Standortfolgen der Deutschen Teilung

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Standortfolgen der Deutschen Teilung Prof. Dr. Nikolaus Wolf FU Berlin, Sommer 2006

Was heisst “Standortfolgen”? Wirtschaft hat immer auch eine räumliche Dimension: Produktionsfaktoren, Output und Kaufkraft sind normalerweise höchst ungleichmäßig im Raum verteilt In der Wirtschaftswissenschaft wurden räumliche, besonders sub-nationale Entwicklungen lange ausgeblendet, der Schwerpunkt lag auf zeitlichen Entwicklungen (Konjunktur, Wachstum) Zwei Hauptgründe: Mangel räumlich disaggregierter Daten Schwierigkeiten mit dem theoretischen Zugriff (Nichtlinearität von Raum-Zeit-Modellen) Mit besserer Datenlage, besserem Theorieverständnis und Simulationsmethoden wird die räumliche Dimension immer mehr in ökonomische Forschung integriert: “geographical economics” Prof. Dr. Nikolaus Wolf FU Berlin, Sommer 2006

Was heisst “Standortfolgen”? Räumliche Struktur der Wirtschaft ist beeinflusst von drei Faktoren, die einander gegenseitig beeinflussen “natural endowments” (oder “first geography”): exogene naturgegebene Raumordnung durch Klima, Fluss- und Küstenverläufe, und Rohstoffvorkommen “second geography”: Folgen wirtschaftlicher Interaktion, damit endogen: Preisdruck durch räumliche Nähe, Preisvorteile durch räumliche Nähe, Externe Effekte von Ballungsräumen/ Konzentration Institutionen und Technologie: Infrastruktur, regionale Produktivitätsunterschiede, Grenzverläufe, Anreizwirkungen rechtlicher und politischer Rahmenbedingungen Prof. Dr. Nikolaus Wolf FU Berlin, Sommer 2006

Quelle: BBR, Raumordnungsbericht 2000 Prof. Dr. Nikolaus Wolf FU Berlin, Sommer 2006

Regionale Wachstumsdynamik 1996-2002 Wachstumsdynamik auch im Osten: Traditionell hohe Wachstumsraten in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen, neuerdings auch im Emsland. Auch Regionen mit niedriger Ausgangsbasis verzeichnen einen überdurchschnittlichen Anstieg der Bruttowertschöpfung, insbesondere in Ostdeutschland. Prof. Dr. Nikolaus Wolf FU Berlin, Sommer 2006

Infrastrukturausstattung 2004 Zentrenerreichbarkeit als Maß für die Lagegunst von Regionen: Zentrale Orte bündeln Beschäftigungsmöglichkeiten und Versorgungseinrichtungen. Nähe zu Zentralen Orten vermittelt räumliche Standortattraktivität. Zentrale und zentrennahe Räume sind Räume mit hoher wirtschaftlicher Aktivität und großen Kontaktpotenzialen. Prof. Dr. Nikolaus Wolf FU Berlin, Sommer 2006

Was heisst “Standortfolgen” der Teilung? Nach 1945 wurde Deutschland in einen östlichen (Polen, USSR), mittleren (DDR) und westlichen (BRD) Teil gegliedert Im folgenden konzentrieren wir uns auf zwei wesentliche Aspekte die veränderte Ausstattung der jeweiligen Teilgebiete mit Faktoren (Menschen, Humankapital, Anlagekapital) den veränderten Zugang zu Zuliefer- und Absatzmärkten Prof. Dr. Nikolaus Wolf FU Berlin, Sommer 2006

Ausgangslage: regionale Arbeitsteilung in Deutschland 1936 Fläche Wohnbevölkerung 1939 1950 1946 km2 Anteil in % In 1000 Deutsches Reich 470545 100 - 69314 Deutschland ohne Ostgebiete 355995 75,7 355947 59694 86,1 65310 69588 Ostgebiete 114549 24,3 9619 13,9 SBZ/ DDR 107173 22,8 107179 15097 21,8 17314 17600 SBZ/ DDR in % Westzone/ BRD 43,7 38,4 39,3 36,9 Berlin 890 0,2 884 4339 6,3 3191 3337 Saar 2559 0,5 2567 908 1,3 852 945 Westzonen/ BRD 245373 52,1 245317 39350 56,8 43953 47696 Quelle: eigene Berechnungen nach Gleitze (1955), S. 146-7 Prof. Dr. Nikolaus Wolf FU Berlin, Sommer 2006

Ausgangslage: Selbstversorgung und regionale Arbeitsteilung 1936 (Mrd Ausgangslage: Selbstversorgung und regionale Arbeitsteilung 1936 (Mrd. RM) Landwirtschaft und Nahrungsmittelindustrie Industrie Nettoproduktion Nettoexporte in andere dt. Gebiete Nettoexporte ins Ausland Ostgebiete 2,2 0,6 -0,2 2,3 -0,5 0,0 SBZ 2,9 0,4 6,5 -0,3 Berlin 0,2 0,1 Westzonen 6,3 -0,9 15,6 1,4 Quelle: eigene Berechnungen nach Gleitze (1955), S. 167 Prof. Dr. Nikolaus Wolf FU Berlin, Sommer 2006

Prof. Dr. Nikolaus Wolf FU Berlin, Sommer 2006

Prof. Dr. Nikolaus Wolf FU Berlin, Sommer 2006

Prof. Dr. Nikolaus Wolf FU Berlin, Sommer 2006

Zur Chronologie der Deutschen Teilung 12. September 1944: Alliierte beschließen im Londoner Protokoll die Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen Juli 1945: Setzung von Demarkationslinien zwischen den Zonen Juni 1946: Zeitweilige Sperrung der Demarkationslinie zwischen SBZ und anderen Zonen auf Antrag der UdSSR 1947: Befestigung der Demarkationslinie zwischen SBZ und anderen Zonen, Reisende müssen Interzonenpässe beantragen, Schießbefehl Juni 1948-Mai 1949 Berlin-Blockade durch die UdSSR 1950: Interzonenhandel und –verkehr nur noch über Kontrollpunkte Mai 1952: DDR richtet eine 5 km breite Sperrzone entlang der Demarkationslinie ein, Zwangsumsiedlung von 11000 Menschen Dez. 1957: neues DDR Passgesetz, Tatbestand der Republikflucht 1960: DDR legt erste Minen entlang der Grenze zur BRD August 1961: Bau der Berliner Mauer Prof. Dr. Nikolaus Wolf FU Berlin, Sommer 2006

Die Abwanderungswelle Die Teilung Deutschlands führte zu umfangreichen Wanderungsbewegungen von Menschen, in geringerem Umfang auch von Kapital Zwangsumsiedlung von Menschen aus den Ostgebieten in die SBZ und die Westzonen Freiwillige Abwanderung von Menschen aus den Ostgebieten in die SBZ und die Westzonen und aus der SBZ in die Westzonen Freiwillige Abwanderung von Unternehmen in die Westzone Prof. Dr. Nikolaus Wolf FU Berlin, Sommer 2006

Zwangsumsiedlung Prof. Dr. Nikolaus Wolf FU Berlin, Sommer 2006

Abwanderung Prof. Dr. Nikolaus Wolf FU Berlin, Sommer 2006

Unternehmensverlagerungen Neben den Fluchtbewegungen kam es auch zu umfangreichen Verlagerungen von Unternehmen (Mitarbeiter und Anlagekapital) Diese Verlagerungen nahmen unterschiedliche Formen an Sitzverlegung. In der SBZ und Ost-Berlin ansässige Firmen ließen sich in Westdeutschland ins Handelsregister eintragen (Deutsche Bank, Dresdner Bank, Gothaer Versicherungen, AEG, Telefunken) Neugründung der Firma in Westdeutschland durch Mitarbeiter eines SBZ-Unternehmens (Auto-Union in Ingolstadt) Umwandlung von Zweigbetrieben/ Tochtergesellschaften eines SBZ-Unternehmens zu einem selbständigen Unternehmen im Westen (Siemens) Teilweise oder vollst. Übernahme von SBZ-Unternehmen durch westdeutsche Unternehmen Verlagerung von Zweigbetrieben/ Tochtergesellschaften westdeutscher Unternehmen aus der SBZ/ Ost-Berlin nach Westdeutschland (BMW-Werk Eisenach) Prof. Dr. Nikolaus Wolf FU Berlin, Sommer 2006

Unternehmensverlagerungen Die Verlagerungen fanden in drei Phasen statt: Bis Juli 1945 als Reaktion auf den Vormarsch der Roten Armee Vor allem Banken (Deutsche Bank) und große Konzerne (Siemens) verlagerten ihre Unternehmenssitze und Produktion rasch, da sie die weitere Entwicklung besser abschätzen konnten Zum Teil wurden diese Verlagerung von amerikanischen Dienststellen erzwungen/ gefördert, insbesondere bei Technologieunternehmen (Siemens& Halske, Telefunken, Junkers-Flugzeugwerke Dessau, IG-Farben Werke Bitterfeld und Leuna, Teile der Zeiss-Gruppe) Prof. Dr. Nikolaus Wolf FU Berlin, Sommer 2006

Unternehmensverlagerungen 1946-49 als Reaktion auf die Systemtransformation in der SBZ und allmähliche Schließung der innerdeutschen Grenze Durch zunehmende Beschlagnahmungen und Enteignungen, bzw. die Tatsache dass Versicherungsunternehmen und Banken die Betätigung untersagt wurde, wanderten ab 1946 immer mehr Unternehmen in den Westen ab Anders als viele der Verlagerungen 1945 waren diese Bewegungen als dauerhafte Abwanderung angelegt Nach 1949 Abwanderung von Nachzüglern Prof. Dr. Nikolaus Wolf FU Berlin, Sommer 2006

Unternehmensverlagerungen Der gesamte Umfang der Unternehmensverlagerungen ist schwer einzuschätzen, dokumentiert sind nur die Verlagerungen von Unternehmenssitzen aus der SBZ und Ost-Berlin nach West-Berlin und in die Westzonen, und dies nur für Industrebetriebe “Zugewandertenbetriebe” definiert als Betriebe deren Inhaber aus der SBZ zugewandert ist oder an deren Kapital Zugewanderte zu mehr als 50% beteiligt sind (daneben wurden auch „Flüchtlingsbetriebe“ erfasst) September 1953 gab es in der BRD 3436 Zugewandertenbetriebe mit ca. 190000 Beschäftigten, darunter 32000 Beschäftigte im Maschinenbau 33000 Beschäftigte in der Elektrotechnischen Industrie 10000 Beschäftigte in der Fahrzeugindustrie 27000 Beschäftigte in der Textilindustrie Insgesamt fanden Verlagerungen va. In Bereichen statt, die in Westdeutschland im Vergleich zur SBZ unterrepräsentiert waren Prof. Dr. Nikolaus Wolf FU Berlin, Sommer 2006

Unmittelbare Folgen der Abwanderung Die Abwanderung von Menschen und Unternehmen hat die Leistungsfähigkeit der SBZ (und der Ostgebiete) langfristig stark geschwächt Ende der Arbeitsteilung: Industriekomplexe (Unternehmen und ihre Zulieferer) wanderten zum Teil geschlossen nach Westdeutschland aus und machten Westdeutschland langfristig von Importen in diesen Bereich unabhängig Beschleunigter Sektoraler Wandel: der Zustrom von mehreren Millionen Arbeitskräften nach Westdeutschland beschleunigte den sektoralen Wandel und damit das Wachstum der Arbeits- und Totalen Faktorproduktvität Verlust an Humankapital: insbesondere Fachkräfte aus Sachsen, Ost-Berlin, dem Sudetenland, Industriegebieten um Breslau etc. wanderten mit den Unternehmen ab; das betraf auch zahlreiche Dienstleister (Rechtsanwälte, Ärzte, Handelsunternehmer, etc.) Verlust an Anlagekapital: schwer quantifizierbar sind die Verluste an Anlagekapital, insgesamt waren sie für die SBZ aber vermutlich umfangreicher als die Demontagen Prof. Dr. Nikolaus Wolf FU Berlin, Sommer 2006

Innerdeutsche Grenze und Marktzugang Die Errichtung einer innerdeutschen Grenze veränderte auch die Geographie innerhalb der einzelnen Teile indem grenznahe Gebiete auf beiden Seiten der Grenze überproportionale Verluste an Marktpotential erlitten Sowohl der Zugang zu Absatzmärkten als auch der Zugang zu Zulieferern wurde beschnitten Dieser Vorgang ist auch deshalb interessant, weil die Teilung wie ein exogener Schock auf regionales Marktpotential wirkte:  Teilung als Experiment um die Bedeutung von Marktpotential für regionale Entwicklungen zu testen (Redding/ Sturm 2005) Prof. Dr. Nikolaus Wolf FU Berlin, Sommer 2006

Die Teilung als Experiment Bevölkerungsentwicklung in großen deutschen Städten als Proxy für allgemeine wirtschaftliche Entwicklung in diesen Städten: Reallöhne in dynamischen Städten höher, Stadtwachstum durch Wanderungsbewegungen Sind westdeutsche Städte in Nähe zur innerdeutschen Grenze nach 1945 systematisch langsamer gewachsen als Städte die weit von der innerdeutschen Grenze entfernt waren? Wenn ja, ist dies ein deutlicher Hinweis für die Bedeutung von Marktpotential für wirtschaftliche Entwicklung Schätze Popgrowth(it) = d(i) + b1*Border(i)+b2*(Border(i)*Division(t))+error Prof. Dr. Nikolaus Wolf FU Berlin, Sommer 2006

Prof. Dr. Nikolaus Wolf FU Berlin, Sommer 2006

Prof. Dr. Nikolaus Wolf FU Berlin, Sommer 2006

Redding/ Sturm (2005) Prof. Dr. Nikolaus Wolf FU Berlin, Sommer 2006

Die Teilung als Experiment Die Teilung führt zu einer Reduzierung der durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate um etwa 0,8 Prozentpunkte  nach 38 Jahren (1950-1988) ist die Bevölkerung in westdeutschen Städten die nahe (<75 km) an der innerdeutschen Grenze lagen um 35% relativ zu anderen westdeutschen Städten gesunken Der Effekt nahm im Zeitablauf ab und war stärker für Städte sehr nahe an der Grenze als für Städte die weiter von der Grenze entfernt waren Prof. Dr. Nikolaus Wolf FU Berlin, Sommer 2006

Langfristige Folgen der Teilung 1989 wurde die innerdeutsche Grenze geöffnet, Menschen (und Kapital) konnten sich seit 1990 wieder frei bewegen Ist damit die deutsche Teilung rückgängig gemacht? Offenbar nicht. Unterschiede im Lebensstandard sind persistent, Städte an der innerdeutschen Grenze verlieren keine Menschen mehr, wachsen aber auch nicht schneller als andere Städte Warum? Die Angleichung der Institutionellen und technischen Rahmenbedingungen braucht Zeit (Infrastruktur etc) Asymmetrie der Schocks: Die „Wiedervereinigung“ war für die DDR mit dem fast vollständigen Verlust ihrer Märkte im Osten verbunden (ua. durch die Einführung der DM) Die Anreize zur Unternehmensverlagerung 1945/46 waren deutlich höher als 1989/90, unter anderem Folge von kumulativen Effekten der Standortwahl Prof. Dr. Nikolaus Wolf FU Berlin, Sommer 2006

Langfristige Folgen der Teilung Beispiel Flughäfen (Redding/ Sturm/ Wolf 2005): bis 1939 war Berlin Deutschlands größter Flughafen, seit 1958 ist Frankfurt/ Main der größte Flughafen Nach 1990 keinerlei Tendenz, dass sich das ändert: Frankfurt wächst weiterhin schneller als Berlin Die Hauptursache ist die Netzwerkstruktur der Luftfahrtindustrie Der größte Flughafen eines Staates ist groß, weil er eine „hub“-Funktion hat: Menschen fliegen nach Frankfurt/ Main weil sie dort in andere Maschinen umsteigen, vor 1939 flogen sie nach Berlin Durch die deutsche Teilung verlor Berlin seine Stellung als „hub“, insbesondere weil die größte deutsche Fluggesellschaft (Lufthansa) ihren Unternehmenssitz sowie Serviceeinrichtungen in den Westen verlegte Seit 1958 profitierte Frankfurt von der Dynamik des internationalen Luftverkehrs und expandierte enorm Damit verbunden waren Milliarden versunkener Kosten, die heute eine Abwanderung aus Frankfurt verhindern Zudem stellt die Verlagerung eines hub der von mehreren Fluggesellschaften betrieben wird ein Koordinationsproblem dar Prof. Dr. Nikolaus Wolf FU Berlin, Sommer 2006

Langfristige Folgen der Teilung Redding/ Sturm/ Wolf (2005) Prof. Dr. Nikolaus Wolf FU Berlin, Sommer 2006

Zusammenfassung Die Teilung Deutschlands hatte umfangreiche Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung Der Westen profitierte insgesamt vom Zustrom von Arbeitskräften, Humankapital und Anlagekapital im Rahmen von Fluchtbewegungen und Unternehmensverlagerungen Umgekehrt waren diese Verluste für die Wirtschaft der SBZ vermutlich größer als die Verluste im Rahmen der Demontagen Innerhalb der Teilgebiete wurde die wirtschaftliche Entwicklung massiv durch Nähe zur innerdeutschen Grenze bzw. Veränderungen im Marktzugang einzelner Regionen beeinflusst Die meisten dieser Effekte blieben auch nach Ende der Teilung persistent, unter anderem auf Grund von Netzwerkstrukturen und externen Effekten innerhalb der Industrie, die eine Rückverlagerung erschweren bzw. unmöglich machen Prof. Dr. Nikolaus Wolf FU Berlin, Sommer 2006