Elektrische und magnetische Phänomene in Lebensvorgängen

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 Präsentation transkript:

Elektrische und magnetische Phänomene in Lebensvorgängen III. Membranpotentiale Péter Maróti Professor für Biophysik, Universität von Szeged, Ungarn. Lehrbücher: Biophysik für Mediziner (Herausgeber S. Damjanovich, J. Fidy und J. Szöllősi) Medicina, Budapest, 2008. Adam G., Läuger P., Stark G. Physikalische Chemie und Biophysik, Springer-Verlag, Berlin 1988. Fercher A.F. Medizinische Physik, Springer, Wien, New York 1992. Haas U. Physik für Pharmazeuten und Mediziner; Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH. Suttgart 2002. Jerrentrup A. Physik für Mediziner, Original-Prüfungsfragen mit Kommentar, Schwarze Reihe, 19. Auflage, Thieme Verlag Stuttgart 2009. Maróti P., Laczkó G.: Bevezetés a biofizikába, JATEPress, Szeged 1998 (Ungarisch) P. Maróti, L. Berkes, F. Tölgyesi: Biophysics Problems. A Textbook with Answers. Akadémiai Kiadó, Budapest 1998 (Englisch).

Biologische Membranen Extrazellulärer Raum Cytoplasma Singer-Nicolson Modell (1972): mosaikartig aus Lipiden und Proteinen zusammengesetzte Doppel-schicht (Film). Die Proteine können entweder an die Oberfläche der Membran gebunden (periphere Proteine) oder in die Lipiddoppelschicht eingelagert sein (integrale Proteine). Die integrale Membran-proteine dringen die Membran ganz durch, wobei der zentrale Teil des Proteins hydrophob, die äußeren Teile aber hydrophil sind. Lipid-draft Modell. Manche Proteine sind mit dem Cytoskelett verbunden und daher nicht frei diffusibel. Jede Zelle ist einer etwa 10 nm dicken Membran, der Plasmamembran, umgeben, die im Elektronenmikroskop dargestellt werden kann. Die Funktion der Plasmamembran: - passives Barrier, - eingebaute Transportsysteme und - räumliche (asymmetrische) Orientierung der funktionellen Moleküle.

Drei Ursprünge des Membranpotentials Die Kationen und Anionen haben verschiedene Permeabilitäte (Diffusionskonstante) durch das Membran und die entstehende elektrische Schichte an beiden Membranoberflächen hindern oder begünstigen die freie Diffusion der Ionen mit der selben oder entgegengesetzten Ladungen. Die entstehende frei Energie (ΔG) trennt (generiert) und transportiert die entgegen-gesetzten (negativ und positiv) elektrischen Ladungen zu den Membranoberflächen. Deprotonierbare Proteine an den Membranflächen versichern pH-abhängigen elektrischen Ladungen, die ein abstandabhängiges elektrisches Potential einstellen. Die pH-Werte werden auch von dem Abstand von der Membranfläche abhängen.

Diffusionspotential: Nernst-Planck-Gleichung Die Flußdichte i ist die Summe der einzelnen Stromkomponente einer Ionensorte wenn beide Treibungs-kräfte gleichzeitig vorhanden sind: Erster Satz von Fick Elektrisches Feld Konzentrations-gradient wo Ohm’sches Gesetz (differenzielle Form) ist der Einstein-Smoluchowskí Ausdruck zwischen dem Diffusions-koeffizient (D) und der Mobilität (u) der Ionensorte, u = v/(ZE), wo v ist die Driftgeschwindigkeit der Ionensorte, R ist die universelle Gaskonstante, T ist die absolute Temperatur. E: elektrische Feldstärke, dc/dx: Konzentrations-gradient, c: die Konzentration der Ionensorte, Z: die Wertigkeit der Ionensorte, F (= 96500 Cb/mol equivalent): die Faraday-Konstante.

Integration der Nernst-Planck Gleichung: unterwegs zur Goldman-Gleichung (für Fortgeschrittene) Annahme konstanter elektrischen Feldstärke in der Membran: E = -V/h. Die Stromdichte (Nernst-Planck Gleichung) für monovalentes Kation (z.B. Na+ oder K+): Das ist eine lineare Differentialgleichung erster Ordnung für die Konzentration c+. Die Lösung: Nach Einführung der Abkürzungen und Verlassen das Index +, die Gleichung ist Die allgemeine Lösung ist wo C ist die Integrationskonstante, die durch die Randbedingungen bestimmt wird: bei x = 0 (innen) c = ci und bei x = h (außen) c = ca. Nach Ausdrücken und Einsetzen von C: Nach Einführung des Permeabilitätskoeffizients P+ des Kations: P+ = D/h = u/h ·(RT)/F

Strom(dichte)-Spannung Karakteristika der Membran Der Widerstand ist nicht-Ohmisch! Vergleich mit Halbleiter (z.B. Si) Dioden (Gleichstromrichtern). Die Nernst-Spannung, wo der Strom sich verschwindet (i = 0): In der Umgebung der Nernst-Spannung, der Widerstand der Membran (ähnlich wie die Diode bei der Öffnungsspannung) ändert sich stark. Wenn ci >> ca ist, die Membran verhält sich wie ein Spannung-steuerter Schalter mit zwei Positionen: ein (leitet, wenn V > VN) und aus (nicht leitet, wenn V < VN).

Mehrere Ionen (K+, Na+ und Cl-) mit unterschiedlichen Permeabilitätskoeffizienten: das Goldman-Potential Die Komponenten der gesamten Ionstromdichte: Die totale Stromdichte: i = iK + iNa + iCl Das Ruhepotential, wenn kein Strom fließt (i = 0):

Die allgemeine Form der Goldman-Gleichung Die Beiträge der einzelnen Ionensorten sind nach dem Permeabilitätskoeffizienten P gewichtet. Für ein System mit beliebig vielen Ionensorten Index K für Kationen, Index A für Anionen. Man beachte, daß hier im Zähler des Bruches die außen Konzentration der Kationen und die innen Konzentrationen der Anionen auftreten (im Nenner umgekehrt). Im Grenzfall, wenn einer der Ionensorte (ν) hat die grösste Permeabilität (die Membran ist überwiegend ν-permeabel), die Goldman-Gleichung geht über in die Nernst-Gleichung (ν ist ein Kation): Liegt hinsichtlich einer Ionensorte an der Membran Gleichgewicht vor (so, daß das Verhältnis ca/ci durch die Nernst-Gleichung gegeben ist), so hebt sich der Beitrag dieser Ionensorte in der Goldman-Gleichung heraus. Dies ergibt sich daraus, daß für diese Ionensorte der Fluß verschwindet und daher in der Gesamtstromdichte nicht berücksichtigt zu werden braucht.

Ruhepotential der Axonmembran Ionensorte Axoplasma (innen) ci (mM) Extrazelluläres Medium (außen) ca (mM) Nernst-Potential (berechnet) V (mV) Blut Meereswasser Na+ 50 440 460 +57,6 +58,8 K+ 400 20 10 -79,4 -97,7 Cl- 40 560 540 -69,9 -69,0 Membranzustand PK PNa PCl Ruhe 1 0.04 0,45 Depolarisation 20 Hyperpolarisation 1,8

Spezieller Fall: Die Ionen sind alle permeabel, ausgenommen ein Ion (Protein), was völlig impermeabel ist: das Donnan-Gleichgewicht Für permeabel Ionen das chemische Potential sollte das selbe sein an beiden Seiten der Membran: Durch Addition beider Gleichungen: Donnan-Gleichung In beiden Lösungen das Produkt der Konzentration von permeablen Kationen und Anionen gleich groß sein muß. In der Lösung ‘, die kein Protein enthält, gilt c’+ = c’- = c’, so daß die Donnan-Gleichung nimmt die folgenden Gestalt an: In der Lösung”, die ein positiv geladenes Protein enthält, ist dagegen c”_ > c”+, da ja die Ladung des Proteins durch einen Cl- Überschuß kompenziert werden muß: Die Konzentrationen können durch Einsetzen berechnet werden:

Donnan-Potential Das bei Donnan-Gleichgewicht vorliegende Membranpotential: Nach Einsetzen der Ausdrücke von Konzentrationen c”: Benutzen wir die Näherung: Ist die Salzkonzentration hoch (bzw. die Proteinkonzentration niedrig), dann Wenn kein Protein vorhanden ist, kein Membranpotential existiert. Mit steigender Proteinkonzentration nimmt das Membranpotential proportial zu. Das Vorzeichen des Potentials ist identisch mit dem Vorzeichen der Ladung der immobilen Biomoleküle (Proteine) in der Zelle. Beispiel: Wie groß muß etwa die (unsichtbare) Proteinkonzentration in der Zelle (Axon) sein um ein Nernst-Potential von VDonnan = -100 mV (im Ruhezustand) für die permeabel K+ Kation zu versichern, wenn die äußere Konzentration c’ = 10 mM ist? Lösung: Bei Zimmertemperatur RT/F = 25 mV und nach Einsetzen der numerischen Werten, wir erhalten: zp·cp = -1,1 M, also die Proteine müssen negative Ladungen tragen, welche das negative Potential verursachen und die K+ Kationen in die Zelle ziehen (c” = 400 mM).

Impermeables Ion (Protein) macht das Diffusionsmembranpotential; ein Beispiel der zytoplasmischen Proteine: Na-Hyaluronate Neutraler Polyelektrolyt Geladener Polyelektrolyt Anion Kation

Impermeables Ion (Protein) macht das Diffusionsmembranpotential

Messung des Membranpotentials: Mikroelektrode

Eines der wichtigsten Methode der Membranpotentialmessung: die Spannungsklemme Während eines Aktionspotentials zeigen sowohl das Membranpotential VM, wie auch die Stromdichte iM durch die Membran ein sehr kompliziertes Zeitverhalten (t): VM = VM(t) und gleichzetig iM = iM(t). Bei Spannungsklemme, mit Hilfe einer Regelschaltung (Operationsverstärker) wird die durch die Membran fließende Stromdichte iM so reguliert, daß das Membran-potential VM einen vorgewählten, zeitlich konstanten Wert beibehält. Dabei wird VM durch eine externe Spannung Ve gesteuert, d.h. der Operationsverstärker schickt gerade soviel Stromdichte durch die Membran der Zelle, daß VM = Ve gilt.

Beispiel: Ionenströme bei der Nervenerregung Spannungsklemm-Experiment für eine Depolarisation vom Ruhepotential (-60 mV) auf V = 0. Hodgkin und Huxley (1952) zeigten daß der Gesamtstromdichte sich additiv aus einem durch Natrium- und einem durch Kaliumionen getragenen Stromdichte zusammensetzt, hinzu noch ein geringfügiger Leckstrom durch einen Transport von Cl- kommt: i = iK + iNa (+ iL) (Siehe die formale Beschereibung später!) Die relativen Anteile von iNa und iK am Gesamtstromdichte i zeitlich stark variieren. Nach Elimination der Zeit, bekommen wir die Strom-Spannung Karakteristik der Membran.

Messung von Einzelkanal-Strömen mit der Saugpipetten-Technik: Patch-clamp Neher und Sakmann (Göttingen, 1976) registrierten direkte elektrische Ströme durch einzelne Ionenkanäle in der Zellmembran. Die hitzepolierte Spitze einer Glas-Mikropipette (innerer Durchmesser 1-2 μm) auf die Zellmembran auf-zusetzen und durch einen leichten Unterdruck einen kleinen Fleck der Membran in die Pipette einzusaugen. Ein enger Kontakt bildet sich zwischen Membran-grenzfläche und Glaswand aus, der zu einem extrem hohen elektrischen Abdichtwiderstand zwischen Pipette und Medium führt (1010 – 1011 Ω). Die Pipette ist mit einer wäβrigen Elektrolytlösung gefüllt und an einen hochempfindlichen Stromverstärker angeschlossen. Auf diese Weise kann das Öffnen und Schließen einzelner Ionenkanäle, die sich im Membranfleck unter der Pipette befinden, direkt nachgewiesen und ihre Ströme gemesst werden.

Empfindlichkeit und Möglichkeiten der Patch-clamp-Technik Kalzium Kanäle gesclossen Die meßbaren Einzelkanalströme liegen (bei Membranspannungen von etwa 100 mV) im Bereich von einigen pA. Eine Strom-amplitude von 1 pA entspricht einem Durchtritt von 1 pA/1,6·10-19 Cb ≈ 5·106 einwertigen Ionen je Sekunde. Das Method gestattet es bereits den Durchtritt von etwa 500 Ionen durch einen Kanal nachzuweisen. Bei Stromamplituden von 1 pA können kurzzeitige Kanalöffnungs-Ereignisse bis herab zu etwa 0,1 ms Dauer registriert werden. Neben den Amplituden der Einzelkanalströme liefert die technik Information über das statistische Öffnungs- und Schließungsverhalten von Ionenkanälen. geöffnet

Optische Methode Spannungs-abhängigen Farbstoff Kalzium-abhängigen Farbstoffs Optische Methode Messung der Fluoreszenz von kalzium- und spannungs-sensitiven Farbstoffen im gesamten somatosensorischen Kortex. Die Mitte des jeweiligen Bildes wird elektrisch gereizt und die relative Änderung der Fluoreszenz der beiden Farbstoffe wird nach der Reizung detektiert und als Falschfarbenbild gezeigt, wobei blau keine Änderung der Ruhefluoreszenz darstellt und rot eine maximale Änderung. Oben ist die Pia, unten die Weiße Substanz. Nach Reizung, kommt es sehr schnell zu einer vertikalen Ausbreitung der synaptischen Aktivität entlang der Kolumne, die mit RH1691 gemessen wird. Diese Aktivität überwindet in Schicht 2/3 die Grenzen zu den benachbarten Kolumnen und propagiert nun auch horizontal und parallel zur Pia. Die überschwellige Aktionspotenzialaktivität hingegen, die durch OGB-1 detektiert wird, bleibt lokal und auf die gereizte Kolumne begrenzt. Aus:Berger et al. (2007) Journal of Neurophysiology 97: 3751–3762.

Nervenerregung, das Aktionspotential Die Nervenfaser wird durch einen kurzen Strompuls gereizt. Mit einer anderen Microelektrode registriert man etwas später ein wenige Millisekunden dauerndes Aktionspotential, d.h. eine vorübergehende Veränderung der Membranspannung von negativen auf positive Wert.

Verschiedene Zeitverläufe von Aktionspotentiale in Nerven und in Muskeln

Kabeleigenschaften des Axons Ein Nervnaxon besitzt einen elektrisch gut leitenden Kern (Axoplasma) und eine schlecht leitende Hülle (Membran); es ist damit einem Kabel ähnlich. Ein Kabel ist ein rein passives Element, weil es aus passiven elektrischen Bestandsteilen (Widerstand, Kapazität usw.) besteht. Aber die Signalfortleitung an der nervenfaser ein Prozeß ist, der einem komplexen Steuerungsmechanismus unterliegt. Deswegen das Kabel sollte mit aktiven Elementen (zeitabhängigen Stromgeneratoren oder Leitfähigkeiten) ergänzt werden um die Grundeigenschaften der Signalfortleitung im Axon beschreiben zu können.

Formale Beschreibung der Erregungsvorgänge: die Hodgkin-Huxley-Gleichungen, Ersatzschaltbild der Axonmembran

Beispiel: Tintenfischaxon r = 0,25 mm, RM = 700 Ω·cm2, Ri = 30 Ω·cm

Fortleitung des Membranpotentials in Nervenfasern: die lineare Kabelgleichung (für Fortgeschrittene) Ohm’sches Gesetz im intrazellulären Raum: Kirchhoff’sche Knotenregel: Nach Ersetzen (2) in (1) V = Vi –VRuhe und V = 0 im extrazellulären Raum: Der Membranstrom: Die lineare Kabelgleichung: Karakteristische räumliche Veränderung: die Membran-längskonstante: Karakteristische zeitliche Veränderung: die Membran-zeitkonstante Transienter Reizstrom (Na+/K+ Fluß) Kapazitiver Strom Leckstrom

Dendritische Ionenkanäle beeinflussen die Kabeleigenschaften passiver Dendrit Dendrit mit Ionenkanälen ir ≠ 0 ir = 0

Die Membranzeitkonstante τM = RM ·CM bestimmt die Umladungsgeschwindigkeit (dV/dt) eines RC-Glieds Bei Zunahme des Axondurchmessers: RM und CM

Kabeleigenschaften der Membran beinflussen die räumlichen und zeitliche Ausbreitung von Potentialen external Ein elektrisches Signal, das entlang eines Dendriten weitergeleitet wird, schwächt sich ab. Z. B.: die Amplitude eines synaptischen Potentials nimmt bei der Passage zum Axonhügel ab. internal V = V0 exp(-λM·x) Die Längs-konstante λM ist die Strecke, nach welcher die Spannung V auf den e-ten Teil von V0 abgesunken ist. V0 V x M

Die Membranlängskonstante λM bestimmt die Ausbreitung (dV/dx) über elektrisch gekoppelte (Ri) RC-Glieder Die Längkonstante λM ist die Strecke, nach welcher die Spannung V auf den e-ten Teil von V0 abgesunken ist. Ein hochwertiges Kabel besitzt eine große Längkonstante. Zum Beispiel muß ein Transatlantik-Kabel eine Längkonstante von der Größenordnung 100-1000 km besitzen. Die Längkonstante ist um so größer, je höher der Hüllenwiderstand RM und je kleiner der Kernwiderstand Ri sind. λM =√RM/Ri Bei Zunahme des Axondurchmessers: RM und Ri 100%

Geometrie der Axone und Erregbarkeit λM =√RM/Ri Beim Tintenfischriesenaxon liegen folgende Werte vor: r = 0,25 mm, RM = 700 Ω·cm2, Ri = 30 Ω·cm Dies ergibt eine Längskonstante von λM ≈ 5 mm. Würde sich das Axon als passives Kabel verhalten, so wäre das Signal schon nach einer Strecke von 5 mm auf den e-ten Teil abgesunken! Man findet jedoch, daß das Signal längst des gesamten Axons nahezu dieselbe Amplitude aufweist weil eine Energiequelle (Differenz der elektrochemischen Potentiale von Na+ und K+ zwischen Axoplasma und extrazellulärem Medium ) zur Verfügung steht. RM ~ 1/Axonumfang = 1/(2π · r) lineare Abnahme von RM mit r Ri ~ 1/Axonfläche = 1/(π ·r2) quadratische Abnahme von Ri mit r Bei Zunahme des Axondurchmessers: λM Säugetierneuron: Axondurchmesser: 1 µm λM = 0.3 mm Froschmuskel: Faserdurchmesser: 50 µm λM = 1.4 mm Tintenfischriesenaxon: Axondurchmesser: 500 μm λM = 5 mm

Fortleitungsgeschwindigkeit des Nervenimpulses im Axon In der einfachsten Näherung, die Geschwindigkeit ist proportional zu der Membran-längskonstante: v = Konst · λM Die Membranlängskonstante kann man mit den geometrischen und elektrischen Eigenschaften des Axons ausdrücken: RM = 1/(2π r·σM) Ri = 1/(π r2·σi) λM = √RM/Ri = √(r/2)·(σi/σM) R elektrischer Widerstand σ elektrische Leitfähigkeit in transversaler (M) in longitudinaler (i) Richtung des Axons r Radius v = Konst · √(r/2)·(σi/σM)

Fasertypen und Geschwindigkeiten Grosse Axone haben eine geringere Schwelle und eine höhere Leitungsgeschwindigkeit Aα 10-20 μm 100 m/s Skelettmuskel Ia/Ib Aß 10 μm 60 m/s - II Aγ 5 μm 30 m/s Muskelspindel - Aδ 3 μm 20 m/s - III B 2 μm 10 m/s prägang-veg. - C 1 μm 1 m/s postgang-veg. Nozizeptoren

Kontinuierliche Fortleitung in marklosen Nervenfasern Die Ausbreitungsgeschwindigkeit kann erhöht werden durch: • Erhöhung des Radius (Riesenaxon des Tintenfisches, der Effekt ist jedoch begrenzt.) • Verringerung der Membrankapazität (CM = ε·A/d) durch Myelinschicht (Zunahme des Membranwiderstandes (RM) or Abnahme der elektrischen Leitfähigkeit durch die Membran (σM)).

Markhaltige (myelinisierte) Nervenfasern Internodium elektrotonische Fortleitung Ranvier Node AP Generator hohe Dichte von Na-Kanälen λM =√RM/Ri Spezialisierung im Internodium: Hoher RM durch geringe Anzahl von Kanälen niedriger CM durch Myelinhülle τM = RM ·CM

Saltatorische Fortleitung in myelinisierten Nervenfasern

Erregungsausbreitung in myelinisierten Nervenfasern Zeitverlauf der Erregung: Verzögerung am Ranvier Knoten schnelle internodale Fortleitung Potentialverlauf der Erregung: Erzeugung des Aktionspotentials nur am Ranvier Knoten passive (elektrotone) internodale Erregungsausbreitung

Räumliche Ausdehnung des fortgeleiteten Aktionspotentials Aktionspotential 1ms - Leitungsgeschwindigkeit 100m/s 1 Schnürring/mm - räumliche Ausdehnung des fortgeleiteten Aktionspotentials 10 cm = 100 mm = 100 Schnürringe

Asymmetrische Verteilung der Ionenkanäle im myelinisierten Axon nodale Natriumkanäle juxtaparanodale Kaliumkanäle nodale Kaliumkanäle

Klinische Bezüge Multiple Sklerose Bei Multipler Sklerose - einer Entmarkungserkrankung (Demyelinisation) kommt es zu einer Autoimmunattacke gegen die Markscheiden (Myelinumhüllung) von zentralen Nervenfasern. Die Entmarkung führt meist zu einem Leitungsblock in den betroffenen Fasern, so dass die Aktionspotentiale nicht fortgeleitet werden können. Je nach Ort der Entmarkungsherde (gelbe Pfeile) kann es zu Visusstörungen (Optischer Nerv), Querschnittssymptomatik (Spinal Mark) oder isolierteren motorischen und sensorischen Symptomen (Gehirn) kommen. Behandelt wird z.B. mit Substanzen wie Steroiden, die Autoimmunattacke hemmen.

Klinische Bezüge Guillain-Barré Syndrom Das Guillain-Barré Syndrom (GBS) ist eine akute Autoimmunerkrankung mit Entmarkung der peripheren Nervenfasern. Dies führt zu Empfindungsstörungen und motorischen Ausfällen (Lähmungen). Gefährlich ist besonders die Lähmung der Atemmuskulatur, die eine Intensivmedizinische Versorgung notwendig macht. Als Behandlung ist eine Abfilterung von Antikörpern aus dem Plasma möglich (sog. Plasma-Pherese). Die akute GBS dauert meist nur einige Wochen und viele Patienten erholen sich komplett.

Hausaufgaben Bei der Nervenerregung ändert sich die Potentialdifferenz über der Nervenmembran um 100 mV, was hauptsächlich auf einem Einstrom von Na+ in die Nervenfaser zurückzuführen ist. Wieviel Na+-Ionen/cm2 der Nervenmembran sind nötig, um die Membrankapazität 1 μF/cm2 um den Betrag 100 mV umzuladen? Eine für die Ionen K+ und Cl- durchlässige Membran trennt eine reine KCl-Lösung von einer Lösung ab, die neben K+ und Cl- ein negativ geladenes Protein P in der Konzentration 1 mM enthält. Dieses besitzt pro Molekül 20 überschüssige COO- Gruppen. In der proteinfreien Lösung beträgt die KCl Konzentration 100 mM. Man berechne die Glechgewichtskonzentrationen von K+ und Cl- in der Proteinlösung, sowie das Membranpotential (Donnan-Potential) bei 25 oC. Aus dem Riesenaxon des Tintenfisches treten bei einem einzelnen Aktionspotential ca. 3·10-12 mol K+/cm2 Membran aus. Der Axondurchmesser beträgt 0,5 mm, die K+-Konzentration im Axoplasma 0,4 M. Wie viele Aktionspotentiale können bei blockierter Na+/K+ Pumpe fortgeleitet werden, bevor die K+ Konzentration im Axon um 1% abgenommen hat?

Hausaufgaben 4. Das Ruhepotential der Axonmembran wird im wesentlichen durch die intra- und extrazellulären Konzentrationen von K+ und Na+ bestimmt. Aus Isotopenflußmessungen ergab sich für die Axonmembran ein Permeabilitätsverhältnis PK/PNa = 15. Wie groß ist das Ruhepotential, wenn das Axon sich in einer Lösung der Zusammensetzung 10 mM K+ und 460 mM Na+ befindet und mit einer Lösung, die 400 mM K+ und 80 mM Na+ enthält, perfundiert (durchströmt) wird? 5. Aktiv Ionenpumpen (wie z.B. Na+K+ATPase) versichern 140 mM K+, 12 mM Na+ und 4 mM Cl- Konzentrationen im Zytoplasma des Neurons des Menschen und 4 mM K+, 150 mM Na+ und 120 mM Cl- im Blut. Aus Isotopenflußmessungen ergab sich für die Axonmembran die folgenden Permeabilitätskoeffizienten: PK = 5·10-9 m/s, PNa = 5·10-11 m/s und PCl = 1·10-10 m/s. Wie groß ist etwa das Membranpotential? Beweisen Sie, daß die Membran depolariziert wird, wenn die Na+ Ionen mehr permeabel werden, aber die Membran hyperpolarisiert wird, wenn die K+ und Cl- Ionen mehr permeabel werden.