Der interkommunale Leistungsvergleich Leistung und Innovation durch Wettbewerb Dr. Bernd Adamaschek Luzern, 23.10. 2000
Programm Bertelsmann Stiftung Neue Steuerung/ New Public Management Kosten- und Leistungsrechnung Kosten-/ Leistungsrechnung der systematische Verbund mit dem Markt Steuerung im Leistungsvergleich Spürbare Erfolge Methode Ablauf Fragen über Fragen Vorteile für alle
Die Bertelsmann Stiftung auf einen Blick Gründung 1977 ca. 235 Mitarbeiter ca. 180 Projekte ca. 130 Mio. DM p.a.
+ Gründung im Jahr 1977 Unternehmenspolitische Überlegungen "Kontinuitätssicherung des Hauses Bertelsmann" Gesellschaftspolitische Überlegungen "Verantwortung gegenüber der Gesellschaft" Trennung von Führung und Kapital Übertragung von 68,8% der Bertelsmann- Anteile auf die Stiftung (1993) Übertragung der Stimmrechte auf eine Führungsgesellschaft Sicherung vor externen Einflüssen Eigentum verpflichtet (Grundgesetz) Leistungsbeiträge für die Gesellschaft (Unternehmensziel der Bertelsmann AG)
Ziele der Bertelsmann Stiftung Die Bertelsmann Stiftung will: Gesellschaftliche Probleme aufgreifen, exemplarische Lösungsmodelle mit Experten aus Wissenschaft und Praxis entwickeln und in ausgewählten Bereichen des gesellschaftlichen Lebens verwirklichen
Arbeitsschwerpunkte: Programmbereich "Staat und Verwaltung" Ziel: Stärkung von Demokratie und Effizienz im öffentlichen Sektor Leistungsvergleiche deutscher Kommunen Know-How Transfer durch Netzwerke Stadtmanagement im internationalen Vergleich Bürgerorientierung und lokale Demokratie Leistungsorientierte Führung in der Bundesanstalt für Arbeit Reform der Landesverwaltungen Schule und Schulentwicklung Entwicklung regionaler Bildungslandschaften Arbeitsschwerpunkte:
Neue Steuerung/ New Public Management
"Der Staatshaushalt muß ausgeglichen sein "Der Staatshaushalt muß ausgeglichen sein. Der Staatsschatz sollte wieder aufgefüllt werden. Die öffentlichen Schulden müssen verringert werden. Die Arroganz der Behörden muß gemäßigt und kontrolliert werden. Die Zahlungen an ausländische Regierungen müssen reduziert werden, wenn der Staat nicht bankrott gehen soll. Die Leute sollten wieder lernen zu arbeiten, statt auf öffentliche Rechnung zu leben."
Zitat: Cicero im Jahre 55 v. Chr. "Der Staatshaushalt muß ausgeglichen sein. Der Staatsschatz sollte wieder aufgefüllt werden. Die öffentlichen Schulden müssen verringert werden. Die Arroganz der Behörden muß gemäßigt und kontrolliert werden. Die Zahlungen an ausländische Regierungen müssen reduziert werden, wenn der Staat nicht bankrott gehen soll. Die Leute sollten wieder lernen zu arbeiten, statt auf öffentliche Rechnung zu leben." Zitat: Cicero im Jahre 55 v. Chr.
2000 Jahre - und nichts dazugelernt ?
Öffentlicher Sektor: Reform durch Kampagnen
Neue Steuerung Öffentlicher Sektor: Reform durch Kampagnen Privater Sektor: Anpassung von innen heraus (Selbststeuerung)
Innovation und Evolution Neue Steuerung Innovation und Evolution kontinuierlicher Verbesserungsprozess
These: Dezentrale Strukturen und Wettbewerb sind der Motor für Innovation und Evolution
Neue Steuerung Wettbewerb Privatisierung Leistungsvergleiche
Neue Steuerung Dezentralisierung: Maximum an Selbststeuerung Minimum an zentraler Steuerung
Dezentrale Strukturen Komplexe Systeme Bedürfnisse der Menschen
Missverständnis Ja, gern! Freiheit Rechenschaftspflicht O.K.?!
Kosten- und Leistungsrechnung
Dreh- und Angelpunkt der Neuen Steuerung Delegation von Verantwortung Verwaltungskultur: Mißtrauens-, Vertrauenskultur Qualitäts- management Rechnungs-legung Neuordnung der Schnittstelle Rat/Verwaltung Zielvereinbarungen Kontrakt-management Kontrolle der Zielvereinbarungen/Controlling
Neue Steuerung Conditio sine Transparenz qua non: - Kosten - Leistungen Folgerung: Kosten- und Leistungs- rechnung (KLR)
Beispiel Produktgruppe: Bauaufsicht Produkt: Genehmigung von Wohnbauvorhaben - Leistung: Anzahl der Genehmigungen 9,80 DM - Kosten je Entscheidung zu Wohnbauvorhaben 751,64 DM
KLR Beispiel Genehmigung von Wohnbauvorhaben offene Fragen: - Herstellkosten angemessen - Qualität in Ordnung - Kundenzufriedenheit - Menge richtig - usw.
KLR Ein stumpfes Schwert! Woran liegt das?
Kosten-/Leistungsrechnung und der systemische Verbund mit dem Markt
KLR Für privaten Sektor entwickelt: Definition (vereinfacht): Kosten: In Geld bewerteter Faktorverbrauch (Ressourceneinsatz) zur Leistungserstellung Leistung: In Geld bewerteter Absatz von Gütern und/oder Dienstleistungen
KLR unter Marktbedingungen: Produktion: Faktorverbrauch Preiskalkulation Filter: Markt Leistung: Absatz von Gütern und/oder Dienstleistungen
KLR unter Marktbedingungen: Preis- wettbewerb Qualitäts- wettbewerb Produktion: Faktorverbrauch Preiskalkulation Filter: Markt Leistung: Absatz von Gütern und/oder Dienstleistungen Service- wettbewerb Innovations- wettbewerb usw.
KLR unter Marktbedingungen: Ich muss dringend etwas tun! meine Produkte sind innovativ unter Marktbedingungen: meine Kosten/ Preise sind günstig Die Qualität ist o.k. Meine Kunden sind zufrieden Kosten: Produktion (= Faktorverbrauch) Preiskalkulation Filter: Markt Leistung: Absatz von Gütern und/oder Dienstleistungen Ich erreiche meine Unternehmensziele Der Service stimmt Erkenntnisse
KLR Der Markt hat 3 Funktionen: ganzheitliche Information: Der Markt bewertet Kosten und Leistungen insgesamt vergleichende Information: Der Markt bewertet Kosten und Leistungen im Vergleich zu Mitbewerbern Optimierungsanreiz: Der Markt zwingt zum Handeln
KLR Fazit: KLR funktioniert nur im Markt (Außencontrolling). Wo Markt fehlt (öffentlicher Sektor): 3-fache Informations-/ Anreizlücke!
Steuerung im Leistungsvergleich
KLR Konsequenz: 3-fache Ergänzung von KLR Ganzheitlichkeit Vergleich Optimierungsanreiz
KLR 1. Dimension: Ganzheitlichkeit Vom Kosten- und Mengengerüst zur Rechenschaft über - Zielerreichung - Qualität - Kundenzufriedenheit - etc.
Neue Steuerung Von der Input- zur Ergebnissteuerung Produktions- faktoren Strukturen Prozesse Produkte Wirkungen Input Produktionsprozess Output
KLR 1. Dimension: Ganzheitlichkeit Von der Input- zur Ergebnissteuerung Fachspez. Auftrag: Wirkungen Mengen Qualitäten Strukturen Prozesse Geld Personal Kundenzufriedenheit Input Produktion Output
KLR 1. Dimension: Ganzheitlichkeit Beispiel: 4-Ziele-System (Bertelsmann Stiftung) Stadt A produziert Fachspezifischer Auftrag Kundenzufriedenheit Produkt, Produkt- gruppe Mitarbeiterzufriedenheit wirtschaftlicher Einsatz der Ressourcen
KLR 2. Dimension: Vergleich Von der Nabelschau zum Leistungsvergleich Produktgruppe: Bauaufsicht Produkt: Genehmigung von Bauvorhaben Kommune A B C D Kosten je Entscheidung zu Wohnbauvorhaben 751,64 495,75 857,95 959,38
Ganzheitlichkeit und Vergleich KLR 2. Dimension: Vergleich Ganzheitlichkeit und Vergleich Ziele 1. fachspez. Auftrag 2. Kundenzufriedenheit 3. Mitarbeiterzu- friedenheit 4. Wirtschaftlichkeit B C D E A Vergleichsstädte Kennzahlen
KLR 3. Dimension: Optimierungsanreiz Von der internen zur öffentlichen Rechnungslegung Ziele Arbeitsschritte fachspezischer Auftrag Berichtswesen Kundenzufriedenheit Qualitätsmanagement Mitarbeiter- zufriedenheit Kontraktmanagement Wirtschaftlichkeit Rechnungslegung Öffentlichkeitsarbeit
Leistungsvergleich: Gesamtsystem Ziele 1. Auftrag 2. Kunden- zufrie- denheit 3. Mitarbei- terzufrie- denheit 4. Wirt- schaft- lichkeit 5. Zukunfts- fähigkeit Stadt 1 Stadt 2 Stadt 3 Stadt 4 Vom Kosten- und Mengen-gerüst zu Zielen und Qualitäten Qualitätsmanagement Kontraktmanagement öff. Rechnungslegung Berichtswesen Ganzheitlichkeit Von der internen zur öffentlichen Rechnungslegung Optimierungs- anreiz Von der Nabelschau zum Leistungsvergleich Vergleich
Spürbare Erfolge Beispiel Münster
Beispiel Münster: Zielfeld 2: Kundenzufriedenheit Bielefeld Dortmund Essen Hamm Münster Gesamtzufriedenheit der Besucher (Kurzumfrage) 1,3 1,4 1,5 1,7 2,9 hohe Studentenzahlen viele An-, Ab- und Ummeldungen viele Verwarnungs- und Bußgeldverfahren geringe Personalausstattung lange Wartezeiten mangelnde Räumlichkeiten wenig Platz schlechte Belüftung schlechte Beleuchtung
Frischer Wind im Stadthaus 900 Besucher pro Tag Beispiel Münster: KOMMENTAR Führung durch den Verwaltungs-Dschungel Note „sehr gut“ vom Bürger für Bielefeld - Münster befriedigend Frischer Wind im Stadthaus Die Kunden nörgeln, die Mitarbeiter auch 66 Münsterraner in der Warteschlange ANGEMERKT Ein „Hühnerstall“? Das Bürgeramt will lange Wartezeiten für Publikum verringern Nun „amtlich“: Schlechte Note fürs Bürgeramt Kampf gegen Windmühlen Die Stadt Münster muß sich anstrengen 900 Besucher pro Tag „Diskrete Beratung kaum möglich“
Beispiel Münster: Nach 2 Jahren: I / 2000 Bielefeld Dortmund Essen Hamm Münster Gesamtzufriedenheit der Besucher (Kurzumfrage) 1,4 1,5 1,5 1,5 1,8
Beispiel Landkreis Osnabrück
Kfz-Zulassungswesen 1. Auftragserfüllung Erfolgsquote der Ordnungsverfü- gungen IV / 1994 II / 1995 Landkreis Emsland 78,91 % 87,28 % Kreis Gütersloh 65,92 % 85,17 % Kreis Herford 69,00 % 56,78 % Landkreis Osnabrück 78,42 % 47,88 % Kreis Steinfurt 60,39 % 79,79 %
Kfz-Zulassungswesen 2. Wirtschaftlicher Einsatz von Ressourcen Personalkosten pro 1.000 Kfz IV / 1994 II / 1995 Gesamtkosten Landkreis Emsland 1.987,74 1.623,19 3.290,30 2.808,73 Kreis Gütersloh 3.098,72 2.373,62 4.199,68 3.313,11 Herford 1.945,80 1.498,11 2.961,90 2.443,53 Osnabrück 2.438,10 1.864,93 3.898,99 3.209,07 Steinfurt 1.868,06 1.328,73 3.386,29 2.672,15
Nochmals: Kundenzufriedenheit (Testtelefonate)
Beispiel : Kundenzufriedenheit Testtelefonate Schulnoten 1 (sehr gut) - 6 (ungenügend)
Beispiel: Kundenzufriedenheit Testtelefonate Früher: Heute: 3,5 1,5
Leistungsvergleich Methode: Vom Einfachen zum Schwierigen Schritt für Schritt Einbeziehung aller Beteiligten 80% - Regel Hilfe zur Selbsthilfe
Leistungsvergleich Ablauf: 1. Workshop (Zwischenbehördliches Fachteam) Einführung in den Leistungsvergleich Chancen/Risiken Kennzahlen für die 4 Zielfelder eventuell zweiter Workshop nötig 2. Testmessung Messung Bericht Prüfung und Nachbesserung 3. Echtmessung 4. Qualitätsmanagement
Fragen über Fragen
Fragen über Fragen: Sind Kommunen überhaupt vergleichbar?
Leistungsvergleich Beispiel: Erdbeeren
Leistungsvergleich messen vergleichen bewerten entscheiden
Leistungsvergleich Beispiel: Erdbeeren Wirtschaftlichkeit: 1. messen: 1,85 DM und 7,90 DM 2. vergleichen: 1,85 DM ist billiger als 7,90 DM 3. bewerten: 7,90 DM ist zu teuer (z. B. es ginge auch in Grönland billiger) 7,90 DM ist (angesichts der Umstände) angemessen 7,90 DM ist (angesichts der Umstände) eine Spitzenleistung 4. entscheiden: Wir produzieren weiter auf Grönland (z. B. weil wir uns nicht von Spanien abhängig machen wollen). Wir optimieren die Produktion in Grönland (z. B. indem wir Erfolgsrezepte anderer übernehmen/ Energie sparen etc.). Wir geben die Produktion in Grönland auf und kaufen spanische Erdbeeren.
Ist der Leistungsvergleich gefährlich?
Leistungsvergleich Chancen und Risiken: Mit den Beteiligten Chancen und Risiken ermitteln (Metaplan etc) und offen diskutieren Risiken definieren, Risiken begrenzen Chancen definieren, Chancen nutzen
Kann man das alles überhaupt messen, insbesondere den fachspezifischen Auftrag?
Methodische Fragen der Kennzahlenbildung Fragestellungen: Spezifischer Leistungsauftrag Ziel („service mission“) Quantität Qualität Kundenzufriedenheit Kundengruppen Interessen Mitarbeiterzufriedenheit Symptome (Krankenquote) Wirtschaftlichkeit Kostendeckungsgrad Stückkosten/ Best-of-Class-Wert Kosten pro Einwohner/ Kunde/ Fall etc.
Methodische Fragen der Kennzahlenbildung Beispiel: Verkehrssicherheit 1. direkt: Zahl der Unfälle / 1.000 Einwohner („Unfall- quote“) 2. Stichprobe: Zahl der Unfälle mit Verletzten / 1.000 Einwohner („pars pro toto“)
Methodische Fragen der Kennzahlenbildung Beispiel: Leichtigkeit des Verkehrs 1. direkt: alle Staus, ganzes Jahr (nach Meter und Stunde): realistisch? 2. Stichprobe: alle Staus, jeweils eine Woche (Sommer / Winter): realistisch? 3. indirekt, objektiv: Schadstoffkonzentration in der Innenstadt: realistisch, genau? 4. indirekt, subjektiv: Befragung (allg. Verkehrsteilneh- mer / Taxifahrer) nach Einschätzung der Leichtigkeit des Verkehrs
Methodische Fragen der Kennzahlenbildung Musikschulen Ziel der Produktgruppe (fachspezifischer Leistungsauftrag): Verbreitung musikalischer Bildung Beispiel: Verbreitung musikalischer Bildung 1. direkt: Befragung („Wer betreibt aktiv Musik?“, Verhältnis zur Gesamtbevölkerung): Realistisch? Kosten? 2. Stichprobe: Zahl derer, die in Vereinen, Musikschulen - öffentlich oder privat - Musik betreiben (im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung): Realistisch? Genau? 3. indirekt (über Inputgrößen): Musikunterricht (Stunden) im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung: Vorsicht!
Methodische Fragen der Kennzahlenbildung Fazit: Kriterien: Kennzahlen des Interkommunalen Leistungsvergleichs sollten möglichst: ergebnisorientiert sein (Vergleichbarkeit!) das Ergebnis direkt und objektiv messen leicht / mit geringem Aufwand zu erheben sein
Zusammenfassung Möglichkeiten der Messung des Zielerreichungsgrades: Vorschlag für Prioritäten: 1. direkte Messung, Vollerhebung (z. B. alle Unfälle/1.000 Einwohner) 2. direkte Messung, Teilerhebung (z. B. Unfälle mit Verletzten/ 1.000 Einwohner; repräsentative Umfragen) 3. indirekte Messung, objektiv (z. B. Auswirkungen von Stau: Luftver- unreinigungen, 4. indirekte Messung, subjektiv (Befragung Experten, „trainierte“ Beobachter, z. B. Taxifahrer, Jury etc., Befragung allgemein, z. B.: Haushaltsbefragung, tel. Interviews, Straßenumfragen etc.) 5. indirekte Messung über Inputs (Einhaltung von Verfahren, Prozes- sen, Ressourceneinsatz etc.) Hypothese: Wenn Verfahren etc. eingehalten sind, wird wahrscheinlich das Ergebnis gut sein!
Vorteile für alle Bürger: Politik und Verwaltung orientieren sich an den Bedürfnissen der Bürger Politik: Stärkung der strategischen Steuerungsfunktion, der politischen Führungsverantwortung Verwaltung: Führungsqualität, Freiräume, Leistungsniveau und Arbeitszufriedenheit