WINTER Das Sanktionensystem nach der FinStrG-Novelle 2010 Template

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WINTER Das Sanktionensystem nach der FinStrG-Novelle 2010 Template Finanstrafrechtliche Tagung Linz 2012 Template Univ.-Prof. Dr. Andreas Scheil

WINTER 01 Template 1999 - 2010 I. AbgÄG 1998 (FinStrG-Nov 1998) EBRV: Das EU-Finanzschutzübereinkommen verlangt “wirksame, angemessene und abschreckende Strafen” und die Auslieferung bei Schadensbetrag ab 50.000 ECU; § 11 Abs 1 ARHG: Auslieferung nur bei Strafdrohung von mehr als 1 Jahr Freiheitsstrafe. Die Freiheitsstrafdrohungen der §§ 33, 35 und 37 Abs 1 FinStrG werden bei Gerichtszuständigkeit von 1 auf 2 Jahre; und bei erschwerenden Umständen (eU) wie Gewerbsmäßigkeit von 1 ½ auf 3 Jahre verdoppelt - im verwaltungsbehördlichen FinStR (verwFinStrR) bei Spruchsenatszuständigkeit weiterhin Freiheitsstrafe (FS) bis 3 Monate. Bei dieser Gelegenheit werden auch die Ersatzfreiheitsstrafdrohungen für die Geldstrafe (GS) und Wertersatzstrafe (WES) bei eU von 1 auf 1 ½ Jahre erhöht - im vwbFinStrR bei Spruchsenatszuständigkeit weiterhin Ersatzfreiheitsstrafe (EFS) bis 3 Monate, bei Zuständigkeit des Einzelbeamten bis 6 Wochen. Wegen der Erhöhung der Drohung der FS bei eU wird die Geldstrafdrohung vom Vierfachen auf das Dreifache des strafbestimmenden Wertbetrags herabgesetzt. EBRV: Anhebung der Freiheitsstrafdrohungen “derzeit ausreichend” Template

WINTER 02 Template 1999 - 2010 II. StReformG 2005 EBRV: Die Regierung will “auf Grund von Äußerungen von Tätern erfahren” haben, dass sie Abgabenhinterziehung dem Betrug vorzögen, und zwar wegen der im Vergleich zum StGB niedrigeren Freiheitsstrafdrohungen des FinStrG. Die Freiheitsstrafdrohung (und die Ersatzfreiheitsstrafdrohung für die GS und die WES) werden bei eU und ab einem stbWB > 500.000 Euro von 3 auf 5 Jahre (bzw von 1 ½ auf 2 Jahre) erhöht – Anlass: Umsatzsteuerkarusselle. EBRV: “strafrechtliche Konsequenzen steuerlichen Fehlverhaltens sollen deutlicher als bisher vor Augen geführt werden“ Dazu wird bei den Finanzvergehen, deren Geldstrafdrohung von einem strafbestimmenden Wertbetrag (stbWB) abhängt, eine Mindestgeldstrafdrohung in Höhe von 10 Prozent des Höchstmaßes eingeführt, die nur aus “besonderen Gründen” unterschritten werden darf (beträchtliches Überwiegen der Milderungsgründe, Fehlen spezialpräventiver Erfordernisse). Template

1999 - 2010 03 WINTER III. Wachstums- und Beschäftigungsgesetz 2005 EBRV: Anhebung der FS-Drohung auf 5 Jahre eineinhalb Jahre zuvor lässt angesichts der sich munter weiterdrehenden Umsatzsteuerkarusselle „den Schluss zu, dass die Präventivwirkung der geltenden Strafdrohungen nicht ausreichend ist“, es soll „ein weiterer Schritt in Richtung effizientere Betrugsbekämpfung gesetzt werden.“ Deshalb wird die FS-Drohung bei eU ab einem stbWB > 3 Millionen Euro auf 7 Jahre erhöht. Template

WINTER 04 Template 1999 - 2010 IV. AbgÄG 2005 EBRV: Das Zweite Protokoll zum EU-Finanzschutzübereinkommen verpflichtet zur Verantwortlichkeit der juristischen Person bei Fiskaldelikten zu Lasten der EU und zu Gunsten eines Verbandes der juristischen Person. Deshalb wird für juristische Personen, eingetragene Personengesellschaften und Europäische wirtschaftliche Interessensvereinigungen die Verbandsgeldbuße (VbGB) eingeführt, die wie die Geldstrafe zu bemessen ist, und daher bis zum Zweifachen und bei eU bis zum Dreifachen des stbWB ausmachen kann. Template

1999 - 2010 05 WINTER V. Zwischenbilanz Vermögensstrafdrohungen Fall: gewerbsmäßiger Schmuggel von Edelsteinen (Wert: 70 Mio €, stbWB: 15 Mio €) unter Mitwirkung einer Speditions GmbH Template 03 130 Mio € 160 Mio €

1999 - 2010 06 WINTER V. Zwischenbilanz Freiheitsstrafdrohungen „Aus vier mach´ elf!“ Template 03

07 1999 - 2011 VI. Sanktionspraxis (1999 bis 2011) 1. Geld- und Freiheitsstrafen - Strafgerichte 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 sum % Verurteilte 222 225 231 198 187 173 164 172 155 179 193 195 ? 2294 100 nur Geldstrafe 205 197 163 152 149 161 131 165 162 170 2023 88 auch Freiheitsstrafe 17 20 34 35 24 18 14 11 13 31 25 266 12 ~ un-/teilbedingt 185 183 153 154 147 140 157 124 133 156 1881 82 ~ bedingt 10 9 5 4 7 8 122 ~ unbedingt 6 15 111 ~ teilbedingt 1 2 26 19 16 3 125 ~ unbed. > 1 J - 0,38 ~ bed. > 1 J 0,19 Von 1999 bis 2009: Nur jeder 262. Verurteilte erhält eine unbedingte Freiheitsstrafe; und nur jeder 525. Verurteilte eine bedingte Freiheitsstrafe von mehr als 1 Jahr.

08 1999 - 2011 2. Geldstrafen 2009/2010 - Strafgerichte 193/195 Verurteilte 162/170 nur Geldstrafe 8/14 davon bedingt nachgesehen 154/156 un-/teilbedingte Geldstrafe; davon 1/0 bis 1.000 € 1/0 1.001 bis 5.000 € 0/0 5.001 bis 10.000 € 0/0 10.001 bis 25.000 € 1/1 25.001 bis 50.000 € 151/155 oder 98 % bzw 99 % aller un-/teilbedingten Geldstrafen > 50.000 € 30.084/30.237 verurteilte Erwachsene nach dem StGB 10.454/10.027 Geldstrafe (35/33 %) 7.965/7.799 unbedingte Geldstrafe (27/26 %) 127/112 oder 1,6% bzw 1,4 % aller unbedingten Geldstrafen > 50.000 €

1999 - 2011 09 3. Ersatzfreiheitsstrafe, gemeinnützige Leistungen, elektronisch überwachter Hausarrest - Strafgerichte und Finanzstrafbehörden 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Ersatzfreiheitsstrafe (Justizanstalten) 471 516 522 502 455 475 Hafttage insgesamt 11.122 11.748 10.859 8.922 7.152 8.870 Kosten 100 € / Tag 1.112.200 1.174.800 1.085.900 892.200 715.200 887.000 verwaltungsbeh. FinStrR 402 450 480 467 438 447 Hafttage 6.057 7.318 7.535 6.671 6.067 6.569 durchschnittl. Dauer EFS 15 16 14 gerichtliches FinStrR 69 66 42 35 17 28 5.065 4.430 3.324 2.251 1.085 2.301 73 67 79 64 82 Gemeinnützige Leistungen - gerichtliches FinStrR   statt EFS / Personen 93 109 87 Dauer der EFS (Median) / Tage 62 90 Vermiedene Hafttage 5.956 5.847 4.919 1.340,25 vermiedene Haftkosten € 595.600 584.700 491.900 134.025 Elektronisch überwachter Hausarrest – verwbeh. und gerichtliches FinStrR Freiheitsstrafe 3 Ersatzfreiheitsstrafe 4 46 7

1999 - 2011 10 4. Ersatzfreiheitsstrafe, gemeinnützige Leistungen, elektronisch überwachter Hausarrest (nur gerichtliches Finanzstrafrecht) 2006 2007 2008 2009 2010 2011 un-/teilbedingte GS (ohne bedingte GS) 168 148 167 185 181 ? Ersatzfreiheitsstrafe 69 66 42 35 17 28 % 41 45 25 19 9 Gemeinnützige Leistung 93 109 87 64 56 59 48 Elektron. Hausarrest 3 7 2 EFS und Surrogate in % 81 78 54 Geldstrafe bezahlt in % 55 22 46 Auf die von 2006 bis 2010 zu einer un-/teilbedingten Geldstrafe 849 Verurteilten kommen 229 Ersatzfreiheitsstrafen, 289 gemeinnützige Leistungen und 3 elektronisch überwachte Hausarreste. 61 % der un-/teilbedingten Geldstrafen werden (ganz oder zum Teil) durch Ersatzfreiheitsstrafe, gemeinnützige Leistungen und elektronischer Hausarrest verbüßt, in 39 % der Fälle wird die un-/teilbedingte Geldstrafe vollständig entrichtet.

11 FinStrG-Nov 2010 VII. FinStrG-Nov 2010 Von dieser Novelle betroffen sind nur die Sanktionen des gerichtlichen Finanzstrafrechts (gerFinStrR), und zwar von den Vermögensstrafen die Geldstrafe und die Verbandsgeldbuße; nicht der Verfall (V) und die Wertersatzstrafe; und von den freiheitsentziehenden Sanktionen die Freiheitsstrafe, nicht aber die Ersatzfreiheitsstrafe. Bis zur FinStrG-Nov 2010 waren die GS und EFS die Hauptstrafen; der V, die WES, die VbGB und die FS waren Nebenstrafen. Bei den durch die FinStrG-Nov 2010 neu geschaffenen Finanzverbrechen (§§ 38a Abs 2 lit a, 39) ist die FS die Hauptstrafe und die GS, der V, die WES und die EFS sind bei ihnen nur Nebenstrafen.

12 FinStrG-Nov 2010 1. Sanktionen der Finanzverbrechen (§ 38a, 39) A. Begehung eines Schmuggels, einer Abgabenhinterziehung usw als Mitglied einer Bande; oder eines Schmuggels mit Waffen („unter Gewaltanwendung“) bei Gerichtszuständigkeit (§ 38a Abs 2 lit a) Hauptstrafe: FS bis 5 J (stbWB > 100.000/50.000 €) Nebenstrafen: GS bis 1,5 Mio €, wenn die verhängte FS ≤ 4 J* VbGB bis 3 X stbWB

13 FinStrG-Nov 2010 B. Abgabenbetrug (§ 39 Abs 3 lit a bis c) lit Hauptstrafe: a. FS bis 3 J (stbWB > 100.000/50.000 bis 250.000 €) b. FS 6 Mon bis 5 J (stbWB > 250.000 bis 500.000 €) c. FS 1 J bis 10 J (stbWB > 500.000 €) Nebenstrafen: a. GS bis 1 Mio € und VbGB bis 2,5 Mio € b. GS bis 1,5 Mio €, allerdings nur, wenn FS ≤ 4 J*; und VbGB bis 5 Mio €* c. GS bis 2,5 Mio €, allerdings nur wenn FS ≤ 8 J*; und VbGB bis 4 X stbWB* ~ Kriterien für die Kumulierung FS mit einer GS (Wucher §§ 154 f StGB: „Gewinnsucht“)? Stammfassung FinStrG kannte auch diese Kumulierung, 1975 abgeschafft zugunsten der nur der GS („Schädlichkeit kurzer FS“) ~ Sinn der * “4/5-Regel“: Sollen „Defizite“ einer FS ≤ 4/5 der Höchststrafdrohung mit (um 0,5/1,5 Mio €) „höherer“ GS kompensiert werden? ~ Warum hängt *VbGB der lit c doch vom stbWB ab? ~ Wie sind die Diskrepanzen der *VbGB der lit c (4 X 500.001 stbWB) = 2 Mio und 4 € und *lit b = VbGB bis 5 Mio € (bei stBW zB 250.001 €) zu lösen? Teleologische Reduktion, immer nur höchstens 4 X stbWB.

FinStrG-Nov 2010 14 a. Verhängung von Geldstrafen anstelle von Freiheitsstrafen nach § 37 StGB (laut § 15 Abs 4 „sinngemäß“ anzuwenden) Kriterien für die „Umwandlung“ der FS in eine GS: Bei FS-Drohung bis 5 J muss eine FS von nicht mehr als 6 Mon in eine GS umgewandelt werden, sofern nicht general- oder spezialpräventive Gründe dagegen sprechen. Bei FS-Drohung bis 10 J (Abgabenbetrug mit stbWB > 500.000 €) überdies nur bei „besonderen Gründen“ (Umstände nahe am Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund). Da die nach dem FinStrG verhängten GS weit höher sind als die nach dem StGB, wird es aus spezialpräventiven Gründen (fast) nie einer kurzen FS zur „Warnung“ bedürfen; und aus generalpräventiven Gründen nur dann und nur solange, als Finanzstraftaten (lokal) besonders häufig auftreten.

FinStrG-Nov 2010 15 b. ao Strafmilderung der Freiheitsstrafe nach § 41 StGB (laut § 15 Abs 4 „sinngemäß“ anzuwenden) Die Mindestfreiheitsstrafdrohungen des Abgabenbetrugs (6 Mon/1 J bei stbWB > 250.000/500.000 €) sind bei beträchtlichem Überwiegen der Milderungsgründe (Schadensgutmachung, Kooperation bei Aufklärung, reumütiges Geständnis, untergeordnete Tatbeteiligung) und bei Aussicht auf Nichtrückfall (§ 41 Abs 1 Z 4, 5 StGB) zu unterschreiten bis zur Mindeststrafe von 1 Tag/1 Mon. In Verbindung mit § 37 StGB ist eine FS von nicht mehr als 6 Mon dann in eine GS umzuwandeln.

16 FinStrG-Nov 2010 2. Sanktionen der Finanzvergehen ieS A. Finanzvergehen ieS mit Geldsummenstrafdrohungen a. Abgabenhinterziehung; Schmuggel und Hinterziehung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben; vorsätzliche Abgabenhehlerei (§§ 33 Abs 5, 35 Abs 4, 37 Abs 2) Hauptstrafe: GS bis 2 X stbWB Nebenstrafe: FS bis 2 J (FS immer nur, wenn aus general- /spezialpräventiven Gründen erforderlich - § 15 Abs 2) VbGB bis 2 X stbWB Bei Gewerbsmäßigkeit (§ 38 Abs 1) Hauptstrafe: GS bis 3 X stBW Nebenstrafe: VbGB bis 3 X stBW FS bis 3 J (stbWB > 100.000/50.000 bis 500.000 €) FS bis 5 J (StbWB > 500.000 €) Die FS bis zu 7 Jahren (seit 2006), wenn stbWB > 3 Mio Euro, wieder abgeschafft. Laut EBRV werden diese Finanzstraftaten „in der Regel“ ohnedies unter den Tatbestand des Abgabenbetrugs fallen.

FinStrG-Nov 2010 17 b. Fahrlässige Abgabenverkürzung; Verzollungsumgehung, fahrlässige Verkürzung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben; fahrlässige Abgabenhehlerei (§§ 34 Abs 4, 36 Abs 3, 37 Abs 3) Hauptstrafe: GS bis 1 X stbWB Nebenstrafe: VbGB bis 1 X stbWB

FinStrG-Nov 2010 18 B. Finanzvergehen ieS mit absoluten Strafdrohungen (keine FS): Geldstrafdrohungen (20 € bis …) Vorsatz Fahrlässigkeit Faktor § 43 Abs 3, 4 (2010) GS 100.000 € 50.000 € 2 § 29 MOG 2007 GS 72.670 € 36.340 € 2 § 48b Abs 2 (2008) GS 50.000 € 5.000 € 10 § 48a Abs 2 (2008) GS 40.000 € 4.000 € 10 § 85 AußHG 2011 GS 20.000 € 10.000 € 2 § 48 Abs 2 (2008) GS 20.000 € 5.000 € 4 § 8 ArtenHG 2009 GS 20/40.000 € 10/20.000 € 2 § 5* (2010) GS 20/40.000** € 10.000 € 2 § 91 AlkStG 1995 GS 15.000 € 8.000 € 1,875 § 7 PPG 2004 GS 15.000 € 4.000 € 3,75 ~ Die Höchstgeldstrafdrohungen sind – trotz Vergleichbarkeit der Delikte – ungleich hoch und die Faktoren des Verhältnisses zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit auch ungleich. Fraglich, ob das sachlich gerechtfertigt ist. * Bundesgesetz über Produkte, deren Ein- und Ausfuhr sowie Inverkehrbringen aus Tierschutzgründen verboten ist ** Bei Gewerbsmäßigkeit Verdoppelung der Grundstrafdrohung, § 38 FinStrG Verdreifachung

19 FinStrG-Nov 2010 3. Sanktionen der Finanzordnungswidrigkeiten Finanzordnungswidrigkeiten mit Geldsummenstrafdrohungen § 49 Abs 2 GS bis ½ stbWB § 49a Abs 1 GS bis 10 % stbWB § 49a Abs 3 GS bis 10 % stbWB, aber maximal 20.000 € ~ Warum limitiert § 49a Abs 3 die Geldstrafe bei Unterlassung der Mitteilung von personenbezogenen Daten des Leistungserbringers im Zusammenhang mit einer Auslandszahlung von mehr als 100.000 € mit 20.000 € im Gegensatz zur Unterlassung der Schenkungsmeldung nach § 49a Abs 1, bei der es nicht einmal um die Überprüfung der korrekten steuerlichen Behandlung der Schenkung geht? B. Finanzordnungswidrigkeiten mit absoluten Geldstrafdrohungen §§ 50, 51 GS bis 5.000 € § 7 Abs 2 PPG 2004 GS bis 3.625 € § 8 Abs 5 ArtHG GS bis 1.000 €

FinStrG-Nov 2010 20 4. Die Abschaffung der ao Strafmilderung bei der GS im gerichtlichen FinStR (§ 23 Abs 4 FinStrG) Nur mehr im verwFinStR darf bei Finanzvergehen, deren Strafdrohung sich nach einem stbWB richtet, die Mindestgeldstrafdrohung (10 % der Höchstgeldstrafdrohung) „aus besonderen Gründen“ unterschritten werden (§ 23 Abs 4). ~ Ist der Ausschluss der „ao Strafmilderung“ bei der GS im gerFinStrR mit dem Schuldgrundsatz vereinbar? Nein. ~ Ist dieser Ausschluss im Hinblick auf die ao Strafmilderung der FS nach § 15 Abs 4 iVm § 41 StGB sachlich vertretbar? Vor allem im Lichte des Umstands, dass der ME FinStrGNov 2010 sogar den gänzlichen Wegfall der vor allem bei § 49 unerträglich strengen Mindestgeldstrafdrohung von 10 % vorgesehen hatte? Nein. § 11 Mineralölsteuergesetz 1995 sieht eine absolute Mindestgeldstrafe bei Abgabenhinterziehung/Abgabenverkürzung von 2.000/ 500 € vor, die auch im verwFinStrR nie unterschritten werden darf.

FinStrG-Nov 2010 21 5. Die bedingte Strafnachsicht der Geldstrafe (§ 26 Abs 1) Die GS darf im gerFinStrR nur noch bis zur Hälfte bedingt nachgesehen werden, der unbedingte Teil muss mindestens 10 % des stbWB betragen (§ 26 Abs 1), was angesichts der Mindestgeldstrafdrohung (10 % der GS-Drohung 2 oder 3 X des stbWB) ohnedies immer der Fall ist. ~ EBRV FinStrG-Nov 2010: „Damit wird ein Ungleichgewicht zwischen verwaltungsbehördlichem und gerichtlichem Strafverfahren gemildert“, obwohl gänzliche Beseitigung durch die bedingte Strafnachsicht auch im verwFinStrR möglich (Gnade § 187) und geboten gewesen wäre – 2011: 447 EFS und 46 elektr. Hausarreste = 493 Fälle, in denen GS unbezahlbar hoch. ~ EBRV Budgetbegleitgesetz-Justiz 2011 begründet die Abschaffung der vollständig bedingt nachgesehenen Geldstrafe (§ 43a Abs 1 StGB) mit der laut (Anm. Scheil: Ost-)“Rechtsprechung“ geringen Effektivität der niedrigen Geldstrafe und mit dem Ausschluss der bedingten Nachsicht bei der Diversion. „Beseitigung des Ost-West-Gefälles bei GS Teil 3“ nach Einführung der teilbedingten Nachsicht und des Nichtigkeitsgrunds „Verstoß gegen Strafbemessungsbestimmungen in unvertretbarer Weise“ – 2006 bis 2010 war Verhältnis bezahlter GS zu EFS+Surrogaten „39 zu 61“. Diese Ratio wird sich weiter zugunsten der EFS und ihre Surrogate verschieben.

FinStrG-Nov 2010 22 6. Die Erhöhung der Verbandsgeldbußdrohung bei Verhängung einer Freiheits(neben)strafe (§ 28a Abs 1) Die Drohung der VbGB erhöht sich auf das 1,5-fache, wenn über den Entscheidungsträger oder Mitarbeiter aus general- oder spezialpräventiven Gründen (§ 15 Abs 2) eine Freiheits(neben)strafe verhängt wird (§ 28a Abs 1). ~ EBRV: „Ausgleich für die nur bei natürlichen Personen mögliche Verhängung von Freiheitsstrafen aus präventiven Gesichtspunkten“ Ratio? Verbände sollen wohl keine Entscheidungsträger und sonstige Mitarbeiter anstellen; oder sonstige Mitarbeiter noch besser überwachen, wenn voraussehbar ist, dass diesen Personen gegenüber (Vorstrafe) ein spezialpräventives Freiheitsstrafbedürfnis besteht im Falle einer weiteren Finanzstraftat (diesmal) zugunsten des Verbands. Bei der Verhängung einer Freiheitsstrafe aus generalpräventiven Gründen empfehle ich so lange den Verzicht auf die Erhöhung der VbGB durch teleologische Reduktion des § 28a Abs 1, bis mir der Präventionszweck in diesem Fall plausibel erklärt wird.

23 FinStrG-Nov 2010 - Bilanz VIII. Bilanz FinStrG-Nov 2010 Es ist eine weitere Chance versäumt worden, von der antiquierten und systemimmanent ungerechten Geldsummenstrafe samt dem damit einhergehenden “Taxenunwesen” wegzukommen, das den “Vermögenden begünstigt und den Mittellosen beachteiligt” (EBRV StGB 1975), und das, wie für das gerichtliche FinStrR gezeigt, bereits in mehr als jedem zweiten Fall zur Nichtbezahlung der Geldstrafe und zur EFS und ihren Surrogaten führt. Der Umstieg auf das seit 1975 bewährte Tagessatzsystem des StGB, wäre ein Gebot der Stunde, weil es weit besser geeignet ist, die Schwere der Verfehlung zu verdeutlichen und die Verschiedenheit der wirtschaftlichen Verhältnisse der Bestraften angemessen zu berücksichtigen. Dadurch würde auch eine einfache und endlich transparente Festsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe möglich. Die Sanktionspalette ist bunter geworden, wegen der fehlenden Handlungsanleitungen an die Richter insbesondere für die Kumulierung der Freiheitsstrafe mit der Geldstrafe aber auch intransparenter. Die Verhältnisse der Sanktionen zueinander erwecken gelegentlich den Anschein, als ob sie ein Glückspielautomat “ausgespuckt” hätte.

24 FinStrG-Nov 2010 - Bilanz A. Vermögensstrafdrohungen - ab 2011 Es ist eine weitere Chance versäumt worden, die bedingte Strafnachsicht vor allem der GS in das verwaltungsbehördliche Finanzstrafrecht einzuführen. Dies wird so wie insbesondere die Beschränkung der bedingten Nachtsicht der Geldstrafe auf die Hälfte und in geringerem Maße die Abschaffung der ao Strafmilderung der Geldstrafe (10 %) im gerichtlichen FinStrR zu einem weiteren Ansteigen der Ersatzfreiheitsstrafe, der gemeinnützigen Leistungen und des elektronischen Hausarrests führen.

25 FinStrG-Nov 2010 - Bilanz B. Freiheitsstrafdrohungen – ab 2011 Der Abgabenbetrug mit seinen Freiheitsstrafen bis zu zehn Jahren wird im gerichtlichen Finanzstrafrecht voraussichtlich das Standarddelikt werden. “Aus vier mach´ elf” Jahre war die Zwischenbilanz des Gesetzgebers für die Jahre 1999 bis 2006 (7 J FS + 2 X 2 J EFS für GS und WES). “Aus vier mach´ zwölf” Jahre ist die Bilanz des Gesetzgebers für die Jahre 1999 bis 2011: 10 J FS + 2 J EFS für die WES oder 8 J FS + 2 J EFS für die GS und 2 J EFS für die WES. Was werden die Strafgerichte daraus machen?

26 FinStrG-Nov 2010 - Kritik Wird sich die FinStrG-Nov 2010 so wie die Reformen des letzten Jahrzehnts als Papiertiger herausstellen? Strafrecht, das nicht einmal die Rechtsanwender ernstnehmen, wird früher oder später auch von den Normadressaten nicht mehr ernstgenommen: „Der Bluff mit der schweren Strafe wirkt auf Dauer nicht!“

27 FinStrG-Nov 2010 - Kritik Oder werden wir gerade Zeugen einer Trendwende (zurück in die 60er oder gar 50er Jahre)? 1959 1969 1979 1989 1999 2009 Verurteilte 19 94 97 117 222 193 GS 1 21 78 100 205 162 FS 18 73 17 31 Anteil GS % 5 22 80 85 92 84 Anteil FS % 95 20 15 8 16

28 FinStrG-Nov 2010 - Kritik Eines freilich ist gewiss: Auch die FinStrGNov 2010 scheint von der kriminalpolitischen Vorstellung geleitet gewesen zu sein, dass Kontrolldelikte wie die Abgabenhinterziehung, der Schmuggel, die Hinterziehung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben und der Abgabenbetrug mit immer noch höheren Geld-, Freiheitsstraf- und Verbandsgeldbußdrohungen, um ein Lieblingswort diverser Regierungsvorlagen zu verwenden, “effektiv” verhindert werden können. Auch geringe Strafen, wie Richard Obendorf 1986 zB für die vollständig bedingt nachgesehene Geldstrafe nachgewiesen hat, sind zur Vermeidung des Rückfalls nicht weniger wirksam als unbedingte Geldstrafen usw. Die Vorstellung, dass sogar Kontrolldefizite, wie sie mit der Einsparung von Personalressourcen der letzten und kommenden Jahre im Bereich der Abgabenprüfungen und der Aufklärung von Finanzstraftaten usw einhergegangen sind und einhergehen werden, mit hohen und immer noch höheren Sanktionsdrohungen kompensiert werden könnten, ist ebenso grundfalsch. Diese Vorstellungen sind empirisch längst und zigfach und weltweit widerlegt, anscheinend aber unausrottbar.

29 „I lass´ mir mein´ Aberglaub´n durch ka Aufklärung raub´n“ Johann Nepomuk Nestroy, „Höllenangst“, 2. Akt, 17. Szene, Uraufführung Wien 1849