Prävention durch frühe Förderung

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Dr. Peter Dobmeier Lech-Mangfall-Kliniken gGmbH
Advertisements

Probleme der heutigen Jugendlichen.
Herausforderungen und Perspektiven in der ambulanten pflegerischen
Sozialpädagogische Einzelfallhilfe
Vorschläge für BSc.-/MSc. - Arbeiten
in der Abteilung Sonderpädagogische Psychologie
Kindeswohlsicherung in den Einrichtungen für Mütter/ Väter und ihre Kinder in Lotte   Zielgruppe: Eltern mit psychischen Erkrankungen.
14. Österreichische Gesundheitsförderungskonferenz
Kosten und Konsequenzen der Emotionsregulation
Kompetenzfeld Tod und Trauer
"Der Mensch ist das einzige Geschöpf, das erzogen werden muss" – Über (schulische) Erziehung Referenten: Björn Anton: Andy Caspar Michael.
Evelyn Naucke Jessica Vogts
Unzureichende Wahrnehmung / Diagnostik
Von Ina Wulfkuhle, Katja Liebmann und Björn Kaiser
Weibliche Armutsentwicklung in Magdeburg Auswertung der Anhörungen im März und Mai Stand der aktuellen Umsetzung Heike Ponitka, , Politischer.
Neujahresempfang für Tagespflegepersonen 21. Januar 2011 Herzlich Willkommen! e in gemeinsames Angebot von und.
Entstehung von Süchten und Drogenmissbrauch durch Modell-Lernen
Verhaltensprävention: Was kann sie leisten?
Ein guter Start ins Leben
Armutskonferenz 7. Juni Waldau Theater Präsentation der Workshop-Ergebnisse Workshop 4: Armut und Bildung.
Armutskonferenz 7. Juni Waldau Theater Präsentation der Workshop-Ergebnisse Workshop 7: Armut und Gesundheit.
Frühe Hilfen für Kinder als (Mit-)Betroffene häuslicher Gewalt
Aufbruch zu neuen Ufern? Wie sieht die Zukunft der Frauenhausarbeit aus? 7. Fachforum Frauenhausarbeit vom Dezember 2008 in Erker / Berlin.
Phänomen und Pädagogische Projekte
Mo.Ki Monheim für Kinder Prävention von Armutsfolgen bei Kindern und Familien Annette Berg, Stadt Monheim am Rhein.
Isarnho Jarnwith in Kooperation mit der AWO Gettorf
Hamburg Club Ortsgespräch 16. April 2009 Hotel Ambassador Senator Dietrich Wersich stellt die Arbeit der Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und.
Resilienz die innere Kraft zu gedeihen.
Strategien gegen Rechtsextremismus Strategien gegen Rechtsextremismus - Tutzing, 2. Dezember 2006 Bertelsmann Stiftung / Centrum für angewandte Politikforschung.
Aus dem Blickwinkel niederschwelliger Suchthilfe
Stuktur der DBT-PTSD.
Families & Schools Together Beziehungen stärken für die Zukunft.
Fachbereich SIS ( Sozialarbeit in Schulen )
„Weil sie es uns wert sind!“
SAFE © SICHERE AUSBILDUNG FÜR ELTERN Ein Trainingsprogramm zur Förderung einer sicheren Bindung zwischen Eltern und Kind Ein Praxisbeispiel aus.
Ein Leben im Gleichgewicht
Trauma und Bindung Auswirkungen erlebter Traumatisierung
Kinder-und jugendpsychiatrische Aspekte der Kindesmißhandlung
Sozialgespräche 2010 Impulse von Prof. G. Tappeiner Meran,
Pädagogischer Tag Dr. med. Ute Tolks-Brandau
Fachbereich Kinder- und Jugendhilfe Flexible Ambulante Hilfen „Familien Leben“ FöBi.
Streetwork Beziehungsarbeit Akzeptierende Jugendarbeit Gruppen- oder Szenearbeit EinzelfallhilfeVermittlung Hilfe bei der Lebensbewältigung Erlebnisorientierte.
Dr. Remi Stork Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe e.V.
Lions-Quest „Erwachsen werden“
Familienpolitische Leistungen
Caritasverband für Stadt und Landkreis
Schadensminderung im Justizvollzug Zusatzmodul: Ausländische Gefangene
Home BAS – JugendhilfeHome Home BAS – JugendhilfeHome Betreutes Wohnen für Kinder, Jugendliche und junge Eltern Betreutes Wohnen für Kinder, Jugendliche.
Lernbehinderung 1.Ursachen, 2.Definition: Rafael
Hausbesuchsprogramm für Eltern mit Kindern von 3 bis 7 Jahren
Fachdienst Jugend und Familie
Strukturen und Arbeitsweisen des Amtes für Jugend und Familie des Landkreises Würzburg H. Gabel, Sozialamtsrat Leiter 10/08 1.
Frühe Hilfen für Familien in Bad Segeberg
„Irgendetwas stimmt da nicht...“
Heutige Jugendliche Wie sind sie?.
Familiengesundheitspflege aus Sicht der Caritas – Chancen und Herausforderungen Vortrag anlässlich des Absolvent/innentreffens Familiengesundheitspflege.
110. Dt. Ärztetag, , Münster Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin e. V. Prof. Dr. med. Dr. h. c. Dietrich Niethammer, Generalsekretär.
Generation heute und früher
Zentrum für Kinder-, Jugend- und Familienhilfe
Der rechtliche Rahmen für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf
Gesundheitliche Folgen von h ä uslicher Gewalt. Was interessiert wen? Beispiel ÄrztInnen  22% aller Frauen erleiden im Laufe ihres Lebens Gewalt in einer.
Soziale Arbeit in Polen – Organisation und Finanzierung, Chancen und Herausforderungen Prof. Dr. Piotr Błędowski Warsaw School of Economics (SGH) Institute.
Soziologie der Familie Klaus Feldmann. Geschichte der Familie 1 bis 17./18. Jh. „Ganzes Haus“, Hausgemeinschaft, agrarische Gesellschaft, Patriarchat.
DIE VERGESSENE MEHRHEIT Die besondere Situation von Angehörigen Alkoholabhängiger H. Zingerle, S. Gutweniger Bad Bachgart – Therapiezentrum zur Behandlung.
Arbeitsgruppe Kindesschutz Ein Kooperationsprojekt des Kinderkrankenhauses auf der Bult der Medizinischen Hochschule der niedergelassnen Kinderärzte der.
Fachbereich Familie, Jugend & Soziales Nietzel/ Grigoleit Niedersächsische Kooperations- und Bildungsprojekte.
Zentrum für Kinder-, Jugend- und Familienhilfe Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche Statistik 2015.
Prof. Dr. Christian Palentien, Universität Bremen Jugend heute - jung sein in schwieriger Zeit Veränderungen der Lebensbedingungen Jugendlicher.
Gleichstark e.V. - Projekt Männerhaus-Harz
Prof. Dr. med. Hans G. Schlack, Bonn
 Präsentation transkript:

Prävention durch frühe Förderung Sinnvolle Begleitung oder gefährliche Einmischung? Dr. T. Jungmann & Dipl. päd. S. Hartmann KFN-Vortragsreihe „Kriminalität und Gesellschaft“

Risikokindheit in Deutschland Teenagerschwangerschaften Alkohol Kriminalität Missbrauch Armut Rauchen - In Deutschland lebt jedes 10. Kind in relativer Armut ( 1,5 Mill. Kinder und Jugendliche < 18 Jahren). Zum Vergleich: in Dänemark lebt nur jedes 2. Kind in Armut, in Schweden jedes 4. Kind. - Stärkerer Anstieg der relativen Kinderarmut seit 1990 in Deutschland (2,7 Prozentpunkte  Platz 18 von 24 Industrienationen.) - Haushalt mit alleinerziehenden Eltern: 40% der Kind lebt in relativer, längerfristiger Armut. Zum Vergleich: Würden diese Kinder in Schweden leben, wären nur 19% von ihnen arm und das kurzfristiger. Könnten sich Kinder ihr Geburtsland aussuchen, Deutschland wäre vermutlich nicht ihre 1. Wahl! [Drei Schlüsselfaktoren – Sozialpolitik, soziale Trends und Arbeitsmarkt – bestimmen maßgeblich, wie viele Kinder in einem reichen Land von relativer Armut betroffen sind.] - Arme Kinder sind kränker, weil oft auch ihre eigenen Eltern nicht besonders gesund leben: aktives und passives Rauchen besonders während der Schwangerschaft, Alkohol- und Drogenkonsum können zu schweren Schädigungen des Kindes schon im Mutterleib führen. - Arme Kinder erleben häufiger häusliche Gewalt und soziale Isolation als andere Kinder. Jugendliche, die in Armut leben, werden häufiger ungewollt schwanger. Laut UNICEF sind es weltweit 15 Millionen Teenagerschwangerschaften (Prävalenzen: USA: 55:1.000; Deutschland: 16:1.000, Tendenz steigend!). Häusliche Gewalt keine Perspektiven Soziale Isolation

„Pro Kind Niedersachsen“ Projektphase I: Pränatale Intervention Projektphase II: Frühkindliche Intervention Mutter/Vater Säugling/ Kleinkind Vorschulkind Jugendlicher pränatales Gesundheits- verhalten Entwicklungs- neurologie Langzeitfolgen Schulreife und Integration Förderung der kognitiven Entwicklung Förderung der kognitiven Entwicklung Schulerfolg Verbesserung des Pflegeverhaltens positives Sozialverhalten erfolgreiche Regulation von Emotion & Verhalten erfolgreiche Regulation von Emotion & Verhalten Leben ohne Drogen Lebensplanung Nachholen von Schul-/ Berufsabschluss Positive Einflüsse auf die Entwicklung der Mutter-Kind-Bindung Wunschkind; problemlose Schwangerschaft und Geburt. Gefühl der Mutter, durch den Vater unterstützt zu werden. Wissen darüber, wie man mit Säuglingen umgeht, sei es durch eine intensive Vorbereitung während der Schwangerschaft oder durch anderweitige Erfahrungen mit Kinderpflege. Negative Einflüsse Kein Wunschkind: Mütter, die ihr Kind eigentlich (noch) nicht wollten, die selbst als Persönlichkeiten noch nicht voll ausgereift sind Eigene Erfahrungen von zu wenig Zuwendung Keine Unterstützung durch den Partner. Depressionen der Mutter und Drogenmissbrauch schränken das Bonding ein. Diesen Müttern bzw. Paaren kann jedoch geholfen werden, indem man ihnen zeigt, wie man Verhaltensanzeichen ihres Kindes erkennt und wie man darauf reagiert. Reduktion von Suchtverhalten Familienplanung „Pro Kind Niedersachsen“ „Pro Kind Bremen“

Drei Hauptziele Verbesserung der mütterlichen Gesundheit während der Schwangerschaft & Geburt eines gesunden Kindes. Verbesserung der kindlichen Gesundheit und Entwicklung. Verbesserung der ökono-mischen Unabhängigkeit der Familien.

Rahmenbedingungen des Programms Sorgfältige Ausbildung der Familienbegleiterinnen Workshops Leitfäden für jeden Hausbesuch als Orientierung regelmäßige Teambesprechungen kollegiale Intervision (Fallbesprechungen)

Rahmenbedingungen des Programms Frühestmöglicher Beginn der Hausbesuche (16. SSW) Hausbesuche bis zum 2. bzw. 3. Geburtstag des Kindes Hausbesuche zu Beginn der Familienbegleitung (vorgeburtlich) 1 x wöchentlich  Beziehungsaufbau zwischen Mutter und Familienbegleiterin im Fokus! Danach finden Hausbesuche im 14tägigen Rhythmus statt (pränatale Intervention). Hausbesuche nach der Geburt des Kindes wieder wöchentlich  Beziehungsaufbau zwischen Mutter und Kind im Fokus! Im Anschluss daran wieder 14tägiger Turnus zur Durchführung der frühkindlichen Intervention. Zum Ende der Betreuungszeit: Besuchshäufigkeit 1 x monatlich Die Besuchszeit endet in der Projektvariante „Pro Kind Bremen“ mit dem 2. Geburtstag des Kindes, in der Projektvariante „Pro Kind Niedersachsen“ mit dem 3. Geburtstag des Kindes.

Rahmenbedingungen des Programms Erstgebärende und bis einschließlich 28. Schwangerschaftswoche und besondere finanzielle Problemlage und Bezug von ALG II bzw. Sozialhilfe oder Überschuldung/private Insolvenz besondere soziale/persönliche Faktoren z.B. Minderjährigkeit z.B. keine abgeschlossene Ausbildung z.B. soziale Isolation z.B. Gewalt- bzw. Missbrauchserfahrungen z.B. Alkohol- bzw. Drogenproblematik z.B. chronische körperliche oder psychische Erkrankung

Rahmenbedingungen des Programms Aufbau von tragfähigen Beziehungen zu den Familien Ziele der Mütter/Familien im Fokus 6 Inhaltsbereiche/Domänen Persönliche Gesundheit Gesundheitsförderliche Umgebung Lebensplanung und –gestaltung Mutterrolle/Vaterrolle/Elternrolle Familie, Bekannte und Freunde Soziale Dienste und Gesundheitsversorgung wissenschaftliche Begleitforschung

Evidenzbasiertes Programm – Die Standorte in Niedersachsen Hannover Braunschweig Celle N = 84 N = 35 N = 12 Göttingen Wolfsburg N = 17 N = 20

Evidenzbasiertes Programm – Die Standorte in den USA Elmira, NY – ‘77 Memphis, TN -‘87 Denver, CO – ‘96 N = 400 N = 1,138 N = 735 Kaukasier, niedriges Einkommen Kleinstadt Afroamerikaner, niedriges Einkommen Stadt hoher Anteil spanischer Einwanderer Nurses vs. Semi-professionelle

Stabile Programmeffekte Verbesserung der mütterlichen und kindlichen Gesundheit während der Schwangerschaft weniger Verletzungen der Kinder weniger weitere Schwangerschaften längere Intervalle zwischen den Schwangerschaften höhere Raten mütterlicher Berufstätigkeit

Langfristige Programmeffekte (ELMIRA) Mütter weniger Verurteilungen 72% weniger im Gefängnis verbrachte Tage 98% weniger Verhaftungen 61% 15-Jahres FOLLOW-UP

Langfristige Programmeffekte (ELMIRA) Kinder Misshandlung & Vernachlässigung 48% Verhaftungen 59% geschlossene Unterbringung (wg. Nichterreichbarkeit durch pädagogische Maßnahmen) 90% 15-Jahres FOLLOW-UP

Effekte auf die kindliche Entwicklung (nach 6 Jahren) höherer IQ bessere Sprach- entwicklung bessere Erzählstruktur weniger geistige/ psychische Probleme

Nutzen/Kosten-Verhältnis Staatliche Maßnahmen vs. Hausbesuchsprogramme kindzentrierte Programme Haus- besuchs- Progr. Fam. zentr. Therapie NFP Ganzheitl. Interv.- ansätze Family Preserv. Programs

Langfristige, kumulative Einsparungen (Hausbesuche in Elmira) Dollars pro Kind kumulative Kosten Alter des Kindes (in Jahren)

Diskussion Wie sieht die bisherige Praxis früher Hilfen aus? Wie passt „Pro Kind“ in die Gesamtstruktur der Hilfen? Ist durch frühe Förderung im Allgemeinen und „Pro Kind“ im Besonderen ein Durchbrechen des Teufelskreises aus Verunsicherung, Überforderung, innerfamiliärer Gewalt und Erziehungsschwierigkeiten zu erwarten? Dringen wir durch die Identifikation von Risikogruppen und Förderung von Kindern schon vor der Geburt in einen Bereich vor, der zutiefst persönliche Angelegenheit der Familien ist und frei von staatlicher Kontrolle bleiben sollte?