Pädagogische Woche KÖLN Mittwoch, 26. Oktober 2005

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Pädagogische Woche KÖLN Mittwoch, 26. Oktober 2005 Typisch christlich? Der spezifische Beitrag der Christen in einer Welt, über der der Himmel verschlossen scheint Prof. Dr. Ursula Nothelle-Wildfeuer Pädagogische Woche KÖLN Mittwoch, 26. Oktober 2005

1. Kirche im Kontrast oder Kirche in der Welt. 1 1. Kirche im Kontrast oder Kirche in der Welt? 1.1 Kirche – eine Gesellschaft im Kontrast Norbert und Gerhard Lohfink: Es sei unumgänglich notwendig, in Fortführung der Sammlung Israels eine von der allgemeinen Gesellschaft abgehobene, im Glauben an Jesus gegründete „Gegengesellschaft“ und „'Kontrastgesellschaft'“ zu bilden, die die sichtbare Alternative Gottes darstellen und die durch ihren Modellcharakter „Salz der Erde“ und „Stadt auf dem Berg“ sein soll. Die Kirche als Kontrastgesellschaft Kirche für die Welt, aber gerade so, dass sie nicht in der Welt aufgeht, sondern ihre eigenen Konturen ausprägt. Ihr ist es gerade nicht im Sinne christlicher Hilfestellung um die Gesellschaft zu tun, sondern um die eigentlich biblische Vorstellung von der richtigen Gesellschaft.

1.2 Kirche in der Welt: der christliche Welt- und Gesellschaftsgestaltungsauftrag Positive Würdigung: Wichtiger Appell, sich der Welt nicht anzugleichen, als ein Grundthema der gesamten Christentumsgeschichte Kritische Überlegungen zu diesem Kontrastgesellschaftsprogramm: Weltverständnis Verhältnis von Kirche und Staat Verständnis von Herrschaft und Gewalt Übernahme von Verantwortung im öffentlichen Bereich dieser Welt

Wahrnehmung christlicher Weltverantwortung kann gerade nicht bedeuten, sich gleichsam in eigener Regie so etwas wie eine katholische Sonderwelt aufzubauen, denn die Welt ist für alle Menschen nur eine einzige, die es allerdings mit dem Geist Christi zu durchdringen gilt! Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler, „Die Arbeiterfrage und das Christentum“ von 1864: „Christus ist nicht nur dadurch der Heiland der Welt, dass er unsere Seelen erlöst hat; er hat auch das Heil für alle anderen Verhältnisse der Menschen, bürgerliche, politische und soziale, gebracht.“

2. Gesellschaftlich-politische Diakonie der Kirche heute – Konkretionen 2.1 Nicht Parteipolitik, sondern gesellschaftlich-politische Diakonie Gesellschaftlich-politische Diakonie nicht Traum der Wiedereinführung einer Staatskirche nicht Parteipolitik der Kirche Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit 1997: „1. Die Kirchen wollen nicht selbst Politik machen, sie wollen Politik möglich machen. (4) Das Wort der Kirchen ist kein alternatives Sachverständigen-gutachten und kein weiterer Jahreswirtschaftsbericht. Die Kirchen sind nicht politische Partei. Sie streben keine politische Macht an, um ein bestimmtes Programm zu verwirklichen. Ihren Auftrag und ihre Kompetenz sehen sie auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Sozialpolitik vor allem darin, für eine Wertorientierung einzutreten, die dem Wohlergehen aller dient.“

2.2 Gesellschaftlich-politische Diakonie und Wertorientierung Wertorientierung: ein zentraler Aspekt politischer Diakonie und christlicher Weltgestaltung Der weltanschaulich neutrale und pluralistische Staat: nicht mehr zuständig für das überzeitliche Heil und auch nicht für das innerweltliche Glück seiner Bürger Notwendige Zurückhaltung im Blick auf religiöse Fragen des Menschen Aus der Sicht des christlichen Glaubens legt sich von der Botschaft Jesu her ein „Ethos des Verzichts auf Gewissheit im Letzten innerhalb des Politischen“ nahe. Ernst-Wolfgang Böckenförde: Der „freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er nicht selbst garantieren kann“. Ralf Dahrendorf Sowohl die politische Demokratie als auch die Marktwirtschaft sind „kalte Projekte“, die zwar große und wichtige Errungenschaften der Neuzeit sind, die aber dem Menschen bei seiner Sinnsuche keine Hilfe bieten können!

2.3 Gesellschaftlich-politische Diakonie und die Verantwortung für soziale Gerechtigkeit Frage nach der sozialen Gerechtigkeit als Beteiligungs- Gerechtigkeit Amerikanischer Wirtschaftshirtenbrief von 1986: „kontributive Gerechtigkeit“ „dass die Menschen die Pflicht zu aktiver und produktiver Teilnahme am Gesellschaftsleben haben und dass die Gesellschaft die Verpflichtung hat, dem einzelnen diese Teilnahme zu ermöglichen.“ (Nr. 71) Denkschrift der EKD „Gemeinwohl und Eigennutz“ von 1991, „Beteiligungsgerechtigkeit“, „partizipative Gerechtigkeit“ (Nr. 157) Sozialwort der beiden Kirchen Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit: „Angesichts real unterschiedlicher Ausgangsvoraussetzungen ist es ein Gebot der Gerechtigkeit, bestehende Diskriminierungen aufgrund von Ungleichheiten abzubauen und allen Gliedern der Gesellschaft gleiche Chancen und gleichwertige Lebensbedingungen zu ermöglichen.“ (Nr. 111)

Memorandum einer Expertengruppe, berufen durch die Kommission VI für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz, „Mehr Beteiligungsgerechtigkeit“ „Es kommt darauf an, allen – je nach ihren Fähigkeiten und Möglichkeiten – Chancen auf Teilhabe und Lebensperspektive zu geben, statt sich damit zu begnügen, Menschen ohne echte Teilhabe lediglich finanziell abzusichern.“ „Vorrangige Option für die Armen“ spezifisch christliche Sicht auf die Ärmsten der Gesellschaft, auf die an den Rand Gedrängten, die der Solidarität besonders bedürfen: die Arbeitslosen und die Familien.

3. Das Proprium christianum der gesellschaftlich-politischen Diakonie der Kirche heute Die gesellschaftlich-politische Diakonie und christliche Weltgestaltung steht stets unter dem Anspruch unbedingter Menschlichkeit und des Humanums. Auch die Gestaltung des öffentlichen Bereichs steht unter dem Anspruch des christlichen Liebesgebotes. Auch die alltägliche Politik ordnet sich so nach christlichem Verständnis in die Dynamik des Reiches Gottes ein. Eine besondere Aufmerksamkeit auf jene Glieder der Gemeinschaft gerichtet, die wegen eigener Schwächen besonders leicht außer Betracht fallen und in ihren Interessen vernachlässigt werden. Politische Diakonie der Kirche heute kommt ohne Barmherzigkeit nicht aus. Christen in der Welt, und darin besteht durchaus ein christliches Spezifikum, handeln nicht vorrangig, weil die Adressaten Christen sind, sondern weil die Handelnden Christen sind und einen spezifischen Beitrag zur Humanität und zur Kultur des Lebens für alle zu leisten haben.

So entsteht also durchaus eine eigene Dynamik im Blick auf Verbesserung und Intensivierung der je schon erreichten Mitmenschlichkeit. Einer christlich motivierten Weltgestaltung geht es vorrangig um das Einbringen der Perspektive des Humanums, der Menschenwürde, um die Botschaft von der unendlichen Würde des Menschen aus christlicher Verantwortung. Verlässt man sich nicht nur auf menschliches Handeln, sondern bezieht Gottes vorausgehende Heilszusage mit ein, so ergibt sich ein durchaus unterscheidend christlicher Modus, nach dem Christen der Welt ihren Dienst leisten können und sollen: Gerade so wird Gelassenheit und das daraus resultierende Engagement einerseits christlich ermöglicht und andererseits die Erkenntnis gewonnen, dass auch ein "Minimalprogramm" in der Welt schon Achtung verdient - in der Überzeugung, dass das Reich Gottes letztlich umfassend von einem anderen her geschenkt und vollendet wird.

Andererseits darf natürlich gerade der Christ nicht "die Hände in den Schoß legen" und resignieren, sondern muss darauf vertrauen, dass sein Tun nicht sinnlos, sondern eine "adumbratio" (GS 39) ist, einen "Schimmer" (LE 27) des neuen Himmels und der neuen Erde erfahrbar machen wird.