Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Modellierung intraspezifischer Konkurrenz
Advertisements

Christian Scheideler SS 2009
Spieltheorie Analyse und Umsetzung in Java
Vom graphischen Differenzieren
Prof. Dr. W. Conen 15. November 2004
D. ZAMANTILI NAYIR – 8. SEMESTER
Reihe: So hat alles begonnen… (Teil 5/7)
Gott beeinträchtigt unsere Freiheit
Die wichtigste Frage des Lebens!
Gott schuf weder die Welt noch den Menschen
Gott wird antworten! Lukas-Evangelium 18,1-8.
Ich habe nie gelernt, Aufgaben zu lösen
Ringvorlesung Universität zu Köln
Altruismus und prosoziales Verhalten
VI. Die Sozialethik des Capabilities approach
Unsere Werte: - großzügig weitergeben - Jesus folgen - offen für Veränderung - missionarisch leben - Gottes Geist erleben - Anbetung Gottes - echte.
Bibelarbeit 1.Korinther 9,
Entwicklung von Simulationsmodellen
+++ Abholzungsrate am Amazonas angestiegen +++
F FnFn z 9. Operational Targets Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau SS 2012.
Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau WS 2010/11 Mittwoch, Beitrag zur Ringvorlesung im Bachelor Governance – eine interdisziplinäre.

1 i Y IS LM Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau WS 2006/07 Z + - Monetäre Außenwirtschaft 9. Zur Gültigkeit der Zinsparität.
12. Zur Bildung von Zyklen Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff
i IS LM + Z - Y Monetäre Außenwirtschaft
F FnFn z Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau SS a. Anhang zur Bestimmung der optimalen Taylor-Regel.
Makroökonomik WS 2011/2012, Prof. Dr. J. Graf Lambsdorff Folie 337 Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau WS 2011/12 f(k) k y, s. y s. f(k)
Was ist eigentlich Psychologie????
Theodizee-Problem – die atheistische Anfrage
Fragen können wie Küsse schmecken
Einführung zur «Reflection in Action» in den Handlungssequenzen
Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen!?
Wort des Lebens November 2009.
Moin. Ich benutze PPT 2002 und möchte drei Bilder nacheinander 1
Wort des Lebens September 2010.
Gymnasium Interlaken, August 2008
THE NEUROPHYSIOLOGY OF IMITATION AND INTERSUBJECTIVITY
Spieltheorie O. Morgenstern J. von Neumann
Projektvortrag von Andreas Hapek
10.1 Recherche: Lernenden-Ebene
Und auch: Das Hattie-Quiz
Gleichungen und Gleichungssysteme
Umgang mit Konflikten Mag. Weber Adrian.
Spieltheorie Mária Némethy.
3. Aggression im Sport.
...und alle heißen Leo Der täuschende Zuruf. Hab ihn! Lass ihn! LEO!
Anregung für die Gestaltung von differenzierten Aufgabenstellung
Freiheit - Freedom -.
Word des Lebens Mai 2010.
MODAL-PARTIKELN.
Jahreslosung 2013: „Werdet stark im Herrn und in der Macht seiner Stärke!“
Sind Sie intelligent ? Diese Frage ist wichtig (da man ja denkt, dass man intelligenter ist als der Idiot von einem Nachbarn) Hier nun vier Fragen, die.
PPS Das weise Buch Lassen Sie sich inspirieren! Franziska
ENDLICHE KÖRPER RSA – VERFAHREN.
Friedensstifter Von König David lernen!.
Arne Vater Wintersemester 2006/ Vorlesung
Management, Führung & Kommunikation
Schnittpunkt von zwei Geraden
Der Heilige Geist wohnt und wirkt in dir …
Vom graphischen Differenzieren
Kann Politik ehrlich sein? D‘ Sunne schiint für alli Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.
erfolgreich gestalten und gewinnen
Markus Affolter Professor für Entwicklungsbiologie Biozentrum Universität Basel.
Page 1 Umweltschutz fängt schon bei dir an! Von Arina Dowgaljuk Klasse 9b Lyzeum № 7 Leiterin Stschaewa N.A.
Motivation (2) Von der Motivation zum Verhalten Prof. Dr. Ralph Viehhauser.
German “ da - compounds ” Provided by deutschdrang. com for individual and classroom use only. May not be reproduced for any other purposes.
Verhandlungstechnik und alternative Streiterledigung, FS 2012 Dr. iur. Peter Liatowitsch Büttel Deborah, Giacometti Lorette, Herzog Julian, Hochstrasser.
Folie 1 Kulturelle Vielfalt: eine ethische Reflexion Peter Schaber (Universität Zürich)
Vorlesung im Rahmen des Deutsch-Französischen Dozenten-Austauschprogramms „Minerve“ Dr. Matthias Hanauske Institut für Wirtschaftsinformatik Goethe-Universität.
 Präsentation transkript:

Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau WS 2012/13 Mittwoch, 9.1.2013 Beitrag zur Ringvorlesung im Bachelor Governance – eine interdisziplinäre Einführung "Zur Evolution von Eigentum und Staatlichkeit - eine volkswirtschaftliche Sichtweise"

Fortgeschrittene Literatur Stearns, Stephen (2009), “Principles of Evolution, Ecology and Behavior: Lecture 33” http://www.youtube.com/watch?v=aP25rlgwD54 Fortgeschrittene Literatur Maynard-Smith, John (1982). Evolution and the Theory of Games, Cambridge: Cambridge University Press. Gintis, Herbert (2007), “The Evolution of Private Property,” Journal of Economic Behavior and Organization.

Seit Jahrhunderten versuchen Menschen, die Natur zu beherrschen und sich dienstbar zu machen. Sie analysieren die, teilweise sehr komplexen, Regelsysteme der Physik, Chemie bis hin zur Meteorologie, um hieraus verwertbares Wissen zu generieren. Die Biologie und die Sozialwissenschaften unterscheiden sich hiervon: Menschen entwickeln dort Strategien nicht nur gegen die Natur, sondern gegen andere Lebewesen. Andere Lebewesen können sich dynamisch entwickeln oder bewusst ihre Strategie gegen die eigene setzen.

Die beste Strategiewahl hängt davon ab, welche Strategie der Gegner wählt. Um diese wechselseitige Dynamik zu verstehen ist die Spieltheorie entwickelt worden. In der evolutionären Spieltheorie wird insbesondere untersucht, welche biologischen Varianten von Arten (einer Spezies wie z.B. Löwen oder Vögel) sich durchsetzen. Bezüglich menschlichem Verhalten wird der Frage nachgegangen, welche Strategiewahl sich durchsetzt.

Eine zentrale Frage ist: Können sich Alternativen (biologische Varianten oder menschliche Strategien) durchsetzen? Falls ja, liegt keine evolutionär stabile Strategie (ESS) vor. Eine ESS ist eine Strategie, gegen die sich andere Strategien nicht durchsetzen können. Wir sprechen hierbei auch von einem Nash-Gleichgewicht. Damit meinen wir, dass jeder Spieler die beste Strategie auswählt unter der Annahme, dass andere auch eine beste Strategie wählen. Beispiel: Das Hawk-Dove-Spiel, auch bekannt als Chicken-Game (Chicken engl. für Angsthase).

Das Hawk-Dove-Spiel Zwei Tiere sind in Konkurrenz um eine Ressource mit Wert V. Wir nehmen an V=2. Jedes Tier kann zwei Strategien verfolgen. Hawk (Falke): Streit eskalieren lassen und Gegner attackieren bis einer verletzt ist oder aufgibt. Dove (Taube): Posieren, Aufgeben falls Gegner Streit eskalieren lässt. Bei gleichem Verhalten erhält jeder die Beute mit 50% Wahrscheinlichkeit. Bei zwei Hawks verletzt sich jeder mit 50% Wahrscheinlichkeit im Ausmaß C=4.

Auszahlungsmatrix im Hawk-Dove-Spiel Ertrag Tier 2 Tier 1 Hawk Dove ½ (V-C) V ½.V An Tafel vorrechnen für V=2 und C=4!

Hawk-Dove-Spiel mit konkreten Werten Ertrag Tier 2 Tier 1 Hawk Dove -1 2 1 Jetzt spielen lassen, einmal mit linkem, einmal mit rechtem Nachbar! Abfrage: Wie oft Dove/DH/Hawk gespielt? Wie viele Punkte gesammelt -2-1-0+1+2 an Tafel eintragen!

http://www.youtube.com/watch?v=t46LXbnKS9Y als Alternative!

Wird eine ESS von allen Mitgliedern der Art verfolgt, so kann sich keine andere Strategie hiergegen durchsetzen. Dove ist keine ESS. Spielen alle Dove so erzielt ein Hawk eine höhere Auszahlung. In der Biologie wird er eine höhere Reproduktionschance erhalten. Bei menschlichem Verhalten wird die Strategie bewusst bevorzugt werden. Hawk is auch keine ESS. Ein Dove kommt mit einer Auszahlung von 0 besser weg.

Es wird sich eine gemischte Strategie (bzw. Population) durchsetzen Es wird sich eine gemischte Strategie (bzw. Population) durchsetzen. Aber mit welcher Wahrscheinlichkeit (Anteil an der Population) für Hawks, h? Der Ertrag aus einem Verhalten als Hawk ist -1*h+2*(1-h)=2-3*h. Der Ertrag aus einem Verhalten als Dove beträgt: 0+1*(1-h)=1-h. Diese beiden Auszahlungen müssen im ESS gleich sein, sonst würde sich der Anteil h ändern: 2-3*h=1-h  h=0.5.

Biologisch könnte die Population aus gleich vielen Hawks und Doves bestehen. Beide Verhaltensweisen führen dann zur gleichen Auszahlung. Dies bewirkt, dass ein Nachkomme keinen Vorteil daraus zieht, als Hawk oder Dove geboren zu werden. Menschen werden bewusst Hawk und Dove mit der gleichen Wahrscheinlichkeit wählen. Eine Entscheidung für eine höhere Gewichtung einer Strategie führt zu keiner höheren Auszahlung.

Stellen wir uns nun aber besonders grausame Hawks vor mit C=-10 Stellen wir uns nun aber besonders grausame Hawks vor mit C=-10. Wie wirkt sich dies auf den Anteil an Hawks aus? Der Ertrag aus einem Verhalten als Hawk ist nun -4*h+2*(1-h)=2-6*h. Die Auszahlung gegenüber Dove muss erneut gleich sein, denn sonst würde sich der Anteil h ändern, es folgt: 2-6*h=(1-h)  h=0.2. Ein grausamer Herrscher, denken wir an Iwan IV., den Schrecklichen (1530-1584), kann ein Herrschaftsmonopol einnehmen, er ist dann der einzige Hawk (h ist sehr klein). Aber selbst bei einem sehr kleinen h könnte ein zweiter Hawk geboren werden, der einen grausamen Kampf initiiert.

Das Hawk-Dove-Bourgeois-Spiel Es könnte nun eine weitere Verhaltensweise erwogen werden: der Bourgeois. Er entscheidet sich situationsspezifisch und beachtet für alle sichtbare Signale. Er beobachtet z.B., wer als erster bei der Beute war oder in wessen Territorium er sich bewegt. So könnte er in Abhängigkeit dieses Signals nach folgender Strategie handeln: Befindet er sich in seinem eigenen Territorium, so verhält er sich als Hawk. Außerhalb des eigenen Territoriums verhält er sich als Dove.

Auszahlungsmatrix im Hawk-Dove-Bourgeois Spiel Ertrag Tier 2 (Rivale) Tier 1 (Besitzer) Hawk Dove Bour-geois -1 2 1 Bourgeois Ausgangsfrage: Angenommen wir hätten nur bourgeois! Könnte sich ein Hawk oder ein Dove durchsetzen? Auf eigenem Territorium dem Hawk gleichgestellt Auf fremdem Territorium besser als Hawk! -> Hawk kann sich nicht durchsetzen! Auf fremdem Territorium dem Dove gleichgestellt Auf eigenem Territorium besser als Dove! -> Dove kann sich nicht durchsetzen!

Der Vorteil des Bourgeois besteht darin, dass er mit anderen Bourgeois Kämpfe vermeidet. Unterstellen wir eine 100-prozentige Population von Bourgeois. Wir können dann zeigen, dass dies eine (evtl. nicht die einzige) ESS ist. Ein Hawk kann sich dort nicht durchsetzen. In seinem eigenen Territorium verhält er sich identisch zu einem Bourgeois und erzielt keinen Vorteil. Auf fremdem Territorium wird er von anderen Verletzungen beziehen und schlechter abschneiden als der Bourgeois. Die Doves schneiden auf fremdem Territorium genau so ab, wie die Bourgeois. Aber sie verteidigen nicht ihr eigenes Territorium und müssen dort ihre Beute mit dem Bourgeois teilen. Ein einzelner Dove schneidet also schlechter ab.

Takehome points Eigentum wird zumeist verstanden als soziale Norm, als Ergebnis bewusster Gestaltung menschlicher Interaktion, z.B. durch Gesetze. Aber es gibt natürliche Selektionsprozesse, welche die Herausbildung einer Norm des Eigentums mit sich bringen können (100% Bourgeois kann ein ESS sein). Notwendig für solche Prozesse sind öffentlich erkennbare Signale (z.B. Territorium). Solche Signale helfen Populationen von Akteuren, ihre Handlungen zu koordinieren, um damit Konflikte zu vermeiden (die Bourgeois verletzten sich nicht gegenseitig).

Was hat das mit unserem Modell zu tun? Die FTD berichtet am 13.08.2007: „...Dänemark schickte in der Nacht zum Sonntag von Norwegen aus ein Forschungsschiff zum Nordpol ... 45 Wissenschaftler aus Dänemark und Schweden sollen in den kommenden vier Wochen mit seismografischen Messungen Belege für die Kopenhagener Auffassung suchen, dass der Kontinentalsockel am Pol mit der zu dem skandinavischen Land gehörenden halbautonomen Insel Grönland verbunden ist. Zur Bekräftigung der Moskauer Besitzansprüche begannen dagegen russische Forscher mit der Untersuchung des Lomonossow-Gebirges im Nordpolarmeer. Das berichtete die Agentur Itar-Tass gestern aus Murmansk. Die Wissenschaftler hätten eine Unterwassersonde mit Videokameras abgesenkt, um den Grund zu erforschen. Russland will beweisen, dass das Unterwassergebirge mit dem russischen Festlandsockel verbunden ist.“ Was hat das mit unserem Modell zu tun?

Mancur Olson (1993: American Political Science Review: 568) schreibt: „ In the 1920s, China was in large part under the control of various warlords. They were men who led some armed band with which they conquered some territory and who then appointed themselves lords of that territory. They taxed the population heavily and pocketed much of the proceeds. The warlord Feng Yu-hsiang was noted for the exceptional extent to which he used his army for suppressing bandits and for his defeat of the relatively substantial army of the roving bandit, White Wolf. Apparently most people in Feng's domain found him much preferable to the roving bandits. “ Was hat das mit unserem Modell zu tun?

Anhang 1: Beispielhafte Klausur

Lösung:

Anhang 2: Klausur WS 2010/11

Lösung:

Anhang 3: Klausur WS 2011/12

Lösung: