Privatrecht II Lektion 11 Die einzelnen Vertragsverhältnisse (Obligationenrecht, Besonderer Teil) Einführung (§ 8, I)
Übersicht zur Lektion 11 OR Allgemeiner Teil und Besonderer Teil (§ 8, I, A / G) Nominat- / Innominatverträge (§ 8, I, B) Dispositives / zwingendes Recht (§ 8, I, D) Qualifizierung des Vertrages (§ 8, I, C)
Obligationenrecht (OR) Allgemeiner Teil (AT) Besonderer Teil (BT) Entstehung der Obligationen - Vertragsschluss (Konsens) - Vertragsmängel (Gültigkeit) Wirkung der Obligationen - Richtige Erfüllung - Erfüllungsstörungen Erlöschen der Obligationen Einzelne Vertragstypen: Kaufvertrag Mietvertrag Arbeitsvertrag Werkvertrag Auftrag
Einteilung der gesetzlichen Vertragstypen Veräusserungs- verträge Gebrauchsüber- lassungsverträge Dienstleistungs- verträge Kauf Schenkung Tausch Miete/Pacht Leihe Darlehen Arbeitsvertrag Auftrag Werkvertrag
Das Verhältnis der Normen zwischen OR AT und BT (Normenkonkurrenz) Die Normen des OR BT ergänzen die Normen des OR AT. Die Normen des OR BT gehen den Normen des OR AT vor. „les specialis derogat legi generali“ „Anspruchskonkurrenz“
Das Verhältnis der gesetzlichen Vertragstypen zur Vertragsfreiheit Typenfreiheit gesetzlich nicht geregelte Verträge gesetzlich speziell geregelte Verträge Nominatverträge Innominatverträge
Arten von Innominatverträgen Gemischte Verträge Verträge sui generis Einheitliche Verträge, in denen Bestandteile verschiedener gesetzlicher Vertragstypen kombiniert werden. Verträge, die weder gesetzlich geregelt sind noch als typen- gemischte Verträge verstanden werden können.
Wichtige Innominatverträge aus der Rechtspraxis Gemischte Verträge: Leasingvertrag Factoringvertrag Alleinvertriebsvertrag Franchisevertrag Lizenzvertrag Sponsoringvertrag Reisevertrag Gastaufnahmevertrag Unterrichtsvertrag Verträge sui generis: Trödelvertrag Checkvertrag Kreditkartengeschäft Franchisevertrag Lizenzvertrag
Beispiele aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung BGE 60 II 335 Alleinvertriebsvertrag BGE 104 II 108 Management-Vertrag BGE 110 II 380 Architektenvertrag BGE 110 II 474 Automatenaufstellungsvertrag BGE 115 II 255 Know-how-Vertrag BGE 115 II 474 Reisevertrag BGE 113 II 424 Gastaufnahmevertrag BGE 118 II 150 Leasingvertrag BGE 118 II 157 Franchisevertrag
bei der Vertragsgestaltung Freiheit der Parteien bei der Vertragsgestaltung dispositive Normen zwingende Normen Kommen nur zur Anwendung, falls die Parteien eine Frage nicht geregelt haben. (Vertragsergänzung) Gehen jeder abweichenden vertraglichen Regelung vor. (Nichtigkeit der betreffenden Klausel oder des Vertrages)
Qualifikation des Vertrages Rechtsanwendung: Qualifikation des Vertrages Konsens: Haben sich die Parteien über die objektiv wesentlichen Vertragspunkte geeinigt? Formmangel: Unterliegt der konkrete Vertrag einer zwingenden Formvorschrift? Inhaltsmangel: Kommen für den konkreten Vertrag allenfalls zwingende Normen zur Anwendung? Vertragsergänzung: Welche dispositiven Normen kommen zur Anwendung, wenn die Parteien eine Frage nicht geregelt haben?
„Art. 394 Abs. 2 OR zwingt demnach nicht dazu, ein komplexes Vertrags-verhältnis wie den Architektenvertrag entweder ganz als Auftrag oder ganz als Werkvertrag zu beurteilen. Die Anerkennung gemischter Verträge erlaubt den Vertragspartnern wie dem Richter, den Umständen angepasste Lösungen zu finden, die der Rechtswirklichkeit besser entsprechen als eine einheitliche Qualifikation. Alle Probleme sind damit freilich nicht gelöst. Wo wie bei der Mängelhaftung nur einzelne Leistungen des Archi-tekten zu beurteilen sind, ist eine Spaltung der Rechtsfolgen denkbar, indem sich etwa die Haftung für einen Planfehler aus Werkvertrag, jene für unsorgfältige Bauaufsicht aus Auftrag ergeben kann. Dagegen ist dieser Weg nicht gangbar, wenn die vorzeitige Auflösung eines Gesamtvertrages umstritten ist, der Auftrags- und Werkvertragselemente umfasst. Dabei kommt bei einem Projektierung und Bauausführung umfassenden Archi-tektenvertrag dem Vertrauensverhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Architekten so viel Bedeutung zu, dass die (zwingende) Auflösungsregel des Art. 404 OR den Vorzug verdient.“ (BGE 109 II 462, 466)