und Berufsbiographie können nicht zur Vorhersage von Delinquenzentwicklungsprozessen bei jungen Menschen verwendet werden. Quellen: Schumann, K.F. (Hrg.) (2003a). Berufsbildung, Arbeit und Delinquenz. Bremer Längsschnittstudie zum Übergang von der Schule in den Beruf bei ehemaligen Hauptschülern, Bd. 1. Weinheim/ München. Schumann, K.F. (Hrg.) (2003b). Delinquenz im Lebensverlauf. Bremer Längsschnittstudie zum Übergang von der Schule in den Beruf bei ehemaligen Hauptschülern, Bd. 2. Weinheim/ München.

33 Weitere Resilienzstudien (7) Grenzen des Resilienzkonzepts und forschungsmethodische Schlussfolgerungen Protektive Faktoren wirken bereichsbezogen und sind nicht immer stabil. Der Einfluss protektiver Faktoren variiert über die Lebenszeit: Zunächst sind konstitutionelle Faktoren besonders wichtig, dann Kommunikations- und Problemlösefähigkeiten, später Selbstwirksamkeits- und Kontrollüberzeugungen. Die Ambiguität von protektiven Faktoren schafft „Dosierungsprobleme“: Hohes Selbstwerterleben kann z.B. Aggressivität fördern. Resilienzstudien haben geringe ökologische Varianz; individuelle und soziale Merkmale sind stark konfundiert; die gesellschaftlichen Kontexteffekte bleiben diffus. Resilienzförderung betrifft das Verhalten komplexer Systeme, sie ist daher schwierig, und ihr Erfolg trägt lediglich Wahrscheinlichkeitscharakter. Protektive Faktoren stellen nicht das Gegenteil von Risikofaktoren dar, ihre Abgrenzung ist schwierig. Die Pufferwirkung bzw. zeitliche Priorität protektiver Faktoren lässt sich kaum empirisch nachweisen (sie dürften ihre Wirkung nur bei Anwesenheit von Risiken entfalten).  Es fehlt Forschung mit dynamischer Theorie unter Einschluss der genetischen Perspektive. Quelle: Laucht, Bergmann & Mahoney, Lewis, Staudinger … alle In G. Opp, M. Fingerle & A. Freytag (Hrsg., 1999). Was Kinder stärkt – Erziehung zwischen Risiko und Resilience. München: Reinhardt.

34 Wie kann man Resilienz fördern? (1)
Normative Transitionen im Lebensverlauf erfordern Resilienz:  Transitionen unterbrechen den Lebensverlauf, lösen Individuen/Systeme aus Zusammenhängen und erfordern eine Reorganisation des Lebens.  Transitionen verändern Rollen, Beziehungen und Identitäten; sie führen zu einer veränderten Selbst- und Umweltwahrnehmung sowie zu einem emotionalen Ungleichgewicht.  Typische Transitionen: Familie/Kindergarten; Schule/Berufsausbildung/ Beruf/Ruhestand; Partnerschaft/Elternschaft/Trennung; usw.) Nicht-normative Transitionen im Lebensverlauf erfordern Resilienz:  Das Leben in der Postmoderne ist geprägt von Individualisierung, Enttraditionalisierung und Entsolidarisierung. Daraus resultieren im zunehmenden Maße Diskontinuitäten und Transitionen. Fragen:  Kann man, wenn man soviel über Resilienz weiß, nicht für jeden Klienten ein maßgeschneidertes erfolgversprechendes Förderkonzept erstellen?  Kann man vielleicht Resilienzförderung sogar vorbeugend betreiben?

35 Wie kann man Resilienz fördern
Wie kann man Resilienz fördern? (2) Das „Head Start“ – Programm für Kinder „Head Start“ ist ein nationales, 1965 ins Leben gerufenes Vorschulprogramm in den USA. Es bietet Erziehung und Bildung, Service in den Bereichen Gesundheitsvorsorge und Ernährung sowie die Einbeziehung der Eltern in die pädagogische Arbeit. Es richtet sich an Familien mit niedrigem Einkommen. In Längsschnittstudien wurden langfristig günstige Entwicklungen von Risikokindern berichtet, die sich an Vorschulprogrammen des Head Start- Projekts beteiligt hatten. „Early intervention for disadvantaged children can yield an economic return that makes it a good investment relative to other uses of society's resources” (Barnett & Escobar, 1987). Garces et al. (2002) untersuchten die langfristigen Effekte vom „Head Start“ – Programm anhand von Zwillingen, von denen einer am Programm teilgenommen hatte, der andere aber nicht. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die Teilnahme mit einer höheren Wahrscheinlichkeit eines High-School- Abschlusses (um 20%) und eines College-Besuchs (um 28 %) verbunden war. Teilnehmende Afroamerikaner hatten eine um 12 % geringere Wahrscheinlichkeit, wegen Straftaten verhaftet oder verurteilt zu werden. Quellen: Barnett, W. S. & Escobar C.M. (1987). The economics of early educational intervention: A review. Review of Educational Research, 57(4), Zigler, E. & Muenchow, S. (1992). Head Start. The Inside Story of America's Most Successful Educational Experiment. New York: Basic Books. Garces, E., Duncan, T. & Currie, J. (2002). Longer Term Effects of Head Start. In American Economic Review, Vol. 92, No. 3, pp

36 Wie kann man Resilienz fördern
Wie kann man Resilienz fördern? (3) Das „Big Brothers, Big Sisters“ – Programm für Jugendliche „Big Brothers, Big Sisters“ sind US-amerikanischen Tutoring- oder Mentoring-Programme, bei denen zur Unterstützung benachteiligter Menschen eine Art Tandem-Prinzip genutzt wird, d.h. es werden Paare aus einem „starken“ und einem „schwachen“ Partner gebildet. Der „starke“ Helfer fungiert dabei als Rollenvorbild, als Mentor oder Tutor des ihm Anvertrauten. Die Einrichtung „Big Brothers, Big Sisters“ vermittelt „Große Brüder“ und „Schwestern“ an Kinder, die besonders dringend eine erwachsene Bezugsperson brauchen - zum Beispiel, weil die Familie zerrüttet ist oder ein Elternteil die Familie verlassen hat. Beeindruckende Resultate konnten Grossman & Tierney (1998) für das „Big Brothers, Big Sisters“ – Programm feststellen. Die Wahrscheinlichkeit, erstmals Drogen zu konsumieren, sank nach der Intervention bei den betreuten Jugendlichen um durchschnittlich 46%. Bezüglich Alkohol sank die Wahrscheinlichkeit des erstmaligen Konsums um 27%. Die Wahrscheinlichkeit, die Schule zu schwänzen, sank um 52%. Zudem konnte man verbesserte Beziehungen der Jugendlichen zu den Eltern und Peers nachweisen. Quelle: Grossman, J.B. & Tierney, J.P. (1998). Does mentoring work? An impact study of the big brothers big sisters program. Evaluation Review, 22, 403–26.

37 Wie kann man Resilienz fördern? (4)
Quelle: Vanistendael (siehe oben) und Lösel, F. & Bliesener, T. (1990). Resilience in Adolescence: A study on the Generalizability of Protective Factors. In K. Hurrelmann & F. Lösel (editors), Health Hazards in Adolescence. New York: Walter de Gruyter. „Casita“ Das Haus der Resilienz

38 Wie kann man Resilienz fördern? (5)
10 Fragen für (aufgrund von sozialisationsresistenten Klienten niedergeschlagene, aber resiliente) Mitarbeiter der Kinder- und Jugendhilfe, der Polizei, der Schule …: Hat mein Klient jemanden (Freunde, Familienmitglieder oder irgendeine andere Person), zu dem es eine sehr gute Beziehung pflegt? Wie gibt mein Klient seinem Leben einen Sinn? Welche Tätigkeiten kann mein Klient wirklich gut ausführen? Welche positiven Eigenschaften besitzt mein Klient? Woran hat mein Klient Spaß und Freude? Welche Problemwahrnehmung hat mein Klient? Was kann ich tun, dass mein Klient seine Perspektiven verändert? Gibt es Klienten, die keine offensichtlichen Probleme haben, obwohl sie mit vergleichbaren Schwierigkeiten konfrontiert sind? Ist der Klient schon ein Problemfall für mich? Wenn ich in der „Experten“-Rolle bin, worauf beruht dann meine Expertenschaft? Quelle: Vanistendael, S. (2003). Wachsen im Auf und Ab des Lebens. In D. Sturzbecher & B. Schrul (Hrsg.), Kinder stark machen ... Konzepte der Gewalt- und Kriminalitätsprävention sowie der Verkehrssicherheitsarbeit. Potsdam: Arbeitsstelle für Bildungs- und Sozialisationsforschung der Universität Potsdam.

39 Wie kann man Resilienz fördern? (6)
Eine Leitlinie aus (sozial-) politischer Sicht:  Resilienz wächst im Zusammenspiel des Kindes mit seiner Umwelt. Da Resilienz weder umfassend noch beständig ist, bedarf es einer permanenten Resilienz- förderung im spezifischen kulturellen Kontext von Kindern, Jugendlichen  Das Resilienz-Konzept ist daher kein Ersatz für Sozialpolitik, sondern inspiriert sie und rückt sie ins Blickfeld. Eine Leitlinie aus individuell-professioneller Sicht (Anthony Bloom, russisch- orthodoxer Mönch):  „Wenn wir einen Menschen nicht anschauen und die Schönheit in ihm sehen, können wir gar nichts für ihn tun. Man hilft einem Menschen nicht dadurch, dass man entdeckt, was bei ihm falsch, hässlich und verzerrt ist. (...)  Jeder einzelne von uns ist ein Abbild Gottes, aber jeder gleicht einem beschädigten Bild. Wenn wir eine Ikone erhielten, die durch Abnutzung, durch menschlichen Hass oder andere Umstände beschädigt wurde, würden wir sie mit Ehrfurcht, Zärtlichkeit und Trauer betrachten. Wir würden unsere Aufmerksamkeit nicht in erster Linie der Tatsache zuwenden, dass sie beschädigt ist, sondern der Tragödie ihrer Beschädigung. Wir würden uns darauf konzentrieren, was von der Schönheit übrig ist und nicht auf das, was von der Schönheit verloren ging. Und das ist es, was wir bezüglich jedes Menschen erst noch lernen müssen ...“ Quelle: Vanistendael, S. (1996). Einige Bausteine für eine Kinderschutzpolitik in Europa. In W. Edelstein, K. Kreppner & D. Sturzbecher (Hrsg.), Familie und Kindheit im Wandel. Postdam: Verlag für Berlin-Brandenburg.

40 Ich wünsche Ihnen viel Erfolg für Ihre weitere Arbeit und danke für Ihre Aufmerksamkeit!


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