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Veröffentlicht von:Stanislaus Thomas Geändert vor über 5 Jahren
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Säure-Basen-Haushalt und Stewart-Konzept Anleitung für den täglichen Gebrauch
Dr. med. Ralf Hahn 2018
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Einleitung (1) Die Blutgasanalyse ist eine der am häufigsten durchgeführten klinischen Laboruntersuchungen Sie enthält Informationen über die Oxygenierung, die Ventilation, den Säure-Basen-Status und den Elektrolyt-Haushalt. Die Arbeiten des Kanadiers Peter Arthur Stewart (1921 – 1993) lieferten Anfang der 1980er Jahre ein neues und erweitertes Verständnis des Säure-Basen-Haushalts, das bislang nur wenig Eingang in die alltägliche Betrachtung von Blutgasanalysen gefunden hat. (15, 18, 24, 25, 31) Die vorliegende Arbeit soll es ermöglichen den Säure-Basen-Haushalt auf der Basis des Stewart-Konzeptes besser zu verstehen und mit Hilfe eines einfachen Algorithmus praxisnah zu analysieren.
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Einleitung (2) Im ersten Kapitel werden die physiologischen Grundlagen des Säure-Basen-Haushaltes (SBH) betrachtet. Kernaussagen: Säure-Basen-Haushalt und Wasser-Elektrolyt-Haushalt ist ein und dasselbe Die Ionenstruktur in einer wäßrigen Lösung bestimmt ihren pH-Wert. Im zweiten Kapitel werden die beteiligten Ionen besprochen und ein Algorithmus vorgestellt, der es ermöglicht, den Säure-Basen-Haushalt schnell und praxisnah zu analysieren. Im dritten Kapitel werden alltägliche SBH-Beispiele erläutert. Im vierten Kapitel wird der Aussage widersprochen, daß balancierte Infusionen keinen negativen Einfluß auf den SBH haben und ein Plädoyer für neue bicarbonathaltige und hypochlorische Infusionen gehalten.
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Einleitung (3) Über den Unterschied zwischen dem Stewart-Konzept und dem „Klassischen Konzept des SBH“ (10) ist viel geschrieben und diskutiert worden. (18, 20, 21, 27, 31) Viele Autoren gehen davon aus, daß sich beide Ansätze nicht wesentlich widersprechen und das Stewart-Konzept das klassische Konzept erweitert. (15, 18, 21, 24, 25, 26, 27, 31) V.a. die metabolischen Störungen können mit Hilfe des Stewart-Konzeptes genauer analysiert werden. (15, 18, 24, 25, 26, 31) Einen Vergleich finde ich passend: Das klassische Konzept ist wie eine Ebene einer Ultraschalluntersuchung: ein zweidimensionales Bild Beim Stewart-Konzept kippt und verschiebt man den Schallkopf und beginnt ein dreidimensionales Bild zu sehen.
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Inhalt Teil 1: Grundlagen des Säure-Basen-Haushalts
Teil 2: Säure-Basen-Algorithmus Teil 3: Praktische Beispiele Teil 4: Plädoyer für neue bicarbonathaltige und hypochlorische Infusionen Teil 5: Literatur
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Teil 1: Grundlagen des Säure-Basen-Haushaltes
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Wie verändert man „klassisch“ den pH-Wert?
Metabolisch (Niere): Protonen (H+) ausscheiden/retinieren Bicarbonat (HCO3-) ausscheiden/retinieren Respiratorisch (Lunge): CO2 abatmen/retinieren Protonenanfall/Protonenverlust: Niereninsuffizienz (Protonen- und Säureausscheidung ↓) Säureproduktion (Lactat, Ketoacidose) Säureverlust (Erbrechen) Bicarbonatverlust Diarrhoe Renal-tubuläre Acidosen „durch Protonen und Bicarbonat…“ (30)
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„Klassisches Problem“
Es gibt keine freien Protonen (H+-Ionen) in wäßriger Lösung bei T 37°C !!! => pH = 0 ? „Lösung“: pH = Konz. H3O+ (Oxonium-Ion) H H2O H3O+ + OH- Säure-Basen-Reaktion = Protonen-Übertragung
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Protonen Ein Proton ist ein hochreaktives Elementarteilchen, das sich in einer wäßrigen Lösung sofort einem Reaktionspartner aufsetzt. Nach Brönsted und Lowry (1923) ist eine Säure ein Teilchen, das einem anderen Teilchen ein Proton überträgt. Ein freies Proton ist die stärkste Säure überhaupt – das Teilchen mit dem höchsten Bestreben einem anderen Teilchen ein Proton zu übertragen: sich selbst. Es gibt demnach keine freien Protonen in einer wäßrigen Lösung bei 37°C. Was also messen wir, wenn wir den pH-Wert messen, der doch die Konzentration der Protonen (= H+-Ionen) sein soll? Antwort: Der pH-Wert ist die Konzentration der Oxonium-Ionen (H3O+-Ionen), die durch die Protonierung eines Wassermoleküls entstehen. (4), (28)
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Oxonium-Ion Wenn zwei Wassermoleküle i.S. einer Säure-Basen-Reaktion reagieren, dann überträgt das eine Wassermolekül dem anderen ein Proton: es entstehen ein Oxonium-Ion (H3O+) und ein Hydroxid-Ion (OH-) . Das Gleichgewicht dieser Reaktion des Wassers steht weit auf der Seite der Wassermoleküle. In Zahlen stehen auf der linken Seite der Reaktionsgleichung 109 Wassermoleküle und auf der rechten Seite gerade mal ein Oxonium- und ein Hydroxid-Ion. Das bedeutet, daß das Wasser eine sehr schwache Säure bzw. eine sehr schwache Base ist: das dürfte bekannt sein. Wohl weniger bekannt ist der Umkehrschluß: das Oxonium-Ion ist die stärkste Säure und das Hydroxid-Ion die stärkste Base, die in meßbarer Konzentration in wäßrigen Lösungen vorkommen. (4)
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Ionenprodukt des Wassers
Das Produkt der Konzentrationen der Oxonium- und der Hydroxid-Ionen ist immer mmol/l: Ionenprodukt des Wassers. Dementsprechend ergeben die Summe ihrer negativen dekadischen Logarithmen immer 14: pH (= pH3O+) + pOH = 14. Kennt man den pH-Wert, ist auch der pOH-Wert bekannt. In destilliertem Wasser ist keines der beiden Teilchen höher konzentriert als das andere: pH = pOH = 7. „Keines von beiden“ = neutral. Im Plasma ist die Konzentration der Oxonium-Ionen mit 40 nanomol/l (pH = 7,4) aber niedriger als die Konzentration der Hydroxid-Ionen mit 140 nanomol/l (pOH = 6,6). Damit wäre im Plasma das Ionenprodukt des Wassers zwar gegeben, aber nicht die Elektroneutralität für diese beiden Teilchen. Wer hält die stärkste Säure und die stärkste Base in dem vorliegenden Gleichgewicht?
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Ionen Antwort: Um die Elektroneutralität und einen bestimmten pH-Wert im Plasma zu gewährleisten, müssen sich neben den Oxonium- und Hydroxid-Ionen noch andere geladene Teilchen (= Ionen) in einem bestimmten Konzentrationsverhältnis im Plasma befinden („Ionenstruktur“). Ändert sich die Ionenstruktur, ändert sich durch Protonenübertragung (= Säure-Basen-Reaktion) konsekutiv das Verhältnis von Oxonium- und Hydroxid-Ionen und somit der pH-Wert („Wasserwaage“). Alle Zellen des Körpers, die das Enzym Carbonat-Dehydratase (früher: Carboanhydrase (CA)) enthalten, ändern den pH-Wert ihrer Kompartimente durch Ionen-Verschiebungen über ihre Membranen. Dazu synthetisieren sie aus dem ubiquitär und unerschöpflich vorkommenden Wasser und Kohlendioxid das Anion Bicarbonat, um es zum Antiport oder Symport mit anderen Ionen zu verwenden. (26)
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Die Veränderung des pH-Wertes erfolgt über
eine Änderung der Ionenstruktur der betreffenden wäßrigen Lösung, die konsekutiv zu einer Änderung des Verhältnisses der Oxonium-Ionen (H3O+) und der Hydroxid-Ionen (OH-) führt. => Konzentration der Oxonium-Ionen = pH-Wert => pH + pOH = 14 => Elektroneutralität + Ionenprodukt des Wassers
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Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalt …
…ist ein und dasselbe.
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„How to understand acid-base“ (1981)
Peter Arthur Stewart (1921 – 1993) Kanadischer Physiologe, Mathematiker, Physiker „How to understand acid-base“ (1981) „Unabhängige Faktoren“ bestimmen den pH-Wert: => Ionenstruktur - Starke Ionen => Na+, K+, Cl-, Lac- - pCO => HCO3- - Schwache Säuren => Albumin- , XA- 3 Grundsätze gelten: - Elektroneutralität Dissoziationsgleichgewichte schwacher Säuren => Ionenprodukt des Wassers - Massenerhaltung „Abhängige Faktoren“: - H3O+ / OH- - HCO3- / H2CO3 Das ist Mr. Peter A. Stewart ( ), kanadischer Physiologe, Mathematiker und Physiker, der 1981 seine Arbeit „How to understand acid-base“ veröffentlichte. Rehm, Konzen, Peter und Finsterer aus Großhadern ( in „Anästhesist“ 2004, 53: ) zitieren Bellomo et al., die die Leistung von Peter Stewart mit einer kopernikanischen Wende vergleichen. Ich möchte mich dieser Meinung anschließen. Die Interpretation des Säure-Basen-Haushalt nach Stewart ist meines Erachtens der sog. „klassischen“ Betrachtung, wie sie in jedem Lehrbuch steht, überlegen. Die „klassische“ Betrachtung, insbesondere die Henderson-Hasselbalch-Gleichung wird jedoch nicht „abgeschafft“ werden müssen. Man wird vielmehr sehen, daß die Betrachtung nach Stewart das Verständnis für den Säure- Basen-Haushalt beträchtlich erweitert, manche bisherigen Erkenntnisse in Frage stellt und insbesondere die Rolle des Bicarbonats und der sog. „Puffer“ neu bewertet. Peter Stewart, der schon vor fast 20 Jahren verstarb, hat gesagt, daß drei Faktoren den pH-Wert bestimmen: die starken Ionen der Kohlendioxidpartialdruck die Summe der Konzentration der schwachen Säuren. Diese drei Faktoren nannte er unabhängige Faktoren, d.h. sie bestimmen den pH-Wert und die Bicarbonat-Konzetration. Im Gegensatz dazu nannte er den pH-Wert (die Konzentration der sog. Wasserstoffionen) und die Bicarbonat-Konzentration abhängige Faktoren, d.h. ihre Konzentration wird durch die unabhängigen Faktoren bestimmt. Es gelten nach Stewart drei Grundsätze: die Elektroneutraliät, d.h. in einer wäßrigen Lösung ist die Konzentration der positiven Ladungen gleich der Konzentration der negativen Ladungen. es gelten die Dissoziationsgleichgewichte aller in der Lösung vorhandenen schwachen Säuren und es gilt das Ionenprodukt des Wassers ( pH + pOH = 14): was bei genauerer Betrachtung nichts anderes ist als das Dissoziationsgleichgewicht einer schwachen Säure – nämlich Wasser. es gilt der Grundsatz der Massenerhaltung (wobei dieser fundamentale Grundsatz im alltäglichen Umgang mit dem Stewart-Konzept keine praktische Bedeutung hat). Man wird sehen, daß es vor allem das Prinzip der Elektroneutralität ist, das via Ionenprodukt des Wassers den pH-Wert einstellt. Dabei spielen die in einer Lösung vorhandenen Ionen bei der pH-Wert-Einstellung die entscheidende Rolle. Oder anders ausgedrückt: Es ist die Ionenzusammensetzung einer Lösung, die ihren pH-Wert bestimmt. Wenn die Ionenzusammensetzung einer Lösung verändert wird, wird auch der pH-Wert verändert. Alle Organe, bzw. alle Zellen unseres Körpers, die pH-Wert-Veränderungen herbeiführen (sei es im Plasma oder in anderen Kompartimenten) arbeiten dabei mit Veränderungen der Ionen-Zusammensetzung der jeweiligen Kompartimente. Um diese Sätze verständlicher werden zu lassen, fange ich von vorne an. Ich beginne mit einer simplen Frage: „Was ist der pH-Wert?“
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Stewart-Konzept (1) Nach Peter Stewart bestimmen drei unabhängige Faktoren den pH-Wert: die „starken Ionen“, der CO2-Partialdruck und die „schwachen Säuren“. Hinter den starken Ionen verbergen sich: Na+, K+, Cl- und das Anion Lactat. Hinter dem CO2–Partialdruck verbirgt sich das Anion Bicarbonat, das m.E. die eigentliche Störung bei respiratorischen Veränderungen darstellt. Hinter den schwachen Säuren verbergen sich die Kohlensäure (und damit auch das Anion Bicarbonat), das im klassischen Konzept unbeachtete Poly-Anion Albumin (trägt 12 mmol/l negative Ladung an den AS-Seitenketten) und die sogenannten ungemessenen oder unbestimmten Säuren (= XAs), die sich auf dem BGA-Zettel in dem Begriff AnGap (Anionenlücke) bzw. in dem Anagramm „KUSMALE“ finden lassen. (6, 7, 8, 15, 24, 25)
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Stewart-Konzept (2) Die XAs sind bei genauerer Betrachtung zumeist starke organische Säuren mit mindestens einer Carboxygruppe. (25) Eine starke organische Säure liegt aber bei physiologischen pH-Werten in Form ihres Anions vor Das bedeutet, daß die Begriffe „ungemessene Säure“ und „ungemessenes Anion“ synonym gebraucht werden können. Die XAs wurden aber dennoch von Stewart zu den schwachen Säuren gezählt, obwohl es sich um „starke Säuren“ handelt (pKa-Wert mindestens einer Carboxygruppe < 4). Würde man die Konzentration der XAs messen (sie ist immer errechnet), dann müßte man sie korrekterweise zu den „starken Ionen“ zählen. Diese Betrachtungen zeigen, daß sich hinter den drei „unabhängigen Faktoren“, die nach Peter Stewart den pH-Wert bestimmen, Ionen verbergen. => Die Ionen bestimmen den pH-Wert! (6, 7, 31)
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Stewart-Konzept (3) Die mit Abstand am höchsten konzentrierte schwache Säure in einer wäßrigen Lösung ist mit 55 mol/l das Wasser! (31) Die Produkte der Säure-Basen-Reaktion (= des Dissoziationsgleichgewichtes) des Wassers sind das Oxonium-Ion (= pH-Wert) und das Hydroxid-Ion. Eine Veränderung der Ionenstruktur der sogenannten „unabhängigen Faktoren“ führt konsekutiv zu einer Veränderung des Konzentrationsverhältnisses von Oxonium- und Hydroxid-Ion und somit automatisch zu einer pH-Wert-Veränderung.
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Stewart-Konzept (4) M.E. gehören das Hämoglobin und das „Phosphat“ entgegen der klassischen Vorstellung nicht zu den Puffern. Hämoglobin befindet sich nicht im Plasma: allein deshalb scheidet es als Plasma-Puffer aus. (25, 31) Damit wird jedoch auch das Konzept des Standard-Base-Excess (SBE) fragwürdig, bei dem von einer Pufferung des Plasmas durch Hämoglobin ausgegangen wird. (10) Phosphat gehört m.E. zu den XAs Wird seine Konzentration gemessen, dann fällt es definitionsgemäß in die Gruppe der starken Ionen (s.u.: Folie „SID und SIG“). Die Niere scheidet bei Acidosen Phosphat aktiv aus, was diese Ansicht untermauert. (30)
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Säure-Basen-Haushalt: Blickwinkel (1, 2, 6, 7, 31)
Henderson - Hasselbalch - Gleichung = Massenwirkungsgesetz => HCO3- : H3O+ = 1 : 1 ? HCO3 - = 24 mmol/l H3O+ = 40 nanomol/l Schwache Säuren (Albumin, XA) ↓ HCO3- pH = pKa + lg _______ H2CO3 Starke Ionen → ← CO2 + H2O (Na+, K+, Cl-, Lactat) Diese Überlegungen führen auch zu der Frage, ob das sogenannte „klassische“ Konzept des Säure-Basen-Haushalts oder das „Stewart-Konzept“ die Verhältnisse besser beschreiben (s. Kommentar zu Folie 2). Gerade an der Henderson-Hasselbalch-Gleichung, die auch im Stewart-Konzept ihre Gültigkeit behält, läßt sich gut erklären, wo die Unterschiede liegen: es geht um einen anderen Blickwinkel auf die Henderson-Hasselbalch-Gleichung und auf das Bicarbonat, das im „Stewart-Konzept“ eine andere „Rolle spielt“ als im „klassischen Konzept“. Wenn man sich der Frage: „Wer verändert den pH-Wert?“ im „klassischen Konzept“ mit der Henderson-Hasselbalch-Gleichung nähert, dann liegt der Schluß nahe, daß es die Konzentrationen von Bicarbonat und Kohlendioxid sind (die Kohlensäure wird, wie oben ausgeführt, durch Kohlendioxid ersetzt): ändern sich die Konzentrationen dieser beiden Komponenten (Bicarbonat und Kohlendioxid) bzw. ihr Verhältnis zueinander, dann muß sich auch der pH-Wert ändern. Der pKa-Wert ist eine Konstante: er bezieht sich immer auf das zur Rede stehende Säure-Basen-Paar, in diesem Fall also Kohlensäure-Bicarbonat. Für dieses Paar beträgt der pKa-Wert 6,1. Das Kohlendioxid repräsentiert die respiratorische Seite des Säure-Basen-Haushaltes. Das Bicarbonat repräsentiert – im klassischen Blickwinkel – die metabolische Seite. Das Kohlendioxid wird über die Atmung, das Bicarbonat über die Nieren reguliert. So weit, so gut. Ist das alles? Es handelt sich um eine Gleichung! Wenn ich meinen Blickwinkel auf die linke Seite der Henderson-Hasselbalch-Gleichung richte, dann ist die Folgerung zulässig: Ändert sich der pH-Wert, dann ändert sich auch der Quotient auf der rechten Seite! Damit steht aber sofort die Frage im Raum: Gibt es Faktoren, die den pH-Wert (die Oxonium-Ionen-Konzentration) ändern, die nicht in der Gleichung stehen? Die Änderung dieser Faktoren führt dann konsekutiv zu einer Änderung der Bicarbonat-Konzentration! Im klassischen Konzept wird das Bicarbonat bei metabolischen Störungen als Ursache, bzw. als primärer Faktor betrachtet, der den pH-Wert verändert. Im Stewart-Konzept wird das Bicarbonat zum „abhängigen“ Faktor, der sich sekundär ändert, wenn der pH-Wert durch „Faktoren“ verändert wird, die nicht in der Gleichung stehen. In diesem Fall wird das Bicarbonat bei metabolischen Störungen zum Indikator der Störung – aber es ist nicht die metabolische Störung selbst! Welche „Faktoren“ sind das? Ein „guter alter Bekannter“ steht immer auf der BGA: das Lactat. Das Lactat steht nicht in der Henderson-Hasselbalch-Gleichung, aber seine Konzentrationsänderung führt klassischerweise zu einer metabolischen Acidose. Die klassische Vorstellung ist die, daß ein Molekül Milchsäure ein Proton (ein sog. H+-Ion) „abspaltet. Dieses H+-Ion erscheint dann auf der linken Seite der Gleichung als Erniedrigung des pH-Werts und damit ändert sich konsekutiv (auch im klassischen Konzept!) die Konzentration des Bicarbonats auf der rechten Seite. Bei einer metabolischen Acidose sinkt der pH-Wert, dann muß - ein konstanter pCO2 angenommen – die Bicarbonat-Konzentration sinken. In der klassischen Vorstellung „puffert“ das Bicarbonat die metabolische Acidose, d.h. ein Bicarbonat reagiert mit einem H+ -Ion zu Kohlensäure, die in Form von Kohlendioxid abgeatmet wird. Im klassischen Konzept muß also ein Faktor, der den pH-Wert verändern kann und nicht in der Gleichung steht, in der Lage sein, ein Proton abzugeben (Säure) oder ein Proton aufzunehmen (Base). Im Stewart-Konzept aber genügt – wie noch zu zeigen ist – die Änderung der Ionenzusammensetzung, um den pH-Wert zu verändern. Das zur Rede stehende Teilchen muß weder ein Proton abgeben noch eins aufnehmen, aber seine Anwesenheit als Ion führt via Elektroneutralität und Ionenprodukt des Wassers zu einer Änderung der Oxonium-Ionen-Konzentration und damit des pH-Wertes. In diesem Fall ist es das Wasser, daß als Säure oder als Base fungiert!! Wie man sehen wird, trifft diese Betrachtung auch auf das Lactat zu. Das Milchsäure muß nach dem Stewart-Konzept keine Protonen „abgeben“. (Ich frage mich sowieso schon lange, wo die Milchsäure ihr Proton abgibt: bereits im Cytosol, wo sie gebildet wird, oder erst im Plasma, über das unsere BGA Auskunft erteilt?) Es ist die Anwesenheit des Anions Lactat, das im pH-Wert unserer Körperkompartimente nur sehr wenig bereit ist Protonen aufzunehmen, und das positiv geladene Oxonium-Ionen in Lösung hält, solange es sich in diesem Kompartiment befindet. Diese geringe Bereitschaft des Lactats ein Proton aufzunehmen kann man ebenfalls mit der Henderson-Hasselbalch-Gleichung demonstrieren: setzt man nämlich statt Kohlensäure-Bicarbonat Milchsäure-Lactat mit ihrem pKa von 3,9 (starke Säure) in die Gleichung ein, errechnet sich bei einem pH-Wert von 7,4 ein Verhältnis von Lactat zu Milchsäure von ca : 1, d.h. einem Molekül Milchsäure stehen Moleküle Lactat gegenüber. Das bedeutet, daß die Bereitschaft der Milchsäure ein Proton zu übertragen sehr hoch ist (starke Säure). Der Umkehrschluß ist im Stewart-Konzept noch bedeutsamer: die Bereitschaft des Lactats ein Proton aufzunehmen ist sehr gering (schwache Base). Diese Eigenschaft des Lactats, als Anion („nicht zu protonieren“) in der Lösung zu bleiben, ist im Stewart-Konzept der entscheidende Faktor. Diese Eigenschaft eines Teilchens als Ion in der Lösung zu bleiben, „sich nicht ändern zu lassen“, ist es, was Stewart mit dem Terminus „Starke Ionen“ beschreibt. Wie gesagt, sind die zur Rede stehenden „starken Ionen“ keine geheimnisvollen neuen Teilchen. Es handelt sich bei den „starken Ionen“ des Plasmas um Na+, K+, Mg2+ , Ca2+ , Cl – und Lactat. Betrachten wir auf der nächsten Folie die Hauptvertreter: Wie können nun Natrium und Chlorid den pH-Wert ändern? Das „klassische Konzept“ beruht im wesentlichen auf der Gleichung von Henderson und Hasselbalch von 1909 bzw (s.o.). Der Schotte Henderson beschrieb allgemein, wie bei einem Puffer ein korrespondierendes Säure-Basen-Paar den pH-Wert bestimmt und Hasselbalch zeigte die Richtigkeit dieser Arbeit anhand des Bicarbonat-Kohlensäure-Systems für das menschliche Blut. Im klassischen repräsentiert Bicarbonat die metabolische Seite, Kohlendioxid die respiratorische Seit der möglichen Veränderungen im Säure- Basen-Haushalt. Außerdem kann der pH-Wert durch Zugabe oder Wegnahme von Säuren oder Basen verändert werden. Der pKa-Wert der Kohlensäure steht fest: 6,1. Nach der Arbeit von Hasselbalch aus dem Jahre 1916 wird der pH-Wert des Blutes aus dem Bicarbonat-Kohlensäure-Quotienten errechnet. Moderne Blutgasanalysegeräte machen es aber genau andersherum: der pH-Wert und der CO2-Konzentration werden gemessen und daraus nach der Gleichung von Henderson und Hasselbalch der Bicarbonat-Wert errechnet! Niemand mißt den Bicarbonat-Wert! Niemand mißt die Kohlensäure-Konzentration! Die Henderson-Hasselbalch-Gleichung, bzw. die Modifikation der Henderson-Gleichung von 1909 durch den Dänen Hasselbalch, 1916, suggeriert, daß nur die Komponenten Bicarbonat, CO2 und Kohlensäure, respektive die „Zugabe oder Wegnahme“ von Wasserstoffionen den pH-Wert bestimmen. Danach ist das Bicarbonat, bzw. dessen Veränderung die Ursache der metabolischen Störung. Dahingegen sagt das von Stewart erarbeitete Konzept, daß es die „starken“, d.h. die immer komplett dissoziiert vorliegenden Ionen (v.a. Natrium und Chlorid!) den pH-Wert bestimmen, was dem bisherigen Denken neu ist. Nach Stewart sind der pH-Wert, Bicarbonat und Kohlensäure (nicht jedoch CO2) abhängige Faktoren, d.h. ihre Konzentration hängt von den sog. „starken Ionen“ ab. Das bedeutet im Gegensatz zum „klassischen“ Konzept, daß das Bicarbonat nicht die Ursache der metabolischen Störung ist, sondern es zeigt sie an: es ist ein Indikator der metabolischen Störung. Die Ursache aber liegt woanders! Was im übrigen der Henderson-Hasselbalch-Gleichung nicht widerspricht: wenn Faktoren, die in der Gleichung nicht vorkommen, den pH-Wert verändern (linke Seite der Gleichung), dann müssen sich Bicarbonat und Kohlensäure anpassen (rechte Seite der Gleichung; der pKa-Wert bleibt gleich). Neu an diesem Gedanken ist eben, daß es pH-bestimmende Faktoren gibt, die in der Henderson-Hasselbalch-Gleichung nicht vorkommen und die nicht Wasserstoffionen, Bicarbonat oder Kohlendioxid heißen. Zum dritten sagt Stewart, daß für die Einstellung des pH-Wertes nur die in einem bestimmten Kompartiment vorliegenden Ionen entscheidend sind: Ionen, also geladene Teilchen diffundieren nicht frei durch biologische Membranen, sie werden meistens elektroneutral durch sog. Antiporter- Proteine ausgetauscht. Das würde z.B. bedeuten, daß z.B. Hämoglobin nicht wie überall beschrieben den Extrazellularraum „puffert“, sondern (wenn überhaupt) nur den Intrazellularraum des Erythrozyten! Auch das ein quasi revolutionärer Gedanke, weil damit dem sogenannten Standard-Base-Excess (SBE auf den Blutgaszetteln) die physiologische Grundlage entzogen wird! Aber: fangen wir von vorne an! Aktueller (gemessener) pCO 2 => aktuelles HCO3- (act) => respiratorische und metabolische Störungen Standardisierter pCO 2 (40 mmHg) => Standard HCO3- (std) => Aktueller Base-Excess (= ABE oder BE (B)) HCO3- (std) und ABE => Indikatoren für metabolische Störungen
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Herr Henderson und Herr Hasselbalch (1)
Die Henderson-Hasselbalch-Gleichung (HHG) ist ein umgeformtes Massenwirkungsgesetz (MWG) für schwache Säuren, in das normalerweise das Kohlensäure-Bicarbonat-Paar eingesetzt wird. (1, 2) Prinzipiell kann jede andere schwache Säure mit ihrem korrespondierenden Anion in die Gleichung eingesetzt werden. Das MWG ( Produkt der Produkte/Produkt der Edukte = Konstante) der Reaktionsgleichung H2CO3 + H2O ↔ HCO H3O ließe erwarten, daß die Konzentrationen von Bicarbonat und Oxonium- Ionen (= pH) im Plasma wie 1:1 seien. Sie unterscheiden sich aber ca um den Faktor 106 ( Bicarbonat 24 mmol/l, Oxonium-Ion 40 nanomol/). Damit liefert m.E. die klassische Formel des SBH einen zwingenden Hinweis darauf, daß im Plasma Faktoren vorhanden sein müssen, die dieses Konzentrationsverhältnis bedingen, d.h. den pH verändern, ohne in der HHG zu stehen: die Ionen! (18, 31)
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Herr Henderson und Herr Hasselbalch (2)
Lawrence Joseph Henderson formulierte 1908 in Harvard das MWG für schwache Säuren. Bei zu starken Säuren geht der Nenner (die undissoziierte Säure) gegen Null und damit wird die Gleichung unlösbar. (1) Sören Sörensen erfand 1909 im Kopenhagener Karlsberg Institut den pH-Wert (eigentlich zur Verbesserung der Bierbraukunst…). Karl Albert Hasselbalch formte das Säure-MWG 1916 in Kopenhagen logarithmisch um, löste es nach dem pH-Wert auf und setzte das Kohlensäure-Bicarbonat-Paar mit dem zugehörigem pKa-Wert (= 6,1) ein. (2) In der klassischen Form der HHG steht die (ungemessene) Kohlensäure und nicht das (gemessene) CO2 im Nenner. Der CO2-Partialdruck („unabhängiger Faktor“), der den pH-Wert via Bicarbonat beeinflußt, steht also streng genommen nicht in der HHG. P.S.: nach der Definition nach Brönsted und Lowry von 1923 ist CO2 keine Säure. Es enthält keinen Wasserstoff…
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Herr Henderson und Herr Hasselbalch (3)
Das (gemessene) CO2 wird erst sekundär in den Nenner der HHG gesetzt – zusammen mit dem Umrechnungsfaktor α, der die Einheit mmHG in mmol/l umrechnet (pCO2 von 40 mmHg entspricht 1,2 mmol/l CO2). Analog zum CO2 stehen die Starken Ionen und die Schwachen Säuren ebenfalls nicht in der HHG. Dennoch beeinflussen sie den pH-Wert auf der linken Seite der Gleichung und damit (HHG) sekundär den Bicarbonat-Wert. Die HHG veranschaulicht m.E. den oben genannten Vergleich Die isoliert betrachtete HHG ist wie eine Ebene des Schallkopfes: man sieht ein zweidimensionales Bild Kippt man den Schallkopf („Blickwinkel“), sieht man die (unabhängigen) Faktoren außerhalb der Gleichung, die tatsächlich den pH verändern. (26)
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Bicarbonat und Base-Excess (1)
Das Blutgasanalysegerät mißt den pH und den pCO2. (31) Der pKa-Wert (= die Säurestärke) beträgt für Kohlensäure/Bicarbonat 6,1. Daraus errechnet das Gerät den Bicarbonat-Wert. Bicarbonat ist immer ein errechneter Wert! Nie gemessen! (31) Aus dem aktuell vorliegenden (gemessenen) pCO2–Wert errechnet das Gerät den aktuellen Bicarbonat-Wert: HCO3– (act). Der aktuelle Bicarbonat-Wert zeigt somit metabolische und respiratorische Störungen an! Der aktuelle Bicarbonat-Wert steigt mit zunehmendem pCO2 und fällt bei abnehmendem pCO2 (HHG) Pro (akutem) 10 mmHG pCO2-Anstieg => 1 mmol/l Bicarbonat (act)-Anstieg (25, 31) Das BGA-Gerät kann die Blutprobe auf einen normalen pCO2-Wert von 40mmHg kalibrieren (standardisieren) und dann mit der HHG den Standard-Bicarbonat- Wert errechnen (HCO3– (std)), der nur metabolische Störungen anzeigt. (3, 31)
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Bicarbonat und Base-Excess (2)
Aus dem Standard-Bicarbonat errechnet des Gerät (26) den aktuellen Base-Excess (ABE oder BE (B), wobei das B für Blutprobe steht). Auch der aktuelle BE zeigt nur metabolische Störungen an. (26, 31) Der Standard-Bicarbonat-Wert ist nicht die metabolische Störung an sich, sondern ein Indikator der metabolischen Störung! (6, 7, 31) Damit sind Standard-Bicarbonat und aktueller BE in ihrer Aussagekraft gleichwertig. Der aktuelle Bicarbonat-Wert ist zur Erfassung metabolischer Störungen nur bei normalem pCO2 geeignet. Da viele BGA-Geräte gleichzeitig den aktuellen Bicarbonat-Wert und den aktuellen BE anzeigen, sollte der aktuelle BE für die Quantifizierung einer metabolischen Störung betrachtet werden.
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pH, Bicarbonat und BE pH > 7,4 = Alkalose pH < 7,4 = Acidose
Der pH-Wert ist der Summenvektor aller Störungen des SBH. Cave: hinter einem normalen pH können sich mehrere Teilstörungen verbergen, die sich zu einem „normalen“ pH aufsummieren. pCO2 > 40mmHg = respiratorische Acidose pCO2 < 40mmHg = respiratorische Alkalose Der veränderte pCO2 ist jedoch nicht die eigentliche respiratorische Störung im SBH, sondern m.E. das Anion Bicarbonat. Negativer ABE = metabolische Acidose Positiver ABE = metabolische Alkalose Cave: hinter einem ABE-Wert von 0mmol/l können sich mehrere metabolische Teilstörungen verbergen, die sich zu einem „normalen“ ABE aufsummieren. (18) Mit dem vorgestellten SBH-Algorithmus können alle metabolischen Teilstörungen erkannt und quantifiziert werden.
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Lauge plus Säure ergibt Salz plus Wasser
Natronlauge + Salzsäure ↔ Kochsalz + Wasser Na+ + OH H3O+ + Cl- ↔ Na+ + Cl H2O 140 Na OH Cl H3O+ ↔ 140 Na OH Cl H2O Anionenlücke gefüllt mit 40 mmol/l OH--Ionen => pH = 12,6 (stark alkalisch) Das Wasser reagiert !! Was passiert, wenn Natrium und Chlorid nicht in gleicher Menge zusammen kommen? (25) Grundstruktur des Plasmas H3O+ + Bei den beiden vorausgegangenen Versuchen mit Natrium und Chlor sind Natriumhydroxid und Chlorwasserstoff entstanden, beide in wäßriger Lösung: man spricht von Natronlauge und Salzsäure. Im Chemieunterricht lernt man den klassischen Lehrsatz, was passiert, wenn man beide Lösungen zusammenbringt: „Säure plus Lauge gibt Salz plus Wasser.“ Für diese Entdeckung hat man Herrn Swante August Arrhenius, den wir oben mit der (leider überholten) Säure-Basen-Definition von 1887 kennengelernt haben, im Jahre 1903 den Chemie-Nobelpreis verliehen! Das zeigt die obere Gleichung auf der Folie. Wer aber tatsächlich reagiert, zeigen die beiden unteren Gleichungen, in denen die Reaktionspartner der obenstehenden Gleichung weiter aufgeschlüsselt sind: die Oxonium-Ionen reagieren mit den Hydroxid-Ionen im Sinne der Säure-Basen-Reaktion des Wassers zu Wasser! „Das Wasser reagiert!“ Die Natrium- und die Chlorid-Ionen reagieren nicht! Sie bleiben unverändert als Ionen in der Lösung. Wenn man also Natronlauge und Salzsäure im Verhältnis 1:1 zusammenbringt, dann reagieren die Oxonium-Ionen der Salzsäure mit den Hydroyxid-Ionen der Natronlauge. Zurück bleiben die jeweils 10-7 mol/l Oxonium- und Hydroxid-Ionen des Wassers. Der pH-Wert von 1 bzw. 13 wird 7 (neutraler pH-Wert). Bei dieser Überlegung geht man aber stillschweigend davon aus, daß Natronlauge und Salzsäure immer – wie die Reaktionsgleichung suggeriert – im Verhältnis 1:1 reagieren. Was aber passiert, wenn Natronlauge und Salzsäure nicht in gleicher Konzentration zusammenkommen?? Ich weiß nicht, wer sich diese wiederum „scheinbar dumme Frage“ zum ersten Mal gestellt hat: vielleicht war es ja Herr Stewart selbst. Meines Erachtens verbirgt sich hinter dieser genialen Frage der Schlüssel zum Verständnis des Säure-Basenhaushaltes. Wenn Natronlauge und Salzsäure im Verhältnis 1: 1 miteinander reagieren, dann müßte die entstehende Kochsalz-Lösung einen pH-Wert von 7 haben: sie müßte pH-neutral sein. Wer sich, wie ich in den letzten Monaten, mit diesen Fragen viel beschäftigt, der wird vielleicht einmal einen Blick auf die Etiketten der von uns verwendeten Infusionen werfen. Dabei ist mir zu meiner großen Verwunderung zum ersten Mal aufgefallen, daß auf sogenannter „physiologischer“ NaCl-Lösung 0,9% draufsteht: pH 4,5 – 7 !! Das verwundert: wieso kann der pH-Wert dieser Lösung sauer sein?? Wenn ich ehrlich bin: ich weiß es nicht. Aber eine mögliche Antwort hätte ich zu bieten: die Konzentration der Natrium-Ionen und der Chlorid-Ionen sind nicht exakt gleich. Wären sie gleich, müßte der pH-Wert 7 sein. Wenn der Hersteller aber einen eventuell sauren pH-Wert in Aussicht stellt, dann wäre die Chlorid-Konzentration höher als die Natrium-Konzentration. Nehmen wir einmal an, wir geben 140 mmol/l Natronlauge und nur 100 mmol/l Salzsäure zusammen. Was passiert? Die untere Gleichung auf der Folie zeigt es (dort habe ich die Einheit mmol/l der Übersichtlichkeit halber weggelassen): 100 mmol/l Oxonium-Ionen der Salzsäure reagieren mit 100 mmol/l Hydroxid-Ionen der Natronlauge. 40 mmol/l Hydroxid-Ionen reagieren nicht. Sie werden von den überschüssigen 40 mmol/l Natrium-Ionen der Natronlauge in Lösung gehalten (Elektroneutralität). Diese Lösung mit 40 mmol/l überschüssigen Hydroxid-Ionen ist alkalisch: der pH-Wert wäre 12,6 !!. Selbstverständlich muß man immer im Hinterkopf behalten, daß – wie in der letzten Folie gezeigt - ein Teil der Oxonium- und Hydroxid-Ionen des Wassers immer mit-reagiert: diesen Anteil können wir hier jedoch mengenmäßig unbeachtet lassen. Man sieht also, daß eine Lösung, bei der die starken Kationen (hier sind es Natrium-Ionen) gegenüber den starken Anionen (hier: Chlorid-Ionen) im Überschuß vorhanden sind, einen Überschuß an Hydroxid-Ionen in Lösung halten: diese Lösung mit einem Kationen-Überschuß ist alkalisch. Eine Lösung mit einem Anionen-Überschuß ist sauer: man denke an den pH-Wert der 0,9 %igen NaCl-Lösung. Jetzt hat man das Stewart-Konzept eigentlich schon verstanden. Man erkennt leicht, daß die Konzentrationen von 140 mmol/l Natrium-Ionen und 100 mmol/l Chlorid-Ionen nicht zufällig gewählt wurden: es sind die Konzentrationen des wichtigsten Kations und des wichtigsten Anions im Plasma. Diese Lösung ist quasi die „Grundstruktur“ unseres Plasmas. Jetzt bekommt man eine Ahnung, warum der normale pH-Wert mit 7,4 leicht alkalisch ist: unser Plasma hat eine Struktur, bei der die starken Kationen leicht in der Überzahl sind. In dem Moment, wo die starken Anionen in der Überzahl sind (z.B. Lactatacidose) kippt das System um und der pH-Wert wird sauer, nämlich < 7,0. Andere Anionen (Bicarbonat ...) füllen im Plasma die Anionenlücke auf => verschieben das Ionenprodukt des Wassers hin zu den Oxonium-Ionen => senken den pH auf 7,4 => „säuern an“
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Ionen und pH-Wert (1) Wie können Ionen den pH-Wert verändern? (6, 7, 25, 31) Die Betrachtung der klassischen Reaktion von Natronlauge und Salzsäure zu Kochsalz und Wasser zeigt, daß Natronlauge aus Natrium-Ionen und Hydroxid-Ionen und die Salzsäure aus Chlorid-Ionen und Oxonium-Ionen besteht. (Die eigentliche Säure in der Salzsäure ist das Oxonium-Ion). Das Natrium-Ion besitzt die Elektronenkonfiguration des Edelgases Neon, das Chlorid-Ion besitzt die Elektronenkonfiguration des Edelgases Argon: beide Ionen sind chemisch sehr reaktionsträge, stabile Teilchen => sie reagieren nicht. Sie sind zu „stark“ um sich ändern zu lassen: das erklärt den Begriff der „Starken Ionen“. (31) Aber sie sind geladen (Ionen): sie brauchen also immer einen elektrischen Gegenpart (H3O+, OH- …).
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Ionen und pH-Wert (2) Die Betrachtung der klassischen Reaktion „Natronlauge plus Salzsäure ergibt Kochsalz und Wasser“, zeigt, daß die eigentlichen Reaktionspartner das Oxonium- und das Hydroxid-Ion sind, die i.S. der Säure-Basen-Reaktion des Wassers zu Wasser reagieren. Das Wasser reagiert! Reagieren „Natronlauge“ und „Salzsäure“ im exakten Verhältnis 1:1, dann liegen Oxonium- und Hydroxid-Ionen im gleichen Konzentrationsverhältnis vor: die Lösung ist neutral, der pH ist 7. Aber was passiert, wenn Natronlauge und Salzsäure nicht im Verhältnis 1:1 reagieren? (25) Läßt man 140 mmol/l Natronlauge mit „nur“ 100 mmol/l Salzsäure reagieren, entsteht zwischen den 140 mmol/l Natrium-Ionen und den „nur“ 100 mmol/l Chlorid-Ionen eine Anionenlücke von 40 mmol/l, die mit Hydroxid-Ionen gefüllt ist: diese Lösung hat einen stark alkalischen pH-Wert von 12,6. (25)
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Ionen und pH-Wert (3) In der so entstandenen Lösung mit 40 mmol/l Hydroxid-Ionen befindet sich aber immer noch ein sehr kleiner Teil an Oxonium-Ionen (sonst könnte man keinen pH-Wert messen): d.h. das Verhältnis der Oxonium-Ionen zu den Hydroxid-Ionen ist sehr stark zu den Hydroxid-Ionen (in den basischen/alkalischen Bereich) verschoben. Die starken Natrium- und Chlorid-Ionen halten die Oxonium- und Hydroxid- Ionen in dem vorliegenden Konzentrationsverhältnis. Die Differenz zwischen den Natrium- und den Chlorid-Ionen bestimmt die Größe der Anionen-Lücke und damit das Ionenprodukt des Wassers in der betreffenden Lösung und damit letztendlich den pH-Wert. Diese Konzentrationsdifferenz der starken Ionen bezeichnet man als Starke Ionen-Differenz (Strong-Ion-Difference), abgekürzt „SID“. Sie bildet den Rahmen der pH-Wert-Einstellung.
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Ionen und pH-Wert (4) Der pH-Wert der vorliegenden Lösung kann auf zwei Arten geändert werden: durch Ionen-Konzentrationsveränderung der SID durch Ionen-Konzentrationsveränderung in der SID Die SID kann durch Veränderung der Konzentration von Natrium und/oder Chlorid verändert werden: entscheidend ist die Änderung ihrer Differenz. Ein Absenken des Natriums z.B. vermindert die SID: das Ionenprodukt des Wassers verschiebt sich zu den Oxonium-Ionen => der pH wird saurer. Veränderung in der SID bedeutet, daß Anionen in die Lösung gegeben werden, die das Hydroxid-Ion aus der Anionenlücke „verdrängen“, bzw. das Ionenprodukt des Wassers zum Oxonium-Ion hin verschieben. Anionen in der SID führen zu einer pH-Wert-Senkung, sie säuern an: z.B. Bicarbonat, Acetat, Lactat, Phosphat, XAs, etc. Damit ist erklärt, warum das Anion Bicarbonat, das in der Peripherie im Plasma „erscheint“, zu einer Ansäuerung des Plasmas führt => „Bicarbonat ist die Störung bei respiratorischen Veränderungen“
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Die Differenz zwischen den starken Kationen und den starken
Anionen ist entscheidend für die pH-Wert-Einstellung ! (6, 7, 8, 15, 18, 24, 25, 31) Starke-Ionen-Differenz = SID SIDPlasma = Na + K + Mg + Ca – Cl – Lac = 48 mmol/l SID wird kleiner => Acidose SID wird größer => Alkalose Zusammenfassend läßt sich sagen: Wenn mehr Natronlauge als Salzsäure in die Lösung gegeben wird, dann bleiben mehr Hydroxid-Ionen in der Lösung „übrig“, die keine Oxonium-Ionen als Reaktionspartner mehr finden. Die Lösung wird alkalisch sein. In dieser Lösung sind mehr positiv geladene Natriumionen als negativ geladene Chloridionen: es müssen negativ geladene Hydroxidionen übrig bleiben, um die Lösung elektroneutral zu halten. Der Überschuß an Natriumionen (bzw. an positiv geladenen Teilchen) macht die Lösung alkalisch!!! Wenn analog mehr Salzsäure als Natronlauge in die Lösung gegeben wird, dann bleiben mehr Oxonium-Ionen in der Lösung „übrig“, die keine Hydroxid-Ionen als Reaktionspartner finden. Die Lösung wird sauer. In dieser Lösung sind mehr negativ geladene Chloridionen als positiv geladene Natriumionen: es müssen mehr positiv geladene Oxonium-Ionen übrig bleiben, um die Lösung elektroneutral zu halten. Der Überschuß an Chloridionen (bzw. an neagtiv geladenen Teilchen) macht die Lösung sauer!!! Das bedeutet, daß die Differenz (die „Lücke“) zwischen den vollständig dissoziierten „starken“ Kationen (postiv geladenen Ionen) und den vollständig dissoziierten „starken“ Anionen (negativ geldenen Teilchen) entscheidend ist für die pH-Wert-Einstellung einer wäßrigen Lösung!! Jetzt verstehen wir warum man mit „isotonischer Kochsalzlösung“ das Plasma saurer machen kann: wenn man zum Plasma mit 140 mmol/l Na+ und 100 mmol/l Chlorid eine Lösung gibt, die 154 mmol/l Na+ und 154 mmol/l (!) Chlorid enthält, dann wird relativ und absolut die Chlorid-Konzentration angehoben und zwar mehr als die Natrium-Konzentration, wodurch die Ionenlücke im Plasma enger und damit der pH-Wert saurer wird. Die Lücke zwischen den starken Ionen bezeichnet Stewart als die Starke-Ionen-Differenz (strong ion difference). Diese Starke-Ionen-Differenz ist entscheidend für die pH-Wert-Einstellung: sie ist gleichsam der Rahmen. Die Abkürzung für die Starke-Ionen-Differenz lautet: „SID“. Wenn die SID kleiner wird, wird der pH-Wert saurer. Wenn die SID größer wird, wird der pH-Wert alkalischer. In unserem Plasma wird die SID von vier starken Kationen (Na+ , K+ , Mg2+ , Ca2+) und zwei starken Anionen (Chlorid, Lactat) gebildet. Die Magnesium- und die Calcium-Ionen tragen zwei positive Ladungen pro Ion, alle anderen tragen eine Ladung pro Ion. Bei den Konzentrationsangaben der SID geht es immer um die Anzahl bzw. die Konzentration der Ladungen !! Magnesium und Calcium ändern ihre Konzentration nie in pH-relevanter Weise: man kann ihre Ladungen immer mit 4 mmol/l veranschlagen. Natrium macht mit 140 mmol/l den Hauptanteil der Kationen aus; Kalium hat normalerweise 4 mmol/l. Chlorid hat normalerweise 100 mmol/l und Lactat-Ionen sind normalerweise mit max. 1 mmol/l zu veranschlagen. Wenn man die Ladungen zusammenrechnet (und Lactat vernachlässigt) dann beträgt die normale SID des Plasmas 48 mmol/l. Wenn diese SID < 48 mmol/l ist, dann hat man bereits eine metabolische Acidose, die man – Hand aufs Herz – im „klassischen Weltbild“ nicht sieht. Wenn die SID > 48 mmol/l ist, dann liegt bereits eine metabolische Alkalose vor. Nun ist die SID nicht mit 48 mmol/l Hydroxid-Ionen gefüllt: das würde einem alkalischen pH-Wert von > 12 entsprechen. Die SID unseres Plasmas ist mit weiteren Anionen gefüllt, so daß am Ende nur ein winzig schmaler Saum für die gerade mal 140 nano-mol/l Hydroxid-Ionen übrig bleibt. Denen gegenüber stehen gerade mal 40 nano-mol/l Oxonium-Ionen. Daraus resultiert dann der normale pH-Wert von 7,4. Die Frage, die sich nun stellt, lautet: welche 48 mmol/l Anionen füllen die SID aus? Zusätzliche Anionen in der SID => Acidose (Bic, XA) Weniger Anionen in der SID => Alkalose (Bic, XA, Albumin)
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Warum werden wir saurer, wenn wir die Luft anhalten? (25)
CO2 + H2O ↔* H2CO H2O ↔ H3O+ + HCO3- * Carbonat-Dehydratase „Bicarbonat ist die Störung bei respiratorischen Veränderungen“ Wir geben CO2 in eine Lösung mit einer positiven SID: 140 Na + + OH Cl H3O + + H3O HCO3 - ↕ 140 Na OH Cl H3O HCO3 - Bicarbonat füllt die SID aus: => Ionenprodukt des Wassers verschiebt sich in Richtung der Oxonium-Ionen => Bicarbonat macht saurer ! pH 12,6 → pH 7,6 SID = 40 mmol/l pCO2 = 40 mmHg
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Teil 2: Säure-Basen-Algorithmus
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Die Mitspieler (Konzentration der Ladungen in mmol/l)
Starke Ionen Na K Mg2+, Ca Cl– Lactat < 1 => SID = 48 mmol/l In der SID („schwache Säuren“) Bicarbonat (CO2) Albumin XAs => „Pufferbasen“ = 48 mmol/l => Albumin + XAs = AnGap
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Die Mitspieler: Starke Ionen (1)
Starke Ionen sind geladene Teilchen, die sich weder protonieren noch deprotonieren lassen: sie sind zu „stark“, um sich ändern zu lassen. Die pH-relevanten starken Ionen des Plasmas sind: Na+, K+, Cl-, Lactat. Mg2+ und Ca2+ zählen zwar auch zu den starken Ionen des Plasmas, ihre Konzentrationen ändern sich aber nie in pH-relevanter Weise => für die Berechnung der SID sind sie redundant, => sie werden aber für die Berechnung des XAs gebraucht (dabei immer mit insgesamt 4 mmol/l positiver Ladung veranschlagt). Setzt man das Säure-Basen-Paar Milchsäure/Lactat (pKa = 3,9) in die HHG ein, dann ergibt sich bei einem pH = 7,4 ein Verhältnis von Milchsäure zu Lactat von 1 : 40000, d.h. die „Milchsäure“ liegt im Plasma nahezu vollständig als Lactat vor. (25) Das Lactat ist ein starkes Anion, weil es sich nicht protonieren läßt („zu stark“). Seine Anwesenheit verschiebt das Ionenprodukt des Wassers zu den Oxonium-Ionen: es säuert an. (25)
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Die Mitspieler: Starke Ionen (2)
Berechnung der SID: Na+ + K+ - Cl- - Lactat = 44 mmol/l Für die Berechnung der SID werden Normwerte zugrunde gelegt, keine Normbereiche. Lactat wird bei einer normalen Konzentration von < 1 mmol/l mit 0 mmol/l für die SID-Berechnung veranschlagt. Der BE-Änderung, die durch die Konzentrationsänderung eines oder mehrerer der vier starken Ionen entsteht berechnet sich mit: BESID = SID – 44 (mmol/l). Z.B. vermindert eine Konzentrationserhöhung des Chlorids von 100 auf 120 mmol/l die SID von 44 auf 24 mmol/l und bewirkt damit eine metabolische Acidose mit einem BE von – 20 mmol/l. Analog bewirkt ein Lactat-Anstieg von 0 mmol/l auf 15 mmol/l einen BE von – 15 mmol/l. (31)
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Die Mitspieler: In der SID (1)
Bicarbonat ist mit 24 mmol/l das am höchsten konzentrierte Anion in der SID. Bicarbonat ist ambivalent (nicht nur, weil es ein Ampholyt ist); Bei respiratorischen Störungen ist es m.E. die eigentliche Störung: ein Anion, das in der Peripherie in die SID drängt => respiratorische Acidose, oder ein Anion, das in der Lunge die SID via CO2 „verläßt“ => respiratorische Alkalose. P.S.: daß Bicarbonat bei respiratorischen Störungen nicht puffert, steht bereits im Physiologie-Lehrbuch (30). Bei metabolischen Störungen (= Konzentrationsveränderungen der anderen beteiligten Ionen) ist es ein Puffer: das Kohlensäure/Bicarbonat-Paar paßt sich mit Protonierung/Deprotonierung und damit einer Ladungsverschiebung von geladen zu ungeladen den pH-relevanten Konzentrationsänderungen der anderen Ionen an und verhindert damit eine zu starke Änderung des Ionenproduktes des Wassers. (25) Im Stewart-Konzept ist es damit m.E. sowohl ein „abhängiger“ (Puffer) als auch ein „unabhängiger“ Faktor (pCO2).
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Die Mitspieler: In der SID (2)
Albumin trägt 12 mmol/l der negativen Ladungen des Plasmas. Albumin wird in der klassischen Betrachtungsweise des SBH nicht berücksichtigt. (8, 15, 18, 24, 25, 26, 31) Peter Stewart sprach noch von der Gesamtheit der Plasmaproteine Figge und Fencl konnten zeigen, daß v.a. das Albumin pH-relevant ist (8, 15, 18, 24, 25, 26, 31) Albumin kann an den Carboxygruppen seiner Glutamat- und Aspartat-Seitenketten protoniert/deprotoniert werden => Albumin puffert bei respiratorischen und metabolischen Veränderungen. (31) Albumin kann selber pH-relevante Störungen bewirken: Ein Hypoalbuminämie führt zu einer metabolischen Alkalose und ist klinisch sehr häufig. (15, 18, 24, 25, 31) Eine Hyperalbuminämie würde zu einer metabolischen Acidose führen und ist eine Rarität (möglich durch Albumin-Substitution).
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Albumin (Norm: 44 g/l) - ist ein Poly-Anion (Glutamat-, Aspartat-Reste) - trägt 12 mmol/l der neg. Ladungen des Plasmas - Hyperalbuminämie => klinisch irrelevant für SBH - Hyp(o)albuminämie => klinischer Alltag => metabol. Alkalose 4 x V bei Hypalbuminämie (häufig auf Intensivstationen): Verdünnung Verlust Verbrauch Verminderte Bildung => Infusionen => Blutung, Niere, Verbrennung, Ascites, Shift ins Interstitium (32) => Sepsis => Lebererkrankung
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Die Mitspieler: In der SID (3)
Die Ungemessenen Anionen (XAs) tragen 12 mmol/l der negativen Ladungen des Plasmas Cave: unterschiedliche Angaben in der Literatur! (8, 18, 25, 31) Es handelt sich bei den XAs meist um starke organische Säuren mit mindestens einer Carboxgruppe mit einem pKa < 4, so daß sie immer mindestens eine negative Ladung tragen. (24) Zu den XAs zählen u.a.: Acetacetat und ß-Hydroxybutyrat (= Ketonkörper), Sulfat, Acetat, Pyruvat, Citrat, Oxalacetat, Oxalat, Hippurat, Propionat, Glutamat, Aspartat, 2-Oxoglutarat, freie Fettsäuren, Phospholipide und Phosphat. (18, 24) Erhöhte XA-Werte findet man u.a. bei einer GFR < 30 ml/min: Urämie. (24) Inwieweit auch die negativen Ladungen der Glykokalyx (Hyaluronsäure, u.a.) zu den XAs gezählt werden können, ist m.W. bislang in der Literatur nicht beschrieben oder diskutiert worden. (32)
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Die Mitspieler: In der SID (4)
Der Gesamt-Wert für die XAs ist immer berechnet, nie gemessen. Nichtsdestotrotz können einzelne Substanzen (z.B.: Phosphat) gemessen werden: dann fallen sie definitionsgemäß in die Gruppe der starken Ionen und können bei der Berechnung der SID berücksichtigt werden. Zunahme der XAs => metabolische Acidose. Das Anagramm KUSMALE beinhaltet die klinisch wichtigsten Möglichkeiten einer Zunahme der XAs (s. nachfolgende Folie). Das L steht für Lactat Wird Lactat in der BGA gemessen, fällt es aus KUSMALE bzw. aus den XAs heraus und wird zu den starken Ionen gerechnet. Faßt man die Buchstaben SMAE unter Intoxikationen zusammen, dann kann man aus dem Anagramm KUSMALE das handlichere Anagramm IKU fertigen. Die sogenannten „verstoffwechselbaren Anionen“ balancierter Infusionen (Acetat, Malat) sind organische Säuren, die v.a. in Form ihrer Anionen vorliegen (XAs). Deshalb säuern sie an, solange sie sich im Plasma befinden (s. Teil 4).
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KUSMALE => IIKU = ungemessene Säuren = ungemessene Anionen = XAs
Infusion Intoxikation Ketoacidose Urämie KUSMALE => IIKU = ungemessene Säuren = ungemessene Anionen = XAs Ketoacidose Urämie XAs erhöht Salicylat = metabolische Acidose Methanol (Formiat) = negativer BE Aethanol (Acetat) Lactat Ethylenglykol (Oxalat)
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Die Mitspieler: In der SID (5)
Abnahme der XAs: metabolische Alkalose Eine Abnahme der XAs mit resultierender metabolischer Alkalose ist m.W. in der Literatur noch nicht explizit beschrieben worden. (25) Man findet sie aber regelhaft bei Patienten mit einer kompensierten chronisch respiratorischen Acidose (COPD), (s. Beispiel 5): ich deute sie neben der Hypochlorämie dieser Patienten als die zweite Möglichkeit wie die Niere durch Ausscheiden von Anionen eine chronische Acidose kompensiert. Die in der klassischen Betrachtung als Kompensation bei COPD gewertete Zunahme des Standard-Bicarbonats ist nicht die eigentliche Kompensation: sie geschieht sekundär durch die Vergrößerung der SID dieser Patienten. Cave: bei erhöhtem pCO2 ist auch (HHG) das aktuelle Bicarbonat erhöht, was ebenfalls nichts mit Kompensation zu tun hat.
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Die Mitspieler: „Pufferbasen“ (26)
Der Betrag der sogenannten „Pufferbasen“ wird klassischerweise mit mmol/l angegeben Eine Abnahme entspricht einem Basendefizit, also einem negativen BE Eine Zunahme entspricht einem Basenüberschuß, also einem positiven BE. Aus der Folie „Die Mitspieler“ wird jedoch ersichtlich, daß der Betrag der „Pufferbasen“ exakt dem der SID entspricht. (31) Die Ab- oder Zunahme der „Pufferbasen“ ist demnach im Stewart-Konzept primär eine Ab- oder Zunahme der SID. Allerdings „puffern“ die XAs nicht: es sind starke Ionen, die ihren Ladungszustand nicht ändern, was für eine „Pufferung“ obligat ist. Die beiden einzigen „Pufferbasen“ des Plasmas sind demnach nur Bicarbonat (nicht bei respiratorischen Störungen) und Albumin (bei metabolischen und respiratorischen Störungen). Hämoglobin und Phosphat zählen m.E. nicht zu den Plasma-Puffern.
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Phosphat: Puffer? (24) Phosphorsäure ↔ Dihydrogenphosphat ↔ Monohydrogenphosphat H3PO ↔ H2PO ↔ HPO42- pKa: , ,8 pH 7, % % pH 7, % % Σ = mmol/l Ist Phosphat ein Puffer? In den älteren Lehrbüchern steht, daß die Nicht-Bicarbonat-Puffer sich aus dem Phosphat und dem Hämoglobin zusammensetzen. In den neueren Lehrbüchern und Veröffentlichungen stehen zusätzlich die „Plasma-Proteine“ als dritter Nicht-Bicarbonatpuffer. Unter einem Puffer versteht man ein korrespondierendes Säure-Basen-Paar, bei dessen Anwesenheit sich der pH-Wert einer Lösung bei Zugabe einer starken Säure oder Lauge den pH-Wert nicht wesentlich ändert. Wichtig für den Pufferungseffekt ist daß der pKa-Wert des Pufferpaares nahe am aktuellen pH-Wert der jeweiligen Lösung liegt und daß der Puffer in einer relevanten Konzentration in der Lösung vorhanden ist. Für den Phosphat-Puffer wird der pKa-Wert mit 6,8 angegeben, was auf eine gute Pufferwirkung schließen läßt. Danach liest man den etwas bedauernden Satz, daß der eigentlich „gute“ Phosphat-Puffer mit nur 1 mmol/l im Plasma vorliegt, was seine Pufferleistung minimiert. Im Physiologie-Lehrbuch liest man etwas überraschend, daß die Niere bei Acidose Phosphat ausscheidet. Wie ist das zu verstehen? Eigentlich würde man erwarten, daß bei einer Acidose der „beste Puffer“ retiniert wird, „um zu puffern“. Wenn man den sogenannten Phosphat-Puffer durch die Stewart-Brille anschaut, dann muß man auch hier das klassische Konzept des Puffers in Frage stellen. Die Phosphorsäure ist eine dreiprotonige oder dreiwertige Säure, d.h. sie kann „drei Protonen abgeben“, oder besser mit drei Wassermolekülen im Sinne einer Protonenübertragung reagieren. Für jede dieser drei Dissoziationsstufen läßt sich ein pKa-Wert angeben. Der pKa-Wert des Paares Phosphorsäure/Dihydrogenphosphat liegt bei 3,9. Das bedeutet, daß die Phosphorsäure exakt dieselbe Säurestärke hat wie die Milchsäure. Und es bedeutet, daß das Dihydrogenphosphat ein genauso starkes Anion ist wie Lactat. Die Dissoziationsstufe Dihydrogenphosphat/Monohydrogenphosphat liegt bei 6,8, was im klassischen Konzept aufgrund der Nähe zum physiologischen pH als „guter Puffer“ gewertet wird. Es bedeutet, daß das Monohydrogenphosphat leicht Protonen übernimmt („gut puffert“). Aber es wird nie erwähnt, daß bei dieser „Pufferung“ das starke Anion Dihydrogenphosphat entsteht. Da im klassischen Konzept das Dihydrogenphosphat kein „Proton abgibt“, interessiert es auch nicht mehr. Im Stewart-Konzept aber ist ein starkes Anion: es hält Oxonium-Ionen in Lösung. Es macht sauer. Bei einem pH von 7,4 liegen im Plasma „das Phosphat“ zu ca. 80% als Monohydrogenphosphat („guter Puffer“) und zu 20% als Dihydrogenphosphat (starkes Anion) vor. Bei einem pH von 7,0 ist das Verhältnis fast umgekehrt: 30% Monohydrogenphosphat („guter Puffer“) und 70% Dihydrogenphosphat (starkes Anion). Sowohl die Phosphorsäure selbst, als auch die dritte Dissoziationsstufe, das eigentliche Phosphat (PO43-) liegen bei physiologischen pH-Werten nur in sehr geringen Konzentrationen frei im Plasma vor. Sie spielen also klinisch keine Rolle. Laut Physiologie-Lehrbuch (Urban und Fischer, S. 290) wird bei Acidose weniger Phosphat tubulär resorbiert. Da die Niere Phosphat v.a. als Dihydrogenphosphat ausscheidet, wird dies „als Ausscheidung von Protonen gewertet“, zumal der tubuläre Rücktransport für Dihydrogenphosphat schlechter ist als für Monohydrogenphosphat. Die Niere ist ein „automatischer Überlauf für Phosphat“, d.h. bei erhöhter Phosphat-Plasma-Konzentration scheidet die Niere Phosphat aus, da es sonst zum „Ausfällen von Salzen, zur Komplexierung essentieller Metabolite und Störungen im Energiestoffwechsel kommen würde.“ Die renale Ausscheidung von Protonen – ob als Dihydrogenphosphat oder als Ammonium (NH4+) spielt im Stewart-Konzept keine Rolle: das Wasser ist ein unerschöpflicher Pool an Oxonium-Ionen (s. dazu auch Folie ….). Im Stewart-Konzept erscheint die Pufferwirkung des Phosphats fragwürdig. Es sieht eher so aus, als daß die Niere bei Acidose ein starkes Anion aktiv ausscheidet, um so – neben den anderen physiologischen Gründen – der Acidose entgegen zu wirken. Man bedenke, daß das bei Acidose überwiegend vorliegende Dihydrogenphosphat ein starkes Anion mit derselben Stärke wie Lactat ist. Bei Niereninsuffizienz, die mit einer Acidose einhergeht, steigt renal bedingt die Plasma-Phosphat-Konzentration an: bei der Kombination aus Acidose plus Niereninsuffizienz liegt aber (Henderson-Hasselbalch-Gleichung) das „Phosphat v.a. als starkes Anion Dihydrogenphosphat vor, das keine Protonen aufnimmt, also nicht „puffert“. Bei Acidosen liegt „Phosphat“ v.a. als starkes Anion Dihydrogenphosphat vor ! Gleicher pKa wie Lactat = 3,9 ! Acidose wirkt phosphaturisch! Die Niere scheidet bei einer Acidose den „besten Puffer“ aktiv aus!
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SID und SIG In der Literatur findet man neben dem Begriff der Strong Ion Difference (SID) den Begriff der Strong Ion Gap (SIG) (8, 9, 15, 18, 24, 26, 31) Dabei gilt: SIG = XA – Phosphat Die SIG repräsentiert also die XAs ohne das (gemessene) Phosphat. Wenn das Phosphat gemessen wird, dann kann es zu den starken Ionen gezählt werden und wird in der Berechnung der SID berücksichtigt. Würden alle XAs gemessen, würden sie alle definitionsgemäß zu den Starken Ionen gerechnet werden und in die Berechnung der SID einfließen. Ich verwende in diesem Text den Begriff der XAs und erwähne die SIG nur an dieser Stelle der Vollständigkeit halber.
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Hämoglobin: Puffer? (1) CO2 als Endprodukt des oxidativen Stoffwechsels diffundiert als kleines ungeladenes Teilchen in der Peripherie aus den Zellen, ins Plasma und in die Erythrozyten. Dort reagiert es durch das hochaktive Enzym Carbonat- Dehydratase mit Wasser zu Kohlensäure, die mit einem weiteren Wassermolekül zu Oxonium-Ionen („Protonen“) und Bicarbonat reagiert. Das Oxonium-Ion „protoniert“ das Hämoglobin, was in der klassischen Betrachtung als „Pufferung“ interpretiert wird Durch die Protonierung geben die Imidazol-Ringe der Aminosäure Histidin das am Fe2+-Ion gebundene Sauerstoff-Molekül frei, das aus dem Erythrozyten diffundiert (proximales und distales Histidin). (28) Das desoxygenierte Hämoglobin wird deshalb oft als HHb auf dem BGA-Zettel angezeigt: protoniertes Hb (HHb) = Desoxy-Hb. Die Protonierung des Hämoglobins dient der Desoxygenierung des Hämoglobins und ist bereits seit 1904 als Bohr-Effekt bekannt.
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Hämoglobin: Puffer? (2) Die Tatsache, daß pro Tetramer Hämoglobin nur 0,7 Protonen gebunden werden, unterstreicht m.E. die Annahme, daß die Protonierung des Hämoglobins nichts mit „Pufferung“ zu tun hat, sondern der Sauerstoffabgabe dient. Damit die Carbonat-Dehydrogenase-Reaktion nicht stoppt (Reaktionskinetik) muß das meiste Bicarbonat den Erythrozyten verlassen. Der „wichtigste Puffer“, der aber nach Physiologie-Lehrbuch (30) bei respiratorischen Störungen nicht puffert, erscheint in Massen im Plasma. Das aus dem Erythrozyten austretende Bicarbonat, ist die Grundlage des Standard-Base-Excess, bei dem das Hämoglobin der standardisierte Wert ist, unter der Annahme, daß Bicarbonat bei respiratorischen Störungen „puffert“… M.E. ist das Bicarbonat die eigentliche Störung bei respiratorischen Acidosen und damit das Konzept des Standard-BE fragwürdig!
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Hämoglobin: Puffer? (3) Das Bicarbonat diffundiert aber nicht einfach aus den Zellen, sondern wird durch einen Antiporter gegen Chlorid ausgetauscht („Hamburger-Shift“). Der Hamburger-Shift macht im Stewart-Konzept Sinn: die zunehmende Acidose des Plasmas durch das aus dem Erythrozyten austretende Bicarbonat wird durch die entstehende Hypochlorämie „abgepuffert“ (Vergrößerung der Plasma-SID). Das in den Erythrocyten eintretende Chlorid vermindert die SID im Erythrozyten und säuert das Erythrocyten-Cytoplasma weiter an, was aber im Sinne des Bohr-Effektes der Protonierung und damit der Desoxygenierung des Hämoglobins in der Peripherie und nicht der „Pufferung“ dient. M.E. ist das Hämoglobin also kein Plasma-Puffer. (3, 10, 31) Damit wäre das Konzept des Standard-Base-Excess (SBE oder BE (ecf)) fragwürdig. (3, 10, 31)
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Eine isolierte metabolische Störung ist selten (s. Beispiel 2)
Eine isolierte metabolische Störung ist selten (s. Beispiel 2). Alltäglich ist die Kombination von mehreren metabolischen Einzelstörungen, die in summa den BE ergeben. (25) Metabolische Acidose durch: Hyponatriämie Hypokaliämie Hyperchlorämie Hyperlactatämie (= Lactatacidose) Erhöhung der XAs (IIKU) Metabolische Alkalose durch: Hypernatriämie Hyperkaliämie Hypochlorämie Hypoalbuminämie Erniedrigung der XAs Bicarbonat ist bei metabolischen Störungen keine Ursache! Das Bicarbonat-Kohlensäure-Paar paßt sich durch Ladungsänderung (Protonierung/Deprotonierung) den Veränderungen der anderen Ionen an: Indikator der metabolischen Störung Puffer bei metabolischen Störungen
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Säure-Basen-Algorithmus
(9, 15, 18, 24, 25, 26, 31) BE (B) = BESID + BEAlb + BEXA pH (7,4) => Acidose oder Alkalose pCO2 (40) => respiratorische Acidose oder Alkalose BE (B) (0) => metabolische Acidose oder Alkalose SID = Na + K – Cl – Lac (Norm = 44 mmol/l) Albumin (g/l) x (0,123 x pH - 0,631) = „Albuminat“ (= negative Ladungen des Albumins) 6) XA = Na + K + Mg + Ca – Cl – Lac _ HCO3(act) – Albuminat Norm = 12 mmol/l AnGap = Na + K – Cl – HCO3(act) Norm < 20 mmol/l 8) Anamnese/Klinik: Wasserhaushalt, Elektrolyte, Diuretika, Infusion ... Kompensation: ) Beatmung 2) MM-Regel: pH, pCO2, BE => „metabolisch miteinander“ 3) Regeln nach Schlichtig BESID = SID - 44 BEAlb = (44 g/l – Albumin) : 4 BEXA = XA Norm: 44 g/l ↓ Norm = 12 mmol/l
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SB-Algorithmus: Allgemeines
Beurteilung des SBH: venöse BGA ausreichend (35) Beurteilung der Oxygenierung: arterielle BGA erforderlich Kapilläre BGA: nahezu obsolet Für spezielle Fragestellung: zentralvenöse oder gemischt-venöse BGA Aus didaktischen Gründen wird empfohlen, den SBH-Algorithmus von Punkt 1) bis Punkt 9) abzuarbeiten. Wird Punkt 6) berechnet (XAs), dann entfällt Punkt 7), (AnGap). Anamnese und Überlegungen zur Kompensation erst am Schluß! Viele (metabolische) Störungen des SBH resultieren aus Störungen des Wasser- und Elektrolyt-Haushaltes. (s. Beispiele 1, 3, 4, 7)
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SB-Algorithmus (1) pH-Wert pH > 7,4 = Alkalose
pH < 7,4 = Acidose Der pH-Wert ist der Summenvektor aller Störungen des Säure-Basen-Haushalts. Cave: hinter einem normalen oder kaum abweichenden pH-Wert können sich mehrere gleichzeitig vorkommende Störungen verbergen, die sich zu einem normalen pH-Wert aufsummieren (s. Beispiel 6).
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SB-Algorithmus (2) 2) pCO2 pCO2 > 40mmHg = respiratorische Acidose
pCO2 < 40mmHg = respiratorische Alkalose Cave: auch Stoffwechselstörungen (maligne Hyperthermie, thyreotoxische Krise) oder Perfusionsstörungen (Lungenembolie) gehen mit einer pCO2-Erhöhung einher.
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SB-Algorithmus (3) 3) Base-Excess (BE), (3, 10, 18)
Empfohlen wird die Verwendung des aktuellen BE (ABE oder BE (B)). Das Konzept des Standard-BE (SBE oder BE (ecf)) halte ich für fragwürdig. In der Praxis unterscheiden sich ABE und SBE wesentlich nur bei ausgeprägten respiratorischen Störungen. BE negativ = metabolische Acidose BE positiv = metabolische Alkalose Der BE ist der Summenvektor aller metabolischen Störungen, also der Summe aller Ionen-Konzentrationsveränderungen des Plasmas. Cave: hinter einem normalen BE können sich mehrere Teilstörungen verbergen, die sich zu einem normalen BE aufsummieren können (s. Beispiel 6)
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SB-Algorithmus (4) Der BE setzt sich aus Punkt 4), 5) und 6) zusammen (Teilstörungen). (24, 25, 31) => „Netto-BE“ = BESID + BEAlbumin + BEXA Die Aufschlüsselung der einzelnen metabolischen Störungen ist der wesentliche Unterschied des Stewart-Konzeptes ggü. dem klassischen Konzept. (18, 24, 25, 31) Zur vollständigen Aufschlüsselung fehlt in der Praxis sehr oft der Albumin-Wert: eine einmalige tägliche Bestimmung im Routinelabor (v.a. bei Intensivpatienten) ist m.E. ausreichend. Findet sich z.B. in der BGA nur die metabolische Teilstörung „Hyperchlorämie“, so ist die Diagnose „Hyperchlorämische Acidose“ zutreffend. Ansonsten muß man sich bewußt machen, daß der Ausdruck „Hyperchlorämische Acidose“ nur eine von mehreren Teilstörungen ist. Das Auftreten mehrerer metabolischer Störungen in einer BGA ist häufig.
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SB-Algorithmus (5) 4) SID (Starke Ionen Differenz)
Die SID bildet den Rahmen der metabolischen Teilstörungen. SID = Na+ + K+ - Cl- - Lactat = 44 mmol/l BESID = SID mmol/l Wenn man Mg und Ca in die Berechnung der SID miteinbeziehen möchte, ist der Normwert der SID = 48 mmol/l Der BESID bleibt dabei gleich, insofern ist die Berücksichtigung von Mg und Ca an dieser Stelle nicht notwendig. Die SID und der BESID sind leicht und schnell auszurechnen (Blickdiagnose). Die Konzentrationsänderung eines starken Ions um 1 mmol/l hat eine BE-Änderung um 1 mmol/l in die entsprechende Richtung zur Folge. (9, 24)
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SB-Algorithmus (6) 5) Albumin
BEAlbumin = (44 g/l - Albumin-Wert (g/l)) : 4 Ein Albumin-Wert von 20 g/l ergibt also einen BEAlb von + 6 mmol/l. Eine Alkalose durch eine Hypoalbuminämie ist sehr häufig. (15, 18, 31) Ursache der Hypalbuminämie: „4 x V“ (Verdünnung, Verbrauch, Verminderte Bildung und Verlust (u.a. Shift ins Interstitium)). (15, 24, 31, 32) Sehr häufig ist die Kombination von hyponatriämer Acidose, hyperchlorämer Acidose und hypalbuminämer Alkalose. (15, 24) Die hypalbuminäme Alkalose ist jedoch keine Kompensation, sondern eine eigenständige Teilstörung. Hyponatriämie: häufigste Elektrolytstörung überhaupt Hyperchlorämie: alltäglich durch zu hohen Chlorid-Gehalt der Infusionen Eine Acidose durch eine Hyperalbuminämie ist eine Rarität.
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SB-Algorithmus (7) 5) Albumin
Albumin (g/l) x (0,123 x pH - 0,631) = „Albuminat“ (15, 18, 24, 31) Mit dieser Formel, die als einzige im Algorithmus einen Taschenrechner benötigt, errechnet man die Konzentration der negativen Ladungen des Albumins, die ich „Albuminat“ nenne. Das Albuminat wird benötigt, um im nächsten Schritt die Konzentration der XAs auszurechnen. Ist der Albumin-Wert normal (44 g/l), dann entfällt die Rechnung und der Albuminat-Wert beträgt 12 mmol/l. Die obenstehende Formel ist eine umgeformte Henderson-Hasselbalch- Gleichung, bei der das Säure-Basen-Paar Albumin/Albuminat eingesetzt wurde.
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SB-Algorithmus (8) 6) XAs
XA = Na + K + Mg + Ca – Cl – Lac – HCO3- (act) – Albuminat Der XA-Wert ist immer berechnet – nie gemessen. Der Normwert beträgt 12 mmol/l (= Konzentration der negativen Ladungen der unbestimmten Anionen). In die Berechnung gehen Mg und Ca als Konstante mit 4 mmol/l ein. M.E. sollte an dieser Stelle das aktuelle Bicarbonat verwendet werden, weil es den „tatsächlichen“ Bicarbonat-Wert repräsentiert. Nichtsdestotrotz ist auch der Bicarbonat-Wert immer ein errechneter Wert! XA > 12 mmol/l => metabolische Acidose (KUSMALE, IIKU) XA < 12 mmol/l => metabolische Alkalose (COPD: s. Beispiel 5)
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SB-Algorithmus (9) 7) AnGap (= Anionenlücke), (5, 18)
XA = Na + K + Mg + Ca – Cl – Lac - HCO3- (act) – Albuminat AnGap = Na + K – Cl HCO3- (act) Die klassische Anionenlücke wird ohne Kalium berechnet: dann beträgt der Normwert < 16 mmol/l. Manche BGA-Geräte berechnen aber das Kalium mit: dann erhöht sich der AnGap-Normwert um den Kalium-Normwert auf < 20 mmol/l. Die Vergleich der beiden Formeln zeigt, daß die Berechnung der XAs in Schritt 6) genauer ist als die Berechnung der XAs mit der AnGap in Schritt 7). (18, 31) Laktat wird in der Regel gemessen, Mg und Ca sind konstant, so daß der wesentliche Unterschied der beiden Formeln das Albumin ist (18), das in der AnGap nicht berücksichtigt wird, bzw sich im AnGap-Wert “versteckt”. Beim (häufigen) Vorliegen einer Hypalbuminämie unterschätzt die AnGap den tatsächlichen XA-Wert (s. Beispiel 3). Werden die XAs berechnet (Schritt 6), entfällt die AnGap-Berechnung (Schritt 7).
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SB-Algorithmus (10) 8) Anamnese/Klinik
Aus didaktischen Gründen empfiehlt es sich m.E. die Anamnese erst nach der BGA-Analyse (Schritt 1-7) durchzuführen. Der wahrscheinlich häufigste Grund metabolischer Störungen sind Veränderungen der Plasma-Ionenstruktur durch Störungen im Wasser-Elektrolyt-Haushalt (Exsiccose, Überwässerung, Diuretika, Infusionen, SiADH, SaADH, etc.). Seltener sind die „IKU-Störungen“ (Intoxikation, Ketoacidose und Urämie), die mit einer XA-Erhöhung einhergehen. Hypalbuminämien sind (v.a. auf Intensivstationen) alltäglich (Verdünnung (Infusionen), Verlust, Verbrauch, Verminderte Bildung).
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SB-Algorithmus (11) 8) Anamnese/Klinik: Elektrolytstörungen (1)
Dysnatriämien sind die häufigsten Elektrolytstörungen! (29, 42) Hyponatriämien sind häufiger als Hypernatriämien. (29) Hypernatriämie bei: Exsiccose (häufigster Grund), iatrogener Zufuhr (NaBic, NaCl 0,9%, Antibiotika), Diabetes insipidus (z.B. nach SAB)). (29,42) Hyponatriämie bei: Überwässerung (s. Beispiel 3), SaADH (Herzinsuffizienz, Niereninsuffizienz, Leberinsuffizienz), SiADH (Medikamente, kleinzelliges Bronchial-CA, etc.). (29, 42) CAVE: bei Dysnatriämien ist die Dauer der Entstehung der Störung von größter Bedeutung für Therapie und Prognose (Beispiele 1, 3 und 4)! (29, 42) Akute Dysnatriämie: Entstehung innerhalb von 48 h Chronische Dysnatriämie: Enstehung in mehr als 48 h
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SB-Algorithmus (12) 8) Anamnese/Klinik: Elektrolytstörungen (2)
Dyschlorämien sind ebenfalls sehr häufig, waren lange Zeit unbeachtet und geraten zunehmend in den Focus (Beispiel 1). (18, 23, 24, 25, 31, 33, 36) Hyperchlorämie bei: Infusionen mit Chlorid-Gehalt > 100 mmol/l (praktisch alle Voll-Elektrolyt-Lösungen), bei Exsiccose (Beispiel 1), als Kompensation einer chronischen Alkalose, bei distal-tubulärer Acidose. (23, 24, 25, 31) Hypochlorämie bei: Schleifendiuretika (wahrscheinlich häufigster Grund), forciertem Erbrechen (der Chlorid-Verlust ist entscheidend!), renale Kompensation von Acidosen (respiratorisch und metabolisch; Beispiele 5 und 6). (17, 24, 25, 31) Man kann davon ausgehen, daß die Niere v.a. über den Plasma-Chlorid- Gehalt den pH-Wert steuert (s. „Niere und SBH“ und Beispiele 5 und 6).
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Kompensation: Regeln nach Schlichtig (12, 31)
Gebraucht werden: pH, pCO2, BE (B) zu erwartender pCO2 bei met. Acidose = BE zu erwartender pCO2 bei met. Alkalose = 40 + ( 0,6 x BE) zu erwartender BE bei resp. Acidose und Alkalose = 0,4 x (pCO2 – 40) - beatmeter Patient: keine Kompensation im klassischen Sinn möglich (24) - MM-Regel: „metabolisch miteinander“ => bei primär metabol. Störungen ändern sich pH, pCO2, BE gleichsinnig
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SB-Algorithmus (13) 9) Kompensation
Aus didaktischen Gründen sollten Überlegungen zur Kompensation am Ende des SBH-Algorithmus erfolgen: „erst analysieren, dann interpretieren“. 1) „Ist der Patient beatmet?“ Bei kontrollierter Beatmung erübrigen sich Überlegungen zur Kompensation. 2) „MM“-Regel: bei primär metabolischen Störungen verändern sich pH, pCO2 und BE immer miteinander (gleichsinnig). Hinter dieser Regel steht die physiologische Erkenntnis, daß SBH-Störungen nicht überkompensiert werden. Z.B.: bei einer Lactatacidose kommt es zu einer Hyperventilation Der pH bleibt aber im acidotischen Bereich. Befindet sich der pH im alkalotischen Bereich, liegt wahrscheinlich eine weitere Ursache für die Hyperventilation/Alkalose vor. 3) Eine genauere Kompensations-Analyse ermöglichen die Regeln nach Schlichtig (s. vorherige Folie). (12, 31)
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Teil 3: Praktische Beispiele
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Beispiel 1: Metabolische Alkalose durch Exsiccose
Beispiel 2: Metabolische Alkalose durch Hypalbuminämie Beispiel 3: Metabolische Acidose durch Überwässerung Beispiel 4: Metabolische Acidose durch Exsiccose plus Elektrolytverlust Beispiel 5: Kompensierte chronisch respiratorische Acidose Beispiel 6: Metabolisch kompensierte metabolische Acidose Beispiel 7: Metabolische Acidose durch balancierte Infusion
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Beispiel 1 Alltag in der Notaufnahme:
Ältere Patientin, hypoton, deutlich exsicciert, noch keine Infusion erhalten … pH , Alkalose pCO mmHg resp. Acidose HCO mmol/l BE ,4 mmol/l metabol. Alkalose Na mmol/l K mmol/l Cl mmol/l Lactat mmol/l Albumin normal
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Beispiel 1: Erläuterungen (1)
SB-Algorithmus: 1) pH: Alkalose 2) pCO2: respiratorische Acidose BE: metabolische Alkalose BE-Aufschlüsselung: 4) SID = 51 mmol/l, BESID = + 7 mmol/l 5) Albumin normal, BEAlb 0 mmol/l, Albuminat = 12 mmol/l 6) XAs = 10 mmol/l, BEXA = + 2 mmol/l 7) AnGap „entfällt“
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Beispiel 1: Erläuterungen (2)
SB-Algorithmus: 8) Anamnese/Klinik: ältere Dame, tagelang wenig getrunken, klinisch exsicciert, keine Diuretika, keine Infusionen erhalten, neurologisch unauffällig (müde …) 9) Kompensation: keine Beatmung, MM: pH, pCO2 und BE: gleichsinnig verändert => primär metabolische Störung Schlichtig: zu erwartender pCO2 = 40 + (0,6 x BE) = 45,6 mmHg; gemessener pCO2 = 48 mmHg => respiratorische Kompensation einer metabolischen Alkalose (nach Ausschluß anderer Ursachen für die Hypoventilation)
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Beispiel 1: Erläuterungen (3)
Die beiden entscheidenden Störungen sind die Hypernatriämie und die Hyperchlorämie, die beide hinreichend mit der Exsiccose und der daraus resultierenden Konzentrierung zu erklären sind. (25, 29, 42) Die Hyperchlorämie mit 112 mmol/l würde - für sich genommen – einen BE von – 12 mmol/l verursachen: hyperchlorämische Acidose. Der sehr hohe Natrium-Wert bedingt aber eine SID > 44 mmol/l und damit in summa die metabolische Alkalose => hypernatriäme Alkalose. Warum der (errechnete) XA-Wert hier niedrig ist und eine (geringe) zusätzliche metabolische Alkalose bedingt, bleibt offen. (24) Der erhöhte Lactat-Wert ist im vorliegenden Fall nicht sicher erklärt (Durchblutungsstörung?). Wäre das Lactat normal, wäre die metabolische Alkalose noch ausgeprägter gewesen.
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Beispiel 1: Erläuterungen (4)
Hypernatriämie (29, 42) Das Natrium-Ion ist die wichtigste Determinante der Plasma-Osmolalität. Einfachste Formel: 2 x Na x K+ = 288 mosmol/l Bei einem Natrium-Wert von 165 mmol/l wie im Beispiel, beträgt die Plasma-Osmolalität (nur durch das Natrium) 330 mosmol/l !! Wäre die Hypernatriämie akut entstanden, dann hätte die Patientin schwerwiegende neurologische Symptome (Koma, Krampfanfall) gezeigt Die Tatsache, daß sie neurologisch nahezu unauffällig war, deutet auf eine langsam entstandene Hypernatriämie (> 48 h) hin. CAVE: eine langsam entstandene Hypernatriämie muß langsam korrigiert werden (max. 1 mmol/l Natrium-Konzentrationsänderung/h). Bei zu schneller Korrektur droht ein Hirnödem! (29, 42) Eine Hypernatriämie gilt, v.a. auf Intensivstationen, als eigenständiger Prädiktor der Mortalität. (42)
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Beispiel 1: Erläuterungen (5)
Hyperchlorämie (32, 36, 40, 47) Wird an der Macula densa (iuxtaglomerulärer Apparat) am Ende der Henle-Schleife ein erhöhter Chlorid-Gehalt im Tubulus gemessen, dann resultiert eine Konstriktion des Vas afferens mit konsekutiver Abnahme der glomerulären Filtrationsrate (Patient mit Durst scheidet weniger Urin aus …) Es droht ein prärenales Nierenversagen. Alle Vollelektrolyt-Infusionslösungen mit einer Chlorid-Konzentration > 100 mmol/l bedingen dosisabhängig (Dreisatz) eine Hyperchlorämie (s. Beispiel 7). Führt die Hyperchlorämie in summa zu einer metabolischen Acidose, so resultieren weitere Störungen, u.a. Gerinnungsstörungen. Eine (isolierte) Hyperchlorämie von 115 mmol/l bedingt einen BE von – 15 mmol/l. Eine metabolische Acidose mit einem BE von – 15 mmol/l bewirkt eine Abnahme der Gerinnungsfaktorenaktivität um 50% !
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Hyperchlorämie Beeinträchtigung der Hämodynamik,
> 100 mmol/l Bei einem BE von – 15 mmol/l ist die Aktivität der Gerinnungsfaktoren um 50% vermindert: Protonierung von exponierten Phospholipiden von aktivierten Thrombozyten => verminderte Ca2+-Bindung. (14, 18, 24, 25, 26, 31, 33, 35, 36, 40, 41, 47) Beeinträchtigung der Hämodynamik, der Hämostase und des Immunsystems Abnahme der Splanchnikusperfusion (18, 24) Risikofaktor für ein akutes Nierenversagen (36, 40, 47) Acidose hemmt die Na-K-ATPase u.a. an der basolateralen Membran renaler Tubulusepithelzellen. (30) Ein Wort noch zur Hyperchlorämie. Seitdem ich mich mit dem Stewart-Konzept beschäftige, wundere ich mich, wie häufig Hyperchlorämien im OP oder bei Intensivpatienten sind. Als Hauptursache sehe ich einerseits die Exsiccose, andererseits aber vor allem Infusionen mit zu hohem Chlorid-Gehalt. Das sind praktisch alle Infusionslösungen, die auf dem deutschen Markt sind, sogar die sogenannten „balancierten Infusionen“. Es gibt Hinweise in der Literatur, daß eine Hyperchlorämie potentiell schädlich sein kann: s. Folie. Die Diskussion darüber steht noch an. Auch der pathopyhsiologische Mechanismus einer potentiell schädlichen Wirkung der Hyperchlorämie ist meines Wissens noch unbekannt. Seitdem ich darauf achte, stelle ich fest, daß mindestens die Hälfte aller Intensivpatienten eine erhöhte Plasma-Chlorid-Konzentration Aufweisen ( > 100 mmol/l). Erhöhte Chlorid-Konzentration an der Macula densa Vasokonstriktion im Vas afferens GFR-Abnahme Abnahme RBF und cortikale Durchblutung
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Beispiel 1: Erläuterungen (6)
Therapie: Patientin trinken lassen (Mineralwasser) Infusion von Vollelektrolyt-Infusion (balancierte Infusion mit möglichst geringem Chlorid-Gehalt) Faustregel: 1000 ml Infusion mit 140 mmol/l Na+ senkt das (erhöhte) Plasma-Natrium um ca. 1-2 mmol/l/h. CAVE: keine hypotonen Lösungen (z.B. G5%), (s. Beispiel 3): eine schnelle Natrium-Senkung ist nur bei akuter Hypernatriämie mit neurologischen Störungen indiziert. (29, 42) Ggf. Intensivüberwachung, insbesondere bei neurologischen Symptomen. Max. Natrium-Senkung 1-2 mmol/l/h und max mmol/l/24h (Expertenempfehlung; bislang keine Studien!). (29, 42) Die metabolische Alkalose in diesem Beispiel bedurfte per se keiner Therapie.
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} Beispiel 2 Älterer Patient, Tumorkachexie, Ascites pH 7,45 Alkalose
pCO mmHg resp. Acidose HCO mmol/l BE ,9 mmol/l met. Alkalose Na mmol/l K mmol/l Cl mmol/l Lactat mmol/l Albumin 15 g/l } Konstellation wie in Beispiel 1 Beispiel 3: „Älterer Patient, Tumorkachexie“ Der pH-Wert ist zwar noch im Normbereich, aber er tendiert zum alkalotischen Bereich. Der pCO2 ist geringfügig erhöht: geringe respiratorische Acidose. Der BE zeigt eine metabolische Alkalose an. Die SID ist mit 40 mmol/l leicht erniedrigt: metabolische Acidose durch die starken gemessenen Ionen. Der Patient hat eine geringfügige hyperchlorämische Acidose. Wo versteckt sich die alkalisierende Störung? Die Anamnese gibt einen wichtigen Hinweis: Tumorkachexie. Der Patient hatte einen Albumin-Wert von nur noch 15 g/l. Die Ursache für die metabolische Alkalose ist das erniedrigte Albumin aufgrund der Tumorkachexie und die damit verbundene Abnahme negativer Ladungen. Sie überwiegt den acidifizierenden Effekt der SID und der respiratorischen Acidose. Ob man von einer „Kompensation“ sprechen kann, lasse ich offen. Eine Hypalbuminämie bedingt eine metabolische Alkalose! Eine Hypalbuminämie ist insbesondere bei Intensivpatienten ein häufiger Befund. Eine metabolische Acidose aufgrund einer Hyperalbuminämie ist eine Rarität. Eine isolierte Hypalbuminämie ist selten. Meist tritt sie zusammen mit anderen Störungen auf. Dr. Hahn
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Beispiel 2: Erläuterungen (1)
SB-Algorithmus: 1) pH: Alkalose 2) pCO2: respiratorische Acidose 3) BE: metabolische Alkalose Vergleicht man pH, pCO2 und BE mit Beispiel 1, so zeigt sich eine sehr ähnliche Konstellation. Schlüsselt man den BE auf, zeigt sich jedoch eine ganz andere Ursache der metabolischen Alkalose. 4) SID = 40 mmol/l, BESID = - 4 mmol/l 5) Albumin 15 g/l, BEAlb = + 7 mmol/l, Albuminat = 4,3 mmol/l 6) XA = 8 mmol/l, BEXA = + 4 mmol/l
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Beispiel 2: Erläuterungen (2)
SB-Algorithmus 8) Anamnese: Patient mit Ascites (Albumin-Verlust, Albumin-Bildungsstörung) 9) Kompensation: keine Beatmung MM: pH, pCO2 und BE gleichsinnig => primär metabolische Störung Schlichtig: zu erwartender pCO2 = 45 mmHg; gemessener pCO2 = 47 mmHg; CAVE: bei einem Bauch voller Ascites ist auch das als (mechanischer) Grund für die Hypoventilation denkbar (=> „Anamnese vor Kompensation…“). Therapie: Albumin-Substitution …??? (18, 24, 25, 33, 36) Eine isolierte Hypalbuminämie mit resultierender metabolischer Alkalose ist selten Sehr häufig, v.a. bei Intensivpatienten, ist die Kombination der Hypalbuminämie mit anderen Störungen, z.B. Hyponatriämie und Hyperchlorämie. (15, 24, 31)
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Beispiel 3 pH 7,31 Acidose pCO2 35 mmHg resp. Alkalose
Pat. mit IDDM, akute Hypoglykämie mit neurologischen Störungen, Gabe von 10 ml G 40%, rasche Aufklarung, anschl. prophylaktische Infusion von 2000ml G 5% in 4 h, danach erneute neurologische Symptomatik, BGA bei Aufnahme auf ITS mit V.a. diabetische Ketoacidose pH , Acidose pCO mmHg resp. Alkalose BE mmol/l met. Acidose Na mmol/l Cl mmol/l K mmol/l Lactat mmol/l Albumin g/l Beispiel 4: „Patient mit Hypoglykämie, Gabe von 2000 ml G 5% in 4 Stunden“ Oben hatten wir das Beispiel, daß Durst „alkalisch macht“ (via Veränderung der SID). Hier ist der Gegenpol, ein weiterer Klassiker: „Überwässerung macht sauer.“ Der vorliegende Fall stammt aus dem eigenen Haus: ein insulinpflichtiger Patient wird auf Normalstation hypoglykäm, erhält daraufhin 2 Liter G5% in vier Stunden. Die Hypoglykämie ist erfolgreich behandelt, jedoch wird der Patient erneut somnolent, zunehmend verwirrter und hyperventiliert. Die BGA zeigt eine metabolische Acidose: Verlegung auf die Intensivstation mit V.a. Ketoacidose. Der pH-Wert zeigt eine Acidose (Summenvektor aller Einzelstörungen). Der pCO2 zeigt eine respiratorische Alklose. Klinisch hyperventiliert der Patient. Der BE zeigt mit – 8 mmol/l eine metabolische Acidose an (Summenvektor aller metabolischen Störungen). Die niedrigen Werte für Natrium und Chlorid springen sofort ins Auge. Die resultierende SID beträgt 30 mmol/l. Sie ist deutlich verringert: das ist die metabolische Acidose (durch Veränderung der gemessenen starken Ionen). Herr Deetjen rechnet es vor: normal sind 140 mmol/l Natrium und 100 mmol/l Chlorid im Plasma. Wir stellen uns zur verbesserten Anschaulichkeit vor, daß das Serum um die Hälfte verdünnt wird: dann wäre Natrium bei 70 mmol/l und das Chlorid bei 50 mmol/l. Die resultierende SID liegt dann bei nur noch 20 mmol/l und entspricht einer metabolischen Acidose. Konzentriert man das Plasma um die Hälfte, dann würde Natrium 280 mmol/l und Chlorid 200 mmol/l betragen. Die resultierende SID ist mit 80 mmol/l vergrößert und entspricht einer metabolischen Alkalose. „Durst macht alkalisch.“ „Überwässerung macht acidotisch.“ Diese beiden Sätze gelten erst einmal nur bei reinen Wasserstörungen. In der Regel sind die Elektrolyte mit verändert (s. Beispiel 1) Auch im obigen Beispiel spielt die hypalbuminämische Alkalose (diesmal durch Verdünnung) eine Rolle. Durch diesen mit Sicherheit nicht physiologischen Effekt wird die „Dilutionsacidose“ etwas abgeschwächt (um nicht zu sagen: kompensiert). Zum Begriff der „Dilutionsacidose“: Im klassischen Sinn versteht man unter einer „Dilutionsacidose“ eine Verdünnung des Bicarbonats, die wiederum die metabolische Acidose begründet. Dieser Ansatz ist im Stewart-Konzept nicht haltbar. Das Bicarbonat ist die Transportform des Kohlendioxids im Blut. Bei einer Verdünnung des Plasmas durch zuviel freies Wasser, wird die Gesamtmenge des Kohlendioxids nicht wesentlich verdünnt. Die Kohlendioxid-Gesamtmenge wird über die Atmung reguliert: offenes System. Würde in einem geschlossenen System die Gesamtmenge des Kohlendioxids verdünnt, bzw. reduziert, entspräche das sogar einer respiratorischen Alkalose! Im Stewart-Konzept versteht man unter einer Dilutionsacidose eine durch zuviel freies Wasser hervor gerufene hyponatriäme Acidose. Die Abnahme des Bicarbonates entsteht sekundär durch die SID-Verkleinerung (Änderung der Dissoziation). Zum Begriff der Dilutionsacidose im Stewart-Kalkulator s. Beispiel 1. Ich halte den Begriff der hyponatriämen Acidose für sinnvoll. Ursächlich kommen eine für eine Hyponatriämie eine Überwässerung (Infusionen, SiADH, SaADH) oder ein Natrium-Verlust (Diuretika, osmotische Diurese, Durchfälle) in Frage. Eine metabolische Alkalose bei Durchfällen oder Pankreasfisteln ist nicht auf den Bicarbonat-Verlust zurückzuführen, sondern auf den Natrium-Verlust: Vergrößerung der SID. Warum ist dieser Patient erneut somnolent geworden? Zu dieser Frage empfehle ich den Artikel „Dysnatriämien bei Intensivpatienten“ von Prof. Dr. Lichtwarck-Aschoff, Klinikum Augsburg, im Refresher Course der Deutschen Akademie für Anästhesiologische Fortbildung (DAAF) von 2010. Bei der Betrachtung der vorliegenden BGA fällt sofort der sehr niedrige Natrium-Wert ins Auge. Wenn ein niedriges Natrium vorliegt, stellen sich drei Fragen: Ist das Natrium < 125 mmol/l? Ist der Natrium-Wert innerhalb von 48 h auf diesen Wert abgesunken? Zeigt der Patient neue oder zunehmende neurologische Symptome? Alle drei Fragen müssen beim vorliegenden Fall mit „Ja“ beantwortet werden. Durch die schnelle Infusion mit 2 l freiem Wasser (G5% !!) wird das Natrium sehr schnell verdünnt. Das Plasma wird hypoosmolar: Natrium ist die Hauptdeterminante der Plasma-Osmolalität. Wasser strömt in die Zellen ein: es kann zu einem Hirnödem kommen (neurologische Symptome). Wenn die Verdünnung des Natriums schnell geschieht (< 48 h) haben die Zellen kaum Zeit sich an die osmotischen Veränderungen anzupassen: die Störung sollte schnell ausgeglichen werden. Im vorliegenden Fall bestand die Therapie in der Gabe von 20 mg Furosemid i.v. !! Der Patient klarte innerhalb weniger Stunden auf. Wäre die Hyponatriämie durch raschen Verlust entstanden (Durchfälle, Diuretika, plus „trocken fahren“) bestünde die Therapie aus Infusion von NaCl 0,9%. Cave: Plasma-Na-Anstieg in 24 h nie > mmol/l !! Plasma-Na-Anstieg in 1 h max. 0,5 – 1 mmol/l. Cave: hyperosmolare Lösungen („HyperHaes“) enthalten gigantisch hohe Chlorid-Konzentrationen (1200 mmol/l): sie machen sauer!! Besteht die Hyponatriämie länger als 48 h (Natrium-Werte der letzten Tage?), hatten die Zellen Zeit sich den veränderten osmotischen Bedingungen anzupassen. Faustregel: Zeit in der die Natrium-Störung entstanden ist = Ausgleichszeit. Wenn man eine langsam entstandene Hyponatriämie zu schnell anhebt, geraten die Zellen in erneuten osmotischen Streß. Im schlimmsten Fall kommt es zu einer pontinen Demyelinisierung (Extremfall: Locked-in-Syndrom; „Taucherglocke und Schmetterling“)!!! Risikogruppe sind Patienten mit Alkohol-Abusus, die wiederum nicht selten Natrium-Störungen zeigen. Herr Deetjen, dem ich nicht nur den Kalkulator und zwei sehr gute Artikel über Herrn Stewart verdanke, wobei in einem Prof. Dr. Lichtwarck- Aschoff Co-Autor war, hat in seinem Beispiel als Ursache der Überwässerung und Hyponatriämie das TUR-Syndrom beschrieben. Als ich unseren Patienten mit obenstehender BGA damals sah, fiel mir die fast exakt gleiche Konstellation beider BGAs auf.
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Beispiel 3: Erläuterungen (1)
SB-Algorithmus 1) pH: Acidose 2) pCO2: respiratorische Alkalose 3) BE: metabolische Acidose 4) SID = 34 mmol/l, BESID = mmol/l 5) Albumin 30 g/l, BEAlb = + 3,5 mmol/l, Albuminat = 8 mmol/l 6) XA = 19 mmol/l, BEXA = - 7 mmol/l 7) AnGap = 19 mmol/l => normal ! => unterschätzt durch Hypalbuminämie!
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Beispiel 3: Erläuterungen (2)
SB-Algorithmus 8) Anamnese: s.o., Patient hyperventiliert, cardiopulmonal gesund, kein Foetor 9) Kompensation: nicht beatmet MM: primär metabolische Störung Schlichtig: zu erwartender pCO2 = 35 mmHg; gemessener pCO2 = 35 mmHg => „klassische Kompensation“ (nach Ausschluß anderer Hyperventilationsursachen) Die metabolische Acidose ist eine Kombination aus einer Verkleinerung der SID und einer mäßigen Erhöhung der XAs (diabetische Ketoacidose). Die Ketoacidose fällt mit einem XA-Wert von 19 mmol/l nicht sehr hoch aus und ist damit keine wahrscheinliche Ursache der neurologischen Symptomatik. Auffallend ist der sehr niedrige Natrium-Wert von 120 mmol/l: der Wert vor der G5%-Infusion war normal! Der Patient hatte eine akute Hyponatriämie mit konsekutivem Hirnödem durch die Infusion von 2 l G5%-Lösung in nur 4 h !
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Beispiel 3: Erläuterungen (3)
G5% ist in der Flasche (in vitro) isoton, im Plasma aber wird die Glucose schnell in die Zellen aufgenommen und zurück bleibt freies Wasser, das zu einer akuten Verdünnung des Natriums (akute Hyponatriämie) führt Wenn das Plasma ggü. den Hirnzellen hypoton wird, strömt Wasser in die Hirnzellen. Diese osmotischen Kräfte sollte man nicht unterschätzen: nach dem Gesetz von van´t Hoff wirken bei einem Erythrozyten (Cytoplasma-Osmolalität mosmol/l), der in destilliertes Wasser (Osmolalität 0 mosmol/l) fällt, eine transmembranöse Kraft von 5500 mmHg ! (29) Er platzt durch den Wassereinstrom. Der Patient hatte vor der G5%-Infusion eine Plasma-Osmolalität von mosmol/l, nach der Infusion betrug sie 248 mosmol/l, das entspricht einer Differenz von 40 mosmol/l. Wäre diese Osmolalitätsänderung schlagartig aufgetreten, würde das einer Druckdifferenz von 760 mmHg entsprechen ...
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Beispiel 3): Erläuterungen (4)
CAVE: gewarnt werden muß vor Halb-Elektrolytlösungen, die in der Flasche isoton sind, im Plasma aber durch die Aufnahme der Glucose in die Zellen hypoton werden und analog der G5%-Infusion im vorliegenden Beispiel dosisabhängig zu einem Hirnödem führen ! (32) In der S1-Leitlinie „Perioperative Infusionstherapie bei Kindern“ von werden Halb-Elektrolyt-Infusionslösungen ausdrücklich nicht empfohlen. Stattdessen werden für Kinder balancierte Vollelektrolyt-Infusionen empfohlen, die seit 2009 mit 1% Glucose-Zusatz zugelassen sind ! (45) Eine akute Hyponatriämie mit konsekutivem Hirnödem findet sich auch bei: TUR-Syndrom (18, 25), Gabe von ADH-Analoga (Minirin, Oxytocin) und Marathonläufern (Differentialdiagnose: Hypernatriämie durch Exsiccose => andere Therapie!; Diagnose durch BGA: Natrium!), (42)
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Beispiel 3): Erläuterungen (5)
Therapie: der Patient erhielt 40 mg Furosemid i.v., schied entsprechend aus und klarte innerhalb kurzer Zeit wieder auf. Die XAs waren in diesem Fall nur gering erhöht (Ketoacidose), man konnte jedoch ihren Rückgang in der folgenden BGA sehen (errechnen). Analog dazu kann man mit dem vorliegenden Algorithmus den Rückgang der XAs bei Intoxikationen und bei Dialysen quantifizieren. Man kann die Acidose im Beispiel 3 als „Dilutionsacidose“ bezeichnen: eine Acidose durch Verkleinerung der SID durch Zugabe von freiem Wasser. Die „Verdünnung des Bicarbonats“, wie sie in der Literatur beschrieben wird, ist nicht die Ursache der Acidose, sie geschieht sekundär: das Bicarbonat „verschwindet“ bei Verkleinerung der SID durch Protonierung und Ladungsänderung. (18, 25)
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Beispiel 3): Erläuterungen (6)
Die Beispiele 1 und 3 zeigen, daß sich der pH nur durch Wasserentzug oder Wasserzugabe über eine Änderung der SID verändern läßt – ohne Zugabe oder Entfernen von H+-Ionen oder Bicarbonat. (25) Konzentriert man eine Lösung mit 140 mmol/l Natrium und 100 mmol/l Chlorid um das Doppelte, so daß Natrium auf 280 und Chlorid auf 200 mmol/l ansteigen, so würde sich die SID von 40 auf 80 mmol/l verdoppeln und die Lösung würde nur durch die Exsiccose/Konzentrierung alkalischer werden: „Konzentrationsalkalose“. (25) Analog würde diese Lösung durch Verdünnung um die Hälfte eine Natrium-Wert von 70 mmol/l und einen Chlorid-Wert von 50 mmol/l erhalten. Die SID wäre um die Hälfte verkleinert, die Lösung würde nur durch Wasserzugabe saurer: „Dilutionsacidose“. (25)
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Beispiel 4 pH 7,19 Acidose pCO2 23 mmHg resp. Alkalose HCO3- 9 mmol/l
50 jähriger Mann, seit einer Woche Durchfall und Erbrechen, AZ-Verschlechterung, Durst, Oligurie, brauner Urin, kein Fieber, leere Anamnese, neurol. o.B. pH , Acidose pCO mmHg resp. Alkalose HCO mmol/l BE ,4 mmol/l met. Acidose Na mmol/l Cl mmol/l Lactat 3,6 mmol/l K ,7 mmol/l Kreatinin ,5 mg/dl Harnstoff mg/dl Albumin g/l Pufferung? Dialyse? Hyperkaliämie bei Acidose: pro pH-Änderung 0,1 => Kalium-Anstieg um 0,6 mmol/l Beispiel 5: „Patient mit Durchfall und Erbrechen seit einer Woche, AZ-Verschlechterung, Durst, Oligurie, brauner Urin, kein Fieber, leere Anamnese.“ Der Patient mit dieser Aufnahme-BGA lag 2010 auf der Intensivstation im KH Mühldorf. Es handelte sich um einen bis eine Woche vor Aufnahme völlig gesunden, sportlichen 50 Jahre alten Mann. In seiner Umgebung gab es keinen Ähnlichen Krankheitsfall. Auslandsreisen lagen schon lange zurück. Er berichtete, daß er seit einer Woche kaum etwas gegessen oder getrunken hätte, da er sofort wieder erbrechen würde. Der Blutdruck und die Herzfrequenz waren normal bei Aufnahme. Keine Dyspnoe. Normale Oxygenierung bei Raumluft. Zur BGA: Der pH zeigt eine ausgeprägte Acidose an. Ab pH-Werten < 7,15 denkt man über eine Pufferung mit Natriumbicarbonat nach (s.u.). Der pCO2-Wert zeigt eine respiratorische Alkalose. Ursache war eine Hyperventilation. Der Patient war wach, spontan atmend, keine Dyspnoe, keine Schmerzen. Der niedrige BE zeigt eine ausgeprägte metabolische Acidose an, so daß die Hyperventilation des Patienten durchaus als Kompensation verstanden werden kann. Andere Ursachen für eine Hyperventilation/Hypokapnie lagen nicht vor. Die SID ist mit 40 mmol/l leicht erniedrigt: metabolische Acidose durch gemessene starke Ionen. Dieser Wert reicht allein aber nicht zur Erklärung für die ausgeprägte Acidose aus. Faustregel: Abweichung der SID vom Normalwert entspricht ca. dem BE-Effekt der SID. Es fallen die niedrigen Werte für Natrium und Chlorid auf, die an Verlust oder Verdünnung denken lassen: vergleicht man diese Werte mit dem vorherigen Beispiel, fällt eine ähnliche Ionenkonstellation auf. Beim vorherigen Beispiel handelte es sich um eine Verdünnung, hier liegt eine Exsiccose vor, allerdings mit einem zusätzlichen Elektrolytverlust. Zur Hyponatriämie: der Patient war neurologisch bis auf die Verschlechterung des AZ (müde, erschöpft) völlig unauffällig, was sich mit der Anamnese deckt, daß die Erkrankung vor einer Woche begann. Es lagen zwar keine früheren Natrium-Werte vor, aber es war hoch wahrscheinlich, daß sich die Hyponaträmie in einer Woche langsam (> 48 h) entwickelt hatte. Cave: zu schnelle Korrektur des Natrium-Wertes kann schwere neurologische Komplikationen auslösen!! Cave: Pufferung mit Natrium-Bicarbonat (enthält 1000 mmol/l Natrium-Ionen) !! ( s.o. pH < 7,15 ) !! Pufferung einer metabolischen Acidose mit Natrium-Bicarbonat 8,4% (= 1000 mmol/l) nach bekannter Formel: NaBic 8,4% in ml (1 ml = 1 mmol) = 0,3 x kgKG x BE Mit dieser Formel rechnet man aus, wie viel Natrium-Ionen in mmol ich in den Extrazellularraum eines Patienten geben muß, damit sein acidotischer pH-Wert wieder neutral (7,4) wird: Alkalisierung durch Vergrößerung der SID durch eine starkes Kation. Ich will das Bicarbonat nicht in Mißkredit bringen: selbstverständlich macht diese „Pufferung“, oder besser Alkalisierung, nur Sinn, wenn zusammen mit dem starken Kation Natrium ein schwaches Anion (Bicarbonat) gegeben wird. Die gleichzeitige Gabe eines starken Anions wäre selbstredend kontraproduktiv. Der Term 0,3 x kgKG ist nichts anderes als ein etwas zu hoch veranschlagter Wert für den Extrazellularraum (Intravasalraum + Interstitium = ca. 25% KG). Allein schon wegen dieser zu hohen Einschätzung des Extrazellularraums gilt die Empfehlung von der errechneten NaBic-Menge erstmal nur die Hälfte zu geben. Der Faktor x ½ ist deshalb oft schon in der Formel mit drin. Aber aus mindestens einem weiteren Grund macht es Sinn die errechnete Dosis an NaBic zu halbieren (wenn man es denn geben will): der besagte Patient hatte eine ausgeprägte Exsiccose, d.h. sein Extrazellularvolumen war drastisch reduziert. Wird diese Gewichtsabnahme des Patienten nicht berücksichtigt, dann verteilt sich das zugegebene Natrium in einem kleineren EZV als angenommen und damit kommt es zu einer starken Zunahme der Plasma-Natrium-Konzentration, die zu neurologischen Symptomen führen kann (pontine Demyelinisierung). Ein niedriger Chlorid-Wert läßt an Verlust denken: Erbrechen seit einer Woche. Das Entscheidende beim protrahierten Erbrechen ist der Verlust an Chlorid. Der sogenannte Protonen-Verlust spielt keine Rolle. Durch das Wasser haben wir einen praktisch unerschöpflichen Protonenvorrat. Ein zweiter häufiger Grund für eine Hypochlorämie (metabolische Alkalose) sind Schleifen-Diuretika. Und drittens keine COPD kann zur Hypochlorämie führen (Beispiel 7): metabolische Kompensation der chronischen respiratorischen Acidose. Unser Patient war lungengesund und nahm keine Medikamente ein. Der erhöhte Kalium-Wert läßt an eine akute Niereninsuffizienz denken und die Frage nach Dialyse im Raum schweben. Das erhöhte Kalium tritt aber auch klassisch zusammen mit einer Acidose auf. Eigentlich kann man einen Kalium-Wert nur zusammen mit dem Säure-Basen-Haushalt korrekt interpretieren. Bei einer Acidose läuft der ubiquitäre K+/H+-Antiporter langsamer, d.h. daß weniger Kalium im Austausch für sogenannte Protonen in die Zellen gepumpt wird. Im klassischen Weltbild stehen die Protonen im Vordergrund: der geringere Protonen-Ausstrom „mildert“ die Plasma-Acidose. Im Stewart-Konzept wird durch die Plasma-Hyperkaliämie die Plasma-SID vergrößert, was zu einer Alkalisierung beiträgt, also der Bestehenden Acidose entgegenwirkt. Ob es sich dabei um eine physiologische Kompensation handelt, ist vorstellbar, aber meines Wissens keinesfalls gesichert: der K+/H+-Antiporter ist an die 3Na+/2K+-ATPase gekoppelt, die bei Acidose langsamer arbeitet. Bei zu starker Acidose wird sie funktionsuntüchtig und die Zelle stirbt. Der gleichzeitige „Protonen“-Transport erfüllt eine Vehikelfunktion im Sinne der Elektroneutralität: es würde pH-technisch keinen Sinn machen gleichzeitig mit einem starken Kation ein anderes starkes Kation (z.B. Natrium zu verschieben): der Effekt für den pH wäre gleich null. Es macht für den pH nur Sinn, wenn gegen das starke Kation Kalium das schwache Kation „Proton“ (Oxonium-Ion) ausgetauscht wird. Cave Begriffsverwirrung: „schwaches Proton“ bedeutet, daß es sehr reaktionsfreudig ist und sich der Konstellation der starken Ionen (die nicht reaktionsfreudig sind) anpaßt. Bei einer Alkalose läuft der K+/H+-Antiporter schneller, d.h. daß mehr Kalium aus dem Plasma/Interstitium in die Zellen gepumpt wird. Durch die resultierende Hypokaliämie kommt es zu einer Verkleinerung der SID, was der Alkalose entgegenwirkt. Acidose → Hyperkaliämie Alkalose → Hypokaliämie Pro pH-Wert-Änderung von 0,1 ist mit einer Änderung der Kalium-Konzentration um ca. 0,5 mmol/l zu rechnen. Das bedeutet für das vorliegende Beispiel, daß 1 mmol/l der Hyperkaliämie aufgrund der Acidose entstanden sind. Bei einer Normalisierung des pH-Wertes ist mit einer Normalisierung des Kalium-Wertes zu rechnen. Liegt bei einer Acidose eine Hypokaliämie vor, kann von einem massiven (intrazellulären) Kalium-Mangel ausgegangen werden. Liegt bei einer Alkalose eine Hyperkaliämie vor, besteht ein tatsächlicher Kalium-Überschuß. Zur Erinnerung: Kalium ist mit ca. 140 mmol/l das intrazellulär am höchsten konzentrierte Ion, während die Natrium-Konzentration intrazellulär nur ca. 12 mmol/l beträgt und die intrazelluläre Natrium-Konzentration durch Na-K-ATPase permanent gering gehalten wird. Bei vielen Patienten (eigene Beobachtungen), die mit Acidose/Hyperkaliämie auf unserer Intensivstation in den letzten beiden Jahren behandelt wurden, ging die Hyperkaliämie allein durch die Behandlung der Acidose ohne zusätzliche Maßnahmen zurück (z.B. Glucose-Insulin-Infusion). Häufig lag eine Exsiccose (Schleifendiuretika, zu geringe Flüssigkeitszufuhr, zu großer Flüssigkeitsverlust) zugrunde, so daß die Therapie der Acidose schlicht und ergreifend in der Infusion von „balancierten“ Infusionen bestand, obwohl diese Kalium enthalten. Bei der Korrektur der Acidose (Normalisierung der SID: meist ist eine Hyperchlorämie im Spiel) sinkt der Kalium-Wert durch Zunahme des intrazellulären Shifts wieder ab. In unserem Haus erhalten niereninsuffiziente Patienten mit einer metabolischen Acidose kein NaCl 0,9% mehr (enthält zwar kein Kalium, dafür aber Chlorid mit 154 mmol/l, was zu einer Ansäuerung mit konsekutivem Kalium-Anstieg führt), sondern „balancierte“ Infusionen mit einem Chlorid von „nur“ 110 mmol/l, was zwar immer noch zu hoch ist, aber eben deutlich weniger als in der sogenannten „physiologischen“ Kochsalzlösung: „balancierte“ Lösungen säuern zwar an, aber deutlich weniger als NaCl 0,9%. Die Kalium-Konzentration von 4 mmol/l der „balancierten“ Infusion führt nicht zu einem nennenswerten Kalium-Anstieg. Zurück zur BGA. Das Lactat ist mit 3,6 mmol/l erhöht. Der resultierende BE beträgt 3,6. Faustregel: BELactat = Konz.Lactat Damit kann überschlagsmäßig der Gesamt-BE nicht allein durch die niedrige SID und das erhöhte Lactat bedingt sein. Das bedeutet, daß man beim Blick auf diese BGA bed-side auf die Erhöhung der XAs, der ungemessenen Anionen, schließen kann. Erhöhung der XAs durch v.a. drei Ursachen: Ketoacidose, Niereninsuffizienz, „balancierte“ Infusionen. Der Patient hatte zum Zeitpunkt der BGA noch keine Infusionen erhalten. Der BZ ist normal, anamnestisch liegt kein Diabetes mellitus vor. Also bleibt die Niereninsuffizienz. (Wen wundert es?) Dazu passen die sehr hohen Werte für Kreatinin und Harnstoff. Die Dialyse-Indikation ist aufgrund der Anamnese (Exsiccose) und des bierbraunen Urins (diese Nieren konzentrieren noch) eher zurückhaltend zu stellen. Dieser Patient wurde nicht dialysiert. Dieser Patient hatte ein prärenales Nierenversagen durch eine extreme Exsiccose mit massiven Elektrolytverlusten. Zu dieser Erkenntnis wäre man mit Sicherheit – das muß ich zugeben – auch ohne das Stewart-Konzept gekommen. Das ist oft das Dilemma: etwas überspitzt gesagt, kann man sich mit dem Stewart-Konzept alles fein säuberlich aufschlüsseln und kommt zu therapeutischen Konsequenzen, die man auch ohne das Stewart-Konzept gefunden hätte. Trotzdem möchte ich es nicht mehr missen. Die Diskussion über Pro und Contra Stewart-Konzept möchte ich weiter unten fortsetzen. Die weiter Untersuchung ergab keinen Anhalt für pathogene Keime im Stuhlgang und keine Clostridienenteritis. Er hatte kein Fieber, das Procalcitonin war unauffällig. Somit lautete die Diagnose: Virale Gastroenteritis mit massiver Exsiccose, Elektrolytentgleisung, metabolische Acidose, prärenales akutes Nierenversagen. „Der Mann war am Verdursten!“ Therapie: der Patient erhielt 5 Liter NaCl 0,9% in einer Nacht infundiert (BGA-gesteuert), zusätzlich Antiemetika, eine Kapsel Imodium (Loperamid) und orale Flüssigkeit. Nach wenigen Stunden konnte der Kostaufbau problemlos begonnen werden. Heute würde ich ihm eher „balancierte“ Lösung (z.B.: Ionosteril) statt NaCl 0,9% geben (s. Überlegungen oben), allerdings kam es bei diesem Patienten zu keinem weiteren Kalium-Anstieg. Über Nacht normalisierten sich praktisch alle Laborwerte. Der Patient wurde am Folgetag bei deutlich gebesserten Allgemeinzustand auf die Normalstation verlegt. bei pH = 7,4 => K+ 5,5 mmol/l
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Beispiel 4): Erläuterungen (1)
SB-Algorithmus: 1) pH: Acidose 2) pCO2: respiratorische Alkalose 3) BE: metabolische Acidose BE-Aufschlüsselung: 4) SID = 40 mmol/l, BESID = - 4 mmol/l 5) Albumin normal, BEAlb = 0 mmol/l, Albuminat = 12 mmol/l 6) XAs = 26 mmol/l, BEXA = - 14 mmol/l 7) AnGap = 34 mmol/l, BEAnGap = - 14 mmol/l => die BEs von XA und AnGap sind gleich, weil der Albumin-Wert normal ist.
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Beispiel 4: Erläuterungen (2)
SB-Algorithmus 8) Anamnese/Klinik: bis vor einer Woche völlig gesunder Patient, leere Anamnese (keine Reise; keine Kontaktperson mit ähnlicher Symptomatik), seit einer Woche Durchfälle und Erbrechen, kaum noch gegessen und getrunken, neurologisch bis auf Müdigkeit/Erschöpfung o.B. 9) Kompensation: - keine Beatmung - MM: primär metabolische Störung - Schlichtig: zu erwartender pCO2 = 23 mmHg; gemessener pCO2 = 23 mmHg, klassische Kompensation, Ausschluß anderer Ursachen der Hyperventilation
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Beispiel 4: Erläuterungen (3)
Diagnose: virale Gastroenteritis (Ausschlußdiagnose), prärenales Nierenversagen durch Exsiccose, metabolische Acidose durch Anstieg der harnpflichtigen Substanzen (XAs), massiver Wasser- und Elektrolyt-Verlust, chronische Hyponatriämie Therapie: Gabe von Imodium, Antiemetika, orale Flüssigkeitsaufnahme und schneller Kostaufbau, Infusion von 5 l NaCl 0,9% über 12h Verlauf: rasche Erholung, keine neurologische Verschlechterung, schnelles Einsetzen der Diurese, Normalisierung der Laborwerte in 24 h Keine Pufferung Keine Dialyse Keine spezifischen Kalium-senkenden Maßnahmen
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Beispiel 4: Erläuterungen (4), Pufferung
Bei einem pH von 7,1 denkt man über Pufferung nach… Mit der Formel NaBic 8,4% (ml) = 0,3 x kgKG x BE errechnet man, wieviel Natrium (18) man in den Extrazellulärraum (= 30% des Körpergewichts, ,3 x kgKG) des metabolisch acidotischen Patienten infundieren muß, damit der pH 7,4 wird. Der Wert 30% ist dabei zu hoch angesetzt. (26) Der Extrazellulärraum des Patienten aus Beispiel 4 war zudem durch die Exsiccose vermindert. Generell wird empfohlen initial nur die Hälfte der errechneten Menge an NaBic zu infundieren. Der Patient wog 80kg. BE – 17 mmol/l Die errechnete Menge Nabic 8,4% betrug damit 400 ml. Mit der empfohlenen halbierten Menge von 200ml NaBic 8,4% hätte man dem Patienten in < 1h 200mmol Natrium infundiert !!
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Beispiel 4: Erläuterungen (5), Pufferung
Setzt man den verminderten Extrazellulärraum des Patienten mit 20% des KG an (16l), dann errechnet sich durch die Infusion von 200 ml NaBic 8,4% ein Natrium-Anstieg von 122 auf 132 mmol/l in weniger als 1h !! Das bedeutet, durch die „Pufferung“ wäre das Plasma-Natrium des Patienten innerhalb von 1h um 10 mmol/l angestiegen !! Der Patient hatte eine chronische Hyponatriämie, die sich in einer Woche (>48h) entwickelt hatte. Für die chronische Hyponatriämie sprach das Fehlen einer neurologischen Symptomatik. (29) Empfohlen wird ein therapeutischer Anstieg des Plasma-Natriums um max. 1-2 mmol/l/h und max mmol/l/24h. (29, 42) Das bedeutet den für 24h empfohlenen maximalen Anstieg des Natriums hätte dieser Patient in weniger als 1h durch die „Pufferung“ erlebt !!
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Beispiel 4, Erläuterungen (6), Pufferung
Der zu schnelle Plasma-Natrium-Anstieg bewirkt eine Exsiccose der Hirnzellen. (29, 42) Es droht eine Myelinolyse, die v.a. die Pons betrifft. (29, 42) Das schlimmste Resultat wäre ein locked-in-Syndrom („Taucherglocke und Schmetterling“). Vor einer unbedarften „Pufferung“ (Natrium-Gabe) muß also m.E. gewarnt werden. Zumal in dem vorliegenden Beispiel eine kausale Therapie (ohne Pufferung) zu einer pH-Normalisierung führte. Die neurologischen Folgen des Natrium-Anstiegs durch Pufferung mit NaBic 8,4% (z.B. bei Reanimationen und Polytraumatisierten) sind m.W. nicht untersucht.
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Beispiel 4: Erläuterungen (7), Dialyse
Die Frage nach einer Dialyse stand bei dem Patienten aus Beispiel im Raum: Anurie, Kalium 6,7 mmol/l, Harnstoff und Kreatinin stark erhöht. Anamnese und Klinik sprachen für ein prärenales Nierenversagen und damit für die Flüssigkeitssubstitution als kausale Therapie Zudem war der Urin dunkelbraun => die Nieren konzentrierten noch! Dem Patienten wurde damals NaCl 0,9% infundiert, was der Autor heute nicht mehr tun würde. Stattdessen würde ich balancierte Infusionen mit möglichst niedrigem Chlorid-Gehalt verwenden. (s. Beispiel 7) NaCl 0,9% wurde und wird niereninsuffizienten Patienten infundiert, weil es kein Kalium enthält. Allerdings enthält es eine sehr hohe Chlorid- Konzentration (154 mmol/l), die zu einer hyperchlorämischen Acidose führt. Die Acidose bremst die Na-K-ATPase und verhindert damit den Kalium-Einstrom in die Zellen mit einer konsekutiven Hyperkaliämie !! (32)
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Beispiel 4: Erläuterungen (8), Dialyse
Die Hyperkaliämie durch NaCl 0,9% ist mittlerweile durch Studien belegt, in denen die niereninsuffizienten Patienten, die NaCl 0,9% bekamen, signifikant häufiger dialysepflichtige Hyperkaliämien entwickelten, als die Patienten, die balancierte Infusionen erhielten. (32) Balancierte Infusionen mit geringerem Chlorid-Gehalt als NaCl 0,9% säuern das Plasma weniger an und hemmen die Na-K-ATPase nicht so stark wie NaCl 0,9% (s. Beispiel 7), (32, 41) Balancierte Infusionen mit einem Kalium von 4 mmol/l erhöhen den Kalium-Wert von niereninsuffizienten Patienten nicht: wenn man (Dreisatz) in eine Lösung (Plasma) mit z.B. 6 mmol/l Kalium eine Lösung mit 4 mmol/l infundiert, dann wird der Kalium-Plasma-Wert in Richtung auf die 4 mmol/l gezogen. (Es wird nicht nur das Kalium, sondern auch Wasser infundiert). (32, 41) Bei dem Patienten in Beispiel 4 konnte der Rückgang der XAs mit dem SBH-Algorithmus quantifiziert werden.
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Beispiel 4: Erläuterungen (9), Kalium
Zur Interpretation des Kalium-Wertes gehört der pH-Wert. (30) Eine Acidose bedingt eine Hyperkaliämie (Hemmung der Na-K-ATPase). Eine Alkalose bedingt eine Hypokaliämie (Na-K-ATPase läuft schneller). Bei metabolischen Störungen ändert sich der Kalium-Wert um 0,6 mmol/l pro pH-Änderung um 0,1. Die Normalisierung des pH-Wertes durch die therapeutischen Maßnahmen senkte den Plasma-Kalium-Wert des Patienten im Beispiel 4 auf normale Werte. CAVE: eine Hypokaliämie bei Acidose deutet auf einen massiven (intrazellulären) Kalium-Mangel hin !! 98% des Kaliums befinden sich intrazellulär. Die Na-K-ATPase ist Mg-abhängig. M.E. ist eine (initiale) Kalium-Substitution ohne gleichzeitige Magnesium-Gabe „Serumkosmetik“, weil das Kalium nicht nach intrazellulär kommt.
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Niere und SBH (1) Nicht zuletzt um die Beispiele 5 und 6 besser zu verstehen, an dieser Stelle einige Anmerkungen zur Funktion der Niere im SBH. (11, 23, 26, 30, 31) Wenigstens drei Zelltypen der Niere enthalten das hochaktive Enzym Carbonat-Dehydrogenase (früher: Carboanhydrase, CA): die Zellen des proximalen Tubulus und die Schaltzellen Typ A und Typ B im distalen Tubulus und Sammelrohr. Mit der Carbonat-Dehydratase produzieren diese Zellen aus dem ubiquitär und unerschöpflich vorkommenden Wasser und CO2 das Anion Bicarbonat, um damit im Antiport (Chlorid) oder Symport (Natrium) andere Ionen pH-wirksam über die Zellmembranen zu verschieben. Das Bicarbonat ist bei diesen pH-Veränderungen nicht die primäre Ursache („Huhn und Ei“).
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Niere und SBH (2) An der basalen Membran (Blutseite) der proximalen Tubuluszelle befindet sich der NBC1 (Natrium-Bicarbonat-Cotransporter). (30) Bei einer proximal-tubulären Acidose ist der NBC1 genetisch bedingt defekt. Die Acidose wird klassischerweise mit der mangelnden Resorption des Bicarbonats erklärt. (30) Allein die Tatsache, daß ein Mensch in 24 h ca mmol CO2 und damit fast dieselbe Menge Bicarbonat (CO2-Transport-Form) produziert, macht diese Erklärung m.E. fragwürdig. Im Stewart-Konzept ist es die verminderte Natrium-Resorption, die zu einer hyponatriämen Acidose führt. Diese fällt jedoch milde aus, da die verminderte Natrium-Rückresorption in den distaleren Tubulusabschnitten weitgehend kompensiert wird.
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Niere und SBH (3) An der basalen Zellmembran der Schaltzelle Typ A im distalen Tubulus und Sammelrohr befindet sich der AE1 (Anion Exchanger Typ 1), der Bicarbonat gegen Chlorid austauscht (Chlorid-Sekretion). (30) Der AE 1 ist bei der distal-tubulären Acidose defekt Die Acidose wird klassischerweise durch die mangelnde Bicarbonat- Rückresorption erklärt, was ebenfalls fragwürdig ist. (23, 25, 30, 31) Im Stewart-Konzept ist es die verminderte Chlorid-Ausscheidung, die bei einer distal-tubulären Acidose zu einer hyperchlorämen Acidose führt (23, 24, 25). Die distale (hyperchloräme) Acidose ist stärker ausgeprägt als die proximale (hyponatriäme) Acidose, weil die verminderte Chlorid-Ausscheidung nicht weiter distal im Tubulus kompensiert werden kann. CA-Hemmer wie Acetazolamid (Diamox) imitieren beide Formen der tubulären Acidose, weil sie die Bereitstellung des Substrates Bicarbonat hemmen: entscheidend für die Acidose ist die Hyperchlorämie. (22, 24)
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Niere und SBH (4) Bei kompensierten COPD-Patienten findet man regelhaft eine Hypochlorämie, die im Stewart-Konzept als Kompensation der chronisch respiratorischen Acidose zu werten ist und durch den AE1 vermittelt wird: hypochlorämische Alkalose. (11, 24, 31) Die klassische Kompensation durch Bicarbonat-Rückresorption ist nicht haltbar. (11, 24, 31) Laut Lehrbuch „puffert“ Bicarbonat eben nicht bei respiratorischen Störungen und m.E. ist Bicarbonat selbst die eigentliche Störung bei respiratorischen Acidosen. Die Bicarbonat-Erhöhung in der BGA bei kompensierten COPD-Patienten ist sekundär: die SID-Vergrößerung durch die Hypochlorämie bedingt eine Ladungsänderung des Kohlensäure-Bicarbonat-Paares hin zum Bicarbonat. Die Chlorid-Ausscheidung bei COPD korreliert mit dem Ausmaß der respiratorischen Acidose. (31)
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Niere und SBH (5) An der basalen Membran der proximalen Tubuluszelle befindet sich neben dem NBC1 auch der OAT1 (Organic Anion Transporter), der organische Anionen (XAs) im Antiport gegen 2-Oxoglutarat2- in die Zelle schleußt. An der distalen Membran (Tubulusseite) werden die XAs durch erleichterte Diffusion ins Tubuluslumen sezerniert. (30) Im Lehrbuch (30) steht, daß pro Tag bis zu 300 mmol H+ -Ionen mit dem Urin ausgeschieden werden. M.E. ist die „Protonen-Ausscheidung“ sekundär bzw. dient anderen Prozessen (Elektroneutralität, NH4+-Ausscheidung): es werden bis zu 300 mmol/d negative Ladungen in Form von XAs und Chlorid ausgeschieden (Chlorid-Ausscheidung: 140 – 280 mmol/d (28)). Das 2-Oxoglutarat2- entsteht in der Niere durch zweimaliges Abspaltung einer Aminogruppe aus der Aminosäure Glutamin, die bei Acidosen (30) vermehrt von der Leber gebildet und von den proximalen Tubuluszellen aufgenommen wird, was im Hinblick auf die XA-Ausscheidung m.E. Sinn macht. 2-Oxoglutarat2- ist ein Intermediärprodukt des Citratzyklus, der in diesem Sinne bei Acidosen für die Bereitstellung des 2-Oxoglutarat2– nicht auszureichen scheint.
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Niere und SBH (6) Bei kompensierten COPD-Patienten ist eine Verminderung des XA-Wertes festzustellen (Beispiel 5), so daß m.E. die Folgerung naheliegt, daß die renale Kompensation von respiratorischen Acidosen über den OAT1 am proximalen Tubulus und den AE1 am distalen Tubulus, also über die Ausscheidung von XAs und Chlorid gesteuert wird. Diese Folgerung wird dadurch unterstützt, daß sich sowohl an den proximalen als auch an distalen Tubuluszellen Sensoren zur Messung von pCO2 und Bicarbonat befinden. (30)
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Niere und SBH (7) Der Vergleich von Schaltzelle Typ A und B zeigt eine spiegelbildliche Anordnung der Transportenzyme. Allerdings besitzt die Zelle Typ B den Antiporter Pendrin anstelle des AE1. Das Pendrin befindet sich an der apikalen Zellmembran. (30) Das Pendrin ist benannt nach Vaughan Pendred. Das Pendred-Syndrom ist die häufigste angeborene Ursache der Taubheit, wobei das Pendrin im Innenohr defekt ist. Das Pendrin ist identisch mit dem Transporter, der in der Schilddrüse das Jodid in die Follikel transportiert (hAIT =Human Apical Iodid Transporter) und dessen Defekt beim Pendred-Syndrom zum Kretinismus führt. Interessanterweise sind beim Pendred-Syndrom keine SBH-Störungen beschrieben, was die Folgerung naheliegt, das die Schaltzellen Typ B nur bei (in der Natur seltenen) Alkalosen gebraucht werden und dabei die Alkalose durch Chlorid-Resorption aus dem Tubulus kompensieren. Ob sich eine Schaltzelle Typ A bei Alkalosen durch Umstellung ihrer Transporter in eine Schaltzelle Typ B verwandelt oder die Zelltypen komplett ausgetauscht werden, ist mir nicht bekannt.
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Beispiel 5 COPD-Patient, kompensiert, keine Dyspnoe,
keine Exacerbation, „Routine-BGA“ pH , Acidose pCO mmHg resp. Acidose HCO mmol/l BE ,4 mmol/l met. Alkalose Na mmol/l K mmol/l Lactat mmol/l Cl mmol/l Faustregel (HHG): bei einem pCO2 von 80 mmHg erwartet man - bei normalem BE - einen pH von ca. 7,1. Beispiel 7: „COPD-Patient, kompensiert, keine Exacerbation, Routine-BGA.“ Mit den Vorbemerkungen zur letzten Folie schauen wir uns das vorliegende Beispiel an, das sicherlich nicht selten ist. Dieser Patient hat eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung mit einer CO2-Retention. Zum Zeitpunkt dieser BGA ist er pulmonal beschwerdefrei. Der pH zeigt eine leichte Acidose an Der pCO2 zeigt eine respiratorische Acidose an. Hätte der Patient eine rein respiratorische Störung, würde man einen pH von ca. 7,1 erwarten (Henderson-Hasselbalch-Gleichung; Nomogramm nach Siggard-Andersen). Faustregel: bei einem pCO2 von 80 mmHg erwartet man bei einer rein respiratorischen Störung einen pH von ca. 7,1. An dieser Stelle weiß man also schon, daß in dieser BGA noch eine zusätzliche metabolische Veränderung stecken muß. Der BE von 13,4 mmol/l zeigt es: es liegt eine daneben noch eine metabolische Alkalose vor. Die SID ist mit 52 mmol/l erhöht: metabolische Alkalose durch die gemessnen starken Ionen. In diesem Fall ist der alleinige Grund ist die Hypochlorämie (wenn man von der winzigen Hypernatriämie absieht). Das Albumin ist normal. Was ist der Grund für die Hypochlorämie? Der Patient nimmt keine Schleifendiuretika ein. Es liegt kein prolongiertes Erbrechen vor. Eine renal tubuläre Acidose ist nicht bekannt. Keine Einnahme von Azetazolamid (Diamox). Keine Infusion von freiem Wasser. In der klassischen Betrachtungsweise würde man folgende Diagnose stellen: Respiratorische Acidose, durch eine metabolische Alklose teilweise kompensiert. Die respiratorische Acidose erklärt sich durch die COPD. Die metabolische Kompensation erfolgt durch renale Bicarbonat-Retention. Das hohe Bicarbonat ist im klassischen Weltbild die Kompensation. Kurze Zwischenüberlegung: könnte hier auch eine primäre metabolische Alkalose vorliegen, die die respiratorisch kompensiert wird? Dagegen sprechen mehrere Argumente: Erstens die Anamnese: COPD. Zweitens die Regel „MM“, „metabolisch miteinander“: d.h. bei primär metabolischen Störungen verändern sich pH, Standard-Bicarbonat/BE und pCO2 gleichsinnig. Das ist hier nicht der Fall. Und drittens: es ist sehr unwahrscheinlich, daß eine Überkompensation vorliegt. Der pH wäre bei primär metabolischer Alkalose hier sogar in den sauren Bereich hinein überkompensiert. Das ist, insbesondere da die Kompensation in einer Hypoventilation besteht, sehr unwahrscheinlich. Eine primär metabolische Alkalose wird von einem spontan atmenden Patienten bis max. pCO2 55 mmHG kompensiert. Im Stewart-Konzept besteht die Kompensation der primär respiratorischen Acidose in der vermehrten Ausscheidung von Chlorid durch die Niere. Die Niere scheidet an den Schaltzellen vom Typ A der Sammelrohre vermehrt Chlorid im Austausch gegen Bicarbonat aus (AE1 = Anion exchanger Typ 1). Das Bicarbonat wird entweder aus dem Tubuluslumen resorbiert, oder in der Zelle selbst via Carbonat-Dehydratase gebildet. Im Stewart-Konzept ist das Bicarbonat nicht die Kompensation, sondern der Indikator der metabolischen Veränderung, in diesem Falle der Hypochlorämie. Der Bicarbonat-Anstieg bei erfolgt als Konsequenz der Veränderung der SID, in diesem Fall der Hypochlorämie, via Henderson-Hasselbalch. In einer pneumologischen Arbeit über „Sauerstoff in der Medizin“ steht der Satz: „Das Bicarbonat ist das HbA1 des Pneumologen.“ Das bedeutet – nicht unkorrekt – daß das Ausmaß des Bicarbonat-Anstieges etwas über die Kompensation der Hyperkapnie des COPD-Patienten aussagt. Dabei wird allerdings die eigentliche Ursache der Kompensation, die Hypochlorämie, übersehen. Ich möchte deshalb hinzufügen: „Das Chlorid ist das HbA1 des Anästhesisten.“ Nun kommt dieser Patient pulmonal kompensiert zur Aufnahme. Er empfindet keine Dyspnoe und das bei einem pCO2 von 83 mmHg. Die zentralen Chemorezeptoren liegen im Atemzentrum der Medulla oblongata. Sie messen den pH-Wert und den pCO2. Der pO2 wird nur peripher in Glomus aorticum und Glomus caroticum gemessen. Die zentralen Chemorezeptoren sind vom Interstitium und Plasma durch die Bluthirnschranke getrennt. Der pCO2 ist normalerweise der stärkste Atemantrieb. Warum empfindet dieser Patient keine Atemnot? Im klassischen Weltbild dient erneut das Bicarbonat als Erklärung. Es heißt, daß das (im Plasma erhöhte) Bicarbonat bei erniedrigtem pH im Liquor bei einer respiratorischen Acidose vom Interstitium in den Liquor diffundiert und dort die H+-Ionen abpuffert. Ich glaube, daß dieser Erklärungsansatz revidiert werden muß. 1) Überall im Körper, wo Bicarbonat über Membranen transportiert wird, diffundiert es nicht allein über die Membran: es wird entweder im Symport mit einem Kation oder als Antiport mit einem Anion elektroneutral transportiert. 2) Im Stewart-Konzept ist das Bicarbonat bei respiratorischen Acidosen die Störung und nicht der Puffer. Wenn das Bicarbonat-Anion ohne elektrischen Gegenpart in den Liquor diffundieren würde, würde es genau das Gegenteil von dem bewirken, was das klassische Weltbild postuliert: es würde die Acidose im Liquor verstärken. 3) Warum sollte das Bicarbonat überhaupt über die Bluthirnschranke vom Plasma in den Liquor diffundieren, selbst wenn das für ein geladenes Teilchen möglich wäre? Durch die CO2-Äquilibrierung von Plasma und Liquor sollte sich in beiden Kompartimenten ein Gleichgewicht zwischen beiden CO2-Partialdrücken einstellen und damit ein Konzentrationsausgleich zwischen beiden Bicarbonat-Konzentrationen. Es bestünde keine Bicarbonat-Konzentrationsdifferenz zwischen Plasma und Liquor und somit keine treibende Kraft für die postulierte Bicarbonat-Diffusion. Nach meiner Meinung, die ich bis dato noch nirgendwo anders gelesen habe, findet die metabolische Kompensation im Liquor bei einer chronischen respiratorischen Acidose analog zu den Veränderungen im Plasma und Interstitium durch eine Erniedrigung des Chlorids im Liquor im Austausch gegen Bicarbonat statt (Vergrößerung der Liquor-SID = Alkalisierung des Liquors). Ich glaube, es wäre eine interessante Doktorarbeit meine These zu überprüfen: Korreliert bei lungengesunden Probanden und COPD-Patienten der Plasma-Chlorid-Gehalt mit dem Liquor-Chlorid-Gehalt? Dazu müßte man bei Patienten, die eine Spinalanästhesie erhalten gleichzeitig beide Chlorid-Konzentrationen bestimmen und vergleichen. Bei COPD-Patienten wird eine Spinalanästhesie bekanntlich nicht selten durchgeführt. In der einzigen Arbeit, die ich bisher darüber gefunden habe (Kohlmann et al.), wird der normale Liquor-Chlorid-Gehalt mit mmol/l angegeben. Die Korrelation zwischen Liquor-Chlorid und Plasma-Chlorid würde erklären, wie es zum therapeutisch gewollten gesteigerten Atemantrieb durch die Hemmung der Carbonat-Dehydratase durch Diamox in den Schaltzellen Typ A der Sammelrohre mit konsekutiver Hyperchlorämie bei COPD-Patienten vor der geplanten Extubation kommt. Diese Korrelation würde andererseits zur Vorsicht mahnen, kompensierten COPD-Patienten Infusionen mit hohen Chlorid-Gehalt (NaCl 0,9%, Ringer-Lösung) zu infundieren, da es über den Anstieg der Chlorid-Konzentration (Verkleinerung der Plasma-SID) zu einer Zunahme des Atemantriebs bis hin zur Dyspnoe kommen könnte. Es stellt sich weiterhin die Frage, ob es an der Bluthirnschranke ebenfalls einen Chlorid-Bicarbonat-Antiporter (Anion exchanger) gibt? Und es stellt sich die Frage, ob es im Liquor, bzw. an den zentralen Chemorezeptoren des Atemzentrums eine Carbonat-Dehydratase gibt? Bislang habe ich in einer einzigen Arbeit gelesen, daß es eine cerebrale Carbonat-Dehydratase gibt, aber nicht, wo sie lokalisiert ist. Dr. Hahn
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Beispiel 5: Erläuterungen (1)
SB-Algorithmus 1) pH: Acidose 2) pCO2: respiratorische Acidose 3) BE: metabolische Alkalose BE-Aufschlüsselung: 4) SID = 52 mmol/l, BESID = + 8 mmol/l, => „nur“ durch die Hypochlorämie ! 5) Albumin: normal, BEAlb: normal, Albuminat = 12 mmol/l 6) XAs = 1 mmol/l, BEXA = + 11 mmol/l 7) AnGap: „entfällt“ => XAs bestimmt, Albumin normal
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Beispiel 5: Erläuterungen (2)
SB-Algorithmus 8) Anamnese/Klinik: COPD, klinisch kompensiert, beschwerdefrei, keine Diuretika, „Routine-BGA“ 9) Kompensation: - keine Beatmung - MM: pH gegenläufig zu pCO2 und BE => keine primär metabolische Störung - Schlichtig: zu erwartender BE = 0,4 x (pCO2 – 40) = 17 mmHg, gemessener BE = 13 mmHg => nahezu komplette renale Kompensation, pH fast im Normbereich („ausreichend“), keine Überkompensation „Keine primär metabolische Störung“ … CAVE: in jeder BGA können respiratorische und metabolische Störungen gleichzeitig vorkommen. Der Hinweis „keine Diuretika“ liefert den Ausschluß eines weiteren häufigen Grundes für eine Hypochlorämie. Eine Hypochlorämie durch Schleifendiuretika wäre dann eine Störung und keine Kompensation …
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Beispiel 5: Erläuterungen (3)
„Gretchen-Frage“: könnte es sich bei Beispiel 5 um eine primär metabolische Alkalose handeln, die durch Hypoventilation kompensiert wird? Antwort: Nein. Bei einer primär metabolischen Alkalose (z.B. durch Hypochlorämie (Diuretika, Erbrechen …)) wäre die metabolische Alkalose durch Hypoventilation in den acidotischen Bereich überkompensiert, was physiologischerweise nicht passiert (genau das steht hinter der MM-Regel) Eine metabolische Alkalose kann ein lungengesunder Mensch durch Hypoventilation bis zu einem pCO2 von max. 55 mmHg kompensieren – nie bis 80 mmHg. Zuletzt spricht die Anamnese gegen die primär metabolische Alkalose.
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Beispiel 5: Erläuterungen (4)
„Das Bicarbonat ist das HbA1 des Pulmologen“ steht in einer pulmologischen Arbeit. Dahinter steht die klassische Vorstellung, daß Bicarbonat die Kompensation einer respiratorischen Acidose ist. Die vorliegende BGA zeigt, daß die renale Kompensation einer chronisch respiratorischen Acidose durch die Chlorid-Ausscheidung über den AE1 der Schaltzellen Typ A im distalen Tubulus und Sammelrohr und m.E. durch XA-Ausscheidung über den OAT1 der proximalen Tubuluszelle erfolgt. Die Standard-Bicarbonat-Erhöhung geschieht sekundär durch Vergrößerung der SID und die Verminderung der XAs. Beim aktuellen Bicarbonat kommt via HHG die Bicarbonat-Erhöhung durch die pCO2-Erhöhung dazu. Eine Hypochlorämie findet man regelhaft bei kompensierten COPD-Patienten. Sie korreliert mit dem Ausmaß der Acidose. (11, 24, 25) Diese Patienten sollten keine Infusionen mit zu hohem Chlorid-Anteil erhalten (z.B. „physiologische“ NaCl 0,9%, die alles andere als physiologisch ist …). (24)
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Beispiel 5: Erläuterungen (5)
Wird der Atemantrieb über den Plasma-pH oder den Liquor-pH gesteuert? M.E. steuern die Plexus chorioideus-Zellen den Liquor-pH über Ionenaustausch-Prozesse. Sie besitzen ein breites Spektrum an membranösen Ionen-Transport-Proteinen (u.a. den NKCC) Vermutlich findet sich beim kompensierten COPD-Patienten eine vergrößerte Liquor-SID durch Absenken des Liquor-Chlorids. Das könnte eine interessante Untersuchung sein: Korreliert der Plasma-Chlorid-Wert mit dem Liquor-Chlorid bei kompensierten COPD-Patienten?
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Beispiel 6a Notaufnahme: ältere Patientin, somnolent
Diagnose: Hyperventilation ? pH , Alkalose pCO mmHg resp. Alkalose HCO mmol/l normal BE ,0 mmol/l normal Na mmol/l Cl mmol/l Hypochlorämie BEChlorid = + 10 mmol/l Netto-BE „nur“ + 1 mmol/l ? => Versteckte Anionen AnGap: Beispiel 8: „Ältere Patientin, somnolent, Hyperventilation.“ Diese Blutgasanalyse sieht auf den ersten Blick nicht besonders spektakulär aus. Der pH zeigt eine mäßige Alkalose. Der pCO2 ist deutlich erniedrigt: respiratorische Alkalose. Klinisch hyperventiliert die (nicht beatmete) Patientin. Der BE ist mit 1,0 mmol/l praktisch normal. In summa also keine metabolische Störung? Die SID ist mit 52 mmol/l deutlich vergrößert: metabolische Alkalose, v.a. durch die Hypochlorämie. Wenn bei normalem Netto-BE eine metabolische Alkalose (Teilstörung durch die vergrößerte SID) vorliegt, stellt sich sofort die Frage nach „versteckten“, also ungemessenen Anionen (XAs). Eine metabolische Acidose durch Hyperalbuminämie gibt es praktisch nicht. Es bleiben die sogenannten XAs. Eine Niereninsuffizienz ist nicht bekannt. Die Patientin berichtet über vermehrten Durst und Wasserlassen. Das Kreatinin ist normal. Die Patientin hat noch keine nennenswerten Infusionsmengen erhalten. Damit ist die Diagnose praktisch schon gestellt. Was sagt der Kalkulator? Na+ - Cl - - HCO3 - = 27 mmol/l ↑↑ => KUSMALE/IIKU … Dr. Hahn
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Beispiel 6b Notaufnahme: ältere Patientin, somnolent
SID = 56 mmol/l BESID = + 12 mmol/l Albumin = 21 g/l BEAlb = + 5,6 mmol/l Albuminat = 6,1 mmol/l Notaufnahme: ältere Patientin, somnolent Diagnose: Hyperventilation ? pH , Alkalose pCO mmHg resp. Alkalose HCO mmol/l normal BE ,0 mmol/l normal Na mmol/l Cl mmol/l IDDM; BZ 350 mg/dl Diabetische Ketoacidose XAs = 29 mmol/l BEXA = mmol/l XAs => Quantifizierung bei IIKU Hypochlorämie => metabolische Kompensation einer metabolischen Störung ! Beispiel 8: „Ältere Patientin, somnolent, Hyperventilation.“ Diese Blutgasanalyse sieht auf den ersten Blick nicht besonders spektakulär aus. Der pH zeigt eine mäßige Alkalose. Der pCO2 ist deutlich erniedrigt: respiratorische Alkalose. Klinisch hyperventiliert die (nicht beatmete) Patientin. Der BE ist mit 1,0 mmol/l praktisch normal. In summa also keine metabolische Störung? Die SID ist mit 52 mmol/l deutlich vergrößert: metabolische Alkalose, v.a. durch die Hypochlorämie. Wenn bei normalem Netto-BE eine metabolische Alkalose (Teilstörung durch die vergrößerte SID) vorliegt, stellt sich sofort die Frage nach „versteckten“, also ungemessenen Anionen (XAs). Eine metabolische Acidose durch Hyperalbuminämie gibt es praktisch nicht. Es bleiben die sogenannten XAs. Eine Niereninsuffizienz ist nicht bekannt. Die Patientin berichtet über vermehrten Durst und Wasserlassen. Das Kreatinin ist normal. Die Patientin hat noch keine nennenswerten Infusionsmengen erhalten. Damit ist die Diagnose praktisch schon gestellt. Was sagt der Kalkulator? => AE1, Schaltzelle Typ A, distaler Tubulus und Sammelrohr Dr. Hahn
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Beispiel 6: Erläuterungen (1)
Dieses Beispiel zeigt anschaulich die Erweiterung des Blickwinkels vom „klassischen“ Konzept zum Stewart-Konzept. (15, 18, 25, 31) Auf den ersten Blick eine unspektakuläre BGA: respiratorische Alkalose durch Hyperventilation … BE normal => keine metabolische Störung ? Beim Blick durch die Stewart-Brille fällt die Hypochlorämie auf. Da alle anderen Ionen normal konzentriert sind, resultiert aus der Hypochlorämie ein BE von + 10 mmol/l. Der „Netto-BE“ beträgt aber nur + 1 mmol/l. In dieser BGA ist also eine metabolische Acidose mit einem BE von mindestens - 9 mmol/l versteckt … Blick auf die AnGap …
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Beispiel 6: Erläuterungen (2)
SB-Algorithmus 1) pH: Alkalose 2) pCO2: respiratorische Alkalose 3) BE: „normal“ (minimale metabolische Alkalose) BE-Aufschlüsselung: 4) SID = 56 mmol/l, BESID = + 12 mmol/l (Hypochlorämie) 5) Albumin = 21 g/l, BEAlb = + 5,6 mmol/l, Albuminat = 6,1 mmol/l 6) XAs = 29 mmol/l, BEXA = - 17 mmol/l In dieser BGA verstecken sich 3 ausgeprägte metabolische Teilstörungen: hypochlorämische Alkalose, Acidose durch XA-Anstieg, hypalbuminämische Alkalose
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Beispiel 6: Erläuterungen (3)
SB-Algorithmus 7) Anamnese/Klinik: IDDM, BZ 350 mg/dl (=> das „K“ in KUSMALE/IIKU), cardiopulmonal o.B. 8) Kompensation: keine Beatmung, MM: pCO2 gegenläufig zu pH und BE => keine primär metabolische Störung ??? => eine primäre respiratorische Störung ist denkbar, dazu passen als Kompensation jedoch nur die erhöhten XAs, die aber nach Anamnese/Klinik wahrscheinlich die primäre Störung sind ... Im vorliegenden Beispiel kommt man mit den „herkömmlichen“ Kompensationsvorstellungen nicht weiter …
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Beispiel 6: Erläuterungen (4)
Es ist wahrscheinlich, daß die diabetische Ketoacidose die primäre Störung ist (Klinik/Anamnese). Nach Ausschluß anderer Ursachen der Hypochlorämie (Diuretika, Erbrechen, COPD, Überwässerung) kommt eine renale Kompensation der XA-Acidose über den AE1 (analog der COPD-Kompensation) in Frage. „Paradigmenwechsel“: die Hypochlorämie ist hier die metabolische Kompensation einer metabolischen Störung !! (17, 24, 25, 31) Die Hypalbuminämie ist eine eigenständige Störung (Ursache?), die in diesem Fall der Acidose durch den XA-Anstieg entgegensteht (keine „klassische“ Kompensation). (18)
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Beispiel 6: Erläuterungen (5)
Hinter der scheinbar unspektakulären BGA verstecken sich also ausgeprägte metabolische Störungen und ein Paradigmenwechsel. Sicher hätte man mit dem klassischen Blickwinkel die Ketoacidose und die Hypochlorämie entdeckt – die Hypalbuminämie wahrscheinlich nicht. Mit dem klassischen Blick kann man die Einzelstörungen nicht quantifizieren. (18) Mit dem vorgestellten Algorithmus kann man den Rückgang der erhöhten XAs quantifizieren, ebenso den Rückgang der XAs bei einer therapierten Intoxikation und nach einer Dialyse. (24)
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Beispiel 6: Erläuterungen (6)
Analog der Kompensation bei COPD-Patienten hat sich die Hypochlorämie der Patientin in Beispiel 6 wahrscheinlich über Tage entwickelt. Beim therapeutisch bedingten Rückgang der XAs („Ketonkörper“) bleibt also zunächst die Hypochlorämie bestehen, die dann eine Alkalose bewirkt, die sich in wenigen Tagen zurückbildet. Spätestens jetzt stellt sich die Frage, warum die Patientin eigentlich hyperventiliert? Die vorliegende BGA zeigt in summa keine metabolische Acidose. Metabolisch war die Patientin kompensiert. Hätte sie normoventiliert, hätte sich bis auf die Hypochlorämie (die oft übersehen wird) kein auffälliger Befund gezeigt. Klinisch gab es keinen Grund für eine Hyperventilation …
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Beispiel 6: Erläuterungen (7)
Die drei sogenannten Ketonkörper, die bei einer diabetischen Ketoacidose in erhöhter Konzentration im Plasma erscheinen sind Aceton, Acetacetat und ß-Hydroxybutyrat. Die Ketonkörper werden bei einem Überangebot von Fettsäuren ausschließlich in den Mitochondrien der Leber gebildet. (28) Aceton ist ein Keton (= Propanon), bleibt aber ungeladen: es hat demnach im Stewart-Konzept keine Auswirkung auf den pH ... Acetacetat und sein Reduktionsprodukt ß-Hydroxybutyrat sind die Anionen von starken Säuren und demnach pH-wirksam (XAs). ß-Hydroxybutyrat ist chemisch jedoch kein Keton …. Denkbar (aber unbewiesen) ist, daß Aceton als kleines, ungeladenes Teilchen in den Liquor diffundiert und aufgrund seiner chemischen Ähnlichkeit mit CO2 (doppelt gebundenes O-Atom) das Atemzentrum stimuliert und (indirekt) den SBH beeinflußt ...
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Teil 4: Plädoyer für bicarbonathaltige und hypochlorische Infusionen
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Beispiel 7 Intraop. BGA, biliodigestive Anastomose, geringe Blutung, PCV, x 500 ml balancierte Infusion Na mmol/l, Cl mmol/l Acetat mmol/l pH ,25 pCO mmHg HCO3- (act) 12,3 mmol/l BE (B) ,5 mmol/l Na mmol/l K ,3 mmol/l Cl mmol/l Lac ,4 mmol/l SID = 30 mmol/l BESID = mmol/l Albumin: nicht bestimmt … => wahrscheinlich niedrig: Verdünnung XA = 12 mmol/l (bei angenommenem normalem Albumin) => wahrscheinlich erhöhte XAs => Acetat ! Hyperchlorämische Acidose und Erhöhung der XAs (Acetat) durch balancierte Infusion !
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Beispiel 7: Erläuterungen (1)
SB-Algorithmus 1) pH: Acidose 2) pCO2: respiratorische Alkalose (maschinelle Beatmung) 3) BE: metabolische Acidose BE-Aufschlüsselung: 4) SID = 30 mmol/l, BESID = - 14 mmol/l 5) Albumin: nicht bestimmt (wie so oft…) 6) XAs (bei angenommenen normalem Albumin) = 12 mmol/l; BEXA = 0 mmol/l
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Beispiel 7: Erläuterungen (2)
SB-Algorithmus 8) Anamnese/Klinik: Pat. intubiert/beatmet, unauffällige Oxygenierung, kreislaufstabil, keine Catecholamine, cardiopulmonal o.B., keine ernsthaften Vorerkrankungen, kein Diabetes, OP: biliodigestive Anastomose, geringe Blutung, normale Diurese, Labor (Elektrolyte) präoperativ o.B., vorliegende BGA nach ca. 3h OP abgenommen, bis dahin Infusion von ca. 4,5 l balancierter Infusion über 3-Lumen-ZVK und peripheren Zugang 9) Kompensation: Pat. kontrolliert beatmet (akzidentell hyperventiliert), => keine Aussage über Kompensation möglich Warum zeigt dieser Patient eine metabolische Acidose (BE – 13,5 mmol/l)?
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Beispiel 7: Erläuterungen (3)
Das Lactat mit 2,4 mmol/l bewirkt einen BE von – 2,4 mmol/l => keine hinreichende Erklärung für die vorliegende metabolische Acidose. Den Hauptanteil der verkleinerten SID und der daraus resultierenden metabolischen Acidose fällt auf die Hyperchlorämie, die – für sich genommen – einen BE von – 8 mmol/l bewirkt. Die Hyponatriämie bewirkt einen BE von – 3 mmol/l. Was verursacht die Hyperchlorämie? Kompensation, distal-tubuläre Acidose und Exsiccose scheiden aus. Der Blick auf die Ionenzusammensetzung der balancierten Infusion löst das Rätsel: Natrium 137 mmol/l, Chlorid 110 mmol/l. Die Infusion einer Elektrolytlösung mit dieser (hyperchlorischen) Zusammensetzung führt (Dreisatz) dosisabhängig zu einer (geringen) Hyponatriämie und einer Hyperchlorämie und damit zu einer metabolischen Acidose! (18, 31)
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Beispiel 7: Erläuterungen (4)
XAs normal ?? Es ist wahrscheinlich, daß der Albumin-Wert durch Verdünnung (4,5 l Infusion, plus geringe Blutung) vermindert ist => metabolische Alkalose durch Hypalbuminämie. Dadurch wäre der XA-Wert aber erhöht => metabolische Acidose durch XAs. Durch die Hypalbuminämie unterschätzt die „normale“ AnGap den XA-Wert. Ursache der XA-Erhöhung? Man schütte sich Acetat-haltige Infusion in die Hände und rieche daran: Essig! Die Essigsäure liegt bei einem pH um 7,4 überwiegend als Acetat vor: Essigsäure/Acetat = 1 : (pKa 4,7; HHG). Acetat ist mit leichtem Abstrich ein starkes Anion. (25) Die XA-Erhöhung im vorliegenden Beispiel wird durch das infundierte Acetat (das „A“ in KUSMALE) verursacht!
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Beispiel 7: Erläuterungen (5)
Angeblich wird das Acetat in balancierten Infusionen zu „pufferndem“ Bicarbonat verstoffwechselt: das ist m.E. nicht haltbar. Das Acetat wird nach Aufnahme in die Zelle via Acetyl-CoA, Citratzyklus und oxidativer Phosphorylierung zu CO2 verstoffwechselt: das entspricht einer respiratorischen Acidose und nicht einer metabolischen Alkalose! Im Lehrbuch steht, daß Bicarbonat bei respiratorischen Störungen nicht puffert (28, S. 148) und m.E. ist das Bicarbonat bei respiratorischen Veränderungen die eigentliche Störung und kein Puffer. (28, S. 148) Im Stewart-Konzept zählt das Acetat zu den XAs (25): es säuert das Plasma an, solange es sich im Plasma befindet. Im vorliegenden Beispiel heben sich die BE-Wirkungen von Hypalbuminämie und Acetat-Erhöhung offenbar auf. (18, 24, 25) In summa würde die metabolische Acidose milder ausfallen, wenn keine Ansäuerung durch Acetat vorläge.
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Neue Infusionen notwendig? (18, 34)
Die S3-Leitlinie Polytrauma/Schwerverletztenbehandlung von 2011 der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie empfiehlt als Volumenersatz bei Unfallverletzten primär Kristalloide zu verabreichen, jedoch nicht welche. (35) Das vorliegende Beispiel ist alltäglich und jederzeit wiederholbar: nur die balancierte Infusionslösung verursachte eine metabolische Acidose (BE = - 13,5 mmol/l) durch Hyperchlorämie und XA-Erhöhung (Acetat). Balancierte Infusionen sind eine deutliche Verbesserung gegenüber Infusionen mit sehr hohem Chlorid-Gehalt (Ringer-Lösung, NaCl 0,9%), aber solange sie einen Chlorid-Wert von > 100 mmol/l aufweisen, induzieren sie dennoch dosisabhängig eine Hyperchlorämie. (18, 31, 33, 35, 36) Die S3-Leitlinie der DGAI von 2014 zur Intravasalen Volumentherapie bei Erwachsenen hat diesen Umstand nur bedingt berücksichtigt. (33, 36) Zur konkreten Auswahl der dort empfohlenen balancierten Infusion kann keine Empfehlung ausgesprochen werden (Statement S-6), obwohl physiologische Überlegungen für einen möglichst niedrigen Chlorid-Gehalt sprechen (18, 31, 32, 33, 35, 36)
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S3-Leitlinie (DGAI, 2014): Intravasale Volumentherapie bei Erwachsenen (33)
Kapitel 4a, Empfehlung 4a-2: Beim periinterventionellen Volumenersatz sollten balancierte kristalloide bzw. kolloidale Lösungen verwendet werden. (GoR B) Kapitel 4b, Empfehlung 4b-4: Zum Volumenersatz bei Intensivpatienten sollten balancierte kristalloide bzw. kolloidale Lösungen verwendet werden. (GoR B) Kapitel 5a, Empfehlung 5a-3: Werden kolloidale Lösungen periinterventionell eingesetzt, sollten in Hinblick auf metabolische und andere Endpunkte (Basendefizit, pH-Wert, Chloridkonzentration) balancierte Infusionen zur Anwendung kommen. (GoR B) Kapitel 5a, Empfehlung 5a-4: Bei der Auswahl einer kolloidalen Volumenersatzlösung sollten patientenspezifische Aspekte wie z.B. Nierenvorschädigung, Gerinnungsbeeinflussung … berücksichtigt werden. (GoR B)
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S3-Leitlinie (DGAI, 2014): Intravasale Volumentherapie bei Erwachsenen (33)
Kapitel 6a: Unterschiede zwischen den Kristalloiden bei periinterventionellen Patienten Statement S-6: Aufgrund der niedrigen Ereignisraten zum Endpunkt Letalität und unzureichender Daten aus kontrollierten Studien zu wesentlichen Morbiditätsendpunkten können aus der Literatur keine Empfehlungen für den bevorzugten Einsatz einer kristalloiden Lösung abgeleitet werden. Empfehlung 6a-1 und 6b-1: Isotone Kochsalzlösung soll zum periinterventionellen und intensivmedizinischen Volumenersatz nicht verwendet werden. (GoR A) Empfehlung 6a-3 und 6b-3: Balancierte Infusionslösungen mit Acetat und Malat statt Lactat können zum Volumenersatz bei periinterventionellen und intensivmedizinischen Patienten zum Einsatz kommen. (GoR 0)
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Infusion und Acidose Auf jeder Bleeding-Card stehen drei Grundpfeiler: Wärmezufuhr, Ca2+-Substitution, Acidose-Prophylaxe. (35, 44) Zur Acidose-Prophylaxe bei blutenden Patienten wird v.a. die „Kreislaufstabilisierung“ empfohlen. Die Kreislaufstabilisierung erfolgt u.a. durch die Gabe von balancierten Infusionen und Noradrenalin (=> Lactat-Anstieg). (35) Im Beispiel 7 wurde ein BE von – 13,5 mmol/l nur durch eine balancierte Infusion induziert. Dabei war die dort verwendete Infusion noch eine der „physiologischsten“ balancierten Infusionen auf dem Markt. Eine metabolische Acidose mit einem BE von – 15 mmol/l reduziert die Aktivität der Gerinnungsfaktoren um ca. 50% ! Eine Studie an Trauma-Patienten mit einem ISS > 9 zeigte signifikante Korrelationen sowohl zwischen BE und Prothrombinzeit als auch zwischen BE und aPTT. (39) Der (negative) BE eines Polytraumatisierten bei Aufnahme im Schockraum gilt als eigenständiger Prädiktor seiner Mortalität. Es stellt sich m. E. die Frage, in welchem Ausmaß die verabreichten balancierten Infusionen zum negativen BE von Polytraumatisierten beitragen?
131
Neue Infusionen: Vorgeschlagene Zusammensetzung
Natrium ist die Hauptdeterminante der Plasma-Osmolalität => normaler Natrium-Wert: 140 mmol/l Kalium in normaler Konzentration (auch für niereninsuffiziente Patienten) => Kalium 4 mmol/l Chlorid-Konzentration: 100 mmol/l (Standard-Infusionslösung) => Vermeidung einer Hyperchlorämie Chlorid-Konzentration: kleiner als 100 mmol/l (hypochlorische Infusion) => Prophylaxe/Therapie einer metabolischen Acidose „Verstoffwechselbares“ Anion in der Anionenlücke => Bicarbonat mit 44 mmol/l => bei hypochlorischen Infusionen Bicarbonat entsprechend > 44 mmol/l
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Hypochlorische Infusion (1)
Warum ist das Pankreassekret alkalisch (pH = 7,8)? In der klassischen Sichtweise ist es das in hoher Konzentration enthaltene Bicarbonat (100 mmol/l). Die Ductuluszellen des Pankreas produzieren ein Sekret folgender Zusammensetzung: Na+ 140 mmol/l, Chlorid 40 mmol/l und in diese große Anionenlücke kommt Bicarbonat mit 100 mmol/l. (30) Im Stewart-Konzept ist es die sehr große SID, die aus der starken Absenkung der Chlorid-Konzentration resultiert, die das Pankreassekret alkalisch macht. Wäre die Pankreas-SID mit Hydroxid-Ionen gefüllt, wäre der pH ca. 13. Das Auffüllen der SID mit Bicarbonat senkt den pH auf 7, => das Bicarbonat säuert an. Das Absenken der Chlorid-Konzentration bewirkt – analog der Kompensation der respiratorischen Acidose in Beispiel 5 – die Alkalisierung des Pankreassekrets.
133
Hypochlorische Infusion (2)
Beim „Puffern“ mit NaBic 8,4% ist es das starke Kation Na+, das die SID vergrößert und das acidotische Plasma alkalisiert Das Bicarbonat schwächt diese Alkalisierung sogar noch ab. (18, 25) Genauso ist es möglich die Plasma-SID durch Absenken des Chlorids zu vergrößern und damit den Plasma-pH anzuheben. Wenn man durch hyperchlorische Infusionen (alle balancierten VE-Lösungen auf dem Markt) das Plasma ansäuert, dann wird man es mit hypochlorischen Lösungen alkalisieren. (18) Wenn man bei polytraumatisierten Patienten eine Acidose verhindern oder behandeln und dabei das Natrium wegen der Osmolalität (Beispiele 1,3,4) gleich lassen will, dann bieten sich m.E. hypochlorische Lösungen an (analog zu Pankreassekret, AE1-Kompensation, etc.).
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Hypochlorische Infusion (3), Zitate
„Größere Observationsstudien zur Frage einer Assoziation einer chloridrestriktiven vs. einer chloridliberalen Flüssigkeitstherapie mit dem Auftreten eines akuten Nierenversagens (AKI) bei kritisch kranken Patienten hatten belegen können, daß eine chloridrestriktive Flüssigkeitstherapie bei Intensivpatienten mit einem signifikanten Abfall in der Inzidenz eines AKI sowie der Notwendigkeit des Nierenersatzes assoziiert sein kann.“ (40) „Zukünftige Studien müssen das „Gefahrenpotenzial“ unterschiedlicher Infusionslösungen sowohl bei Patienten mit erheblich höherem Risiko für ein AKI oder für Mortalität (z.B. Sepsis) als auch mit erheblich größeren Mengen der eingesetzten Flüssigkeiten untersuchen.“ (40)
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Bicarbonat in Infusion?
Beispiel 7 und alle Überlegungen zu den XAs legen es nahe nach einer weniger ansäuernden Alternative für Acetat oder Malat in der SID der balancierten Infusionen zu suchen. Malat => Anion der Apfelsäure (Dicarbonsäure; pKa-Werte 3,46 und 5,1) => starkes Anion (XA). pKa von Lactat 3,9. Im Plasma ist es v.a. das Bicarbonat, das die SID ausfüllt. In der Literatur sprechen immer wieder bestimmte Argumente gegen die Herstellung und Verwendung bicarbonathaltiger Infusionen: 1) Galenisch nicht herstellbar. 2) Lösung nicht stabil. 3) Lösung in Plastikflaschen nicht stabil. 4) Bicarbonat-haltige Lösungen erzeugen eine Acidose. Ich möchte diese Argumente widerlegen, da ich davon überzeugt bin, daß bicarbonathaltige Infusionen leicht herstellbar und in normalen Plastikflaschen stabil haltbar sind und keine nennenswerte Acidose verursachen. (24)
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Bicarbonat in Infusion: Argumente (1)
Bicarbonat-haltige Lösungen gibt es bereits und sie sind stabil. 1) Stilles Mineralwasser: die Zusammensetzung dieser Mineralwasser zeigt eine Bicarbonat-Konzentration, die der des Plasmas nahekommt. Schüttelt man diese stillen Wasser, erwartet niemand eine CO2–Ausgasung. Interessanterweise zeigen kohlensäure-haltige Mineralwasser desselben Herstellers identische Ionenstrukturen und den gleichen Bicarbonatgehalt, was nach der HHG eigentlich nicht sein dürfte. Der Denkfehler liegt in der Bezeichnung „Kohlensäure“. Die jeweiligen Mineralwasser werden nach ihrem Abfüllen nicht mit Kohlensäure sondern mit Kohlendioxid (CO2) versetzt. Das, was wir im normalen Sprachgebrauch als Kohlensäure bezeichnen, ist tatsächlich physikalisch gelöstes CO2 und das „gast aus“ beim Schütteln einer „kohlensäurehaltigen“ Mineralwasserflasche – allerdings ohne chemische Umsetzung. Das Bicarbonat in der Anionenlücke bleibt in der Lücke und in der Flasche – in allen Darreichungsformen!
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Bicarbonat in Infusion: Argumente (2)
Bicarbonat-haltige Lösungen gibt es bereits und sie sind stabil. 2) NaBic 8,4%: in einer 100 ml Flasche NaBic 8,4% befindet sich eine 1molare Lösung mit 100 mmol Bicarbonat. Würde nach dem Schütteln dieser kleinen Glasflasche und Einstechen einer Kanüle das Bicarbonat als CO2 „ausgasen“, so würden ca. 1,5 Liter CO2 entweichen. Jeder, der schon einmal eine Natrium-Bicarbonat-Flasche angestochen hat, weiß, daß es nicht „zischt“: es entweicht kein CO2. Das Bicarbonat gast nicht aus – es ist in einer Anionenlücke gebunden, genau wie das Bicarbonat im „Stillen Wasser“. Wenn das Bicarbonat als CO2 entweichen sollte, müßte es ein Proton übernehmen, zur Kohlensäure werden und dann in CO2 und H2O zerfallen. Welche Protonenquellen gibt es im NaBic? Die Oxonium-Ionen? Zu gering konzentriert … Das Wasser? Wenn die schwache Base Bicarbonat dem Wasser ein Proton entreißt, konkurriert sie mit der stärksten Base, dem Hydroxid-Ion, darum: theoretisch denkbar, praktisch unmöglich …
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Bicarbonat in Infusion: Argumente (3)
Bicarbonat-haltige Lösungen gibt es bereits und sie sind stabil. 3) Dialyse-Lösungen in Zwei-Kammerbeuteln: der große Beutel enthält eine bicarbonathaltige Lösung ähnlich der hier vorgeschlagenen Infusionen. Diese Lösung befindet sich in einem patentierten Spezialbeutel, der ein CO2-Ausgasen verhindern soll. Allerdings wird der Dialyselösung im großen Beutel das CO2 nach dem Abfüllen zugegeben, damit nach dem Mischen mit dem kleinen, Calcium-haltigen Beutel ein Ausfällen von Calcium-Carbonat verhindert wird. Das CO2 ist also physikalisch gelöst und das Bicarbonat in einer Anionenlücke gebunden. Würde kein CO2 zugesetzt, wäre die bicarbonathaltige Lösung im großen Beutel – analog dem Stillen Wasser – stabil im normalen Plastikbeutel haltbar. Die hier vorgeschlagenen Infusionen enthalten kein Calcium und kein freies (physikalisch gelöstes) CO2.
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Bicarbonat in Infusion: Argumente (4)
Bicarbonat-haltige Lösungen gibt es bereits und sie sind stabil: 4) Speichel: die Acinuszellen der Speicheldrüsen sezernieren ein bicarbonat-haltiges Sekret in ähnlicher Zusammensetzung wie die vorgeschlagenen Infusionen. Steigen in der Mundhöhle CO2-Bläschen auf? (30) Erzeugen bicarbonat-haltige Infusionen eine respiratorische Acidose? (25, 26) Ein Erwachsener produziert ca mmol CO2 pro Stunde. Die vorgeschlagenen Lösungen enthalten ca. 44 mmol/l Bicarbonat ... Bei handelsüblichen acetat-haltigen balancierten Infusionen entstehen aus einem Acetat-Molekül zwei Moleküle CO2: ca. 72 mmol/l …
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Neue bicarbonathaltige Infusionen
1) Standard-Infusionslösung 1) ) ) Na K HCO > 44 Cl < 100 Albumin g/l * 2) Infusionslösung bei großem Flüssigkeitsumsatz und/oder Hypalbuminämie => Endothelial-Surface-Layer- “Protektion“ => wenn Albumin gentechnisch herstellbar ist 3) Hypochlorische Infusionslösung für acidotische Patienten oder bei drohender Acidose (Polytrauma, Sepsis, Urämie) * ca. 12 mmol/l „Albuminat“
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Teil 5: Literatur
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Kontaktdaten: Dr. med. Ralf Hahn Facharzt für Anästhesie Niernthalweg 7 83483 Bischofswiesen
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