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Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin e.V.

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Präsentation zum Thema: "Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin e.V."—  Präsentation transkript:

1 CURRICULUM „ENTWICKLUNGS- UND SOZIALPÄDIATRIE FÜR DIE KINDER- UND JUGENDÄRZTLICHE PRAXIS
Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin e.V. 1. Auflage, Berlin April 2014

2 CURRICULUM „ENTWICKLUNGS- UND SOZIALPÄDIATRIE FÜR DIE KINDER- UND JUGENDÄRZTLICHE PRAXIS
Modul I – Das sozialpädiatrische Instrumentarium 10 h Modul II – Erstes Fachmodul 10 h Modul III – Zweites Fachmodul 10 h Modul IV – Praktische Übungen und Hospitation 10 h

3 Entwicklungs- und Sozialpädiatrie für die kinder- und jugendärztliche Praxis
Modul II – 2. Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese Dr. Jens Tücke

4 BEARBEITUNGSHINWEISE
Sie finden oben rechts den Hinweis "Anhänge". Sobald sich eines dieser linksseitig dargestellten Icons auf den Folien befindet, finden Sie unter „Anhänge“ die entsprechenden Inhalte. Einen zugehörigen Arbeitsauftrag finden Sie auf den entsprechenden Folien. Sie finden links neben der Gliederung den Reiter „Notizen". Sobald sich dieses linksseitig dargestellte Icon auf den Folien befindet, finden Sie unter „Notizen“ die entsprechenden Foliennotizen der/des Referenten/in hinterlegt. Um zur nächsten Folie zu gelangen und um die Darstellung aller Animationen zu gewährleisten, klicken Sie bitte in die „Hauptfolie“ und nicht in die Gliederung, da sonst nicht alle Animationen angezeigt werden!!!

5 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
Gliederung Normale motorische Entwicklung und Funktion – Variabilität der motorischen Entwicklung als Norm An der Bewegung beteiligte Systeme (nur zur Erinnerung …) Definition und Diagnostik der motorischen Entwicklungsstörung Zerebralparese (Pathogenese, Pathoanatomie, Pathophysiologie und Auswirkungen) unter Einbeziehung konservativer Therapieverfahren, der Orthopädietechnik und medikamentöser Therapie Andere Bewegungsstörungen Therapieprinzipien der Sozialpädiatrie

6 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
I. Normale motorische Entwicklung und Funktion – Variabilität der motorischen Entwicklung als Norm Die Reihenfolge des Erwerbs motorischer Fertigkeiten erscheint wesentlicher als ihre Geschwindigkeit Die Streubreite des Normalen ist sehr groß Die Entwicklungsschritte vollziehen sich in kraniokaudaler Richtung Sie beginnen mit dem Erwerb der Kopfkontrolle und enden mit dem freien Gehen Im Entwicklungsverlauf verschwinden sogenannte primitive Reflexschablonen Der Erwerb und die Entwicklung grob- und feinmotorischer Fertigkeiten werden als so-genannte motorische Meilensteine bezeichnet Zwischen dem 9. und 18. Lebensmonat entwickelt sich das freie Gehen als Spiegelbild der Entwicklung des Haltungs- und Bewegungskontrollsystems Aus einer globalen alternierenden Aktivierung von Streck- und Beugemuskelketten wird langsam eine optimierte aufrechte Fortbewegung, deren Reifung etwa um das 4. LJ. abgeschlossen ist

7 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
II. An der Bewegung beteiligte Systeme - Skelettmuskulatur Ausführungsorgan für alle Bewegungen, die im ZNS entworfen und gesteuert werden Alle Endplatten mit den zugehörigen Muskelfasern, die zu einem einzelnen Nervenaxon gehören, nennt man motorische Einheit Diese wird durch Aktionspotential erregt, das vom Gehirn über die Vorderhornzellen zum peripheren Axon geleitet wird An der Endplatte Umwandlung in chemische Transmitterfreisetzung aus den präsynaptischen Nervenendigungen Die Freisetzung von Acetylcholin führt zur Freisetzung von Calcium, das die Kontraktion von Actin und Myosin triggert Die Cholinesterase inaktiviert das Acetylcholin wieder Die Energieversorgung des Muskels erfolgt durch die Synthese von ATP Ein Muskel besteht sowohl aus aktiven kontraktilen Anteilen als auch aus passiven elastischen Elementen, die im Sinne des Widerstandes einer Dehnung des Muskels wirken Mechano- und Schmerzrezeptoren in den Sehnen und (Bändern) vermitteln propriozeptive Reize über Afferenzen Sehnen lenken Bewegungen, übertragen Kräfte, stabilisieren Gelenke als lastabhängig Widerstand leistende Strukturen

8 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
II. An der Bewegung beteiligte Systeme - Hirnrinde, Basalganglien, Kleinhirn, Hirnstamm, Rückenmark Die großen und schnellen Nervenzellen der Hirnrinde senden ihre Impulse über den Tractus corticobulbaris und den Tractus corticospinalis anterior und lateralis zu den motorischen Vorderhornzellen des Rückenmarkes. Von dort werden die Signale über die peripheren Nerven zur motorischen Endplatte geleitet. Hirnrinde – entwirft und bereitet Bewegungspläne vor, sammelt diese im Gyrus praecentralis und leitet diese über die Pyramidenbahnen weiter, diese kreuzen in Höhe des Rückenmarkes auf die Gegenseite in den Tractus corticospinalis lateralis, ein Teil kreuzt nicht und verläuft im ipsilateralen Tractus corticospinalis anterior, alle enden an den motorischen Vorderhornzellen. Basalganglien – bestehen aus dem Putamen, Globus pallidus, Nucleus caudatus, der Sustantia nigra und dem Nucleus subthalamicus, sind verknüpft mit dem Thalamus, der mit dem Großhirn kommuniziert. Aufgaben sind Planung und Initiierung willkürlicher Bewegungen, Überprüfung zentral vorbereiteter Bewegungspläne.

9 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
II. An der Bewegung beteiligte Systeme - Hirnrinde, Basalganglien, Kleinhirn, Hirnstamm, Rückenmark Kleinhirn – vergleicht die ausgeführten Bewegungen mit dem zentralen Bewegungsentwurf, korrigiert und ist für den flüssigen Bewegungsablauf zuständig. Das Kleinhirn benötigt hierzu periphere Informationen über Muskellänge, Kontraktionskraft, Kontraktionsgeschwindigkeit. Hirnstamm – sichert über seine motorischen Kerne ein Grundgerüst des Haltungstonus (vornehmlich Rumpf und proximale Extremitäten) und so die gezielten Bewegungen der distalen Extremitätenanteile. Rückenmark – enthält die motorischen Vorderhornzellen, die für die Innervation einer motorischen Einheit zuständig sind. Es besteht ein spinaler Reflexbogen, der über die Ia-Afferenzen der Muskelspindeln für die gleichbleibende Länge eines innervierten Muskels sorgt. Auch andere periphere Stimuli (über Rezeptoren) können über Verbindungen zum Rückenmark reflexartige Bewegungen auslösen. Zentrale Impulse dämpfen diese Reflexbögen über die präsynaptische Hemmung. Das System der reziproken Hemmung sorgt für die ungestörte Ausführung der geplanten Bewegungen. Es gibt überdies im Rückenmark autonome motorische Zentren, die bei Wegfall zentraler Impulse eigene primitive Beuge- und Streckbewegungen generieren.

10 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
III. Definition und Diagnostik der motorischen Entwicklungsstörung - Umschriebene Entwicklungsstörung motorischer Funktionen (UEMF) die Kinder entwickeln sich in motorischer Sicht zu langsam und/oder sind motorisch ungeschickt ohne erkennbare Läsion des ZNS, des peripheren Nervensystems und ohne Hinweis auf spezifische neurologische Befunde oder eine Störung motorischer Systeme (neurologisch, metabolisch, psychiatrisch) unflüssiger Bewegungsablauf, ungeschicktes Bewegungsbild, häufigeres Hinfallen, erschwertes, unkoordiniertes Treppensteigen, Roller-/Fahrradfahren, ungeschickte Grapho-/Feinmotorik deutliche Beeinträchtigung mit signifikanten Auswirkungen auf die Alltagsaktivitäten und/oder Schulleistungen kein Goldstandard der Diagnostik, empfohlen M-ABC-2 (quantitativ), klinische Untersuchung des Spontan- und Bewegungsmotorik, Überprüfung der Praxie

11 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
III. Definition und Diagnostik der motorischen Entwicklungsstörung - Umschriebene Entwicklungsstörung motorischer Funktionen (UEMF) Soll typischerweise nicht vor dem 5. LJ. diagnostiziert werden; wenn zw LJ., dann Diagnose nach 2. Untersuchung im Ablauf von 3 Monaten stellen Darf nicht durch mentale Retardierung erklärbar sein, auch nicht durch angeborene oder erworbene neurologische Störungen oder durch schwere psychosoziale Auffälligkeiten Ätiologie ungeklärt, vermutet Störung der zentralen motorischen Prozessierung (Verarbeitung und Auswahl geeigneter motorischer Antworten) Prävalenz 4-6% Komorbidität mit SEV, Autismusspektrumstörung, Aufmerksamkeitsstörung

12 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
III. Definition und Diagnostik der motorischen Entwicklungsstörung - Umschriebene Entwicklungsstörung motorischer Funktionen (UEMF) Behandlung mit Schwerpunkt aufgabenorientierter Ansätze (CO-OP, NTT): professio-nelle Anleitung / Training der Eltern + regelmäßig tägliche Umsetzung zuhause CO-OP (Cognitive orientation to daily occupational performance) – eher strategische Lösungsansätze für die Fertigkeitsprobleme im Alltag NTT (Neuromotor task training) – eher übend aufgabenorientiert an der Störung ansetzend körperfunktionsorientierte Interventionen weniger effektiv Perzeptiv motorische Therapie (PMT) effektiv Sensorisch integrative Therapie (SIT) mit unklarer Effektivität Prognose: bei 50-70% besteht die UEMF auch im Erwachsenenalter Häufiger schlechtere Schulleistungen (Leseverständnis und Arithmetik) Verringerte Teilhabe / Teilnahme an sozialen Aktivitäten bei Jungen häufiger Adipositas als somatische Folge

13 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
III. Definition und Diagnostik der motorischen Entwicklungsstörung - Zentrale Koordinationsstörung Geprägt wurde der Begriff durch Vojta beschreibt keine Diagnose im nosologischen Sinne sondern stellt eine Zustandsbeschreibung dar Durch die Beurteilung der Spontanmotorik und der Reflexologie + Prüfung der Lagereaktionen werden quantifizierbare Aussagen zum Aufrichtungsniveau des Kindes zum Zeitpunkt der Untersuchung und zur Qualität des globalen Musters gewonnen und in Beziehung zum idealen Muster gestellt. Abweichung werden als zentrale Koordinationsstörung unterschiedlichen Grades bezeichnet.

14 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
III. Definition und Diagnostik der motorischen Entwicklungsstörung - Frühdiagnostik zerebraler Bewegungsstörungen Vojta-Diagnostik (s. o.) General movements (GM), Prechtl und Einspieler Bewegungsanalyse Reflexologie und Tonus (pathologische Steigerung der MER, Enthemmung entwicklungsgeschichtlich alter Reflexmuster, geschwindigkeitsabhängige Tonuserhöhung, Kraftminderung, Ermüdbarkeit) Die Frühdiagnostik gefährdeter Säuglinge ist von wesentlicher psychologischer (Eltern) und ökonomischer Bedeutung. Inwieweit die Frühtherapie aber den Verlauf positiv beeinflussen kann, ist noch nicht definitiv entschieden. Einige Autoren berichten, dass sich eine Spastik frühestens nach dem 8.LM. und eine Athetose noch später bemerkbar machen, vorher nur Vermutungen anhand von abweichendem Reflexverhalten und körperlicher und geistiger Entwicklungshemmung angestellt werden können.

15 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
III. Definition und Diagnostik der motorischen Entwicklungsstörung - Allgemeine Diagnostik zerebraler Bewegungsstörungen Klinische Beobachtung der aktiven Aufrichtungs- und Fortbewegungs-möglichkeiten in den unteren Positionen sowie im Stand Klinische Beobachtung der Handmotorik Klinische Beobachtung der Kopf- und Rumpfkontrolle Klinisch manuelle Untersuchung: Bewegungsausmaß der Gelenke [Neutral-Null-Methode] Beurteilung der Kraft [MRC-Skala] Spastikabschätzung [Ashworth-Skala, Tardieu-Skala] Fehlhaltungen und –stellungen

16 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
IV. Zerebralparese - Klinik Tonusstörung [erhöht bei Spastizität, variabel bei Dyskinesie, vermindert bei Ataxie] Rumpfhypotonie [generalisiert bei Ataxie] Patholgische Reflexe [Spastizität] erschwerte Willkürmotorik [überschießend bei Choreoathetose] Störung der Feinmotorik [Dysmetrie, Hypermetrie, Asynergie, Dysdiadochokinese bei Ataxie] Stand-Gang-Rumpfataxie [Ataxie] Catch [Spastizität] „Die infantile Zerebralparese ist somit ein Symptomenkomplex, der statische Enzephalopathien mit den klinischen Kennzeichen Spastik, Dyskinesie, Dystonie und Ataxie zusammenfasst.“

17 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
IV. Zerebralparese - Definition und Prävalenz Definiert als bleibende Störung, verursacht durch eine nicht progrediente Störung des fetalen oder kindlichen Gehirns Häufigste Ursache motorischer Störungen im Kindesalter Prävalenz: GG >2500g /1000 Lebendgeborene GG <1500g /1000 Lebendgeborene postneonatale CP 1/ Lebendgeborene

18 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
IV. Zerebralparese - Pathogenese Spastizität durch Störung der Pyramidenbahn, der Capsula interna und des zerebralen Kortex verursacht Dystone, athetotische oder dyskinetische Störungen eher durch Schädigungen der Basalganglien bzw. des extrapyramidalen System verursacht Bei überwiegender Ataxie dominiert die Kleinhirnschädigung Störungen bis zur 24.SSW. führen überwiegend zu schwerwiegenden Hirnfehlbildungen, bis zur 36.SSW. eher zu Defektbildungen bzw. periventrikulären Läsionen

19 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
IV. Zerebralparese - Pathoanatomie I Spastische Diparese - nahezu stets mit PVL verknüpft, häufig Verschmächtigung des Corpus callosum Spastische Tetraparese - verursacht durch umfangreichere bzw. diffuse Schädigungsmuster des ZNS (schwere Formen der PVL [diffuse Schädigung aller Pyramidenbahnfasern], multizystische Umwandlung des Gehirns [symmetrisch destruktive Veränderungen der Hirnrinde durch diffuse Hirninfarkte, aber auch bakterielle und virale Infektionen] auch Hirnfehlbildungen [Holoprosenzephalie, Lissenzephalie, Pachygyrie, Balkenagenesie] und ausgeprägten Hydrocephalus [verstärkt Atrophien der weißen Substanz])

20 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
IV. Zerebralparese - Pathoanatomie II Spastische Hemiparese – bei termingerecht geborenen Kindern meist pränatale Hirninfarkte, auch venöse Sinusthrombose und thrombophile Diathesen möglich als weitere typische Veränderung bei der spastischen Hemiparese Extrapyramidale Störungen – betrifft meist Reifgeborene, umfaßt angeborene und erworbene Störungen der Basalganglien, eine Teilgruppe infolge einer schweren peripartalen Asphyxie. Andere Erscheinungsbilder sind metabolische oder genetische Störungen Ataktische Cerebralparesen – eher durch metabolische oder genetisch dysplastische Veränderungen im Kleinhirn und andere Hirnregionen verursacht [ca. 50% der MRT-Befunde normal]

21 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
IV. Zerebralparese - Pathophysiologie und Auswirkungen I Die Spastik stellt die Folge einer Veränderung der spinalen propriozeptiven Reflexe dar Es kommt zu nozizeptiven Beuge- und Streckerkettenaktivierungen sowie zur Kokontraktion der Agonisten – und Antagonistenmuskeln Am Muskel kommt es zur spastischen Überaktivierung und zu biochemischen Veränderungen der Muskeldehnungseigenschaften Das Muskel- und Sehnenwachstum hält nicht Schritt mit dem Skelettwachstum, was zu den typischen Bewegungseinschränkungen führt Die Spastik beschreibt ein neurologisches Symptom, das sich durch eine Störung der Regulation des Muskeltonus äußert und durch eine Reflexsteigerung sowie einen erhöhten Widerstand der Muskulatur gekennzeichnet ist

22 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
IV. Zerebralparese - Pathophysiologie und Auswirkungen II Geschwindigkeitsabhängiger Widerstand des Muskeltonus durch eine verstärkte Erregbarkeit des Muskeldehnungsreflexes Steigerung des muskuläres Grundtonus, dabei imponiert eine Verminderung des Kraft, der Geschwindigkeit und des Ausmaßes der Gelenkbewegungen Die Spastik ist ein Symptom der Schädigung des oberen motorischen Neurons und der pathologischen Verschaltung auf Rückenmarksebene Periphere und zentrale Stimuli sind für die Auslösung der Spastik verantwortlich Das gestörte Muskelgleichgewicht hat eine herausragende Bedeutung für die Entstehung von Deformitäten Jede Verstärkung der peripheren Afferenzen (u.a. auch durch Schmerzen) mündet in einer stärkeren Efferenz mit weiterer Tonussteigerung

23 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
IV. Zerebralparese - Pathophysiologie und Auswirkungen III Je älter der Patient ist, desto mehr bestimmen die sekundären Veränderungen das klinische Bild Zusammen mit dem Ungleichgewicht der Kraft, Dehnbarkeit und selektiver Ansteuerbarkeit antagonistisch wirkender Muskeln resultieren Gelenkfehlstellungen, die knöcherne Veränderungen nach sich ziehen Patienten mit GMFCS Stufen IV und V haben ein hohes Risiko einer Hüftgelenksluxation Muskulo-skeletale Veränderungen führen zu Funktionsverlust und verursachen Schmerzen

24 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
IV. Zerebralparese - Klassifikation Die Klassifikation der Cerebralparesen erfolgt nach der motorischen Störung in spastisch [unilateral / bilateral], dyskinetisch [dyston / choreoathetotisch] und ataktisch [+Intentionstremor, +Störung der Okulomotorik, +Sprachstörung (skandierende Sprache)] Die Klassifikation erfolgt nach dem funktionellen Schweregrad Mobiltät und selbständige Fortbewegung: GMFCS [ Gross motor function classification system] und handmotorische Fähigkeiten: BFMF [Bimanual fine motor function scale] oder MACS [Manual ability classification system] Hypotone Cerebralparesen sind in der Klassifikation der CP nicht mehr enthalten Epilepsien und Lernstörungen treten häufiger bei Schädigungen der grauen Substanz auf Die kognitiven Fähigkeiten sind ein unabhängiger Prädiktor für die Mortalität

25 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
IV. Zerebralparese - Begleitende Störungen Hörstörung Fehlsichtigkeit Kommunikationsstörung Verhaltensstörung Ernährungs- und Schluckstörung Obstipation Schmerz [GÖR, Tonusstörung, Gelenkluxation, Schmerz->Tonus->Schmerz] Zirkadiane Schlafstörung Multiresistente Keime

26 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
IV. Zerebralparese - Differentialdiagnosen Bei progressivem Verlauf der motorischen Störung, bei Symptomwechsel oder Verlust von Fähigkeiten, bei erworbenem Mikro-/Makrozephalus, bei neurologischen Erkrankungen in der Familie ... an neuromuskuläre Erkrankungen, genetische Syndrome, Stoffwechselerkrankung, neurodegenerative Erkrankung und hereditäre spastische Spinalparalyse denken.

27 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
IV. Zerebralparese 1.) Konservative Therapieverfahren I sollten individuell, möglichst für den Patienten nachvollziehbar und alltagsrelevant sein im Sinne der größtmöglichen Teilhabe, Selbstständigkeit und Steigerung der Lebensqualität Prinzipien einer funktionellen Therapie: aktivitätsfördernd, entwicklungsangepasst, zielbezogen, motivierend und anleitend (Patient/Eltern)

28 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
IV. Zerebralparese 1.) Konservative Therapieverfahren II Behandlungsmöglichkeiten eines pathologisch gesteigerten Muskeltonus: Verminderung der reflexaktivierenden Afferenzen durch Optimierung der Umgebungseinflüsse, Reduktion der psychischen Anspannung, Rhythmische Bewegungen, Hautdesensibilisierung, Nervenblockaden Senkung der Aktivität der Efferenzen durch Blockade der Erregungsübertragung an der motorischen Endplatte

29 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
IV. Zerebralparese 1.) Konservative Therapieverfahren III Behandlungsmöglichkeiten eines pathologisch verminderten Muskeltonus: Verstärkung der reflexaktivierenden Afferenzen (Haut, Psyche, propriozeptiver Input) Erhöhung der aktivierenden Efferenzen durch Unterstützen von Reflexmustern, ggf. Krafttraining Stabilisierung durch Orthetik zur Optimierung der Gelenkstellung und -funktionen

30 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
IV. Zerebralparese 1.) Konservative Therapieverfahren IV Physiotherapie auf neurophysiologischer Grundlage nach Vojta (Grundlagen): Reflexkriechen durch Aktivierung einer oder mehrerer Zonen: Bewegungsauslösung im Kreuzgang, Aktivierung der zum Stützen, Greifen, Aufrichten und Gehen notwendigen Muskelgruppen, Aktivierung der Atem-, Bauch- und Beckenbodenmuskulatur, Aktivierung der Schluck- und Augenbewegungen. Reflexumdrehen von der Rückenlage in die Seitlage: Phase I: Streckung der Wirbelsäule, Beugung der Beine, Vorbereitung der Arme zum Stütz. Phase II: Streckung der Wirbelsäule, Kopfhaltung gegen die Schwerkraft, gegenläufige Beuge- und Streckbewegungen von unten und oben liegenden Armen und Beinen mit zunehmender Stützfunktion der unten liegenden.

31 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
IV. Zerebralparese 1.) Konservative Therapieverfahren V Physiotherapie auf neurophysiologischer Grundlage nach Bobath (Grundlagen): Stimulation – Unterstützen des Tast- und Bewegungsempfindens Inhibition – Unterstützung einer physiologischeren Ausgangsstellung für Haltung und Bewegung Fazilitation – Ermöglichung der Aufrichtung und Bewegung unter Berücksichtigung von Haltungs- und Bewegungstonus und Beachtung der Körpermitte .

32 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
IV. Zerebralparese 1.) Konservative Therapieverfahren VI Weitere Behandlungstechniken: Krankengymnastische Behandlung unter Einbeziehung von Lagerungshilfen Muskeldehnung (Dehnungszeiten von mind. 6h täglich notwendig, um Muskelverkürzung zu vermeiden [nur durch Lagerungsorthetik zu erreichen]) Krafttraining (Vermutung einer Verstärkung der Spastik und der pathologischen Muster durch Kräftigungsübungen widerlegt) Manualtherapie Atlastherapie nach Arlen – definierte Impulse auf Querfortsätze der Halswirbel [der Region wird eine wichtige Funktion bei der Tonusregulation der Muskulatur zugeschrieben], Techniken des myofaszialen Lösens [über somatosensible Afferenzen gegen muskuläre Hypertonie] und chirotherapeutische Mobilisation am Gelenk [mehr Bewegungsspielraum des Gelenkes und Verbesserung der Propriozeption].

33 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
IV. Zerebralparese 1.) Konservative Therapieverfahren VII Weitere Behandlungstechniken: Hippotherapie / therapeutisches Reiten Bewegungsanbahnung, Anregung der Gleichgewichtsreaktionen, Bewegungs- und Körperwahrnehmung, Verbesserung des Haltungstonus Laufbandlokomotion z. B. Lokomat® Ergotherapie Inkl. CIMT (Constrained induced movement therapy), z. B. bei unilateraler CP

34 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
IV. Zerebralparese 2.) Orthopädietechnik Sollte individuell und konkret, funktionsgerecht, präventiv oder „verbessernd korrigierend“ sein, eine Brückenfunktion zur Teilhabe darstellen und haltungkontrollierend für Stehen, Sitzen und Liegen sein, somit funktionsverbessernd, stützend-korrigierend (oder) bettend, tonusmindernd (oder) tonusunterstützend, pflegeerleichternd, transfererleichternd, lagerungermöglichend, schmerzmindernd, auch kosmetisch bessernd

35 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
IV. Zerebralparese 2.) Orthopädietechnik Hilfsmittelversorgung immer Resultat einer Prozesskette: Indikation und Versorgungsziel Wahl und Anpassung des Hilfsmittels Abnahme und Auslieferung mit Überprüfung der Passgenauigkeit, der Funktionalität und des Versorgungziels des Hilfsmittels ggf. Schulung Weiter- und Nachfolgebetreuung

36 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
IV. Zerebralparese 3.) Medikamentöse Therapie Generalisierte Spastizität - 1. Wahl - Baclofen p.o. und intrathekal Diazepam und Lorazepam (Benzodiazepine nicht als Dauermedikation) - 2. Wahl – Tolperison Dantrolen Tizanidin

37 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
IV. Zerebralparese 3.) Medikamentöse Therapie Fokale / multifokale Spastizität Botulinumtoxin Typ A Gezielte und dosisangepasste i.m.-Injektion unter sonographischer Kontrolle Multilevel-Konzept nach Bedarf, ggf. in Narkose Schmerzreduktion Kontrakturprophylaxe Beweglichkeitserhalt Funktionszugewinn Pflegeerleichterung

38 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
V. Andere Bewegungsstörungen Dystonie (dys=miss; tonos=Spannung) Ataxie (taxis=Ordnung) Chorea (choreia=Tanz) als minor ZNS-Kompl. des rheumatischen Fiebers Athetose (athetos=ungeeignet) Myoklonus (klonos=heftige Bewegung) Tremor (Zittern) Tic (Zuckung) Restless Legs-Syndrom (Missempfindung, Bewegungsdrang, Aggravierung bei Ruhe, besser durch Bewegung, akzentuiert abends/nachts; L-Dopa + Decarboxylasehemmer)

39 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
V. Andere Bewegungsstörungen Dystonie abnorme, repetitive Bewegungen oder Haltungen bei unwillkürlichen, anhaltenden oder intermittierenden Muskelkontraktionen generalisiert / segmental / fokal Prävalenz der primär generalisierten Dystonien 3,5-10/ 1. Primäre Dystonien – generalisierte Torsionsdystonie, paroxysmale, nicht kinesiogene und kinesiogene Dyskinesie, Choreoathetose, idiopathisch generalisierte Torsionsdystonie – unauffälliger Beginn an einer unteren Extremität, dann Ausbreitung auf Rumpf und Arme, regelrechte Kognition; <50% Mutationsnachweis DYT1-Lokus paroxysmal auftretende Dystonien – Präzipitation durch plötzliche Bewegungen (kinesiogen – gutes Ansprechen auf Carbamazepin) – spontanes Auftreten (nicht kinesiogen – mäßiges Ansprechen auf Clonazepam) 2. „Dystonie plus“-Syndrome – Dopa-responsive Dystonie, Myoklonus Dystonie (Auswahl)

40 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
V. Andere Bewegungsstörungen Dystonie 3. heredodegenerative Dystonie – (Auswahl) autosomal dom.: Chorea Huntington autosomal rez.: M.Wilson, Ataxia teleangiektasia, Vit. E Mangel, M. Niemann-Pick Typ C/D, Juvenile neuronale Zeroidlipofuszinose, Homocystinämie, Glutazidurie, Methylmalonazidurie, Kreatinmangelsyndrome x-chromosomal: Rett-Syndrom, Pelizaeus-Merzbacher Erkrankung, Lesch-Nyan-Syndrom, mitochondrial

41 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
V. Andere Bewegungsstörungen Dystonie 4. sekundäre Dystonie – (Auswahl) perinatale Hypoxie, Kernikterus, medikamenteninduziert [Carbamazepin, Metoclopramid, Ca-Kanal Blocker, Neuroleptika], Tumoren, infektiöse/parainfektiöse Enzephalopathien, toxisch, endokrinologisch / metabolisch [Hyperthyreose, Syndrome mit chronischer Hyperkalzämie, z.B. Hyperparathyreoidismus] Pathophysiologie: Läsionen oder Fehlfunktionen der striato-pallido-thalamo-kortikalen Regelschleife, Dysfunktionen des Globus pallidum Behandlung: primär generalisierte Dystonien mit L-Dopa, bei Nichtansprechen mit Trihexylphenidyl. Bei heredodegenerativen/sekundären Dystonien Behandlung mit diesen Medikamenten im Sinne eines individuellen Therapieversuches

42 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
V. Andere Bewegungsstörungen Ataxie Gestörtes Zusammenspiel einzelner Muskeln (Dyssynergie) Falsches Abmessen von Zielbewegungen (Dysmetrie) Unfähigkeit zur Durchführung einer raschen Abfolge von Bewegungen (Dysdiadochokinese) Ataxie (nicht progressiv, sofort symptomatisch) - pontocerebelläre Hypoplasien, CDG, Joubert-Syndrom, COACH-Syndrom [Vermis] Ataxie (nicht progressiv, gesamtes Kleinhirn betreffend) – chromosomale Störung , extreme Frühgeburtlichkeit, CMV (kongenital) Ataxie (progressiv, gesamtes Kleinhirn betreffend) – metabolisch, Mitochondriopathie, Pyruvat-Decarboxylase-Mangel, Glutarazidurie Typ I Ataxie (toxisch) Ataxie (langsam progr.) – spinocerebelläre Ataxien, Friedreich Ataxie, Ataxia teleangiectasia

43 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
V. Andere Bewegungsstörungen Myoklonus Physiologisch als Schlaf-Myoklonus Essentiell [ggf. Clonazepam] Myoklonus-Epilepsien Infektiös (SSPE, HSV) Toxisch (Bismuth, Schwermetalle, L-Dopa, Carbamazepin, Trizyklika) Immunologisch/paraneoplastisch (Opsoklonus [irreguläre, erratische Augenbewegungen]-Myoklonus-Syndrom, in 50% der Fälle Nachweis eines Neuroblastoms, DD. postvirale Genese; Ataxie, Hypersalivation, Verlust von Geh- und Lauffähigkeit, Sprechstörungen, schwere Schlafstörungen, vielfältige und massive Verhaltensstörungen – Immunmodulation mit Steroiden und/oder Cyclophosphamid oder Immunglobulinen oder Plasmapherese oder Rituximab (so früh wie möglich)

44 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
VI. Therapieprinzipien der Sozialpädiatrie alltagsrelevant und realistisch therapierbar und erreichbar messbar, d.h. Evaluierbarkeit des therapeutischen Prozesses an den Bedürfnissen des Kindes orientiert auch mit den Eltern abgesprochen Nah- und Fernziele Orientierung am bio-psycho-sozialen Modell funktionaler Gesundheit (ICF) Cave: Interaktion, Rückzug, Verweigerung, Überlastung, familiäre Ressourcen, Krankheitsverarbeitung Ggf. Therapiepausen

45 Motorische Entwicklung und ihre Störungen; Zerebralparese
Literaturhinweise Leitlinien der Gesellschaft für Neuropädiatrie Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie Bobath B., Bobath K., (1977) Die motorische Entwicklung bei Zerebralparesen. Thieme, Stuttgart Vojta V., (1984) Die zerebralen Bewegungsstörungen im Säuglingsalter, 4. Auflage. Enke, Stuttgart Vojta V., Peters A., (1992) Das Vojta-Prinzip. Springer, Berlin Döderlein L., (2007) Infantile Zerebralparese. Steinkopff Verlag Einspieler C. Prechtl H., (2001) Der Vorhersagewert von general movements beim jungen Säugling. In: Heinen F., Bartens W. (Hrsg) Das Kind und die Spastik, Erkenntnisse der evidence based medicine zur Cerebralparese. Hans Huber, Bern Ferrari A., Cioni G., (1998) Infantile Zerebralparese. Spontaner Verlauf und Orientierungshilfen für die Rehabilitation. Springer, Berlin, Heidelberg, New York Korinthenberg R., (2001) Physiotherapie – Darstellung der Evidenz. In: Heinen F., Bartens W. (Hrsg) Das Kind und die Spastik, Erkenntnisse der evidence based medicine zur Cerebralparese. Hans Huber, Bern Krägeloh-Mann I., (2001) Klassifikation, Epidemiologie, Pathogenese und Klinik. In: Heinen F., Bartens W. (Hrsg) Das Kind und die Spastik, Erkenntnisse der evidence based medicine zur Cerebralparese. Hans Huber, Bern

46 Ende des Kapitels


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