Bürgerliches Recht § 1 [Einführung].

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Bürgerliches Recht § 1 [Einführung]

§ 1 [Einführung]

Begriff des Bürgerlichen Rechts

Begriff des Bürgerlichen Rechts Begriff des Rechts Kant, Metaphysik der Sitten, 1798: Freiheitsbegriff des Rechts! Begriff des Bürgerlichen Rechts Einordnung einer Rechtsnorm als privat- oder öffentlich- rechtlich? Dazu: Leipold, BGB AT, 6. Aufl. 2010, Rn.13 ff. Einordnung einer Rechtsnorm als privat- oder bürgerlich-rechtlich?

Funktion des Bürgerlichen Rechts

Fall Nr.1 [Trompete] Fall Nr.1 [Trompete]: P aus Paris hält sich als LL.M.-Student in Berlin auf. In der "Trompete", einer von Ben Becker betriebenen Bar am Lützowplatz, lässt er heimlich eine Getränkekarte mitgehen, um sie als Erinnerung an seine Berliner Zeit zu behalten. Jahre später entdeckt P, nunmehr Richter in Paris, die Getränkekarte in einer seiner Schubladen, bereut die frühere Tat, reist nach Berlin, sucht die "Trompete" auf und legt die Karte in einem unbeobachteten Moment unauffällig auf den Tresen. Dort findet sie die Erasmus-Studentin E aus Estland, die in dem Glauben, die in der Karte abgedruckten seien die aktuellen Preise, einen "Daiquirie" bestellt, der laut der längst überholten Karte 6,- Euro kosten soll. Tatsächlich, laut aktueller Karte, soll der Daiquirie 12,- Euro kosten. Muss E 6,- Euro, muss sie 12,- Euro oder muss sie einen anderen Betrag bezahlen?

Fall Nr.1 [Trompete] Ben Becker gegen E auf den Kaufpreises aus § 433 Abs.2 Kaufvertrag Typologische Einordnung Einigung Angebot Ben Becker, vertreten durch den Kellner (§ 164 Abs.1 Satz 1), aufgrund der ausliegenden Karte Einwand: P! Einwand: Karte als invitatio ad offerendum

Fall Nr.1 [Trompete] Einigung Angebot E, durch die Bestellung (P) Interpretation der Bestellung (§§ 133, 157) BGHZ 36, 33: Legen Sie objektiv, auf der Grundlage des Empfängerhorizontes aus! Annahme Nichtigkeit des Kaufvertrags (§§ 142 Abs.1, 119 Abs1) Inhaltsirrtum Ergebnis

Fall Nr.1 [Trompete] Ben Becker gegen E auf Schadensersatz gem. § 122 Abs.1 Erfolgreiche Irrtumsanfechtung (§ 119 Abs.1) des Erklärenden Schaden des Erklärungsgegners (Ben Becker) Kein Fall des § 122 Abs.2 Fahrlässige Unkenntnis des Kellners (§ 276 Abs.2)? Ergebnis

Fall Nr.1 [Trompete] Ben Becker gegen E auf Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung gem. § 812 Abs.1 Satz 1 Etwas Erlangt Leistung Fehlender Rechtsgrund Ergebnis (P) Entreicherung (§ 818 Abs.3)

Bürgerliches Recht im Kontext Rechtstheorie, Rechtsphilosophie und Rechtsgeschichte

Bürgerliches Recht im Kontext Europäisches Recht

Europäisches Recht Europa und Europäische Union Europäisches Privatrecht EuGH C-6/64, Costa/ENEL, Slg 1964, 1141: Vorrang des Gemeinschaftsrechts Rechtsangleichung durch Richtlinien

Europäisches Recht EU-Vertrag (in der Fassung des Lissabon-Vertrags vom 13.12.07) Art.3 (3) Die [Europäische] Union errichtet einen Binnenmarkt. Sie wirkt [u.a.] auf … eine soziale Marktwirtschaft … hin.  AEU-Vertrag (in der Fassung des Lissabon-Vertrags vom 13.12.07) Art.26 (2) Der Binnenmarkt umfasst einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital … gewährleistet ist. Art.114 (1) […] Das Europäische Parlament und der Rat erlassen … die Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben. Art.288 (3) Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel.

Europäisches Recht Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.05.97 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz Art.6 [Widerrufsrecht] (1) Der Verbraucher kann jeden Vertragsabschluss im Fernabsatz innerhalb einer Frist von mindestens sieben Werktagen ... widerrufen. (2) ... . Art.14 [Mindestklauseln] Die Mitgliedstaaten können ... strengere Bestimmungen erlassen oder aufrechterhalten, um ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher sicherzustellen. Art.15 [Durchführung] (1) Die Mitgliedstaaten setzen die erforderlichen Rechtsvorschriften in Kraft, um dieser Richtlinie spätestens drei Jahre nach ihrem Inkrafttreten nachzukommen. (2) … . §§ 312d Abs.1 Satz 1, 355 Abs.1 BGB

Bürgerliches Recht im Kontext Internationales Privatrecht

Internationales Privatrecht Fall Nr.2 [Leipziger Messe]: P aus Paris und M aus Moskau schließen auf einer Messe in Leipzig einen Kaufvertrag über ein Kamel. Nach § 1 dieses Kaufvertrags soll der Kaufvertrag dem Recht des US-Bundesstaates N.Y. unterworfen, UN-Kaufrecht soll ausgeschlossen sein.

Bürgerliches Recht im Kontext Handelsrecht

Handelsrecht Handels- als Kaufmannsrecht Beispielsfall: Emil bittet die B-Bank (B) rechtzeitig vor Beginn des WS 2010/11 um einen Kredit in Höhe von 25.000,- Euro für den Kauf eines (gebrauchten) Porsche 911. B erklärt, sie sei einverstanden, wenn sich der reiche Kaufmann K für die Rückzahlung des Darlehens verbürge. K erklärt am Telefon, er übernehme die Bürgschaft gern – ohne sich im Einzelnen darüber im Klaren zu sein, was eine Bürgschaft eigentlich ist. Als Emil sich – mit dem Porsche aber ohne das Darlehen zu bedienen – nach Russland absetzt, verlangt die B-Bank Rückzahlung von K. Fallvariante: Die Erstsemesterstudentin Eleonore, die sich im Hörsaal in Emil verliebt hat, hat sich anstelle des Kaufmanns K (telefonisch) für Emil verbürgt.

Handelsrecht Fall Nr.2 [Die Bürgschaft] - Lösungsskizze Inanspruchnahme aus dem Darlehen Bank Emil Inanspruchnahme aus der Bürgschaft Kaufmann K

Handelsrecht § 350 HGB § 343 HGB [Begriff der Handelsgeschäfte] Auf eine Bürgschaft, ein Schuldversprechen oder ein Schuldanerkenntnis finden, sofern die Bürgschaft auf der Seite des Bürgen, das Versprechen oder das Anerkenntnis auf der Seite des Schuldners ein Handelsgeschäft ist, die Formvorschriften des § 766 S.1, des § 780 und des § 781 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs keine Anwendung. § 343 HGB [Begriff der Handelsgeschäfte] (1) Handelsgeschäfte sind alle Geschäfte eines Kaufmanns, die zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehören.

Das Bürgerliche Gesetzbuch Entstehungsgeschichte

Das Bürgerliche Gesetzbuch Inhalt und Aufbau

Das Bürgerliche Gesetzbuch Prinzipien

Privatautonomie

Privatautonomie BVerfG (1 BvR 240/98) – Beitragshöhe in der Unfallversicherung Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet die Privatautonomie als Selbstbestimmung des Einzelnen im Rechtsleben. Die eigenbestimmte Gestaltung der Rechtsverhältnisse ist ein Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit …, die ihre Grenzen … in der Entfaltungsfreiheit anderer findet. Privatautonomie setzt voraus, dass die Bedingungen der Selbstbestimmung des Einzelnen auch tatsächlich gegeben sind. Um dies zu sichern, bedarf die Privatautonomie der Ausgestaltung in der Rechtsordnung. [22] Maßgebliches rechtliches Instrument zur Verwirklichung freien und eigenverantwortlichen Handelns in Beziehung zu anderen ist der Vertrag, mit dem die Vertragspartner selbst bestimmen, wie ihre individuellen Interessen zueinander in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden. Freiheitsausübung und wechselseitige Bindung finden so ihre Konkretisierung. Der zum Ausdruck gebrachte übereinstimmende Wille der Vertragsparteien lässt deshalb in der Regel auf einen durch den Vertrag hergestellten sachgerechten Interessenausgleich schließen, den der Staat grundsätzlich zu respektieren hat.

Privatautonomie BVerfG (1 BvR 240/98) – Beitragshöhe in der Unfallversicherung [23] Ausnahmen hat das Bundesverfassungsgericht anerkannt, wenn auf Grund erheblich ungleicher Verhandlungspositionen der Vertragspartner einer von ihnen ein solches Gewicht hat, dass er den Vertragsinhalt faktisch einseitig bestimmen kann; dann ist es Aufgabe des Rechts, auf die Wahrung der Grundrechtsposition der beteiligten Parteien hinzuwirken, um zu verhindern, dass sich für einen Vertragsteil die Selbstbestimmung in eine Fremdbestimmung verkehrt.

Pacta sunt servanda

Pacta sunt servanda Pacta sunt servanda P.S. Atiyah, Introduction to the Law of Contract, 5th ed. 1995, p.2: "It is ... not surprising to find that, behind a great deal of the law of contract, there lies the simple moral principle that a person should fulfil his promises and abide by his agreements.“ Beispielsfall: Kommilitone K bucht im Internet einen Flug von Berlin nach Breslau, um dort seine Freundin F zu besuchen. Kurz vor Reisebeginn teilt F mit, dass sie sich in jemand anderen verliebt habe. Daraufhin erklärt K gegenüber der Fluglinie, er gebe das Flugticket zurück, er habe an der Reise kein Interesse mehr.

Trennungs-/Abstraktionsprinzip

Trennungsprinzip Fall Nr.3 [Liebe auf den ersten Blick]: Der Deutsche D hat sich in die Polin P verliebt; um sie für sich zu gewinnen, betritt er ein Blumengeschäft, legt eine Münze auf den Tisch und bittet um eine rote Rose. Die Verkäuferin händigt dem D die Rose aus und nimmt die Münze an sich. Freudestrahlend verlässt D das Geschäft und schenkt die Rose der angebeteten P. Drei Monate später findet die Hochzeit statt. Wieviele Rechtsgeschäfte liegen vor? Kaufvertrag Eigentumsübertragung gem. § 929 Satz 1 (Rose) Beachte: Das BGB trennt Eigentum und Besitz! Eigentumsübertragung gem. § 929 Satz 1 (Münze) Handschenkung Eheschließung gem. § 1310 Abs.1

Trennungsprinzip Das Trennungsprinzip besagt, dass man im Bürgerlichen Recht grds. [!] Verpflichtungsgeschäfte und Verfügungen unterscheidet. Verpflichtungsgeschäfte begründen (schuldrechtliche) Verpflichtungen der beteiligten Parteien. Das bedeutet bspw. beim Kaufvertrag:

Trennungsprinzip Kaufpreiszahlung (§ 433 Abs.2) Kaufvertrag als Verkäufer Käufer Verpflichtungsgeschäft Lieferung (§ 433 Abs.1)

Ansprüche Merke: Die Juristin/der Jurist denkt in Ansprüchen! Begriff § 194 Abs.1 Beispiele Der Verkäufer hat gem. § 433 Abs. 2 einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung Der Käufer hat gem. § 433 Abs. 1 einen Anspruch auf Lieferung. Rechtsnormen, die – wie bspw. § 433 Ansprüche gewähren, bezeichnet man als Anspruchsgrundlagen!

Trennungsprinzip Das Verpflichtungsgeschäft führt nicht dazu, dass das Eigentum an der Kaufsache übergeht und der Kaufpreis bezahlt ist. Die Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag müssen erst noch erfüllt, d.h. die geschuldeten Leistungen – die Übergabe und Übereignung der (fehlerfreien) Kaufsache einerseits, die Bezahlung des Kaufpreises andererseits – müssen erst noch bewirkt werden (§ 362 Abs.1).

Trennungsprinzip Erfüllung (§ 362 Abs.1) durch Verfügungen: Übereignung der Kaufsache (§ 929 S.1) V K Übereignung des Kaufpreises (§ 929 S.1) (in bar)

Trennungsprinzip Der Verkäufer verschafft dem Käufer gem. § 929 S.1 Eigentum an der Kaufsache. Der Käufer bezahlt den Kaufpreis (in bar), d.h. er verschafft dem Verkäufer gem. § 929 S.1 Eigentum an der Münze.

Trennungsprinzip Die Verpflichtungsgeschäfte sind grds. Kausal- geschäfte, weil sie den Rechtsgrund (= causa) für die Leistungen und für das Behaltendürfen bilden (vgl. §§ 812 ff). Aha!

Abstraktionsprinzip Das Trennungsprinzip wird ergänzt durch das Abstraktionsprinzip. Danach sind Verpflichtungsgeschäft und Verfügung in ihrer Gültigkeit voneinander unabhängig. D.h.: Der Kaufvertrag kann wirksam, die Übereignung der Kaufsache/des Kaufpreises (Verfügungen) jedoch unwirksam sein – und umgekehrt.

Abstraktionsprinzip Beispielsfall [Kleiner Irrtum]: Im Hörsaal hat Kommilitone K am Handgelenk des V eine von Lange & Söhne hergestellte Uhr, eine "Lange 1 Mondphase" entdeckt. Begeistert schreibt er eine kurze Notiz: "Möchte Deine Uhr kaufen! Biete 1200,- Euro!" Daraufhin reicht ihm V seine Uhr und schreibt: "Einverstanden! Kaufpreis: Nachher. In der Pause." In der Pause stellt sich jedoch heraus, dass K sich verschrieben hat. K wollte nur 120,-, nicht 1200,- Euro bieten. Erschrocken ficht er den Kaufvertrag an. Daraus folgt nach Meinung des V, dass er, V, nunmehr Herausgabe der Uhr gem. § 985 verlangen kann. Wie ist die Rechtslage?

Abstraktionsprinzip V gegen K auf Herausgabe der Uhr aus § 985 Eigentum des V Eigentumsverlust an K durch Rechtsgeschäft V – K (§ 929 S.1) Einigung Nichtigkeit wegen Irrtumsanfechtung des K gem. §§ 142, 119 Abs.1? Nein! Irrtumsanfechtung nur bzgl. des Kaufvertrags Übergabe Ergebnis

Abstraktionsprinzip V gegen K auf Herausgabe der Uhr aus § 812 I 1 Alt.1 Etwas erlangt K hat Besitz und Eigentum an der Uhr erlangt Leistung V hat geleistet: Er hat K das Eigentum verschafft, um den vermeintlich [!] gültigen Kaufvertrag zu erfüllen. Ohne rechtlichen Grund Der Kaufvertrag könnte Rechtsgrund sein, ist jedoch gem. §§ 142 Abs.1, 119 Abs.1 nichtig! Ergebnis

Abtraktionsprinzip Fehleridentität Leiden Verpflichtungsgeschäft und Verfügung an demselben Fehler, so spricht man von Fehleridentität Bitte vertiefen Sie selbständig – bspw. bei: Brox/Walker, BGB AT, 31 Aufl. 2007, § 5 und Rn. 327 Leipold, BGB I, 6. Aufl. 2010, § 8 Musielak, Grundkurs BGB, 11. Aufl. 2009, Rn. 223 ff., 390