Mit Bildung gegen Fachkräftemangel Internationales Arbeitsmarktgespräch anlässlich der Berufs- und Weiterbildungsoffensive auf der IBO 17. März 2010 Prof. Dr. Dr. h.c. Joachim Möller
Veränderung der Arbeitslosenzahl im Vorjahresvergleich und Arbeitslosenquote (Dez. 09) Vorjahresveränderung Alo-Quote Stralsund 14,7% Neubrandenburg 15,0% Eberswalde -12,3% Cottbus -9,9% Sangerhausen 16,5% Dessau -9,3% Göppingen +39,7% Donauwörth 3,3% Ingolstadt 3,0% Memmingen +44,6% Freising 3,0% Rottweil +40,5% unter -5,0 -5,0 bis unter 5,0 5,0 bis unter 15,0 15,0 bis unter 25,0 25,0 und höher Vorjahresveränderung in %: unter 3,0 3,0 bis unter 6,0 6,0 bis unter 9,0 9,0 bis unter 12,0 12,0 und höher Arbeitslosenquote in %: Deutschland: +5,6% Deutschland: 7,8% 2 2
Ausgangspunkt: Demographie
Künftiges Arbeitskräfteangebot
Entwicklung der Bevölkerung 1991 bis 2050 – Personen in 1000 – Annahmen: Jahresdurchschnittlicher Wanderungssaldo bis 2050: 200.000 Ausländer p.a., Deutsche knapp 9.000 p.a. Geburtenziffern: TFR 1,35 steigt bis 2017 auf 1,38 und bleibt danach konstant Lebenserwartung: bis 2050 bei westdeutschen Männern +5,4 Jahre, bei westdeutschen Frauen +4,7; ostdeutsche Werte gleichen sich bis 2022 an; bei Ausländern auf heutigem Niveau konstant Quelle: Fuchs/Söhnlein 2005
Entwicklung des Erwerbspersonenpotenzials bis 2050 – Personen in 1000 – 44,1 44,6 43,8 40,9 38,3 36,3 42,8 38,9 35,4 32,4 30 32 34 36 38 40 42 44 46 2000 2015 2020 2030 2040 2050 Personen in Mio. Variante 1-W1 Variante 1-W2 Annahmen für die Bevölkerung Variante 1-W1: Wanderungssaldo +200.000 Personen Variante 1-W2: Wanderungssaldo +100.000 Personen Für alle Varianten: konstante Geburtenhäufigkeit und mittlere Steigerung der Lebenserwartung Steigende Frauenerwerbsbeteiligung und Rente mit 67 Quelle: Fuchs, Dörfler 2005 aktualisiert
Altersstruktur des Erwerbspersonenpotenzials bis 2050 – Personen in 1000 – Quelle: Fuchs, Dörfler 2005 aktualisiert
Künftiger Arbeitskräftebedarf
Arbeitsmarktbilanz in Deutschland 1991 bis 2025 Arbeitsmarktbilanz 1991 bis 2025 – Personen in Mio. – Arbeitsmarktbilanz in Deutschland 1991 bis 2025 - Personen in Mio. -
Struktur-wandel der Erwerbs-tätigen bis 2025 Quelle: IAB KB 26/2007
Strukturwandel der Erwerbstätigen bis 2025 – Veränderung des Anteils in Prozentpunkten – Quelle: IAB KB 26-2007
Zu erwartende Anpassungsprobleme
Bevölkerung und Qualifikation nach Alter - Deutschland in Mio - Quelle: Mikrozensus, eigene Berechnungen, 2005
Zusammenspiel von Strukturwandel und Demographie Qualifikationsanforderungen der Betriebe steigen Ersatzbedarf an Qualifizierten aufgrund der demographischen Entwicklung hoch Qualifikationsstruktur der Erwerbsbevölkerung verbessert sich nicht weiter wachsendes Risiko eines Fachkräftemangels
Quelle: IZA Research Report No. 9, 2007 Arbeitskräftebedarf nach Qualifikationsstufen – Deutschland, aktuell und Prognose 2020, Anteile in % - Fachhochschul-/ Universitätsabschluss Meister/Techniker Fachschulabschluss mit Berufsabschluss ohne Berufsabschluss Fachhochschul-/ Universitätsabschluss Meister/Techniker Fachschulabschluss mit Berufsabschluss ohne Berufsabschluss aktuell Quelle: IZA Research Report No. 9, 2007
Zukünftige Nachfrage nach Qualifikationen Lässt sich der Bedarf an bestimmten Qualifikationen oder Berufen in 15, 20 oder 30 Jahren detailliert voraussehen? nein, aber Trends identifizierbar! Einflüsse durch technischen Fortschritt (Rationalisierung) Globalisierung (Verlagerung, offshoring) Güternachfrage
Technischer Fortschritt Ambivalenz des technischen Fortschritts: bei neuen Produkten: „Joberzeuger“ bei alten Produkten: „Jobvernichter“ hohe Rationalisierbarkeit bei Standardisierbarkeit / manueller & kognitiver Routine geringe Rationalisierbarkeit bei interaktiven und wissensintensiven Tätigkeiten
Technischer Fortschritt (2) These 1: technischer Fortschritt begünstigt die Qualifizierten These 2: technischer Fortschritt führt zu einer Polarisierung
Auswirkungen des technischen Fortschritts auf Tätigkeitsfelder Goos, Manning (2003), Dustmann, Ludsteck, Schönberg (2007) Unterschicht Mittelschicht Oberschicht typische Tätigkeiten manuelle Interaktion; manuelle Routine analytische und kognitive Routine interaktive und kreative kognitive Tätigkeiten Rationali-sierbarkeit mittel hoch gering Polarisierung ?
Verlagerbarkeit Globalisierung schier unerschöpfliches Reservoir von Menschen mit Standardqualifikationen in Billiglohnländern Verlagerbarkeit hoch bei Standardtätigkeiten mit leichter Qualitätskontrolle geringen Informations-/ Transportkosten
Verlagerbarkeit und Qualifikationen Auch manche hochqualifizierten Tätigkeiten verlagerbar! Verstärkte Bedeutung der Bildungsinhalte Aber: Höherqualifizierte sind in der Regel anpassungsfähiger!
Beteiligung an Weiterbildung nach Schulabschluss - Personen von 19 bis 64 Jahren in Prozent) - Zentrale Ergebnisse: Je höher die Schulbildung, desto größer die Beteiligung an beruflicher Weiterbildung Das Bildungsniveau ist die wichtigste soziale Determinante für das Weiterbildungsverhalten Und: die Weiterbildungsbeteiligung hat sich zwar insgesamt bis 1997 erhöht, die Unterschiede zwischen den Bildungsgruppen sind aber stabil geblieben (während sich andere Unterschiede, z.B. zwischen Frauen und Männern) verringert haben) Quelle: Berichtssystem Weiterbildung, Eckdaten zum BSW-AES 2007
Betriebliche Weiterbildung
Angebot an betrieblicher Weiterbildung in der EU - in Prozent aller Unternehmen Quelle: Eurostat 2007
Anteil der weiterbildenden Betriebe nach Betriebsgröße (in Prozent) Quelle: IAB-Betriebspanel 2006
Gruppenspezifische Weiterbildungsbeteiligung (in % der jeweiligen Beschäftigtengruppen) Quelle: IAB-Betriebspanel 2005
Weiterbildung für Ältere nach Betriebsgröße - Anteil der weiterbildenden Betriebe in % - Quelle: IAB-Betriebspanel 2006
Partizipation an der Weiterbildung Unterdurchschnittlich Partizipation … … auf der Betriebsebene kleine und mittlere Unternehmen … auf der Personenebene: Geringqualifizierte Ältere Personen mit Migrationshintergrund Frauen mit betreuungsbedürftigen Kindern Teilzeitbeschäftigte
Hinderungsgründe für Weiterbildung aus Sicht der Betriebe Hohe Weiterbildungskosten; eigene Weiterbildung lohnt sich nicht Organisatorische Probleme bei Freistellung der Mitarbeiter Fehlende Informationen über externe Weiterbildungsangebote Konzentration der Weiterbildung auf besonders „lohnende“ Mitarbeitergruppen
Hinderungsgründe für Weiterbildung aus Sicht der Beschäftigten Angst vor dem Lernen, vor Misserfolg, vor dem Medieneinsatz Organisatorische Probleme Zufriedenheit mit dem Erreichten Zeithorizont der Beschäftigung Mangelnde Informationen über Angebote und Nutzen der Weiterbildung
Schwächen des Bildungssystems
Abgänger ohne Hauptschulabschluss Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss, Studienberechtigte und Studienanfänger - in Prozent der gleichaltrigen Wohnbevölkerung - Studienberechtigte Studienanfänger Abgänger ohne Hauptschulabschluss Zentrale Ergebnisse: Quelle: Statistisches Bundesamt
Ansätze der Bildungsforschung Unterschiedliche Erträge von Bildungsinvestitionen In Deutschland besonders hohe Bildungsvererbung Strukturelle Ursachen
Kinder aus niedrigen Schichten Kinder aus hohen Schichten Ertrag eines zusätzlich ausgegebenen Euro auf verschiedenen Bildungsniveaus Kinder aus niedrigen Schichten Ertragsrate Kinder aus hohen Schichten Alter Frühkindliche Bildung Schule Hochschul-bildung Weiter-bildung Quelle: Wößmann (2006)
Fazit
Fazit Wachsenden Mismatch-Probleme Arbeitsmarktintegration wettbewerbsschwächerer Arbeitnehmer große beschäftigungspolitische Herausforderung Wachsende Engpässe bei Fachkräften sind wahrscheinlich
Fazit (2) Strategien zur Erschließung quantitativer und qualitativer Personalreserven: Verstärkte (Weiter-)Bildungsinvestitionen Kinderbetreuung, längere Lebensarbeitszeit, Integration, gezielte Zuwanderung Rascher Handlungsbedarf wegen der verzögerten Wirksamkeit
Fazit (3) Impulse für Bildungsexpansion Zugang zu höherer Bildung („mehr Chancen“) Verbesserung der schulischen Bildung („bessere Angebote“) Höhere Bildungs- und Studierneigung („stärkere Nachfrage“) Durchlässigkeit im Ausbildungssystem („mehr Flexibilität“) Erhaltung und Ausbau der Beschäftigungsfähigkeit („mehr Nachhaltigkeit“)
Fazit (4) Strategien der Personalentwicklung Entwicklung der Belegschaften und Anreize für Bewerber Themen: Weiterbildung, Gesundes Altern, Vereinbarkeit von Familienarbeit und Beruf, work life balance, flexible Zeitarrangements, Motivation
Für weitere Informationen www.iab.de
Backup
Entwicklung des Erwerbspersonenpotenzials (2000-2009 in Tsd. Personen) Quelle: Berechnungen des IAB; 2009: Prognose
Veränderung des Erwerbspersonenpotenzials in Ost- und Westdeutschland Quelle: Berechnungen des IAB; 2010: Prognose
Positive Folgen der Weiterbildung aus betrieblicher Sicht Die Mitarbeiter sind den Anforderungen des Arbeitsplatzes besser gewachsen 94% Die Arbeitsergebnisse werden verbessert 90% Die Mitarbeiter sind motivierter 84% Die Mitarbeiter werden an das Unternehmen gebunden 67% Die Teilnehmer werden als Mitarbeiter besonders geschätzt 42% Quelle: Forsa 2008
Demographischer Wandel und Arbeitskräftebedarf Tendenzaussagen: Schrumpfende Bevölkerung bremst Investitionen und Konsum und schwächt damit das Wirtschaftswachstum absolut (aber nicht pro Kopf) Wachsende Personalengpässe erhöhen Arbeitsproduktivität und Entlohnung Durch Alterung verschiebt sich die Nachfrage privater Haushalte noch stärker in Richtung Dienstleistungen IAB-Ansatz: Makroökonometrisches Modell (Entwicklung der Bevölkerung / Erwerbspersonenpotenzial vorgegeben)
Betriebliches Angebot an Weiterbildung Anteil der weiterbildenden Betriebe in % Quelle: IAB-Betriebspanel