Birgit Pfau-Effinger, Slađana Sakač Magdalenić, Anne Schüttpelz

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 Präsentation transkript:

Birgit Pfau-Effinger, Slađana Sakač Magdalenić, Anne Schüttpelz Entwicklung informeller Arbeit in Privathaushalten – EU-Projekt „Formal and informal work in Europe“ Vortrag auf der Herbstsitzung der Sektion Arbeits- und Industriesoziologie „Arbeitsmarkt und Beschäftigung – Krise und Wandel der Arbeitsgesellschaft“ 4. und 5. November 2005, Mannheim

Formal and Informal Work in Europe (FIWE) A Comparative Analysis of their Changing Relationship and their Impact on Social Integration Forschungsprojekt im 5. EU-Rahmenprogramm 6-Länder-Vergleich (Leitung: Prof. Birgit Pfau-Effinger): Dänemark, Spanien, Deutschland, Finnland, Großbritannien, Polen

3 Typen informeller Arbeit Familiale Betreuungsarbeit (“informal care”: Kinder- und Altenbetreuung) Informelle Beschäftigung (Schwarzarbeit) Bürgerschaftliches Engagement (im Rahmen des Dritten Sektors oder in selbstorganisierten Initiativen)

Methoden der empirischen Forschung (Länderstudien) Analysen internationaler Datensätze zu Strukturen formeller und informeller Arbeit Eurobarometer, EUROSTAT/OECD/ILO, European Community Household Panel, ISSP, Time budget studies, European Foundation Sekundäranalysen nationaler und vergleichender Daten zu informeller Arbeit Haushaltsinterviews: Analysen verschiedener Formen formeller und informeller Arbeit Ca. 35 halbstrukturierte Interviews pro Land Haushalte: Arrangements von Arbeit und soziale Situation, Einstellungen und Motive Anbieter: soziale Situation, Einstellungen und Motive zu informeller Arbeit, Konflikte und Entscheidungsprozesse

Zentrale Fragen Welches sind wesentliche Veränderungen im Verhältnis von formeller und informeller Arbeit? Wie kombinieren private Haushalte vor diesem Hintergrund formelle und informelle Arbeit? Wie lassen sich Länderunterschiede im Verhältnis von formeller und informeller Arbeit erklären?

1. Wesentliche Entwicklungstendenzen formeller und informeller Arbeit

Generelle Veränderungen im Verhältnis von formeller und informeller Arbeit (in den letzten 20 Jahren) Formalisierung von informeller Arbeit – und Informalisierung von formeller Erwerbsarbeit Kommodifizierung unbezahlter informeller Arbeit ohne Formalisierung – Umwandlung in bezahlte informelle Arbeit (Schwarzarbeit) Herausbildung neuer, semi-formeller Formen von Arbeit auf der Basis neuer sozialer Rechte/ wohlfahrtsstaatlicher Politik in Bezug auf informelle Betreuungsarbeit (z.B. Elternurlaub, Pflegeversicherung)

1. Internationale Differenzen im Grad der Formalisierung Skandinavien: Stagnation auf einem hohem Niveau Großbritannien: begrenzte Formalisierung von einem niedrigen Niveau aus Deutschland, Spanien: deutliche Formalisierungstendenzen von eher niedrigem Niveau aus Polen: Informalisierung in der Transformation

2. Internationale Differenzen im Grad der Kommodifizierung ohne Informalisierung Skandinavien, Großbritannien: eher geringer Anteil an Schwarzarbeit Deutschland: mittlerer Anteil an Schwarzarbeit Spanien, Polen: hoher Anteil an Schwarzarbeit

3. Internationale Differenzen im Grad der Herausbildung neuer semi-formeller Formen von Arbeit Skandinavien: sehr ausgeprägt, als Ergänzung zur dominanten formellen Betreuung Deutschland: sehr ausgeprägt, als Aufwertung der dominanten informellen Betreuungsarbeit Polen, Spanien, Großbritannien: schwach ausgeprägt

2. Charakteristische Strukturen formeller und informeller Arbeit in Privathaushalten

Arrangements von Arbeit in finnischen Haushalten geringe Nutzung externer informeller Arbeit, stattdessen: Haus-, Garten- und Reparaturarbeiten: Eigenarbeit Ergänzende Hilfe für Haushaltsarbeiten: formelle Dienstleistungen (vor allem Betreuungsaufgaben, aber auch Reinigung, Reparaturen) (geringe) Nutzung informeller Dienste für Reparaturen im Haushalt und Babysitting Präferenzen für formelle Dienstleistungen, umfassende formelle Betreuungsangebote von Kommunen und Wohlfahrtsverbänden (geringe) Nutzung unbezahlter Hilfe von Verwandten oder Freunden für Reparaturen im Haushalt („work parties“)

Veränderungen informeller Arbeit in Finnland Source: Kilpeläinen 2003; Tommiska 2005 Formalisierung hoch Hohes Niveau universeller sozialer Dienste relativ gleiche Einkommensverteilung auf der Basis von Vollbeschäftigung, aktiver Arbeitsmarktpolitik und Umverteilung Kommodifizierung informeller Arbeit ohne Formalisierung (Schwarzarbeit) niedrig Wohlfahrtsstaat organisiert Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familienarbeit (funktionierende Betreuung als Voraussetzung für Arbeitsmarkt) Neue, semi-formelle Formen („Informalisierung“) Politikwechsel mit Einführung des relativ gut bezahlten Elternurlaubs („care leave“): finanzielle Unterstützung familiärer Betreuung

Arrangements von Arbeit in deutschen Haushalten Familiale informelle Arbeit nach wie vor zentral Dominant bei Haushalts- und Betreuungsarbeiten Kombination familialer informeller Arbeit mit anderen Formen von Arbeit Semi-formelle Kinderbetreuung und Altenpflege (wohlfahrtsstaatliche Instrumente, wie z.B. Elternurlaubsgesetz, Pflegeversicherung) Formelle Dienstleistungen durch öffentliche oder marktvermittelte Anbieter (v.a. Kinderbetreuung und Altenpflege) Unbezahlte Betreuungsarbeit durch soziale Netzwerke (z.B. Großeltern, sonst. Verwandte, Freunde, Nachbarn) Informelle Beschäftigung bei Betreuungs- und Haushaltsarbeiten, Reparatur-, Renovierungs- und Gartenarbeiten

Veränderungen informeller Arbeit in Deutschland Ausdifferenzierung familialer informeller Arbeit Zunahme formeller Kinderbetreuung Zunahme neuer semi-formeller Formen von Arbeit (Kinderbetreuung und Altenpflege) Externalisierung von informeller Arbeit > Kommodifizierung in Form von informeller Beschäftigung (Sehr typisch für Kinderbetreuung, Hausarbeit (Reinigung), Reparaturen im Haushalt und Gartenpflege)

Arrangements von Arbeit in polnischen Haushalten Familiale informelle Arbeit dominant Häufig unbezahlte Hilfe; bei Betreuungsarbeit v.a. im Rahmen intergenerationeller Familiennetzwerke Verbreitete Nutzung informeller Beschäftigung Kinderbetreuung, Altenpflege, Hausarbeit (inklusive Kochen), Gartenpflege, Hausbau und Renovierung (niedrige Löhne) Semi-formelle Formen: geringe Bedeutung, da auf sehr niedrigem Niveau

Veränderungen informeller Arbeit in Polen Starker Trend zur Informalisierung Zunahme familialer informeller Arbeit Zunehmende Kommodifizierung in Form von informeller Beschäftigung

3. Erklärung der Länderunterschiede im Verhältnis formeller und informeller Arbeit

Erklärungsansatz für internationale Differenzen in der Struktur und Entwicklung informeller Arbeit Source: Pfau-Effinger 2001

Faktoren, die Umfang und Entwicklung von informeller Arbeit beeinflussen Hauptfaktoren: Wohlfahrtsregime Geschlechter-/Familienarrangement Weitere relevante Faktoren: Migrationspolitik Ökonomische Strukturen Arbeitsmarktsituation Kulturelle Bedeutung von Informalität Strukturen sozialer Ungleichheit

Erklärung der internationalen Differenzen Starker Informalisierungstrend in Polen: Post-sozialistisches Wohlfahrtsregime: radikaler Abbau öffentlicher Betreuungs- und Pflegeangebote. Widersprüchliches Geschlechter-Arrangement Wirtschaftliche Instabilität und hohe Arbeitslosigkeit

Erklärung der internationalen Differenzen Ausdifferenzierung informeller Arbeit in Deutschland: Widersprüchliches Wohlfahrtsregime Modernisierung des Geschlechter-Arrangements Wandel von Arbeitsmarktstrukturen Mangelndes Vertrauen in Wohlfahrtsstaat Migrationspolitik

Erklärung der internationalen Differenzen Formalisierte soziale Dienste auf hohem Niveau, Zunahme der Bedeutung semi-formeller Formen von Arbeit in Finnland: Sozial-demokratisches Wohlfahrtsregime Egalitäres Geschlechter-Arrangement Ökonomische Strukturen Widersprüchliche kulturelle Werte