Lernen auf unterschiedlichen Ebenen

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 Präsentation transkript:

Einheit 2 Lernen auf unterschiedlichen Ebenen (Individuum, Team, Organisation)

Lernen auf unterschiedlichen Ebenen Individual Group Organization Feed forward Experiences, Images Metaphors Intuiting Individual Interpreting Language, cognitive map Conversion/dialogue Group Shared understandings, mutual adjustments Feedback Integrating Organization Routines, diagnostic systems Rules and procedures Institutionalizing Quelle: Crossan, M., Lane, H. & White, R. (1999): An organizational learning framework: From Intuition to Institution. Academy of Management Review, 24: 522-537.

Lernen: Individuum

Begriffsdefinition LERNEN (1) Eine relativ überdauernde Verhaltensänderung, die auf ein bewusstes Bemühen zurückzuführen ist, nicht auf Reifung oder einen bestimmten Körperzustand (z.B. Ermüdung). (Steiner 1992) Auf- und Ausbau eines Wissens- Denksystems, das das Verhalten leiten kann. (Steiner 1992) Kompetenzbildende Aneignung von Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten. Nicht nur absichtsvoll (intentional), sondern auch beiläufig (funktional). (Arnold 2003) Das Aufnehmen, Verarbeitung und Umsetzen von Informationen. (Schilling, 1997) Hypothetische Prozesse, die Verhaltensänderungen durch Erfahrung entsprechen. (Langeldt 1996)

Begriffsdefinition LERNEN (2) Lernen in Abgrenzung zu … Angeborene Reaktionstendenzen: Reflexe (Saugreflex, Klammerungsreflex) Automatismen (Armbewegung) Instinkthandlungen – angeborene Verhaltensweisen, die auf Schlüsselreize reagieren (Flucht, Paarung) Prägung: (z.B. durch einschneidende Erlebnisse) Reifung: (Verhaltensänderung aufgrund physiologischer Veränderungsprozesse, z.B. gehen bei Kindern) Vorübergehende organismische Zustände Ermüdung Gewöhnung Drogenkonsum

Begriffsdefinition LERNEN (3) „Letzten Endes geht es jedoch immer um die Frage, auf welche Weise sich der Organismus den mannigfachen Anforderungen seiner Umwelt anpasst.“ (Foppa, 1965) Lewin: V = f (P,U)

Lernparadigmen / Lerntheoretische Schulen Behaviorismus Kognitivismus Modell-Lernen Konstruktivismus

1. Behavioristische Schulen S-R-Paradigma Forschungsgegenstand: objektive und beobachtbare Komponenten des menschlichen Verhaltens  „Black-box“ Strenge Orientierung an der Naturwissenschaft und der Induktion 3 Behavioristische Schulen: Klassische Konditionieren Instrumentelles Lernen Operantes Konditionieren

1.a. Klassische Konditionierung Durch wiederholte Paarung von Reizen wird ein bereits vorhandenes Verhalten aus dem Repertoire auf einen neuen Reiz hin gezeigt (Watson, Pawlow) Ein bestimmtes Verhalten (Reaktion) wird zu einem bestimmten Reiz gekoppelt  Konditionierung Kein Lernen von neuen Verhaltensweisen Beispiele: Speichelfluss im Mund beim Lesen der Speisekarte Schultern klopfen für Lob Werbung (Cowboy-Freiheit-Malboro) Tierdressur

1.b. Instrumentelle Konditionierung Ein vorhandenes Verhalten wird durch die Reaktion (Zeitpunkt, Art, Stärke) der Umwelt (pos./neg.) verstärkt „Law of effect“ (Thorndike) Lernen durch Versuch und Irrtum bzw. Lernen am eigenen Erfolg Streng genommen noch kein Lernen neuer Verhaltensweisen, sondern eine Beeinflussung der Häufigkeit eines bestimmten Verhaltens Beispiel: Das Lernen neuer Tanzschritte

1.c. Operante Konditionierung Annahme: Verhalten tritt spontan - ohne direkt auslösenden Reiz - auf Lernen erfolgt wenn spontan auftretendes Verhalten unmittelbar verstärkt wird  Bekräftigungslernen Bewusster Einsatz von Verstärkern (pos./neg. Verstärkung, Bestrafung, Löschung) Lernen neuer Verhaltensmuster möglich Beispiele: Hund bekommt „Leckerli“ wenn er brav ist Sozialisation Belohnung / Bestrafung am Beispiel der Kindererziehung Aberglaube „Skinner-Box“

2. Kognitivistische Schulen S-O-R-Paradigma Forschungsgegenstand: Denkprozesse des Lernens erkennen und erklären (Tolman, Bruner) Kognitive Repräsentation (Introperspektive): Wissenserwerb, Wissensspeicherung, Wissensabruf Lernen erfolgt durch Aneignung von neuem Wissen aber auch durch die Neuorganisation von bestehendem Wissen. Zielgesteuertes Problemlösen zwischen Anfangs und erwartetem Endzustand.

Zusammenfassung der Kernelemente Behaviorismus Kognitivismus Paradigma: S - R Paradigma: S - O - R V = f (P, U); passives Menschbild V = f ( P, U); aktives Menschenbild Forschungsmethodik: objektivistisch  nur beobachtbares Verhalten zählt als gelernt Forschungsmethodik: subjektivistisch (Introperspektive - empirische Sozialforschung) Relevant ist die Ebene KÖNNEN Relevant sind die Ebenen WISSEN / KÖNNEN / WOLLEN „O“ (Speicherung) ist nicht Forschungsgegenstand  sofortige Nachahmung notwenig, da nicht zeitverzögert reproduziert werden kann „O“ ist Forschungsgegenstand  zeitverzögerte Reproduktion möglich Lernen von „neuen“ Verhaltensweisen erst in fortgeschrittenen Lerntheorien möglich bestehende Verhaltensweisen können ausgelöst werden bestehende Verhaltensweisen können (weitgehend) verändert werden neue Verhaltensweisen können gelernt werden

3. Modell-Lernen

„bobo doll study“ / „Rocky Experiment“ … zur Entwicklung der Sozial- Kognitiven Lerntheorie Vorschulkinder aus drei verschiedenen Gruppen sahen einen Film über ein erwachsenes Modell namens „Rocky“, welches sich sehr aggressiv gegenüber seiner Puppe „Bobo“ verhält (schlagen, treten, schimpfen…). Die Kinder sahen bis zu diesen Szenen alle den gleichen Film. Am Ende unterschieden sich die Filme darin, wie auf „Rockys“ Verhalten reagiert wurde: Rockys Verhalten wurde verstärkt (Belohnung) Rockys Verhalten wurde bestraft Rockys Verhalten hatte keine Konsequenzen Die Kinder wurden nach dem Sehen des Films in einen Raum geführt, indem genau dieselben Spielsachen waren, die „Rocky“ im Film zuvor getreten, geschlagen bzw. kaputtgemacht hatte.

„bobo doll study“ / „Rocky Experiment“ … Ergebnisse des Experiments Es wurde nun beobachtet, bei welchen Kindern das Verhalten „Rockys“ auftrat und bei welchen nicht. Rocky wurde zuvor gelobt  aggressives Verhalten tritt auf Rocky wurde bestraft  aggressives Verhalten tritt nicht auf es passierte nichts  aggressives Verhalten tritt auf Wenn aber den Kindern der 2. Gruppe eine Belohnung (Süßigkeit) versprochen wurde, falls sie das Gesehene nachspielten, zeigten auch sie das gesehene aggressive Verhalten FAZIT: Albert Bandura schloss daraus, dass die Kinder das Vorbildverhalten gleichermaßen erlernten, aber je nach Folgen unterschiedlich reproduziert haben. Es besteht also ein Unterschied zwischen Erwerb (Akquisition) und Ausführung (Performanz) des beobachteten Verhaltens.

Lernprozess: 2-Komponenten-Theorie des Modell-Lernens Menschen lernen aufgrund von Information und das eigentliche Lernen besteht aus zentralen Integrationsprozessen. Aneignungsphase (Akquisition) Aufmerksamkeitsprozess Gedächtnisprozess Ausführungsphase (Performance) Motorische Reproduktion Verstärkungs- und Motivationsprozesse  Unterscheidung zwischen Wissenserwerb und Ausführung des gelernten Verhaltens

Unterscheidung zwischen Leistung und Lernen

(1) Aufmerksamkeit & Wahrnehmung Welche Faktoren beeinflussen den Wahrnehmungsprozess? Auffälligkeit, Neuheit des Verhaltens Modell-Eigenschaften Tüchtigkeit, Status, Geschlecht, Attraktivität, Alter, Gruppenzugehörigkeit Kompetente, mächtige, sympathische Modelle werden häufiger beobachtet Beobachter-Eigenschaften Motiviertheit (Aktivitätsniveau), Wahrnehmungsfähigkeit Persönlichkeitseigenschaften, wie z.B. Abhängigkeit, Ängstlichkeit, Selbstkonzept, etc.

(2) Speicherung und Erinnerung Von der Speicherung zur Erinnerung … Kognitive Repräsentation durch Kodierung / Verschlüsselung Bildliche, sprachliche, symbolische Kodierung Kognitive Organisation Wiederholung Symbolisches Üben (kognitiv) Üben durch Tun (aktional, tatsächlich)

(3) Motorische Reproduktion Teilprozesse der motorischen Reproduktion … Kognitive Organisation der Reproduktion (Wissen) Auslösung (Können, Wollen) Physische Fähigkeiten (Ausführung) Überwachung (Feedback oder Selbstbeobachtung) Korrektur aufgrund informativer Rückkoppelung

(4) Motivationale Prozesse Unterscheidung zw. Erwerb und Ausführung von Verhalten Die Ausführung des Verhaltens ist abhängig von den antizipierten Erwartungen des Beobachters Möglichkeiten der Verstärkung von Verhalten: Direkte, externe Verstärkung: Verstärkung des Beobachters für die Nachahmung Indirekte, stellvertretende Verstärkung: Verstärkung des Modells Selbstverstärkung: vom Individuum selbstgesetzte Standards (Erfolg)  Erwartungen über die Konsequenzen des Verhaltens sind entscheidend, weniger die objektiven Ereignisse in der Umwelt selbst!

Sozial-kognitive Lerntheorie von Albert Bandura Integration behavioristischer und kognitiver Ansätze - Lernen durch Verstärkung und Speicherung Reziproker Determinismus: Psychische Vorgänge werden durch kontinuierliche, reziproke Interaktionen zwischen Umwelt, Verhalten und individuellen kognitiven und anderen inneren Prozessen (Motivation, Emotion,...) bestimmt, die auf die Wahrnehmung und Handlung einwirken können. Individuen werden durch die Umwelt beeinflusst. Die Umwelteinflüsse können (aber) aktiv durch das Verhalten verändert werden.  Neuinterpretation der Lewinschen Formel: V U P

Prämissen der sozial-kognitiven Lerntheorie Stellvertretendes Lernen Lernen durch Beobachtung vs. trail and error Komplexe Verhaltensweisen können nur mithilfe von Modellierung erlangt werden Symbolisches Lernen Fähigkeit, Symbole zu verwenden Speicherung der Erfahrung durch Sprach- und Vorstellungssymbole Selbstregulierungsprozesse Menschen sind in der Lage ihr Verhalten zu kontrollieren (Antizipation von Verhaltenskonsequenzen, Selbstmotivation)

Wege zum „Entlernen“ „Man entdeckt keine neuen Weltteile, ohne den Mut zu haben, alte Küsten aus den Augen zu verlieren!“ Entlernen als Entfernung von bestimmten Speicherelementen (Entlernen nach dem Verständnis der Verhaltenspsychologie) Löschung Gegenkonditionierung Paradigmenwechsel - Lernprozesse, die zu grundlegenden strukturellen Veränderungen eines Schemas führen

Arbeitsaufgabe Reflektieren Sie kurz über folgende Fragen und besprechen Sie diese im Anschluss im 2er-Team: Was sind mögliche Ursachen, wenn ein gezeigtes Verhalten nicht nachgebildet wird? Die Sozial-kognitive Lerntheorie als gefährliche Sozialisationspraktik? Wo finden Überlegungen der Lerntheorien Eingang in Organisationen?

Zum Abschluss ein Stück Konstruktivismus … „Man kann einem Menschen nichts lehren. Man kann ihm nur helfen, es in sich selbst zu entdecken.“ (Galileio Galilei / 1564-1642)

Lernen: Organisation

1. Was ist organisationales Lernen? Organisationales Lernen bezeichnet den Prozess, organisationales Handlungen durch besseres Wissen und Verständnis zu verbessern (Fiol & Lyles, 1985) Eine Einheit lernt dann, wenn der Spielraum für mögliches Verhalten durch das Verarbeiten von Information erweitert wird (Huber, 1991) Organisationen können als „lernend“ betrachtet werden, wenn sie Schlüsse aus ihrer Vergangenheit ziehen und in Routinen integrieren, die ihr Verhalten anleiten (Levitt & March, 1988) Organisationales Lernen ist der Prozess der Fehlerentdeckens und -korrigierens (Argyris, 1977) Organisationales Lernen entsteht durch geteilte Einsichten, Wissen und mentale Modelle, ... Und baut auf vergangenem Wissen und Erfahrung, also auf dem organisationalen Gedächtnis auf (Stata, 1989) Unter organisationalem Lernen ist der Prozess der Erhöhung und Veränderung der organisationalen Wert- und Wissensbasis, der Problemlösungs- und Handlungs- kompetenz sowie die Veränderung des gemeinsamen Bezugsrahmens von und für Mitglieder innerhalb der Organisation zu verstehen (Probst & Büchel, 1994)

2. Handlungstheorien in Organisationen Handlungstheorien sind jene Grundüberlegungen, an denen Organisationen oder Individuen ihr Handeln ausrichten. Sie bilden den Bezugsrahmen der Organisation und setzen damit Grenzen der individuellen Entwicklung fest Offizielle Handlungstheorien sind (explizite) Bekenntnisse zu jenen Ideen und Werten, nach denen Individuen oder Organisationen ihr Handeln offiziell ausrichten Gebrauchstheorien sind diejenigen (impliziten) Theorien, an denen sich Individuen oder Organisationen in ihrem Handeln tatsächlich orientieren Abweichungen zwischen offiziellen Handlungstheorien und Gebrauchstheorien können organisationales Lernen auslösen Quelle: Argyris, C. & Schon, D. (1978): Organisational learning: A theory of action perspective. Reading, Addison Wesley. vgl. für einen Überblick: Probst, G. & Büchel, B. (1994): Organisationales Lernen, Wiesbaden, Gabler.

3. Unterschiedliche Arten organisationalen Lernens Adaptionslernen („single loop-learning) ist die effektive Adaption an vorgegebene Ziele und Normen Veränderungslernen („double loop-learning“) ist die Hinterfragung von Normen und Werten, sowie die Restrukturierung dieser in einem neuen Bezugsrahmen Prozesslernen („deutero-learning“) ist die Einsicht über den Ablauf von Lernprozessen Reflexion, Analyse Ziele Handlungen Ergebnisse Korrekturen Korrekturen Korrekturen

4. Auslöser für organisationales Lernen: Erfolg Moderater Erfolg! Moderater Erfolg ermöglicht den Aufbau von Überschussressourcen („slack“), die Experimentieren ermöglichen (3M: „pre-adaptation“, „dreamtime“) Kulturelle Werte und Normen können kontinuierliche Variation, trotz Erfolges, nahe legen Chronischer Erfolg? Ikarus-Syndrom (Miller, 1990): Nachhaltiger Erfolg fördert Homogenität, Abschließen gegenüber der Umwelt (Inselbildung), Selbstzufriedenheit, und Aufmerk-samkeitsverlust: „Simplifizierung der Welt“ Damit bereitet chronischer Erfolg oft den Weg in den Misserfolg vor („success trap“)

4. Auslöser für organisationales Lernen: Misserfolg Moderater Misserfolg! Moderater Misserfolg lenkt die Aufmerksamkeit auf Chancen und Gefahren und fördert so organisationale Adaption. „Intelligenter Misserfolg“ resultiert aus (1) sorgfältig geplanten Handlungen (2) mit unsicherem Ergebnis, die (3) von mäßigem Umfang/Risiko sind und (4) in einem Bereich ausgeführt wurden, der vertraut genug ist, um effektives Lernen zu ermöglichen Chronischer Misserfolg? Ablernen wird hier zu einem kritischen Thema. Versagen wird zumeist extern attribuiert; bestehende Muster werden gerechtfertigt. Abwärtsspirale als Konsequenz Damit bereitet chronischer Misserfolg oft den Weg in weiteren Misserfolg vor („failure trap“)

4. Auslöser für organisationales Lernen: Lernen von anderen Lernen von Erfolgen anderer (Imitation) Lernen von Fehlern anderer Lernen von Fehlern anderer Lernen von Fast-Fehlern anderer

5. Zwei Formen der organisationalen Kurzsichtigkeit In ihrem klassischen Aufsatz „The Myopia of Learning“ (1993) diskutierten Levinthal und March zwei Formen der organisationalen Myopie (Kurzsichtigkeit) Temporal Myopia: Langfristiger Erfolg wird zugunsten kurzfristigen Erfolges geopfert Spatial Myopia: Es herrscht ein enger Such-Fokus für Neues, wodurch der Gesamtüberblick verloren geht Quelle: Levinthal, D. & March, J. (1993): The myopia of learning. Strategic Management Journal, 14, 95-112.

6. 2 Modi organisationalen Lernens: Exploration versus Exploitation (Nov. 1997: $ 110; Nov. 2007: $ 25; Nov. 2008: $ 11). Nachhaltiger Unternehmenserfolg erfordert das Verfolgen beider Lernmodi Gefahr 1: Exploitation verdrängt Exploration: Wenn Investitionen in neue Geschäftsfelder mit Unsicherheit behaftet sind, tendieren Unternehmen dazu in bestehende Geschäftsfelder zu investieren (Kompetenzfalle) Gefahr 2: Exploration verdrängt Exploitation: Aufgrund permanenten Wandels kann sich das Unternehmen in keinem Geschäftsfeld nachhaltig etablieren (Fehlerfalle)

6. Zur Gestaltung eines Kontexts für Lernen (1) Verknüpfen von Lernen mit einem konkreten Ziel Lernen erfordert oftmals auch organisationales Commitment (Lernen muss instrumentell/nützlich sein und ist selten Selbstzweck) Optimales Ausmaß Inhaltlicher Unsicherheit erkennen / herstellen Zentraler Trade-off: zuviel Unsicherheit (Paralyse) vs. kaum Unsicherheit (keine Veränderung) Aktuelle Situation diagnostizieren und diskutieren Aufbau auf bestehendem Wissensstand der Organisation Psychologische Sicherheit ermöglichen Zentrales Thema: Umgang mit Fehlschlägen in Organisationen Psychologische Sicherheit erfordert Verankerung in der Unternehmenskultur Lernfortschritt festhalten Lernerfahrung muss im System verankert werden,wenn sie nicht in rasch wieder in Vergessenheit geraten soll. Festhalten muss ermöglicht und gefördert werden Vgl. hierzu: Friedman, V., Lipshiz, R. & Overmeer, W. (2001): Creating Conditions for organizational learning. In: Diekes, M. et al (Hg.) Handbook of organizational learning and knowledge, Oxford, OUP: 757-774.

6. Zur Gestaltung eines Kontexts für Lernen (2) Psychologische Sicherheit fördert insbesondere dann die Leistung, wenn gleichzeitig eine hohe Verantwortung für das Erreichen von Ergebnissen verspürt wird hoch Komfort Zone „nur die Ruhe“ Lern Zone „gemeinsam könnten wir es versuchen“ Psychologische Sicherheit Apathie Zone „alles nach Vorschrift“ Angst Zone „was soll ich zuerst tun?“ Verantwortlichkeit der Zielerreichung hoch Quelle: Edmondson, A. (2008): The competitive Imperative of Learning. Harvard Business Review, 86: 60-67.

7. Case: Lernen in Teams (1) 6 5 Zeitaufwand in Stunden OP-Crew 1 4 OP-Crew 2 3 5 10 15 20 Anzahl Wiederholungen Quelle: Edmondson, A. et al. (2001): Speeding up Team Learning. Harvard Business Review, 79: 125-134.

7. Case: Lernen in Teams (2) Team Lernen Lernsituation Framing Leistungssituation Hohes Ausmaß (Lern Zone) Psychologische Sicherheit Geringes Ausmaß (Angst Zone) Berücksichtigt individuelle Beiträge Führungsstil Ermöglicht kaum Partizipation Regelmäßige Reflexion und „lessons learned“ Reflexion Kaum Reflexionsphasen Hohes Ausmaß an Umfeld-unterstützung Kontext Support Geringes Ausmaß an Umfeld-unterstützung Moderate Heterogenität Team Design Homogenität, Heterogenität

8. Barrieren organisationalen Lernens: unterbrochene Lernzyklen March & Olsen (1975) identifizierten insbesondere Unterbrechungen in organisationalen Lernzyklen als Barrieren für effektives Lernen Rollenbegrenztes Lernen Individuelle Handlungen Individuelle Kognitionen Lernen unter Mehrdeutigkeit Publikumslernen Organisationale Handlungen Umweltreaktion Abergläubisches Lernen

8. Barrieren organisationalen Lernens: strukturelle Aspekte Das Organisationsdesign kann als Lernbarriere wirken (strukturelle Informationspathologien) Strukturen determinieren die Wege auf denen Information verarbeitet wird Hierarche, Spezialisierung und Zentralisierung als potenzielle Hemmnisse für organisationales Lernen Managament Barrieren Funktionale Barrieren Operative Inseln

8. Barrieren organisationalen Lernens: kulturelle Aspekte (Organisations-)Kulturelle Aspekte spielen eine wichtige Rolle in der Förderung und Behinderung von organisationalem Lernen (vgl. z.B. Argyris, 1990) Lernen erfordert Verlernen und Wandel Unterschiedliche Bezugsrahmen erschweren gegenseitige Anschlussfähigkeit „Defensive Muster“ (Routinen) und „phantasievolle Verrenkungen“ konstituieren beschränkte Lernsysteme Widerstand gegen Veränderung (im Falle von Lernen höherer Ordnung) Werte und Normen sind oft hochgradig veränderungsresistent Ansprechen von Tabus weckt defensive Muster Defensive Muster Phantasievolle Verrenkungen Management-Probleme Unbehagen

Exkurs. Umgang mit Widerstand Überwindung von Widerstand Aufklärung und Kommunikation - Partizipation und Beteiligung Unterstützung und Qualifizierung - Belohnungen und Anreize Rücksichtnahme auf soziale Beziehungen - „Early wins“ und rasche Stabilitsierung Position Gefahr Macht einsetzen rationale Bedenken werden unterdrückt, „Compliance“ statt „Conversion“ wird erzeugt, Widerstand wird in den Untergrund gedrückt Manipulieren Vertrauen wird beschädigt, wenn das Verhalten durchschaut wird Überzeugen Resultat ist oft eine Abgrenzung auf beiden Seiten Ignorieren Widerstand verschwindet nicht und kann evtl. eskalieren Mikropolitik Die Gründe für den Widerstand bleiben im Dunklen, - Ineffektiv, wenn auf Seiten des Widerstandes ernsthafte, tiefgreifende Bedenken bestehen Nachgeben Wandel kann nicht stattfinden

8. Barrieren organisationalen Lernens: (Organisations-) psychologische Einsichten Eskalierendes Commitment („escalating commitment“) Tendenz getätigte Investitionen („sunk costs“) retten zu wollen Abweichende Information wird „rationalisiert“ und nicht verarbeitet (Lernhemmnis) Erlernte Hilflosigkeit (der „green room effect“) Tendenz irrationale Begründungen für negative Erfahrungen zu suchen und in der Folge die Umstände unter denen die negative Erfahrung gemacht wurde zu meiden (Beschränkung auf ein eigeschränktes Repertoire an Handlungsmustern) Die Zuversichtlichkeitsverzerrung („overconfidence bias“) Tendenz die Effektivität eigener Handlungen zu positiv einzuschätzen (vgl. fundamentaler Attributionsfehler) Ursache-Wirkungsketten bleiben unerkannt. Ereignisse werden „falschen“ Ursachen zugeschrieben (Lernhemmnis)

9. Förderung organisationalen Lernens: Strategieentwicklung (1) Maßnahmen der Strategieentwicklung können, wenn sie dazu geeignet sind Reflexion zu fördern, organisationales Lernen anregen Szenariotechnik (entwickeln unterschiedlicher Darstellungen potenzieller Entwicklungen, die Wege möglicher Veränderungen aufzeigen) „Spiele der kleinen Welt“ („learning by doing“ in Mikrowelten, rasche Rückmeldung, Nachbilden von Komplexität) Strategisches Controlling (Überprüfen der Grundprämissen strategischer Planung, Installieren von Früherkennungsindikatoren)

9. Förderung organisationalen Lernens: Strategieentwicklung (2) Die Szenariotechnik zielt auf das Antizipieren möglicher Zukunftsszenarien ab Extremszenario (Best-Case) Trendszenario Extremszenario (Worst-Case) Zeit Gegenwart Zukunft Ein Workshopdesign zur Entwicklung von Zukunftsszenarien umfasst folgende Aktivitäten: Problem definieren und strukturieren Triefkräfte der Schlüsselfaktoren auflisten Schlüsselfaktoren und Triebkräfte nach Wichtigkeit und Unsicherheit ordnen Zukunftsprojektionen für die einzelnen Szenariovariablen erstellen Szenariovariablen zu konsistenten Szenarien bündeln Hauptszenarien auswählen und interpretieren Auswirkungen (Chancen/Gefahren) für eigenes Unternehmen ableiten Konsequenzen von möglichen Störereignissen abschätzen Maßnahmen und Planungen konzipieren

9. Förderung organisationalen Lernens: Strategieentwicklung (3) Die Szenariotechnik zielt auf das Antizipieren möglicher Zukunftsszenarien ab Extremszenario (Best-Case) Trendszenario Extremszenario (Worst-Case) Zeit Gegenwart Zukunft Potenzielle Einflussfaktoren: Kerosinpreisentwicklung Bedarf der Fluglinien Weltwirtschaftsentwicklung Urlaubsverhalten Politische Situation Konkurrenz (Boing, Asien?) …

9. Förderung organisationalen Lernens: Strukturentwicklung (1) Je nach Ausformung kann das Organisationsdesign eines Unternehmens organisationales Lernen begünstigen Projektorganisation (temporärer Handlungsrahmen, der den Umgang mit einer dynamischen Umwelt ermöglicht und Umwelten kreiert, in denen Lernen erfolgen kann) Netzwerkorganisation (durch Netzwerkbildung kann interpersonales Lernen gefördert und apersonale Lerneffekte zum zentralen Interesse der Struktur gemacht werden) Kooperationen (z.B. strategische Allianzen, können Lernpotenziale eröffnen, indem intensiver Austausch mit Partnern mit komplementären Ressourcen betrieben wird)

9. Förderung organisationalen Lernens: Strukturentwicklung (2) Projektorganisationen können dazu dienen, dem Unternehmen einen Rahmen zu bieten der das Experimentieren mit neuen Denkweisen begünstigt (z.B. Business Venturing) Primärorganisation Sekundärorganisation Routineoperationen, geringe Unsicherheit Problemlösung, hohe Unsicherheit Begrenzte „Gelegenheiten“ Große „Gelegenheiten“ Feste Stellenbeschreibung Flexible Aufgabenzuweisung Qualifikation vor Aufgabenübernahme Qualifikation während Aufgabenbearbeitung Langer Dienstweg Kurzer Dienstweg Zielbildung top-down Zielbildung auch bottom-up Anreize: Gehalt, Vergütung Anreize: Lernchancen, Netzwerke Führung aufgrund hierarchischer Position Keine hierarchisch bedingte Führung

9. Förderung organisationalen Lernens: Kulturentwicklung (1) Die Unternehmenskultur ist ein zentraler Stellhebel für organisationales Lernen. Maßnehmen der Kulturentwicklung setzen hier an und zielen auf Reflexion ab Leitbildentwicklung (dient der Schaffung einer Systemidentität, der Herstellung von Sinn und der Prägung der Systemkultur) Kommunikationsforen (Versuch, Muster und Regeln der organisationalen Kommunikation, zu hinterfragen, um so bestehende Referenzrahmen zu beeinflussen) Imageanalysen (Reflexion über Selbst- und Fremdwahrnehmung der Organisation)

Exkurs. Interpunktionskonflikte Interpunktionskonflikte bauen auf Zuschreibungen auf und lassen sich z.T. durch Meat-Kommunikation angreifbar machen 2 4 Chef 6 ist demotiviert ist demotiviert übt Kritik übt Kritik ist demotiviert Mitarbeiter 1 3 5

9. Förderung organisationalen Lernens: Kulturentwicklung (2) Leitbilder beinhalten wesentliche Absichtserklärungen und Werte zu wirtschaftlichen und sozialen Bereichen. Sie können dazu dienen organisationalen Wandel zu befördern. Stufen zur Implementierung eines Leitbildes Voraussetzungen für Gesamtverhalten schaffen (Strukturen und Prozesse modifizieren) Maßnahmen: Führungsstruktur adaptieren, Schulungspläne erstellen, Strategie, Pläne und Budgets evaluieren Orientieren, Informieren, Kommunizieren (Hintergrund und Inhalte) Maßnahmen: Workshops zur Umsetzung, interne Mitteilungen, Mitarbeitergespräch, PR-Maßnahmen Individual- und Gruppenverhalten unterstützen (Unterstützung und Supervision) Maßnahmen: MbO stufengerecht, Mitarbeiterbeurteilung, Anreizsetzung, Umsetzung evaluieren