Die Präsentation wird geladen. Bitte warten

Die Präsentation wird geladen. Bitte warten

Demographie 8: „Left-overs“ und Synopse

Ähnliche Präsentationen


Präsentation zum Thema: "Demographie 8: „Left-overs“ und Synopse"—  Präsentation transkript:

1 Demographie 8: „Left-overs“ und Synopse
Albert F. Reiterer Demographie 8: „Left-overs“ und Synopse Literatur: Gibt es allgemeine und weitreichende Tendenzen, welche die Bevölkerungsentwicklung bedingen?

2 „Wirtschaft“ rationale Wahlhandlung
"Ökonomie ist die Wissenschaft, welche menschliches Verhalten als eine Beziehung zwischen Zielen und knappen Mitteln unter-schiedlicher Verwendungsmöglichkeiten betrachtet" (Robbins 1949). „Rationale Wahlhandlung – rational choice“ Max Weber: Zweckrationalität – Wertstruktur und kulturelle Identität Wertrationalität – Interesse Ökonomie untersucht menschliches Sozialverhalten, aber nur in einer Dimension.

3 Ökonomische Theorie des „Kinderkriegens“
„Ich behaupte, dass der ökonomische Ansatz einen einzigartig hohen Erklärungswert hat, denn er kann menschliches Verhalten weitgehend erfassen … Zusammen genommen ergibt die Annahme eines Maximierungsverhaltens, des Marktgleichgewichts und der stabilen Präferenzen, konsequent durchgehalten diesen Ansatz … Ich bin schließlich zur Ansicht gekommen, dass der ökonomische Ansatz auf das gesamt menschliche Verhalten umfassend anwendbar ist“ (Becker 1976, 5 und 8). "Zeit und Güter sind Inputs in die Produktion von 'Waren', welche erst direkt Nutzen liefern. Diese Waren sind nicht auf dem Markt käuflich, sondern werden im Haushalt produziert und konsumiert, welcher Marktgüter, eigene Zeit und verschiedene Umwelteigenschaften einsetzt. Zu diesen Waren gehören Kinder, Prestige und Ansehen, Gesundheit, Altruismus, Neid und sinnliche Vergnügen" (Becker 1981, 8). "Waren" dieser Art haben nur Schattenpreise. Man kann den daraus zu ziehenden Nutzen maximieren. Kinder sind besonders zeitintensive Heimprodukte. Eine Erhöhung des Lohns wird also die Nachfrage nach Kindern verringern, es sei denn, dass gewisse Produktionsvorgänge und -zeiten ersetzt bzw. ausgelagert werden können, z. B. mittels Kindergärten. Dieselben Autoren nehmen allerdings an, dass die Einkommenselastizität für Kinder positiv ist. Tatsächlich haben aber Familien mit niedrigeren Einkommen in den Industrieländern durchschnittlich mehr Kinder. Der Schluss aus dieser empirischen Gegebenheit müsste somit lauten: Kinder sind inferiore Güter. Um diese Folgerungen zu umgehen, nimmt man einen positiven Zusammenhang zwischen dem Einkommen und einer bestimmten Art von Kindern, "Qualitätskindern", an, deren Kosten (Preise) natürlich höher sind. Das WIFO hat für Österreich jüngst die direkten und indirekten Kosten für Kinder abgeschätzt. Die direkten Kinderkosten sind natürlich altersabhängig und bewegen sich im Durchschnitt für ein Kind bis 10 Jahren bei etwa 350,- €. Das würde etwa dem neuen Kindergeld entsprechen. Noch stärker als die direkten sind die indirekten Kosten für Kinder – Opportunitätskosten im wesentlichen, d. h., solche des entgangenen Verdienstes – eine Frage der sozialen Schicht. Durchschnitte sind hier nicht mehr hilfreich. So befremdend diese Sprache klingen mag, liegt die Schwäche dieses Ansatzes keineswegs allein darin. Die Annahmen hinter dieser Sprache würden sogar in einen sozialanthropologischen Trend passen, der von vielen Theoretikern behauptet wird: die zunehmende Rationalisierung des menschlichen Verhaltens (Habermas 1982 in Anschluss an Weber 1976).

4 Ökonomische Theorie des „Kinderkriegens“ II
“Für jene, die das Glück haben einer kleinen Kohorte anzugehören, ist das Leben i. A. wirklich gut. Das Gegenteil gilt für die Mitglieder einer großen Kohorte; für eine Babyboom-Generation ist dasLeben eher hart” (Easterlin 1980, 4). Easterlin-Quotient = Männer (15 bis 29 / 30 bis 64) Die Entscheidung für eine bestimmte Anzahl von Kindern ist eine inverse Funktion dieses Quotienten: Je höher er ist, umso niedriger ist die Fortpflanzungsneigung. „The impact of the Easterlin effect is strongly confirmed. … Relative cohort size [i. e. the above mentioned ratio] has a significantly negative influence on fertility [in 23 high-income OECD-countries]“ (Jeon / Shields 2005, 6). Eine Zeit hoher Arbeitslosigkeit und wirtschaftlicher Depression bringt gewöhnlich Jahre sehr niedriger Geburtenziffern. Die abgeschlossene Fruchtbarkeit der betroffenen Generationen schwankt jedoch in geringerem Ausmaß. Die Menschen erfüllen sich ihren Kinderwunsch dann, wenn sie die Umstände wieder als günstiger empfinden. Dies kann man als eine Bestätigung einer Tschajanow'schen Tendenz zur Anpassung der Kinder-zahl an die eigenen materiellen Möglichkeiten im gegebenen Bedürfnishorizont sehen, wie an ähnlichen Fällen schon vor 200 Jahren einige Theoretiker mutmaßten (Süßmilch 1761; Graunt 1662, Say 1996, 181f.). So entsprechen den massiven Geburtenausfällen der Wirtschaftskrise in den Dreißiger Jahren kei­neswegs im selben Ausmaß niedrigere Gesamtfruchtbarkeitsziffern der betroffenen Ge­nerationen. Zu einem nicht geringen Teil holten sie die Geburten nach dem "Anschluss" nach, als die Arbeitslosigkeit sank war (im Demographen-Jargon: die "Nazi-Kinder"). Der Easterlin’sche Ansatz könnte ganz gut als eine konkrete Form durch gehen, wie sich die Marx’sche Idee der Wertbestimmung für die Arbeitskraft, nämlich durch ihre Produktions­kosten im Rahmen von längerfristigen Konjunkturschwankungen, konkret verwirklicht. Wenn dies aller-dings für die USA gilt, für Europa allerdings weniger – hier müsste man neue Untersuchungen vornehmen, die über die BRD hinaus gehen – ist dies allerdings ein ambivalentes Ergebnis, das die Wirkung von Marktkräften über lange Frist eher niedrig einschätzt.

5 Familienökonomie: Vermögensübertragung zwischen den Generationen
Die Mehrgenerationenfamilie, die keineswegs in einem Haushalt leben muss und dies mittlerweile selten noch tut, erhält einen intergenerationalen Tauschprozess in Gang, der jetzt aber völlig anderer Art ist als bisher. Hier läuft der Austausch von “Sorge und Affektion” für die Älteren gegen “Übertragung von Vermögenswerten” an die Jüngeren. Allerdings ist der Geldfluss, den wir oben erwähnten, nur die Spitze des Eisberg mit einem eher symbolischen Charakter. Die Hauptfunktion dieses Moduls ist die Übertragung von Vermögen im besonderen, von zugeschriebenen Leistungen und Eigenschaften i. a. in einer Gesellschaft, deren Verteilung materieller Werte auf Privateigentum beruht. Es stellt einen Algorithmus zur Verfügung, der prinzipiell als der einzig legitime für diese Übertragung betrachtet wird. Die Kosten für Kinder wachsen mit der Abnahme der Fruchtbarkeit, weil der „Wert“ (sowohl sozial als auch ökonomisch) des Kindes steigt, insbesondere des Einzelkindes. Niemand spricht aber von den unerträglichen Lasten der jungen Generation.

6 Demographie und Ökonomie: Mehr Fragen als Antworten
Ökonomie – ein Tummelplatz konservativer Ideologien, aber gleichzeitig die hegemoniale Wissenschaft der Gegenwart „There is no alternative“? Politik ist immer die bewusste Wahl zwischen unterschiedlichen Perspektiven, zwischen „Alternativen“ the visible against the invisible hand Das bekannteste demographische Paradigma (eine Grundidee) behauptet, "dass die Bevölkerung sich stets nach der Menge der Unterhaltsmittel richten muss" (Malthus 1977 [1798], 11 f.), weiter, "dass die Vermehrungskraft der Bevölkerung unbegrenzt größer ist, als die Kraft der Erde, Unterhaltsmittel für den Menschen hervorzubringen. Die Bevölkerung wächst, wenn keine Hemmnisse auftreten, in geometrischer Reihe an. Die Unterhaltsmittel nehmen nur in arithmetischer Reihe zu" (18). Die Bevölkerungsbewegungen werden vom extern gegebenen Nahrungs-mittelspielraum konditioniert. Malthus hat dies nicht als Bevölkerungstheorie konzipiert. Er steht in der Tradition der Aufklärer mit ihrer anthropologisch-politischen Fragestellung nach der Vervollkommnungsfähigkeit des Menschen. Allerdings ist seine Absicht konträr zur aufklärerischen. Condorcet behauptet die Vervollkommnungsfähigkeit der Menschen. Malthus: "Das Elend ist eine absolut unausweichliche Folge. Das Laster ist eine sehr wahrscheinliche Folge ... des natürlichen Ungleichgewichts ... zwischen den beiden Kräften ... Deshalb scheint dieses Gesetz auch entschieden gegen die mögliche Existenz einer Gesellschaft zu sprechen, deren sämtliche Mitglieder im Wohlstand, Glück und verhältnismäßiger Muße leben" (19). Malthus' Voraussetzungen erwiesen sich als falsch, weil sie naturalistisch konzipiert sind. Er sah die soziale Bedingtheit nicht. Seine Thesen stehen an der Wurzel eines ganzen Stammbaumes von Theorien. Die bekannteste neueren ist das "Weltmodell" (Trendverlängerungen) des Club of Rome: Energie wird heute mittelfristig nicht mehr als Engpass der Entwicklung betrachtet.

7 Wirtschaftswachstum – welche Auswirkung hat die Alterung?
Untersuchungen aus Kanada haben ergeben, dass der Produktivitätsverlust durch Alterung gegeben, aber minimal sein dürfte.

8 Melting Assets? Wenn alle gleichzeitig ihre Reserven liquidieren, sinken die Kurse Dagegen: Wenn laut Keynes‘scher Gleichung I = S, müssen die „Anbotspreise“ – in diesem Fall: die Zinsen / Renditen – steigen, und das erhöht tendenziell auch die Kurse Die Befürchtung scheint bisher unbegründet. Wirkliche Probleme treten nicht auf der Makro-Ebene auf, sondern auf der einzelwirtschaftlichen. Wenn Pensionen von Pensions-Fonds abhängig sind, gehen sie im Extremfall bei einem Konkurs verloren (siehe lateinamerikanische Beispiele, etwa Argentinien), oder aber die Auszahlungen sinken u. U. drastisch, wenn es krisenhafte Entwicklungen gibt (siehe Schweizer Beispiel in der „Zweiten Säule“).

9 Alterskampf-Ideologie
„Die Aktiven werden durch die Pensionisten ärmer.“ 31,3 125,0 85,8 14,2 156,3 Erklärung: Bei einem jährlichen Durchschnittswachstum von 1,6 % - ein realistischer Wert - macht das Gesamtprodukt im Jahr 2030 um +56,3 % mehr aus als im Jahr Im Jahr 2000 machte der Anteil der Pensionen am BIP 14,2 % aus. Im Jahr 2030 könnte er 20 % ausmachen, wenn die bisherige Vorsorge im Niveau weiter geschrieben würde. Doch obwohl die Aktiven 7 Punkte an Anteilen verloren haben werden, haben sie doch +46 % an monetär messbaren Wohlstand gewonnen haben. Wenn die Wirtschaft entsprechend wächst, verlieren die Aktiven auch mit einer stärkeren relativen Belastung absolut gesehen nichts, sondern gewinnen nach wie vor an Wohlstand. „Wie immer die Pensionen finanziert werden, die Pensionisten beanspruchen einen Teil der Produktion. … Während im Umlage-Verfahren dem Einzelnen durch seine Beiträge Optionen auf die Produktionsleistung zum Zeitpunkt seiner Pensionierung erwachsen, erwirbt er sie im Kapitaldeckungsverfahren durch seine Ersparnisse. In beiden Fällen muss aber der Konsum der Pensionisten … aus der laufenden Produktion gedeckt werden und ist damit Teil der Wertschöpfung.“ Guger, Alois (1997), Perspektiven der österreichischen Altersvorsorge im internationalen Vergleich. In: Monatsberichte 70, Heft 9, Alles, was Nicht-Aktive konsumieren, muss in derselben Periode von Aktiven erzeugt werden. Angespart werden nicht reale Güter, sondern nur Ansprüche auf solche Güter. Sparguthaben und Aktien sind keine Güter, sondern verbriefte Ansprüche aus Vertrags-Verhältnissen. Auch Pflichtversicherungen sind solche Ansprüche, können aber durch politische Beschlüsse relativ leichter geändert werden. Nur der so genannte „Vertrauen-schutz“ (ein Begriff des österreichischen VerfGH) ist eine Rechtsbarriere, während bei Privat-Verträgen das „Grundrecht“ auf Eigentums-Schutz in dieselbe Richtung geht. 100,0 2000 Jährliche Wachstumsrate: 1,6 % - Bei Verringerung der Erwerbsquote auf 45 %: 1,63 % 2030

10 Alterskampf-Ideologie II
Privatisierung der Altersvorsorge ist notwendig: denn „die zukünftige Generation, welche die Erträge erarbeiten muss, verfügt dank der früheren Einzahlungen über einen Kapitalbestand, der produktiv eingesetzt werden kann“ (Werner Eberhardt, Staatssekretär für Wirtschaft in der Schweiz, 2003). Logischer Fehler: Verwechslung von Einzelwirtschaft und Gesamtsystem Der Kapitalstock ist sowieso entweder vorhanden oder nicht vorhanden, hat aber mit dem privaten Einzahlen keinerlei Zusammenhang. Denn was die einen ansparen, heben die anderen zur Lebenshaltung ab, beim Kapitaldeckungsverfahren wie beim Umlageverfahren. Die einzige Frage, die sich stellt, ist die Höhe von Einzahlung und Abhebung. Logischer Fehler: Verwechslung von Geld- und Realwirtschaft Das „Problem“, dass die Aktiven die Ruheständler erhalten, ändert sich um kein Iota – denn entweder gibt es Ansprüche, durch Ansparen oder durch Umlagezahlungen mit späterer Nutznießung auf der Empfängerseite, oder diese Ansprüche sind nicht vorhanden und garantiert. Es geht um den Unterschied zwischen „Armutsbekämpfung“ im Residualen Sozialstaat und einer Gesellschafts-Politik der Verminderung stoßender sozialer Ungleichheit, die im Wohlfahrtsstaat europäischer Prägung eher angestrebt wird. Die „Pensionsreformen“, d. h. die Kürzungen und Einkommenssenkungen, sind ein wichtiger Schritt im Abbau des europäischen Modells und der Übernahme des durch Armutsbekämpfung gemilderten US-Modells, welches nicht zuletzt das Ziel der EU und ihrer „Lissabon-Strategie“ ist. Diese Politik ist keineswegs eng parteigebunden. Die Hauptströmung der europäischen Sozialdemokratie verfolgen sie ebenso wie die deklariert Konservativen Parteien („Christlichsoziale“, „Volksparteien“, „Liberale“. …).

11 Politisches Ziel der Generationendebatte
Das „individuelle Pensionskonto“ eine neue Einkommensverteilung eine politische Korrektur der Verteilung soll unmöglich werden Effekt: „the great U-turn“ – eine umgedrehte Kuznets-Kurve „The great U-turn“ ist das Schlagwort, unter welchem die Tatsache diskutiert wird, dass in den USA seit Ende der 1960er und in Westeuropa seit Ende der 1980 die Verteilung deutlich ungleicher wird. Die Kuznetskurve ist eine Beobachtung seitens des „Wirtschafts-Nobelpreisträgers“ Simon Kuznets, dass im Laufe der Industriellen Revolution die Ungleichheit in der Einkommensverteilung zuerst stieg – bis etwa zum Beginn des Ersten Weltkriegs – und dann erst deutlich zurück ging (bis Mitte der 1950er Jahre). „Kuznets-Kurven, d. h. i. A. zuerst Verschlechterungen einer Entwicklung mit erst folgender Verbesserung, werden heute in mehreren Bereichen diskutiert, z. B. in Fragen der Umweltbelastung.

12 Synopse 1: Bevölkerung und Gesellschaft
Eine Bevölkerung ist eine Gesellschaft unter einem bestimmten Aspekt: der Reproduktion. Die Sozialwissenschaft Demographie behandelt also – in einer höchst technischen Sprache – Grundbefindlichkeiten, Grundbedürfnisse und grundsätzliche Verhaltensweise des Menschen. Sie spricht von „Fruchtbarkeit“ und benennt damit, in technischer Sprache, eines der wesentlichsten Sinnziele des Menschen, ja, die längste Zeit das wichtigste überhaupt: die Selbstverewigung in Kindern. Sie spricht von „Sterblichkeit“, und kommt damit an die radikale Grenze dieser Transzendenz: den Tod. Sie spricht von „Mobilität“ und „Wanderung“ und benennt so die grundlegendste soziale Handlungsmöglichkeit: den Wechsel von sozialen Bezügen durch Ortswechsel. Wenn Demographen von Geschlecht und Alter sprechen, so benennen sie zwei soziale Basisstrukturen überhaupt. Sie sind gleichzeitig Tatsachen der Alltagswelt und Makrostrukturen: Geschlecht ist eine Makrostruktur der Macht; Alter ist eine Makrostruktur der Lebensplanung und des Verhaltens. Bevölkerung, aus demographischer Sicht, ist jene Grenzstruktur schlechthin, an welcher die Gattung und Art Mensch zu Gesellschaft und Kultur wird. Jedes Sozialsystem und jede Kultur ist menschlich gestaltet, nicht „natürlich“ gegeben. So hängt die Bevölkerungsweise (demographisches Regime) von den Notwendigkeiten des Lebens und des Lebenserhalts ab, vom Entwicklungsstand also. Doch auch menschliche Phantasie, Invention und Versuch und Irrtum spielen ihre Rolle. Steht ein Verhaltenskomplex den Notwendigkeiten des Überlebens besonders nahe, so ist es eng an den Entwicklungsstand gebunden, und der autonome Spielraum ist klein. Dies gilt für die Bevölkerung. Unterschiedliche Bevölkerungsweisen sind eng an das materielle Entwicklungsniveau geknüpft. Sie variieren daher nur wenig zwischen Gesellschaften gleicher Sozialstruktur und gleichen materiellen Niveaus. Unterscheiden sich aber Gesellschaften ähnlichen Wohlstands strukturell sehr stark von einander, so werden sich auch die demographischen Regime, die Bevölkerungsweisen, unterscheiden. Die Bevölkerungsweise des verblichenen „Realsozialismus“ sowjetischer Dominanz in Osteuropa von 1950 – 1990 war recht deutlich unterschiedlich zu jener von Gesellschaften gleichen Wohlstands in Südeuropa.

13 Synopse 2: „Bevölkerungsweise“, demographisches Regime
Die Bevölkerungsweise ist der aufeinander abgestimmte Verhaltenskomplex, der aus der Fruchtbarkeit (Fortpflanzung und Gebärverhalten), der Sterblichkeit (jedes Verhalten, welches sich auf das physische Überleben bezieht, also z. B. Gesundheit oder auch Lebensweise) sowie der räumlichen Mobilität die Geschlechts- und Altersstruktur sowie schlussendlich Bevölkerungsdichte und Wachstum entstehen lässt. Die Bevölkerungsweise (demographisches Regime, generative Struktur) muss sich abhängig von der Subsistenzweise (Produktionsweise, sozio-ökonomische Formation) ändern. Es gibt also eine historische Folge. (1) Sammler und Jäger wiesen jeweils hohe, aber nicht exorbitant hohe Fruchtbarkeit und Sterblichkeit, also eine gar nicht so geringe Lebenserwartung bei Geburt, eine sehr geringe Bevölkerungsdichte und in der Tendenz eine stationäre Bevölkerung ohne Wachstum auf. Die regionale Mobilität (nämlich der Wechsel zwischen ver-schiedenen Gruppen und ihren Gebieten) dürfte ziemlich hoch gewesen sein, jedoch ihr Saldo Null. Die Sterblichkeit hin in starkem Maß davon ab, ob der dominante Sozialcharakter (1a) tendenziell friedliche Konfliktaustragung begünstigte oder (1b) gewaltbetont war (z. B. Yanomami). (2) Garten- und Ackerbauern zeigen in der traditional-agrarischen Bevölkerungs-weise deutlich gestiegene Fruchtbarkeit und Sterblichkeit. Die Lebenserwartung bei Geburt ist niedrig, weil vor allem die Kindersterblichkeit hoch ist: Das Kinderleben gilt wenig in der Mentalität. Aus schon erkenntlichem, aber doch sehr niedrigen Wachstum resultiert eine wesentlich höhere Dichte (eine 10er Potenz und mehr größer als bisher). Die räumliche Mobilität zwischen den Sozialeinheiten ist eher gering, aber es gibt immer wieder Kolonisierung. (2a) anarchisch-unorganisiert (2b) politisch organisiert mit Kult- und / oder städtischen Zentren (Staaten) Die Phasen (1) und (2) gehören endgültig der Vergangenheit an und sind nur mehr von historischem Interesse. Nun aber setzt der gesellschaftliche Modernisierungs-prozess ein. Er drückt sich auch und nicht zuletzt demographisch aus:

14 Synopse 3: Der Große Übergang – Modernisierung
(3) Der Große Übergang der letzten 300 Jahre ließ erstmals eine Weltbevölkerung entstehen. Sie ist aber keinesfalls einheitlich, sondern nach Zeitablauf sowie Entwicklungsstand gegliedert: (3a) Der originäre Übergang fand in Europa seit dem 18. Jahrhundert statt. (3b) Der derivative Übergang findet in der Dritten Welt seit Mitte des 20. Jahrhunderts statt. Beide sehen eine Verschiebung zwischen Sterblichkeit, die sehr stark sinkt, und Fruchtbar­keit, welche um Generationen verschoben, ebenfalls sehr stark sinkt. Dementsprechend wächst die Bevölkerung rasant und ebenfalls die Dichte. Aus den doppelten Verschiebungen – der Fruchtbarkeit gegen die Sterblichkeit, des derrivativen gegen den originären Übergangs) ergeben sich starke Wanderungsströme, welche jeweils in hohen Salden resultieren. 2) Modernisierung ist hauptsächlich eine Frage des Verhaltens: Die autonome Selbstbestimmung seines eigenen Verhaltens ist für den Einzelnen und sodann im Auftreten vieler die Grundlage für den Prozess der Individualisierung. Dies ist Leitmotiv in modernen Gesellschaft. Dazu bedarf es einer tragfähigen Ethik, die einen „innen­geleiteten Charakter“ als sozial dominanten Typus hervorbringt. Nur in hoch vernetzten Gesellschaften ist dies möglich. Doch diese Voraussetzung ist uns so selbstverständlich, dass wir gerne darauf vergessen: Es entwickelt sich eine Fiktion der Bindungslosigkeit und eine Illusion der absolut freien Wahlmöglichkeit. 3) Hoch komplexe Gesellschaften sind, per Definition, „hierarchisch“ organisiert; d. h.: sie bauen sich in einer Reihe von immer größeren, sich einschließenden Einheiten von unten herauf auf und werden von oben gesteuert: Haushalt, Lokalgesellschaft, Nation, Kulturregion, Welt(system). Darüber hinaus sind sie in spezialisierten Subsystemen mit jeweils eigener „Logik“ aufgebaut: Subsistenzsystem (heute: Wirtschaft), Alltagslebenswelt (Mikro-Gesellschaft), Politik, Weltsicht / Kultur). Die nationale Gesellschaft, übernimmt immer mehr Aufgaben von Kleinsteinheiten (z. B. der Familie) und wird damit zum eigentlichen System der Lebenssicherung. 4) Die Gesellschaft als Weltsystem hat eine doppelte Zentrum-Peripherie-Struktur: 4.1 In allen nationalen Gesellschaften gibt es eine Schicht- / Klassen-Struktur, welche mehrere Schichten als Mittelpunkt der Kommunikation und der Steuerung (Herrschaft) sieht, und die anderen Schichten, die Unterschichten, als eher passive Rezipienten von Steuerungssymbolen bzw. herrschaftlichen Anweisungen. 4.2 Es gibt darüber eine Regional- und Kultur-Struktur, welche die hoch entwickelten Gesellschaften als Metropolen und die Schwellenländer bzw. die Dritte Welt als rezeptive und adaptive Peripherie sieht – als „Weltdorf“. Beide Strukturen erzeugen, je nach Zugehörigkeit, andere Verhaltensweisen und schließlich auch unterschiedliche Charaktere. Diese allgemeinen Tendenzen drücken sich in der Bevölkerungsentwicklung bzw. in den Bevölkerungsweisen spezifisch, ganz konkret aus:

15 Modernisierung Ein diffuses allgemeines Konzept
Eine Ideologie der Kennedy- und Johnson-Zeit aber auch Ein Megatrend *) Enorm steigende Produktivität als Voraussetzung für die Entwicklung des Menschen *) Individualisierung und autonome Selbstbestimmung *) Hochkomplexe Gesellschaften mit einer Reihe von aufsteigend-inklusiven Einheiten (Haushalt, Lokalgesellschaft, Nation, Regionalkultur, Welt) sowie von spezialisierten Subsystemen (Wirtschaft, Politik, Alltags-Lebenswelt) *) Doppelt Zentrum-Peripherie-Struktur +) Herrschende und hegemoniale Schichten (Klassen) – Unterschichten +) Metropolen – Schwellenländer – Dritte Welt 1) Das materielle Lebensniveau durch die gestiegene Produktivität schlägt sich in einer rapide sinkenden Sterblichkeit nieder. Der Kehrwert ist die steigende Lebenserwartung – eher LE0 (Lebenserwartung bei Geburt) durch sinkende Kindersterblichkeit in jenen Gesellschaften, die erst zum großen Modernisierungsprozess ansetzen (in Europa im 19. Jahrhundert, in der Dritten Welt Ende des 20. Jahrhunderts); LE60 (Lebenserwartung am Ende des Berufslebens) in hoch entwickelten Gesellschaften. Damit wird, selbst bei höherer Fruchtbarkeit, die Alterspyramide zur Glocke. Sinkt auch die Fruchtbarkeit – wie es tatsächlich der Fall ist – , dann muss die Glocke zur Glocke mit eingezogener Basis werden. Daran führt kein Weg vorbei, und das ist durchaus erwünscht, wenn man die Zunahme der Lebensspanne durch höheren Wohlstand betrachtet. Auch Krankheit verliert in diesem Prozess zunehmend ihren Charakter als Schicksal. 2) Individualisierung und autonome Selbstbestimmung heißt, dass Menschen und insbesondere Frauen über die Zahl der erwünschten Kinder selbst entscheiden. Die Fruchtbarkeit wird nicht mehr dem menschenunwürdigen Zufall überlassen, sondern gesteuert und rational festgelegt. Wir stellten fest: Die Kindersterblichkeit ist niedrig. Damit muss auch beim Wunsch nach mehreren Kindern die Fruchtbarkeit sinken. Frauen sind nicht mehr eindimensionale Gebärmaschinen, sondern selbstbestimmte Individuen mit vielen Wünschen und Bedürfnissen. Sie setzen das Lebensziel Kind in einen Präferenzen-Wettbewerb mit anderen Lebenszielen: mit Berufs-Erfolg, sozialem Ansehen und Zielen ähnlicher Art. Auch dies wird und muss die Fruchtbarkeit drücken. Ob das Ersatz-Niveau erreicht oder unterschritten wird, hängt von der Attraktivität der „Konkurrenz-Genüsse“ (Brentano) ab. 3) Wanderung lockert bisher festgeschriebenen Obligationen (Verpflichtungen). Gesellschaften müssen zumindest Teile davon übernehmen, die bisher von Haushalten und Familien getragen wurden. Der Staat, die sichtbare Hand der Gesellschaft, übernimmt neue Aufgaben. Der moderne nationale Staat wird zum Wohlfahrtsstaat. Er sichert die Risiken des Lebens ab und zieht zusätzlich Aufgaben an sich –Aufsichtspflichten über Verhaltensbereiche. So ist Kindererziehung in starkem Maß eine staatliche Aufgabe (obligatorischer, aber fast kostenfreier Grundschulunter-richt). Weiters übt er eine strenge Kontrolle über Abläufe und insgesamt Wohlergehen von Kindern aus. Gesundheit ist staatlich organisiert und im Rahmen der Pflichtversicherungen kostenfrei. Altersversorgung wird para-staatlich (Pflichtversicherungen), staatlich (Zuschüsse zu Leistungen) und beaufsichtigt privat organi­siert (private, jedoch staatlich begünstigte Versicherungen).

16 Modernisierung der Bevölkerung Ein neues Demographisches Regime
*) gestiegenes materielles Lebens-Niveau → rapide sinkende Sterblichkeit bzw. steigende Lebenserwartung → demographische Alterung → der Altersaufbau wird aus einer Pyramide eine Glocke und schließlich eine an der Basis eingezogene Glocke *) Individualisierung / autonome Selbstbestimmung → eigenständige Wahl der Kinderzahl bzw. Selbstbestimmung der Fruchtbarkeit → Lebensziel Kind in Konkurrenz zu anderen Lebenszielen → sinkende Fruchtbarkeit +) Verlassen des angeborenen Kontexts → Wanderungen *) Obligationen gehen von der Familie zum Staat: Kindererziehung und -betreuung Gesundheit Altersvorsorge *) Riesige Ungleichheit zwischen Erster und Dritter Welt Die Ungleichzeitigkeit der sozio-ökonomischen wie politischen Entwicklung und das Machtungleichgewicht daraus führt zu sehr unterschiedlichen materiellen Lebens-Niveaus. Doch der Prozess der Auflösung von festgeschriebenen Verhältnissen spielt sich weltweit ab: Kultur wird gelernt, ist keine fest geschriebene Notwendigkeit. Das hat bestimmte Folgerungen: Menschen lösen sich aus den Verhältnissen, in welche sie hinein geboren wurden und suchen aus verschiednen Motiven andere auf. Es kommt zu Wanderung. Die Ströme werden umso größer sein, je stärker die Ungleichheiten zwischen den Gesellschaften ist. 4) Es sind die hoch entwickelten Länder, welche diese Leistungen tatsächlich erbringen. In der Dritten Welt gibt es eine sehr ähnliche Rhetorik, welcher aber kaum eine Wirklichkeit entspricht. Doch auch zwischen den Oberschichten und den unteren Mittelschichten und Unterschichten sind die Unterschiede erheblich. Die Oberschichten entziehen sich teilweise den staatlichen Regulierungen. Dafür erwarten sie, dass sie in ihren finanziellen Leistungen für Kinder und auch im Alter fiskalische Vorteile (z. B. Steuer-Privilegien) erhalten. Das 20. Jahrhundert ist das Jahrhundert des bislang stärksten Wachstum der Weltbevölkerung. Nie zuvor in der Geschichte der Menschheit hatte es einen solchen Zuwachs gegeben. Wir können davon ausgehen, dass es auch zukünftig keine Vervierfachung der Menschen mehr geben wird. Es spricht nichts dafür.

17 Fragen – Diskussionen; Literatur
Aussage: Das menschliche Verhalten ist durch Kultur – d. h. durch Werte – reguliert. Doch es gibt im Rahmen dieser Wertestruktur eine Tendenz zur Effizienz. Rationale Wahlhandlung gehört als Abwägung der Mittel gegenüber den Zielen, insbesondere der „Kosten“, d. h. der Anstrengungen, zur conditio humana. Fragen: (1) Diskutieren Sie den Wert „Individuum“! (2) Was heißt Modernisierung? Welche Voraussetzungen gibt es dafür? (3) Welche Auswirkungen könnte eine längere Lebensarbeitszeit auf die Produktivität haben? Welche weiteren Auswirkungen können Sie erkennen? Achtung Prüfungstermin! Dienstag, 4. Dezember 2007, 9.00 – 10.00 Dienstag, 11. Dezember 2007, 9.00 – 10.00 Anmeldung nicht erforderlich


Herunterladen ppt "Demographie 8: „Left-overs“ und Synopse"

Ähnliche Präsentationen


Google-Anzeigen