Politisches System Schweiz

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 Präsentation transkript:

Politisches System Schweiz Vorlesung am Institut für Öffentliches Recht der Universität Bern Parteien Prof. Dr. Andreas Ladner IDHEAP Lausanne Frühjahrssemester 2009

Grundlagen

Normative Grundannahmen Der Begriff der "Politischen Partei" ist eng mit dem Begriff der "Demokratie" verknüpft. Normative demokratietheoretische Vorstellungen wirken sich auf theoretische Ansätze über Parteien aus.

Wiesendahl (1980) unterscheidet drei Paradigmen in der Parteienforschung: Integrationsparadigma Transmissionsparadigma Konkurrenzparadigma

Integrationsparadigma Ausgangspunkt (normativ): ein an Konsenssicherung und Konfliktvermeidung orientiertes Zielmodell stabiler Demokratie oder systemtheoretisch: Systemüberlebensmodell von Demokratie, welches das Augenmerk auf funktionale Erfordernisse der Bestands- und Funktionssicherung richtet

Konkurrenzparadigma Wird von den Anhängern der ökonomischen Theorie der Politik vertreten (Schumpeter 1950, Downs 1968), unterstellt der Demokratie ein Marktmodell und basiert auf der Vorstellung von einer demokratischen Eliteherrschaft.

Transmissionsparadigma Basisdemokratisches Leitbild politischer Willensbildung Eine Partei artikuliert die Bedürfnisse und Wünsche einer Gruppe von Bürgern und Bürgerinnen und bringt sie unverfälscht in den politischen Entscheidungsprozess ein.

Definitionen von Parteien Zweck der Definition? Reicht Rekurs auf Wahlen? Definition hängt von Parteiparadigma ab

Transmissionsparadigmatische Definition: Gruner (1977) "(...) politische Organisationen, die Anhänger mit ähnlicher Gesinnung oder ähnlichen Interessen in ihren Reihen sammeln, um auf die politische Willensbildung des Volkes Einfluss zu nehmen, sei's bei Wahlen, sei's bei Abstimmungen, sei's in der Mitwirkung bei der Meinungsbildung."

Integrationsparadigmatische Definition: (Burke zit Integrationsparadigmatische Definition: (Burke zit. nach Sartori 1976: 9) "A party is a body of men united, for promoting by their joint endeavours the national interest, upon some particular principle in which they are all agreed."

Konkurrenzparadigmatische Definition: (Max Weber 1972: 167) "Parteien sollen heissen auf (formal) freier Werbung beruhende Vergesellschaftungen mit dem Zweck, ihren Leitern innerhalb eines Verbandes Macht und ihren aktiven Teilnehmern dadurch (ideelle oder materielle) Chancen (der Durchsetzung von sachlichen Zielen oder der Erlangung von persönlichen Vorteilen oder beides) zuzuwenden."

Funktionen von Parteien Unterschiedliche Bezugsrahmen für Bestimmung der Funktionen: Integrationsparadigma: Politisches System Konkurrenzparadigma: Parteiensystem Transmissionsparadigma: Gesellschaftliches Umfeld

Funktionen aus integrations-paradigmatischer Perspektive: Alternativenreduktion (Komplexitäts-reduktion), Mobilisierung von Unterstützung fürs politische System, Prellbock- oder Pufferfunktionen, Integration, Legitimation und Innovation im Dienste der Stabilität

Funktionen aus konkurrenzparadigmatischer Sichtweise Stimmenerwerb Interessenmakelung

Funktionen aus transmissions-paradigmatischer Perspektive Willensbildung, Mobilisierung, Organisation und Vertretung der Interessen.

Funktionen von Parteien Politisch-administratives System (I) Parteien (K) Gesellschaft (T)

2. Die Schweizer Parteien

Aufgabe:   Wie würden Transmissions-, Konkurrenz- und Integrationsparadigmatiker den heutigen Zustand der Schweizer Parteien beurteilen?

Krise der Parteien? Integrationsparadigmatiker: Kleinere Funktionsstörungen! Konkurrenzparadigmatiker: Der freie Wettbewerb spielt wieder besser! Transmissionsparadigmatiker: Der Transmissionsriemen ist gerissen!

Die Herausbildung der Schweizer Parteien Organisationen des wahl- und stimmberechtigten Volkes („Kinder der Volksrechte“) Initiierung: Gruner (1977): Basismobilisierung beim Kampf um direktdemokratische Mitwirkung Jost (1986): Auslöser von oben: aus bereits existierenden nicht-politischen Gesellschaften und den zahlreichen Zirkeln von Notabeln entstanden.

Vier klassische Konfliktlinien für die Schweiz (Fagagnini 1988: 124): der Verfassungskonflikt: liberale gegen konservative Staatsauffassungen; der Staat-Kirche-Konflikt, bei dem nochmals konservative, vor allem katholische Auffassungen im Kulturkampf auf liberale Opposition stiessen; der soziale Konflikt, der ein sozialistisches/sozialdemokratisches und ein bürgerliches Lager ausdifferenzierte; regionale (Stadt-Land) Konflikte, die insbesondere zur selbständigen Vertretung bäuerlicher Interessen führten.

Parteiorganisationen Indizien für die Schwäche der Schweizer Parteiorganisationen geringe Anerkennung durch den Staat (Art. 137 BV, seit 2000) Benachteiligung gegenüber Interessen-gruppen (und Bewegungen); Vernehm-lassungsverfahren, direkte Demokratie Schwache nationale Parteiorganisationen, wenig Ressourcen, kaum professionalisiert, geringe Homogenität

Ursachen der schwachen Schweizer Parteiorganisationen Kleinheit des Landes, soziale und kulturelle Heterogenität erschweren Rekrutierung (Milizsystem) und Integration der Interessen Föderalismus, Gemeindeautonomie, verunmöglichen zentralisierte Organisationen Direkte Demokratie: Parteien haben kein Monopol im Entscheidungsprozess

Parteiorganisationen: Merkmale Gliederung (Zahl der kantonalen und lokalen Sektionen) Mitgliederzahl Finanzielle Ressourcen Professionalisierung (Zahl der Stellen) Ideologische Verortung (Links-Rechts-Skala)

Untergliederung der Parteien Kantonalparteien   Stadtkreis-/Quartierparteien (Zahl der Kantonalparteien mit Angaben) Ortsparteien* Bezirks-/Kreis-parteien regionale Parteien Bundesratsparteien 143 (18) 3951 (80) 490 (50) 62 (12) Nicht-Bundesratsparteien 47 (9) 383 (37) 185 (23) 11 (5) Alle Parteien 190 (27) 4334 (117) 675 (73) 73 (17) Schätzung 200 5000 700 80-90 * Ortsparteien der national organisierten Parteien. Nicht berücksichtigt sind unabhängige lokale Wählergruppen, deren Zahl Ende der 1980er Jahre rund 500 betrug (Geser et al. 1994: 11)

Mitgliederzahlen der Schweizer Parteien

Mitglieder oder Anhänger? Prozentanteil Lokalparteien mit Mitgliederprinzip

Veränderung der Mitglieder in den letzten 10 Jahren (Kantonalparteien 1998)

Mitgliederansturm bei der SVP Die Schweizerische Volkspartei hat seit der Abwahl von Christoph Blocher aus dem Bundesrat fast 10'000 neue Mitglieder erhalten. » weiter

Mitgliederentwicklung1997-2007 Quelle: Gunzinger 2008

Veränderung der Alterstruktur der Parteiaktiven (Anteile 2003 und Veränderung im Vergleich zu 1990)

Finanzielle Ressourcen (1998)    

Durchschnittliche Mitliederbeiträge (in Fr.)

Herkunft der Einnahmen der Kantonalparteien (PRD, PDC, UDC, PS, Verts) (pourcentage)

Interne Finanzierung der Parteien (Prozentanteile)

Interne Einnahmen der nationalen Parteien

Externe Einnahmen der nationalen Parteien

Professionalisierung Vgl. Seminararbeit von Michael Bühler 2006

Ideologische Verortung: Die Kantonalparteien auf der Links-rechts-Achse

Kandidierende Nationalratswahlen: SVP und SP

Kandidierende Nationalratswahlen von FDP, CVP, SP, SVP, GLIP und GPS

Inhaltliche Nähe der Kandidierenden NR-Wahlen 2007 (63 smartvote-Fragen)

Liberale Parteien (CH und D)

Liberale Parteien (Engl., NL, DK)

CVP (CH) und CDU (D)

Union pour une majorité populaire (F)

Grüne (CH, D und OE)

SP und SPD

Labour (Engl.), PS (F) und SAP (S)

SVP, FPOe und Vlaams Belang

Parteiorganisationen im Wandel Herausforderungen Mitglieder – Wählerattraktivität Professionalisierung - Milizprinzip Finanzierung: Fundraising – Staat? Ideologie – Issue-Orientierung „Smartvote“! Wie sieht der Parteityp der Zukunft aus?