Möglichkeiten und Grenzen der Systemtherapie bei Hochkonfliktfamilien Referat von Prof. Dr. med Wilhelm Felder im Rahmen des Abschiedssymposiums für Dr.

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Dr. Peter Dobmeier Lech-Mangfall-Kliniken gGmbH
Advertisements

Sag Nein zur Gewalt gegen Frauen
Stiftung in der Region Biberach
Gliederung 3.1. Die besonderen Lebensverhältnisse Alleinerziehender
Umfrage zum Thema Taschengeld
Jugendhilfeplanung Planungsaufgabe eines Jugendamtes
Kindeswohlsicherung in den Einrichtungen für Mütter/ Väter und ihre Kinder in Lotte   Zielgruppe: Eltern mit psychischen Erkrankungen.
Schöne schlanke Welt???.
Erwerb von sozialer Kompetenz
Die Auswirkungen der ehelichen Konflikte und der Scheidung der Eltern auf das Wohlbefinden der Kinder HS Interaktion in der Familie Prof. Dr. M. Wagner,
Anwendungsseminar: Kausale Modellbildung
Unzureichende Wahrnehmung / Diagnostik
Transmission des Scheidungsrisikos
Arbeitslosengeld 2 für Alleinerziehende
Entstehung von Süchten und Drogenmissbrauch durch Modell-Lernen
Evaluation eines Selbstbehauptungstrainings für Hortmädchen (WENDO-Evaluation) Barbara Klöver, Florian Straus München, 3. Juni 2003.
VIT 29 november 2008 Symbiose und Autonomie in der Paarbeziehung Margriet Wentink & Wim Wassink copyright: Interakt.
Freitag, 21. Februar Freitag, 21. Februar 2014.
Starke Eltern – Starke Kinder Mehr Freude mit Kindern!
Wenn ich in eine Psychiatrie komme. 1. Keine Antworten auf Fragen 2
Zielgruppenkonferenz „Sozialraumorientierte Präventionsarbeit mit Kindern und Jugendlichen in benachteiligten Stadtteilen“ 17. Oktober 2005 Gemeinsamkeiten.
Eva-Maria Engel Zentrum für Kinder- und Jugendforschung
Wort des Lebens Dezember
Warum haben Kinder Rechte?
Homosexuelle Familienplanung
Regenbogenfamilien Rechtliche Aspekte
Prävention sexueller Gewalt
Warum ist Vereinbarkeit ein Thema?
>waltan< = das spezifische Merkmal eines Herrschenden
Cluster 3 – Psychische Erkrankungen und Pension (inkl. Begutachtungen)
You need to use your mouse to see this presentation © Heidi Behrens.
Traurige Gesichter an Weihnachten?
Pädagogischer Tag Dr. med. Ute Tolks-Brandau
BUNDESINITIATIVE GROSSELTERN von Trennung und Scheidung betroffener Kinder 5. Jahrestreffen BIGE, Programm 11:00 Uhr Begrüßung BIGE Begrüßung Herr Ingo.
Kinderferien / Kinderferien für Kinder im Vorschulalter
„Scheidungswaisen“ Im Jahr 2006 trennten sich verheiratete Eltern von insgesamt Kindern, etwas weniger als drei Viertel davon (72,3 Prozent)
Elternwerkstatt 3. Abend
Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen als Chance für die ganze Familie Bundesverband e.V, Mai 2007 Anna Hoffmann-Krupatz An der stationären Vorsorge-
Kinderschutzgesetz – Inobhutnahmen – und was dann?
Scheidung und Schule Auswirkungen von Scheidung und Trennung auf Kinder bzw. Jugendliche – Relevanz für die Arbeit an der Schule © Hans-Gerd Gerhards.
Förderverein der Paul-Gillet-Realschule plus Edenkoben
Eltern-Zirkel Schule Gockhausen. Juni Was will der Eltern-Zirkel Informationsfluss zwischen Eltern und Schule fördern Zusammenarbeit bei Problemen.
Brückenjahr in Celle 2007 – the bridge of no return
Notieren Sie Assoziationen, die folgendes Foto bei Ihnen auslöst.
Willkommen zum Seminar
Sylvia Dreist, Dipl. Psychologin
Eine Initiative der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten und ADRA.
ÖFS-Tagung 2014: Familienunternehmen – Unternehmen Familie.
Beclin, Prodinger, Schuh
Generationenmanagement im Unternehmen
Systemische Verhaltenstherapie in der Tagklinik Westend / München
Schule in Asyl- und Flüchtlingsunterkünften TISG
Fachdienst Jugend und Familie
Welche Bedeutung hat das Ernährungsverhalten?
Schülerrat, Streitschlichter und Gewaltprävention
Die Rolle der Eltern im Berufswahlprozess ihrer Kinder
Gleichstark e.V. - Projekt Männerhaus-Harz
110. Dt. Ärztetag, , Münster Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin e. V. Prof. Dr. med. Dr. h. c. Dietrich Niethammer, Generalsekretär.
Konflikte zwischen Generationen
Referat am Thema: Familientherapeutisch- systemische Ansätze Seminar: ADS mit und ohne Hyperaktivität.
Die Angebote der Fachstelle XX
Eltern im Kinder- und Jugendfussball Eine Herausforderung mit der wir uns schwer tun! Stadtzürcher Fussballverband Themenabend vom 16. November 2015.
Zentrum Ambulante Suchtbehandlung
Mediation in Zivilrechtssachen
Moderne Familien in Deutschland und in Russland.
Schule „Komplex „Harmonie“ DSD-1 Der Einfluss von Computerspielen auf Jugendliche Vorgelegt von: Klasse: 10“A“ Betreuer: Frau Grebneva, Deutschlehrerin.
1 Ambulante Erziehungshilfen Seckinger Ambulante Erziehungshilfen Fachliche Möglichkeiten und Grenzen 03. Juli 2013 »Fachtagung Bunte Vielfalt oder heilloses.
Organisiert vom unterstützt von der Verein. Interventionen Soforthilfe in Notsituationen Mein Sohn kommt nicht nach Hause, meine Tochter verschanzt sich.
DIE VERGESSENE MEHRHEIT Die besondere Situation von Angehörigen Alkoholabhängiger H. Zingerle, S. Gutweniger Bad Bachgart – Therapiezentrum zur Behandlung.
Das Strafantragsverhalten der Opfer häuslicher Gewalt.
 Präsentation transkript:

Möglichkeiten und Grenzen der Systemtherapie bei Hochkonfliktfamilien Referat von Prof. Dr. med Wilhelm Felder im Rahmen des Abschiedssymposiums für Dr. med. Madeleine Eggler

Auswirkungen des elterlichen Konfliktes auf Kinder Wirksamkeit der Systemtherapie Systemtherapie bei Hochkonfliktfamilien

Scheidungskinderstudie in Bern 2006 Einfluss des elterlichen Konfliktes auf die Kinder und Jugendlichen in der Scheidungsfamilie und in der Kernfamilie Andrea Zimmermann 2006

N= 1811 Lehrlingen jährig 472= 26 % Scheidung 1334 =74 % Kernfamilie

Konfliktausmass : 5 Stufen Konfliktinhalte: Loyalitätskonflikt Kindbezogene Inhalte Elternbezogene Inhalte Gewalt

Befindlichkeit der Kinder: Somatische Beschwerden Selbstwert Ärger

Kinder aus Scheidungsfamilien unterscheiden sich nicht signifikant von Kindern aus Kernfamilien bezüglich der gemessenen Befindlichkeitsaspekte.

Kinder, die einen hohen Konfliktwert der elterlichen Beziehung angeben, geben ebenfalls ein signifikant niedrigeres Wohlbefinden an als Kinder aus wenig gespannten elterlichen Beziehungen.

Die erfragten Konfliktinhalte (Loyaltät, Gewalt, elternbezogen, kindbezogen) Klären 11 % der Varianz der Befindlichkeit der Kinder auf.

Wir wissen aus vielen empirischen Studien und aus unserer klinischen Erfahrung, dass der elterliche Konflikt für Kinder ein Risikofaktor für die Entwicklung ist,

Wir wissen aus vielen empirischen Studien und aus unserer klinischen Erfahrung, dass der elterliche Konflikt für Kinder ein Risikofaktor für die Entwicklung ist, aber

Wir haben kaum ein evidenzbasiertes Wissen, wie in einer bestimmten Familie der Konflikt auf die einzelnen Familienmitglieder wirkt.

Im Einzelfall sind wir auf unser klinisch- therapeutisches «Allgemeinwissen» angewiesen.

Auswirkungen des elterlichen Konfliktes auf Kinder Wirksamkeit der Systemtherapie Systemtherapie bei Hochkonfliktfamilien

Kirsten von Sydow, Stefan Beher, Rüdiger Retzlaff, Jochen Schweizer Die Wirksamkeit der Systemischen Therapie/Familientherapie Hogrefe 2007

Erwachsenenpsychotherapie: 33 RCT; 27 erfolgreich Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen: 50 RCT; 44 erfolgreich

Weersing,Weisz 2002: Von 67 RCT messen lediglich 6 die vermuteten Mediatoren über den Therapieverlauf.

Weersing,Weisz 2002: Von 67 RCT messen lediglich 6 die vermuteten Mediatoren über den Therapieverlauf. Warum Therapien wirksam sind, wissen wir immer noch kaum.

Auswirkungen des elterlichen Konfliktes auf Kinder Wirksamkeit der Systemtherapie Systemtherapie bei Hochkonfliktfamilien

Franziska Gabaglio Emotionale und kommunikative Aspekte in hochstrittigen Familien Dissertation 2009

Charakteristiken von HKF –Die emotionalen Probleme der Eltern sind deutlich vordergründig –Partner sind unfähig/ nicht willens, kleinere Konflikte ohne Hilfe des Gerichts zu lösen –Mehrere Versuche, den Konflikt mit aussergerichtlichen Standardinterventionen zu beenden, sind gescheitert –Die Eltern beziehen die Kinder in die Paarkonflikte mit ein und die Beziehung zum anderen Elternteil wird belastet die Kinder tragen potentiell emotionale und physische Schäden davon Homrich, Muenzenmeyer-Glover & Blackwell-White, 2004

Einschlusskriterien Die Eltern leben getrennt oder geschieden. Die Familien werden vom Sozialdienst aufgrund von Besuchsrechtsstreitigkeiten betreut und / oder stehen unter einer Erziehungsbeistandschaft. Zwischen den Eltern besteht ein hohes Konfliktniveau. ( Einschätzung aufgrund 2 Expertenurteilen) Die Eltern müssen mindestens ein gemeinsames Kind im Alter von 0 bis 12 Jahren haben.

Ausschlusskriterien Hängiger Rekurs (z.B. gegen errichtete Beistandschaft) Geistige Behinderung des Index - Kindes Mangelnde Deutschkenntnisse der Elternteile und / oder der Kinder Stationärer psychiatrischer Aufenthalt eines Elternteils Vorliegende oder sich abzeichnende Gefährdungssituation eines oder mehrerer Kinder der Familie oder eines Familienmitglieds

Eltern mit Besuchsrechtskonflikten auf Sozialdienst Randomisierung Verfügung KIMÜbliches behördliches Vorgehen Studienteilnahme? ja nein InterventionsgruppeKontrollgruppe Übliches Vorgehen Studiendesign I Intervention KIM Einschätzung elterliches Konfliktniveau: 2 Expertenurteile

Familiendarstellung Ressourcenaufstellung Erfassen der problembelasteten intrafamiliären Erziehungsbereiche Erfassen der problembelasteten interfamiliären Bereiche Festlegen der Interventionsinhalte Diagnostik

Mutter- Kind-Familie Vater- Kind-Familie Interfamiliäre Intervention

Loyalitätskonflikt der Kinder Fokus auf die Bedürfnisse der Kinder Elterliche Verantwortung stärken Bedingungen für die Kontakte unter Einbezug der Kinder Ziel: Lösungen für die Besuche generieren, welche beide Elternteile akzeptieren können Interfamiliäre Intervention

In Mutter- Kind-Familie In Vater- Kind-Familie Intrafamiliäre Intervention

Analyse von Problemverhalten Interventionstechnik entsprechend des Problemverhaltens Ziel: Erziehungskompetenz der Elternteile fördern Intrafamiliäre Intervention

Ergebnisse 20% der Kinder keinen 40% unregelmässigen, 40 % regelmässigen Kontakt Rund die Hälfte der Eltern ist mit Höhe des Kindesunterhalts unzufrieden Mütter mit Sorgerecht zufrieden, Väter unzufrieden Mütter flexibler bei Kontakten als Väter Mütter mit Besuchsregelung zufriedener als Väter Mütter schätzen Beziehung des Kindes zum Vater besser ein als dies Väter für die Beziehung des Kindes zur Mutter tun. Eltern schätzen eigenes Erziehungsverhalten mit mehr positive Erziehung, weniger körperliche Bestrafung und weniger Inkonsistenz ein als jenes des Ex-Partners.

Ergebnisse Die Väter schätzten das Erziehungsverhalten der Mütter als inkonsistenter ein als die Mütter das Erziehungsverhalten der Väter Sowohl aus Sicht der Kinder wie aus Sicht der Eltern werden die Jungen belasteter eingeschätzt als die Mädchen.

Die Väter schätzten das Erziehungsverhalten der Mütter als inkonsistenter ein als die Mütter das Erziehungsverhalten der Väter Sowohl aus Sicht der Kinder wie aus Sicht der Eltern werden die Jungen belasteter eingeschätzt als die Mädchen. Es konnten keine signifikanten Interventionseffekte festgestellt werden.

M.Friedman 2004 The So-Called High-Conflict Couple: A Closer Look The American Journal of Family Therapy,32: ,2004

Es gibt Paare mit verstrickten Nachscheidungskämpfen.

Es gibt Paare mit asymmetrischen Nachscheidungskämpfen auf Grund der psychischen Störung (Persönlichkeitsstörung) eines Elternteils.

Es gibt Paare mit verstrickten Nachscheidungskämpfen Es gibt Paare mit asymmetrischen Nachscheidungskämpfen auf Grund der psychischen Störung (Persönlichkeitsstörung) eines Elternteils Es gibt Paare mit asymmetrischen Nachscheidungskämpfen, weil der obhutsberechtigte Elternteil den Umgangsberechtigten marginalisieren will.

Sind behördliche (und therapeutische) Interventionen an der Aufrechterhaltung des asymmetrischen Konfliktes ursächlich mitbeteiligt?

Sind behördliche (und therapeutische) Interventionen an der Aufrechterhaltung des asymmetrischen Konfliktes ursächlich mitbeteiligt? Lexigenic

M.Adams, S.Coltrane 2006 Framing Divorce Reform: Media,Morality and the Politics of Family Family Process, Vol 46, 1, 2006, 17-34

Analyse von Artikeln zum Thema Scheidung, Scheidungsgesetzgebung und Ehe in drei amerikanischen Tageszeitungen über ca. 40 Jahre

No-fault Divorce in Kalifornien 1969 (Abrücken vom Verschuldensprinzip)

Abrücken vom Verschuldensprinzip Paradigmawechsel: Vorher: Tritt eine soziale Störung auf, unter der ein Ehepartner oder beide leiden, darf der Staat eingreifen. Nachher: Scheidung ist ein Rechtsanspruch

No-fault Divorce in Kalifornien 1969 In der Folge: Mütter sind benachteiligt (Geld)

No-fault Divorce in Kalifornien 1969 In der Folge: Mütter sind benachteiligt (Geld) Väter sind benachteiligt (Geld, Umgangsrecht)

No-fault Divorce in Kalifornien 1969 In der Folge: Mütter sind benachteiligt (Geld) Väter sind benachteiligt (Geld, Besuchsrecht) Kinder sind die wahren Opfer

Mit der Argumentation, es gäbe im Scheidungsprozess eben doch Opfer, bekam die Scheidung wieder den Aspekt einer sozialen Störung, einer sozialen Ungerechtigkeit.

Beginnend ab 1996 mit deutlichem Anstieg ab 2001 standen Bemühungen um Aufrechterhaltung der Ehe und Ablehnung der Scheidung viel mehr im Vordergrund des öffentlichen Interesses als weitere Reformen der Scheidungsgesetzgebung.

Dieser Prozess ist nichts anderes als eine erneute soziale Stigmatisierung der Scheidungswilligen/Geschiedenen, an der wir Psy-Fachleute nicht unschuldig sind.