Planung und Ablauf empirischer Untersuchungen

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 Präsentation transkript:

Planung und Ablauf empirischer Untersuchungen SE Methoden I Sommersemester 2006 Judith Kast

Der Ablauf – fünf Hauptphasen Formulierung und Präzisierung des Forschungsproblems (Phase 1) Planung und Vorbereitung der Erhebung (Phasen 2-5) Datenerhebung (Phase 6) Datenauswertung (Phasen 7-8) Berichterstattung (Phase 9) Erstellung eines Forschungsplans ist ratsam!

Der Ablauf – fünf Hauptphasen Formulierung und Präzisierung des Forschungsproblems (Phase 1) Planung und Vorbereitung der Erhebung (Phasen 2-5) Datenerhebung (Phase 6) Datenauswertung (Phasen 7-8) Berichterstattung (Phase 9)

I. Formulierung und Präzisierung des Forschungsproblems (Phase 1) am Beginn einer empirischen Arbeit sollte ein klar definiertes Forschungsproblem stehen: Was genau möchte ich wissen? Relevante bzw. inspirierende Einflussgrößen können sein: wissenschaftliche Literatur eigene Ideen und Werturteile praktische Probleme Auftraggeber Deskriptive Fragestellung vs. Überprüfung von Hypothesen (evtl. sogar Replikationen)

Phase 1: Formulierung und Präzisierung d. Forschungsproblems Beispiel Phase 1: Formulierung und Präzisierung d. Forschungsproblems Bsp: Untersuchung einer Hypothese zum Energiesparverhalten Effekte des Umweltbewusstseins und der Anreizstruktur auf das tatsächliche Umwelthandeln intakte Umwelt als kollektives Gut individuelle Anreize Umwelthandeln: Sparen von Heizenergie in privaten Haushalten Anreizstruktur: Abrechnungsmodus - individuelle Abrechnung vs. Abrechnung nach Umlageregel

I. Formulierung und Präzisierung des Forschungsproblems (Phase 1) Beispiel I. Formulierung und Präzisierung des Forschungsproblems (Phase 1) Hypothese 1: Je höher der Grad des Umweltbewusstseins, desto größer sind die Bemühungen, Heizenergie zu sparen. Hypothese 2: Wenn in einem Mehr-Parteien-Mietshaus die Heizkosten verbrauchsabhängig abgerechnet werden können, dann sind die Energiesparbemühungen größer als bei kollektiver Heizkostenabrechnung. Art der Heizkostenabrechnung verbrauchsabhängig vs. Umlageregel Sparen von Heizenergie + H2 H1 Ausmaß des Umweltbewusstseins abhängige Variable unabhängige Variable

Der Ablauf – fünf Hauptphasen Formulierung und Präzisierung des Forschungsproblems (Phase 1) Planung und Vorbereitung der Erhebung (Phasen 2-5) Datenerhebung (Phase 6) Datenauswertung (Phasen 7-8) Berichterstattung (Phase 9)

II. Planung und Vorbereitung der Erhebung (Phasen 2-5) Phase 2: Konstruktion des Erhebungsinstruments Definition der Begriffe jene Begriffe, die in den Forschungshypothesen vorkommen, werden definiert Konzeptspezifikation die einzelnen Dimensionen der Begriffe werden herausgearbeitet Operationalisierung die Begriffe (bzw. deren Dimensionen und Variablen) werden messbar gemacht; verschiedene Mess- und Skalierungsmethoden stehen zur Verfügung

Phase 2: Konstruktion des Erhebungsinstruments Beispiel Phase 2: Konstruktion des Erhebungsinstruments Erhebungsinstrument: telefonische Befragung Dimensionen des Umweltbewusstseins: Bewertungs-, Wissens- und Handlungsbereitschaftsdimension Operationalisierung der Variable „Umweltbewertung“ Aussagen (Items), die jeweils zustimmend oder ablehnend beantwortet werden können Fünfer-Skalen (Likert-Methode) 1 2 3 4 5 Grad der Zustimmung überhaupt nicht voll Item C: „Wenn wir so weitermachen wie bisher, steuern wir auf eine Umweltkatastrophe zu“ Item F: „Nach meiner Einschätzung wird das Umweltproblem in seiner Bedeutung von vielen Umweltschützern stark übertrieben“

Phase 2: Konstruktion des Erhebungsinstruments Beispiel Phase 2: Konstruktion des Erhebungsinstruments Operationalisierung der Variable: Art der Heizkostenabrechnung „Werden bei Ihnen die Heizkosten für das ganze Haus gemeinsam abgerechnet und dann auf die einzelnen Haushalte umgelegt, oder werden die Heizkosten nach Ihrem persönlichen Verbrauch abgerechnet?“ Operationalisierung der Variable : Indikator für Energiesparen „Wenn Sie im Winter Ihre Wohnung für mehr als vier Stunden verlassen, drehen Sie da die Heizung ab oder herunter?“ demographische Variablen

II. Planung und Vorbereitung der Erhebung (Phasen 2-5) Phase 3: Festlegung der Untersuchungsform Untersuchungsebene abhängig von: Art der Hypothese bzw. Typ der Variablen Individualebene Kollektivebene Mehrebenenuntersuchung Zeitlicher Modus der Datenerhebung Querschnittserhebung Längsschnittserhebung Sonderfall: Kohortendesign Berücksichtigung einer Vergleichsgruppe Nicht-experimentelles Design Quasi-experimentelles Design Experimentelles Design

Phase 3: Festlegung der Untersuchungsform Beispiel Phase 3: Festlegung der Untersuchungsform Hypothese wird anhand von Querschnittsdaten überprüft Weitere (nicht berücksichtigte) Möglichkeiten: Panelstudie: um Veränderungen des Umweltbewusstseins im Zeitablauf zu erheben Vergleichsgruppen-Design Vorher-nachher-Erhebung: wenn Änderungen im Abrechnungsmodus geplant sind

II. Planung und Vorbereitung der Erhebung (Phasen 2-5) Phase 4: Bestimmung von Typ & Größe der Stichprobe Definition der Population (Grundgesamtheit) Art der Stichprobenziehung Stichprobe (Sample): eine Auswahl an Elementen aus der Grundgesamtheit Wahrscheinlichkeitsauswahl  Zufallssample Bewusste Auswahl  Quotensample Willkürliche Auswahl  willkürliche Stichprobe Umfang der Stichprobe Umfang und Art der Stichprobe hängen von den Forschungszielen und der Höhe des Forschungsetats ab

Phase 4: Bestimmung von Typ und Größe der Stichprobe Beispiel Phase 4: Bestimmung von Typ und Größe der Stichprobe Population: erwachsene Personen in der Region Bern, die in Haushalten mit Telefonanschluss leben Stichprobenziehung: Gewährleistung der Zufallswahl Verweigerungen und Nicht-Erreichbarkeit führen zu Abschöpfungsquote von 60-70 % Bruttostichprobe > tatsächliche Stichprobengröße „idealer“ Umfang der Stichprobe?

II. Planung und Vorbereitung der Erhebung (Phasen 2-5) Phase 5: Pretest Test des Erhebungsinstruments ein neu konstruiertes Erhebungsinstrument sollte einem Pretest unterzogen werden (oft auch zwei oder mehreren) zeigen sich darin Probleme, muss das Erhebungsinstrument entsprechend überarbeitet werden (zurück zu Phase 2)

Der Ablauf – fünf Hauptphasen Formulierung und Präzisierung des Forschungsproblems (Phase 1) Planung und Vorbereitung der Erhebung (Phasen 2-5) Datenerhebung (Phase 6) Datenauswertung (Phasen 7-8) Berichterstattung (Phase 9)

III. Datenerhebung (Phase 6) Die Daten werden mit der in der Untersuchung gewählten Erhebungsmethode erhoben. Kombinationen sind möglich. Befragung persönliches Interview Telefoninterview schriftliche Befragung Beobachtung teilnehmend vs. nicht-teilnehmend offen vs. verdeckt strukturiert vs. unstrukturiert Feld- vs. Laborbeobachtung Fremd- vs. Selbstbeobachtung Inhaltsanalyse Verhaltensspuren oder nicht-reaktive Verfahren

Phase 6: Datenerhebung Schulung des Mitarbeiterstabs Beispiel Phase 6: Datenerhebung Schulung des Mitarbeiterstabs die zu befragenden Haushalte etwa eine Woche vor dem Interview anschreiben den Befragten eine nachträgliche Information über die Forschungsergebnisse anbieten Abbau von Misstrauen Reduktion der Verweigerungsquote Feldkontrolle bei 20-40 % der Interviews

Der Ablauf – fünf Hauptphasen Formulierung und Präzisierung des Forschungsproblems (Phase 1) Planung und Vorbereitung der Erhebung (Phasen 2-5) Datenerhebung (Phase 6) Datenauswertung (Phasen 7-8) Berichterstattung (Phase 9)

IV. Datenauswertung (Phasen 7-8) Phase 7: Aufbau eines analysefähigen Datenfiles Datenerfassung Daten werden in eine analysefähige Form gebracht Fehlerkontrolle Fehlerbereinigung

IV. Datenauswertung (Phasen 7-8) Phase 8: Statistische Datenanalyse Umfang nicht zu unterschätzen Auswahl des geeigneten Verfahrens abhängig vom Messniveau der Variablen, das von der Konstruktion des Erhebungsinstrumentes bestimmt wird Datenanalyse umfasst Konstruktion von Indizes und Skalen, Itemanalyse Analyse der Verteilung einer Variable (univariate Analysen) Zusammenhangsanalysen (Untersuchung von Zusammenhängen zwischen zwei oder mehreren Variablen = bi- oder multivariate Analysen)

Phase 8: Statistische Datenanalyse Beispiel Phase 8: Statistische Datenanalyse Hypothese 1: wir vergleichen die Indexwerte der Umweltbewertung von Personen, die Heizenergie sparen (Wert: 3,7), mit Personen, die keine Sparbemühungen zeigen (Wert: 3,6) Durchschnittswerte der Umweltbewertung unterscheiden sich nur unwesentlich Statistischer Test zeigt, dass der Unterschied nicht signifikant ist

Phase 8: Statistische Datenanalyse Beispiel Phase 8: Statistische Datenanalyse 80% Zustimmung für Item C: „Wenn wir so weitermachen wie bisher, steuern wir auf eine Umweltkatastrophe zu“ Wir vergleichen nun, ob Personen, die dieser Aussage zustimmen, umweltbewusster handeln als jene, die die Aussage ablehnen oder indifferent sind. Auch hier zeigen sich keine Unterschiede. Zustimmung zu Item C ja nein Heizenergie sparen nein ja 51 23,4% 12 23,5% 39 76,5% 167 76,6% Hypothese 1 falsifiziert

Phase 8: Statistische Datenanalyse Beispiel Phase 8: Statistische Datenanalyse Hypothese 2: wir untersuchen den vermuteten Einfluss individueller Anreize auf das Sparen von Heizenergie deutlicher und statistisch signifikanter Effekt des individuellen Anreizfaktors auf die Bemühungen, Heizenergie zu sparen Umlageregel: 17,5% der Mieter verhalten sich umweltbewusst verbrauchsabhängige Abrechnung: 37%, mehr als doppelt so hoch Heizkostenabrechnung verbrauchs- Umlage abhängig Heizenergie sparen nein ja 33 17,5% 30 37,0% 51 63,0% 156 82,5%

Der Ablauf – fünf Hauptphasen Formulierung und Präzisierung des Forschungsproblems (Phase 1) Planung und Vorbereitung der Erhebung (Phasen 2-5) Datenerhebung (Phase 6) Datenauswertung (Phasen 7-8) Berichterstattung (Phase 9)

V. Berichterstattung (Phase 9) Erstellung des Forschungsberichts Darstellung der empirischen Resultate der Untersuchung Dokumentation der einzelnen methodischen Schritte in nachvollziehbarer Art und Weise evtl. Publikation in Fachzeitschriften Praktische Umsetzung der Forschungsergebnisse wenn praktisches Interesse gegeben ist oder die Studie Lösungsvorschläge für praktische Probleme untersucht hat Medien, Bürgerinitiativen, Politiker und sonstige Entscheidungsträger als Ansprechpartner

Danke für Eure Aufmerksamkeit! Judith Kast e-mail: judith.kast@wu-wien.ac.at