Die Vielfalt unserer Lebenswelten oder: Ergebnisse der Milieuforschung

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 Präsentation transkript:

Die Vielfalt unserer Lebenswelten oder: Ergebnisse der Milieuforschung Pfarrer Rolf-Michael Turek Klinikseelsorger an den Universitätskliniken Leipzig www.humorakademie.de

Schichtenmodell einer übersichtlich hierarchisierten Gesellschaft (klassische soziologische Beschreibung ) soziale Lage, materielle Verhältnisse, Herkunft, Bildung Quantitative Verteilung

Milieus nach Gerhard Schulze, Erlebnisgesellschaft 2005 Bildung 12 Abitur und Universität Selbst- verwirk- lichungs- milieu Niveau- 12 11 Abitur und Fachhochschule / Lehre 11 10 Abitur ohne Zusatzausbildung 10 9 Fachabitur und Fachhochschule 9 8 Fachabitur und Lehre 8 7 Fachabitur und berufsbildende Schule Integrations- 7 6 Mittlere Reife und Lehre Unter- haltungs- 6 5 Mittlere Reife ohne Zusatzausbildung 5 4 Hauptschulabschluss und berufsbildende Schule Harmonie- 4 3 qualifizierter Hauptschulabschluss und Lehre 3 2 Einfacher Hauptschulabschluss und Lehre 2 1 Hauptschule ohne Lehre / ohne Abschluss 1 Alter 20 30 40 50 60 70

Milieus nach Gerhard Schulze, Erlebnisgesellschaft 2005

www.sigma-online.com/de/Home/

Der statusorientierte moderne Mainstream: Streben nach beruflicher und sozialer Etablierung, nach gesicherten und harmonischen Verhältnissen

Das aufgeklärte Nach-68er-Milieu: Liberale Grundhaltung, postmaterielle Werte und intellektuelle Interessen

Die junge, unkonventionelle Leistungselite: intensives Leben – beruflich und privat, Multi-Optionalität, Flexibilität und Multimedia-Begeisterung

Das alte deutsche Bildungsbürgertum: konservative Kulturkritik, humanistisch geprägte Pflichtauffassung und gepflegte Umgangsformen

Die Sicherheit und Ordnung liebende Kriegsgeneration: verwurzelt in der kleinbürgerlichen Welt bzw. in der traditionellen Arbeiterkultur

Die resignierten Wende-Verlierer: Festhalten an preußischen Tugenden und altsozialistischen Vorstellungen von Gerechtigkeit und Solidarität

Das selbstbewusste Establishment: Erfolgs-Ethik, Machbarkeitsdenken und ausgeprägte Exklusivitätsansprüche

Die stark materialistisch geprägte Unterschicht: Anschluss halten an die Konsum-Standards der breiten Mitte als Kompensationsversuch sozialer Benachteiligungen

Die Spaßorientierte moderne Unterschicht/ untere Mittelschicht: Verweigerung von Konventionen und Verhaltenserwartungen der Leistungsgesellschaft

Die extrem individualistische neue Bohème: Ungehinderte Spontaneität, Leben in Widersprüchen, Selbstverständnis als Lifestyle-Avantgarde

Die Sinus-Milieus 2010

Microm-Geo-Milieu ® Typische Häuser

Microm-Geo-Milieu ® Typische Wohnzimmer

Traditionelles Arbeitermilieu (4,9% - 3,4 Mio.) Industriegesellschaftlich geprägtes Arbeitermilieu, teilweise noch mit starker gewerkschaftlicher Bindung. Häufig sozial und politisch autoritär eingestellt (Verteidigung des Erreichten). Mitgliedschaft im Arbeitersport- oder Taubenzüchterverein, selbstverständlich in der Gewerkschaft, der beschaulich-geregelte Feierabend in zahllosen Vereinsgaststätten, Schrebergärten und Laubenkolonien am Rande der großen Industriequartiere - die Welt des Traditionellen Arbeitermilieus, ein Jahrhundert lang festgefügt, löst sich allmählich auf – wie die Industriegesellschaft, die sie hervorbrachte. Wichtig: materielle und soziale Sicherheit, Solidar- und Gemeinschaftswerte, bescheidener Wohlstand

Konsum-materialistisches Milieu (10,5% - 7,3 Mio.) Milieu der wirtschaftlich und sozial Randständigen mit geringen Chancen am Arbeitsmarkt nachindustrieller Gesellschaften: alte wie auch neue Armut. Dem Zauber der Schönen, Reichen und Berühmten der Regenbogenpresse, die man hier besonders schätzt, steht das zumeist von materiellen Sorgen geprägte Alltagsleben des konsum-materialistischen Milieus gegenüber. Es ist mit rund 11% der Wohnbevölkerung 16+ eines der zahlenmäßig stärksten Milieus in Deutschland, das durch die gesamtwirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre zudem an Bedeutung gewonnen hat. Wichtig: sozial und wirtschaftlich den Anschluß an den gesellschaftlichen Mainstream nicht verlieren, Geld und Konsum

Hedonistisches Milieu (9,9% - 6,8 Mio.) Jugendkulturelles, ausgesprochen konsum-hedonistisch eingestelltes Milieu mit unkonventionellen Lebensformen. Eskapismus und Stilprotest als Wege zur Identität. Nährboden neuer Moden und Geschmackskulturen. Freiheit, Ungebundenheit und Spontaneität (sich von niemandem etwas vorschreiben lassen) sind zentrale Werte dieses Milieus. Normen, Konventionen und Verhaltenserwartungen der Gesellschaft (Eltern, Lehrer, Ausbilder, Chefs) werden - teilweise aggressiv - zurückgewiesen. Die ständige Suche nach Kommunikation, Abwechslung und Unterhaltung prägt die Freizeit- und Konsumansprüche. Man möchte das Leben genießen, intensiv leben, aus den Zwängen des Alltags ausbrechen. Wichtig: Coolness, "Fun and Action", Abwechslung, starke Reize

Traditionelles bürgerliches Milieu (12,3% - 8,5 Mio.) Milieu, das an traditionellen Werten, Moralvorstellungen, sozialen Regeln und Konventionen festhält. Zusammen mit dem Traditionellen Arbeitermilieu bildete das Traditionelle bürgerliche Milieu über Jahrzehnte gleichsam den natürlichen Mittelpunkt der deutschen Gesellschaft. Heute hat es diese Rolle längst an modernere Milieus abgetreten. Mit rund 13% der deutschen Wohnbevölkerung 16+ stellt diese Lebenswelt aber nach wie vor eine wichtige - finanziell nicht selten gutsituierte - Zielgruppe im Markt dar. Wichtig: geordnete finanzielle und familiäre Verhältnisse, Sicherheit, angemessener (bürgerlicher) Lebensstandard

Aufstiegsorientiertes Milieu (17,1% - 11,8 Mio.) "New Money": Erreichen des Lebensstandards "gehobener Schichten" als Maßstab für Erfolg. Das Erreichte stellt man gerne zur Schau (nicht selten auch über den limits des eigenen Geldbeutels). Ob Joop, Ebel, Gucci, Mercedes-Benz oder BMW: Die Welt der Aufstiegsorientierten ist die Welt renommierter Marken, Edel-Konsum ein natürlicher Bestandteil ihrer Alltagswelt. Beruflicher Erfolg steht auf ihrer Werteskala ganz oben, ist aber kein Selbstzweck, sondern ermöglicht einen aufwändigen Lebensstil mit Fernreisen und Nobelsportarten, Luxusartikeln und Designermöbeln. Aus Marketingsicht gehören die Aufstiegsorientierten zu den interessantesten Zielgruppen für Premium-Marken. In Deutschland gehören über 10 Mio. Menschen zu diesem konsumfreudigen und vielfach besonders kaufkräftigen Milieu. Wichtig: Prestige, Zugehörigkeit zu den "Reichen und Schönen", Luxuskonsum

Modernes bürgerliches Milieu (11,9% - 8,2 Mio.) Harmonieorientiertes Milieu, man strebt ein ausgeglichenes, angenehmes und behütetes Leben an, ohne Risiken und Extreme, hoher Stellenwert von sozialen Beziehungen. In dieser Lebenswelt schlägt heute das Herz Deutschlands. Bodenständig, häuslich und modern zugleich, bilden sie den etwas konventionelleren Flügel des Modernen Mainstream. Thema Nummer Eins: Familie und Kinder – darum kreist das Leben und Denken dieses Milieus ganz entscheidend. Wichtig: Lebensqualität, Sicherheit, materielles wie auch emotionales Wohlergehen, die soziale Mitte als selbstverständlicher Platz in der Gesellschaft.

Modernes Arbeitnehmermilieu (9,2% - 6,3 Mio.) Vielfach jüngere Facharbeiter, white- und no-collars in "neuen" Branchen (moderne Dienstleistungen). Aufgeschlossen für Neues (Erfahrungen, Erlebnisse, Lebensweisen, Konsum). Jung, flexibel, ambitioniert, konsumfreudig, so zeigen sich die meisten Angehörigen dieses, für das Lifestyle-Verständnis im modernen Mainstream so wichtigen Milieus. Aber Vorsicht! Kaum ein Milieu ist so wenig markentreu wie das Moderne Arbeitnehmermilieu. Wichtig: Lebensfreude (Ausgleich zwischen Arbeit, Freizeit und Familie), soziale Kontakte, individualisierter Konsum

Etabliertes Milieu (9,1% - 6,3 Mio.) Konservatives Elitemilieu mit traditioneller Lebensführung. Selbstverständnis als Führungsschicht und Leistungsträger-Bewusstsein. Die Angehörigen des Etablierten Milieus sehen sich häufig als Wahrer kultureller und moralischer Werte und Traditionen. Ihr häufig hoher sozialer Status wie auch ihr Selbstverständnis als wirtschaftliche und gesellschaftliche Elite kulminiert in einem gleichsam "natürlichen" gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Führungsanspruch. Wichtig: distinguierter Lebensstil, gute Umgangsformen, Understatement und Diskretion

Liberal-Intellektuelles Milieu (8,2% - 5,7 Mio.) Liberales Bildungsbürgertum und moderne Funktionseliten mit postmaterialistischer Orientierung. Hoher Stellenwert von Selbstverwirklichung und Ich-Identität in Beruf und Freizeit. Ablehnung von Äußerlichkeitswerten (man schätzt aber das Edle, Echte, Auserlesene). Gediegene Altbauwohnung, gepflegter Lebensstil - und zu Jahresende eine Spende für amnesty international. Liberal-Intellektuelle schätzen sinnstiftenden Genuß auf hohem Niveau und politisches Engagement gleichermaßen. Wichtig: Verantwortungsbewußter Umgang mit sich und der Welt, soziale Gerechtigkeit, ökologische und politische Korrektheit.

Postmodernes Milieu (6,9% - 4,8 Mio.) Junges, formal zumeist hochgebildetes Avantgarde-Milieu mit Schwerpunkt in den Metropolen. Lebensstil-Trendsetter mit radikal subjektivistischer Lebensphilosophie: Der Einzelne als "Ingenieur" seines persönlichen Universums. Sie sind selbstbewußte Lifestyle-Architekten, die sich ohne Bauanleitung aus ihrem individuellen "construction kit" einen Lebensstil nach ihrem persönlichen Maß schneidern. Hier wird die (postmoderne) Freiheit des "anything goes" gepflegt (ausgenommen: der "Durchschnittsgeschmack"), die traditioneller gestimmten Menschen manchmal den Angstschweiß auf die Stirn treibt. Wichtig: Identität von Ich und Außenwelt (z. B. Marken, Produkte), Toleranz von Widersprüchen, multiple Identitäten

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 35

Aber nun lasst uns darüber reden! 36