Nachhaltigkeit fassbar machen

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 Präsentation transkript:

Nachhaltigkeit fassbar machen Entropiezunahme als Maß für Nachhaltigkeit Diplomatische Akademie Wien 27. 4. 2012 Die Rolle sozialer Systeme bei der Verringerung der Entropiezunahme Josef Hochgerner Zentrum für Soziale Innovation

>> Kulturelle Evolution Gesellschaftliche Entwicklung, Veränderungen und Krisen: Welche Lösungen für soziale Fragen? Evolution Technologien Soziale Innovationen >> Kulturelle Evolution

„Technik allein bringt’s nicht. Ohne soziale Innovationen wird der Klimawandel nicht zu beherrschen sein.“ „Smart Grids, Elektromobile, neue Leichtbaumaterialien: Darin münden die Hightechstrategien der Bundesregierung ebenso wie die Konzepte des »Green New Deal« oder der »ökologischen Industriepolitik« bei den Oppositionsparteien. Doch solche isoliert technologischen Lösungsansätze stoßen zunehmend an Grenzen.“ Uwe Schneidewind (Wuppertal Institut) Quelle: DIE ZEIT, 5. 1.2012 http://www.zeit.de/2012/02/Klimadebatte-Technik/komplettansicht

Definition „Soziale Innovation“ *) „Soziale Innovationen sind neue Praktiken zur Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen, die von den betroffenen sozialen Gruppen angenommen und genutzt werden“ ... in Analogie zu Schumpeter 1912 („neue Kombinationen von Produktivkräften“): »Neue Kombinationen von sozialen Praktiken« *) Zentrum für Soziale Innovation, 2012: „Alle Innovationen sind sozial relevant“ ZSI-Discussion Paper 13, S. 2.

Merkmale sozialer Innovationen Unterscheidung zwischen Idee und Innovation: eine Idee wird erst zu einer Innovation im Prozess der Umsetzung, wenn sie soziale Praktiken verändert und verbessert. Der „4-I Prozess“: Idee (Problemanalyse und Vorstellung einer Lösung) Intervention (Methoden entwickeln/erproben, Akteure aktivieren) Implementierung bzw. Institutionalisierung (Umsetzung, Durchsetzung) Impakt: Wirksamkeit (Akzeptanz, direkte/indirekte Effekte, ‚Reichweite‘) Idee Intervention Implementierung Wirkung

Der Entropiebegriff in den Sozialwissenschaften Seltene Versuche … der direkten Übertragung Energetische Grundlagen der Kulturwissenschaft (W. Ostwald 1909) der Interpretation Entropiezunahme als Informationsverlust (G. Lewis 1930) Indikator für verfügbare/nicht verfügbare Information Funktion von Wissen und Unwissen (Nichtwissen) Verringerung wirtschaftlich verfügbarer Energie (Georgescu-Roegen 1971) der metaphorischen Anwendung Aufruf zu radikalen Problemlösungen im Rahmen einer neu gedachten Weltgesellschaft (Rifkin/Howard 1980) „Wege ins Chaos“, „zunehmende Unordnung“ (z.B. Wöhlcke 2003)

Funktionssysteme der Gesellschaft *) Es gibt nur ein “isoliertes” Sozialsystem … Funktionssysteme der Gesellschaft *) … und ihre wechselseitige Durchdringung auf mehreren Ebenen und über Staatsgrenzen hinweg Recht Kultur Recht Kultur Recht Kultur Politik Wirtschaft Politik Wirtschaft Politik Wirtschaft *) Talcott Parsons, 1976: Zur Theorie der Sozialsysteme. Opladen: Westdt. Verlag … die schwer fassbare “Weltgesellschaft”

“DIE DOMINANZ DER ÖKONOMIE ÜBER DAS SOZIALE” Große Teile der Wirtschaft werden von der Gesellschaft abgekoppelt Anonym agierende Märkte bestimmen gesellschaftliche Verhältnisse –ökonomische Regeln wirken als ‘Sachzwänge’ gegenüber der Gesellschaft. Das „System der Marktwirtschaft“ behandelt die „Gesellschaft als Anhängsel des Marktes.“ S. 88*) Wirtschaft Gesellschaft Frage 2012: ... kann es [soziale] Innovationen geben zur Integration von Wirtschaft und Gesellschaft ? *) Karl Polanyi, 1978 [original: 1944]: The Great Transformation. Politische und ökonomische Ursprünge von Gesellschaften und Wirtschaftssystemen. Frankfurt a.M.: Suhrkamp Gesellschaft Wirtschaft

Finanzialisierung*) mindert verfügbare Resourcen *) Geldgewinne ohne Mehrwert in der Realwirtschaft Cf. T. I. Palley, 2007: Financialisation. What it is and why it matters. www.levyinstitute.org/pubs/wp_525.pdf Geld als Universalie (Kommunikationsmedium) der Wirtschaft**) neutralisiert Verluste verfügbarer Energie (Stoffe, phys. Energie, Humanresourcen … ) schafft „Lieferantensysteme“, aus denen Energie (Information, Wissen) importiert, und in die Entropiezunahme (Verschleiß, Stress, Störungen aller Art) „exportiert“ wird „Entropie-Export“ bedeutet … Wohlstandskonzentration: Wohlstandsinseln vs. Stauregionen Umverteilung von unten nach oben Belastung von Naturreservaten Verpfändung der Zukunft **) Niklas Luhmann, 1988: Die Wirtschaft der Gesellschaft. Frankfurt/M.: Suhrkamp

INNOVATIONEN IM WANDEL DER ZEIT Optimierung des menschlichen Verhaltens und von Sozialsystemen „Schöne neue Arbeits- und Lebenswelt“: Die berühmteste Dampfmaschine: Optimiert durch James Watt, 1776 Optimierung im 21. Jahrhdt. ? Menschen nach Maß:

STRESS IN SOZIALEN SYSTEMEN (1) , PRODUKTIVITÄT STEIGT, ARBEITSLÖHNE STAGNIEREN Index of productivity 1959 until 2005 (USA) (1959=100) Index of hourly compensation of production workers and non-supervisory workers U.S. Data, Source: Economic Policy Institute

STRESS IN SOZIALEN SYSTEMEN (2)

STRESS IN SOZIALEN SYSTEMEN (3) Reichere Gesellschaften erfahren „relativen Wohlstandsverlust“ BIP: Brutto-Inlands-Produkt * ISEW: Index of Sustainable Economic Welfare Quelle: Stockhammer et al. 1995

Änderungsbedarf Erste Phase auf dem Weg zu sozialen Innovationen: Problemdefinition, Problembewusstsein schaffen, mit Idee(n) Perspektiven aufzeigen ... Welche sozialen Teilsysteme vermindern verfügbare „Energie“ (i.w.S.) Zwischen welchen (Teil-)Systemen gibt es größten Austausch im Sinn von Import-Export (welches sind die ‚Lieferantensysteme) Welche Indikatoren (inkl. z.B. für Lebensqualität) können diese Prozesse beschreiben Wer sind die relevanten Stakeholder (sozial differenziert: „Betroffene“, „Machthaber“, „Mediatoren“)

“Überflussmanagement” ABLÖSUNG WIRTSCHAFTLICHER SACHZWANGLOGIK DURCH ZIELE SOZIALER ENTWICKLUNG “Überflussmanagement” Veränderung gesellschaftlicher Prioritäten Bevorzugte Behandlung von Produktions- und Dienstleistungssektoren gegenüber kritischen Teilen der Finanzindustrie Finanzierung für globalen Marshallplan Besteuerung von Finanztransaktionen Verbot von Spekulation auf Lebensmittel Leitprinzip „Energie für alle“ auf Grundlage von erneuerbaren Energiequellen statt Fixierung auf Emissionsreduktion – Vermeidung von ‚lock-in Situationen‘, ‚end-of-pipe-Lösungen‘; s. „The Hartwell Paper“, 2010 : http://www2.lse.ac.uk/researchAndExpertise/units/mackinder/theHartwellPaper/Home.aspx

Univ. Prof. Dr. Josef Hochgerner Zentrum für Soziale Innovation Linke Wienzeile 246 A - 1150 Wien Tel. ++43.1.4950442 Fax. ++43.1.4950442-40 email: hochgerner@zsi.at http://www.zsi.at