Vorlesung Gestaltung von soziotechnischen Informationssystemen St-IS

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 Präsentation transkript:

Vorlesung Gestaltung von soziotechnischen Informationssystemen St-IS Thomas Herrmann Lehrstuhl Informations- und Technikmanagement (IMTM) Institut für Arbeitswissenschaft

Der Lehrstuhl für Informations- und Technikmanagement ... Leitthemen: Integration von Mensch, Technik und Organisation Wissensmanagement und kooperatives Lernen elektronische Medien für die Verbesserung von Arbeitsprozessen und Dienstleistungen … bildet die Brücke von der Technikentwicklung zur Techniknutzung

Gliederung der Einführung Problemhintergrund und soziotechnische Perspektive Beispiele für „soziotechnisches System“ Aufbau der Vorlesung

Verlauf von SW-Einführungsprojekten Ziel: Einführung einer komplexen HW/SW Lösung (Workflow, ERP, Wissensmanagement, kooperative Verwaltung, ...) Die HW/SW wird größten Teils entspre-chend der Erwar-tungen genutzt Das Projekt wird abge-brochen Es wird ein völlig andere SW/HW Lösung einge-führt Die eigent-lichen Stärken einer SW/HW werden nicht genutzt Die Benutzer arbeiten um die HW/SW Lösung herum

Annahme: Kommunikations- und Kontextdefizit Annahme: Viele der beobachtbaren Probleme bei der  Technikentwicklung  -einführung  und -nutzung sind auf Kommunikationsprobleme und unzureichende Berücksichtigung des Kontextes zurückzuführen: Wichtige Akteure werden nicht gefragt Besonderheiten vor Ort werden nicht berücksichtigt Das Zusammenspiel zwischen Technik und Organisation wird vernachlässigt ...

Lösung: soziotechnischer Ansatz Der Anwendungskontext eines informationstechnischens Systems wird Frühzeitig analysiert und berücksichtigt Mit gestaltet bzw. systematisch beeinflusst There are four fundamental process activities that are common to all software processes. These are: I. Software specification where customers and engineers define the software to be produced and the constraints on its operation. 2. Software development where the software is designed and programmed. 3. Software validation where the software is checked to ensure that it is what the customer requires. 4. Software evolution where the software is modified to adapt it to changing customer and market requirements. Sommerville, 2001

Sozio-technische Systeme – geläufige Definition planvolle Integration von sozialer Kooperation und Kommunikation einerseits und technischer Infrastruktur andererseits Die Technik unterstützt die Kommunikation und Kooperation und spiegelt deren Strukturen wider. Sozio-technische Systeme können sich anhand technischer und organisatorischer Impulse weiterentwickeln, wobei diese Dynamik im System selbst kommuniziert und beschrieben wird. Je besser die Integration der technischen und der sozialen Seite, desto effizienter und effektiver das sozio-technische System.

Innovationsprojekte als Entwicklung soziotechnischer Systeme betrachten Anforderungen Arbeitsprozesse neu gestalten Technik, Organisation, Qualifizierung + Arbeitskultur einbeziehen Vorhandene Technik berücksichtigen Ganzheitlicher Ansatz – verschiedene Perspektiven auf das neue System integrieren Problem: technische Systeme lassen sich prototypen, Organisations- und Qualifikationsstrukturen nur indirekt

soziotechnische Innovationsprojekte - ein wicked problem Unter „Wicked Problems“ wird eine besondere Klasse von Problemen verstanden, an deren Ausgangspunkt eine vage Herausforderung steht. Dabei ist nur offensichtlich, dass es einen Veränderungsbedarf gegenüber einer Situation gibt, die als verbesserungsbedürftig angesehen wird oder dass man die Chancen von Veränderungen in irgendeiner Form ausnutzen möchte. Alle weiteren Präzisierungen, zum einen was genau erreicht werden soll und zum anderen, welche Mittel und welcher Ressourceneinsatz dafür in Betracht kommen, sind Teil der Problemlösung selbst und nicht ihr Ausgangspunkt.

Aspekte von wicked problems Es gibt zu Beginn keine klare Beschreibung des Problems. Erst wenn die Unterziele der angestrebten Problemlösung klar beschrieben sind, ist das Problem „gezähmt“. Es gibt keine Regel, die besagt, wann die Problemlösung abgeschlossen ist, Die Problemlösungen sind nicht falsch oder richtig, sondern mehr oder weniger angemessen. Dementsprechend gibt es keine Testverfahren, die zu der Qualität der Lösung eindeutig Rückmeldung geben. Es gibt keine vorgegebene Auflistung von Lösungsalternativen, bei denen es nur noch darauf ankommt, die geeignete auszuwählen. Genauso wenig ist von vornherein die Menge der Methoden klar eingegrenzt. Jedes Wicked Problem ist einzigartig. Seine Lösung kann nicht für die Behebung anderer Probleme eins zu eins übertragen werden.

Warum muss man sich mit dem Begriff „soziotechnisches System“ befassen? Jedes informationstechnisches System kommt erst in einer Einsatzumgebung zur Anwendung und die meisten Einsatzumgebungen sind von einem sozialen System abhängig These Je mehr das soziale und das technische System zu einer Einheit integriert sind, desto erfolgreicher ist der Technikeinsatz!

Systematische Betrachtung Was ist ein System? Was ist ein soziales System? Was ist ein technisches System? Und was ist nun ein soziotechnisches System?

Allgemeine Definition von „System“ Ein System besteht aus Elementen, die in Beziehung zueinander stehen Die Gesamtheit der Beziehungen (Relationen) bilden eine Einheit gegenüber der Umwelt Beziehungen und Elemente haben veränderbare Eigenschaften Dynamische System nehmen verschiedene Zustände an Elemente können zu Sub-Systemen oder Komponenten zusammengefasst werden.

Teile und Relationen

Welcher Art sind die Beziehungen zwischen den Elementen funktionale Beziehungen, Ziele, wozu ... gegenseitiges Wahrnehmen strukturelle Eigenschaften : ist Teil von Einflußnahme einseitige,wechselseitige, bedingte Abhängigkeit (Macht) Abfolge, Kausalität Reiz Reaktion Kontrollfluss Chemische Reaktion ?

Technische Systeme Ergebnis eines Konstruktions- und Produktionsprozesses => Artefakte – werden von Menschen gemacht Von außen steuerbar (direkt oder indirekt) – offen! Sind kontrollierbar  dienen einem Zweck Vorbestimmte Input-Output-Beziehungen Rekonstruierbare, reproduzierbare Abfolge von Zustandsänderungen in jedem Einzelfall (erwünscht) Technische Systeme sind sich „über sich selbst nicht bewusst“ (vgl. Movie: „I, Robot“ mit Will Smith)

Soziale Systeme (Luhmann) System, das aus einem Geflecht von Kommunikationen als elementaren Einheiten gebildet wird  Ein Geflecht von Kommunikationsprozessen zwischen Menschen - Verhaltenserwartungen unter der Annahme eines Alter-Ego  Herausbildung von Rollen Jeder Kommunikationsakt schafft die Möglichkeit weiterer Kommunikationen. ( Autopoiesis – „sich selbst ständig neu machend“) Entwicklung eines Sprach- und Sinnsystems („sich über sich selbst bewusst sein“) Selbstbeschreibung Selbstbestimmtes Entscheiden, wer oder was dazugehört  

Soziale Systeme - Besonderheiten Soziale Systeme sind operational und informationell geschlossen D.h. sie registrieren Veränderungen der Umwelt (Input von Außen) => Veränderungen des eigenen Verhaltens und der eigenen Struktur hängen aber komplett von ihnen selbst ab D.h. (100%ige) Steuerung von außen ist nicht möglich, (nicht-deterministisches Verhalten!) höchstens Beeinflussung – das Verhältnis zwischen äußerem Einfluss und innerer Reaktion ist kontingent! Kontingenz bedeutet, dass das Verhalten eines Systems zwar von seiner Umwelt beeinflusst wird, aber die Reaktion nicht im Einzelnen vorhersagbar sind.

Kontingenz Kontingenz heißt, dass zwei Ereignisse einerseits nicht unabhängig voneinander sind, sondern zusammenhängen. Andererseits ist dieser Zusammenhang jedoch nicht durch Notwendigkeit, Konstanz, Sicherheit oder Zuverlässigkeit geprägt. Kontingenz bedeutet jedoch nicht, dass ein System oder ein Prozess regellos auf ein Ereignis reagiert. Vielmehr schaffen sie sich ihre eigenen Regeln, die sich jedoch kontinuierliche entwickeln, sprunghaften Veränderungen unterliegen können und nicht von außen determiniert werden.

Kontingenz Luhmann: Kommunikationen sind kontingent: Eine Äußerung determiniert nicht,wie ihr Empfänger reagiert, aber beeinflusst ihn. Soziale Systeme können nicht programmiert werden

Was sind Beispiele für soziale Systeme? Interaktionen (durch Anwesenheit) Organisationen (durch Mitgliedschafts-Rollen) Gruppen Gesellschaft (bspw. durch kulturelle Muster) vgl. Luhmann 1984

Organisation? zielgerichtete Handlungssysteme mit interpersonaler Arbeitsteilung. Die Arbeitsteilung erfordert Einschränkungen des Handlungsspielraums der Organisationsmitglieder durch Verhaltenserwartungen. Diese haben zwei Dimensionen: Koordination und Motivation. Die Koordination kann durch Selbstabstimmung oder Regeln erfolgen. Nur das zweite macht Organisation aus. Regeln Erwartungen / Konventionen Mitglieder Rollen

Technische vs. soziale Systeme - Übersicht Technical Systems Social Systems Entstehung Werden von außen durch Menschen geplant und mit Hilfe von Werkzeugen entwickelt. Entwickeln sich aus sich selbst heraus durch kommunikative Prozesse, werden von außen nicht designt, sondern durch Kommunikation in ihrer evolutionären Entwicklung beeinflusst. Verände-rung Veränderungen sind entweder vorprogrammierte Reaktionen auf die Umwelt, so dass sie durch ein anderes technisches System simuliert werden können, oder Ergebnis einer Intervention von außen, die zu einer neuen Version führt. Veränderungen erfolgen evolutionär durch kleinschrittige, allmähliche Anpassung, die sich so akkumulieren könne, dass es ab und an zu sprunghaften Veränderungen kommt. Die Veränderungen sind nicht vorhersagbar und können nicht durch ein anderes soziales System simuliert werden. Steuerung Technische Systeme sind so gestaltet, dass sie von außen steuerbar sind. Soziale Systeme sind immer in der Lage, sich einer Kontrolle von außen zu widersetzen. Kriterien Korrektheit und Verlässlichkeit ist geplant; unerwartete oder unerwünschte Reaktionen werden als unbeabsichtigte Fehler angesehen. Persönliche Interessen und Motivation nehmen Einfluss; bei unerwünschten Reaktionen muss auch die Möglichkeit des absichtlichen Missbrauchs in Betracht gezogen werden.

Soziotechnische Systeme – historischer Abriss 80er Jahre Enid Mumford (1987): Anwendung des Begriffs „sozio-technische Systeme“ im Bereich der Informatik (bezogen auf Computer-systeme) 60er Jahre Emery, Thorsrud & Trist (1964) Betonung der sozialen Aspekte; Organisation und Menschen nicht steuerbar wie Maschinen! 50er Jahre Trist, Bamford u.a. (London Tavistock Institute, 1950): Nicht nur soziale, sondern auch technische Aspekte berücksichtigen!

Sozio-technische Systeme gestalten Enid Mumford (2000): “Socio-technical design is an approach that aims to give equal weight to social and technical issues when new work systems are being designed.”

Soziotechnische Systeme Soziales und technisches System sind miteinander verwoben, d.h. zwischen ihnen bestehen besondere Relationen: Technische Systeme werden von den sozialen (Sub-)Systemen der Umgebung produziert, gesteuert, angepasst d.h. Prägung des technischen Systems durch das soziale System Technische Kommunikationsvermittlung d.h. Kommunikation mittels technischem System Soziale (Sub-)Systeme interagieren mit einander, indem sie technische Systeme nutzen (Prägung der Kommunikation durch das technische System) Das technische System ist (wird zum) Thema der Kommunikation (des sozialen Systems) Ohne das technische System könnte das soziale System nicht (in der gegebenen Form) existieren bzw. seine Eigenschaften bewahren Ohne das soziale System hört das technische System auf, zu existieren

Soziotechnische Systeme – in aller Kürze Zusammenspiel von kommunikativer Interaktion Mensch-Maschine-Interaktion Interaktion zwischen technischen Komponenten Kriterien Unverzichtbarkeit der Komponenten Wechselseitige Prägung Wechselseitig vorhandene Selbstbeschreibung

Design-Prinzipien für soziotechnische systeme – gemäß Prinzipien nach Cherns Kompatibilität: Stakeholder müssen ihre Ziele offenlegen und verteidigen – das soz.-techn. System muss letztlich mit den Zielen kompatibel sein Konzentration auf das Wesentliche – nur das ist festzulegen, was unbedingt festgelegt werden muss – für den Rest Spielräume vorsehen Varianz-Kontrolle – Änderungen und Vielfalt kontingenter Einflüsse sollen sich nicht unkontrolliert auf andere Teile des Systems auswirken Boundary control: Grenzen zwischen Systemteilen nicht so gestalten, dass sie Lernen sowie Wissen- und Informationsaustausch blockieren Den Leuten die Macht und Befugnis geben, die sie für ihre Aufgaben brauchen Multi-Funktionalität – Anpassungsfähigkeit sichern, organisatorischen Wandel ermöglichen, mehrere Wege führen zum selben Ziel. Mit Unvollständigkeit umgehen – der Wechsel findet nicht von einem Ausgangs zu einem End-Zustand statt, sondern von einem Wandlungsprozess zum nächsten.

Design-Prinzipien für soziotechnische systeme – gemäß Eason The successful exploitation of IT depends upon the ability and willingness of the employees of an organization to use the appropriate technology to engage in worthwhile tasks The design target must be to create a socio-technical system capable of serving organizational goals, not …delivering technical services The effective exploitation of socio-technical systems depends upon adoption of a planned process of change that meets the needs of people … The design of effective socio-technical systems will depend upon the participation of all relevant “stakeholders” in the design process … the socio-technical developments are directed at major organizational purposes where there are opportunities to be taken or problems to be solved the specification of a new socio-technical system must include the definition of a social system which enables people in work roles to co-operate effectively … It must be designed to serve the functional needs of the organization by serving the functional needs of individual users in a usable and acceptable way a major form of organizational and individual learning is required a progressive, planned form of evolutionary growth is required to be successful, socio-technical design concepts must as far as possible complement existing design procedures and organization change practices

Soziotechnisches System – Definitionsversuch Über die Mensch-Maschine-Interaktion und das zufällige Zusammentreffen von Menschen und technischen Komponenten hinausgehend umfasst ein „soziotechnisches System“ das Konzept, dass ein technisches System in solche kommunikative Interaktionen eingebettet ist, die für die Existenz und Entwicklung einer organisationalen Einheit als soziales System relevant sind. Das technische und das soziale System stehen dabei in einer besonderen Beziehung zueinander, indem menschliche Kommunikation und Mensch-Maschine-Interaktionen wechselseitig aufeinander verweisen und sich unterstützen und dadurch zur Erfüllung ausgewählter Zwecke zur Pflege und Anpassung des technischen Systems und zum Selbstverständnis, zur Selbstbeschreibung sowie zur Identität des sozialen Systems beitragen.

1. Beispiel Techknowledgy – Wissens-management zur Schulung von Software Anwendungsfall: Großunternehmen (ca. 6000 Arbeitsplätzen) Unternehmensbereich Kosmetik und Klebstoffe Kaum Austausch zwischen den Abteilungen und Standorte Ziele der Einführung: Bereitstellung von Informationen zu Office-Anwendungen Unterstützung der Vor- und Nachbereitung von Schulungen Ausweitung auf andere Inhalte zu einem späteren Zeitpunkt geplant Gelegenheiten zum unternehmensweiten Wissensaustausch

1. Beispiel: eskalierendes Wissensmanagement Techknowledgy Experte 18.00- 8.00 Nutzer[1] nein Eine Frage veröffentlichen Kommuni-kations-system Antwort erteilen Nutzer[2] Antwort dokumentieren Red. Kompetenz Zusatzinfo Fachbücher Aufzeichnungen ... Aufgabe bearbeiten Lösung für ein Problem suchen Antwort auswerten mittels Fach-DB beantwortbar? DB-basierte Antwort multi-medial präsentieren ja Fach-DB techn. System

SeeMe Verwendete Darstellungsmethode: SeeMe: sozio-technische, semi-strukturierte Modellierungsmethode Siehe: SeeMe in a nutshell https://web-imtm.iaw.ruhr-uni-bochum.de/pub/bscw.cgi/0/208299/30621/30621.pdf

1. Beispiel: Techknowledgy – Screen shot

1. Beispiel: Techknowledgy – Screen shot

soziotechnische Prozesse statt Systeme eine geplante Abfolge von logisch miteinander verknüpften Arbeitsschritten. In der Regel sind mehrere Menschen an einem beteiligt. Der Prozess ist daher das Ergebnis von Planung und Verabredung. Prozesse wiederholen sich regelmäßig in ähnlicher Weise, und unterscheiden sich daher von Projekten, die einmalig zu erreichende Ziele gerichtet sind.

Rhythmische Wiederholung Rhythmus, bestimmte Ereignisse oder eine Handlung bzw. eine Handlungsabfolge wiederholen sich in regelmäßigen Abständen gleichartig. Zwischen den Handlungsabfolgen können Pausen liegen. Der zeitliche Abstand zwischen den Wiederholungen muss so kurz sein, dass die Ereignisse oder Handlungen wiedererkannt werden und sich eine Erwartung bilden kann. Ebenso muss die Wiederholungsrate hoch genug sein, damit der Rhythmus wahrgenommen wird. Entscheidend ist der Eindruck, dass Ereignisse dann eintreten, wenn man sie erwartet. Ein rhythmischer Prozess zeichnet sich dadurch aus, dass unterschiedliche Tätigkeiten oder Ereignisse kombiniert werden und sich immer wieder in derselben Abfolge wiederholen Wenn ein Rhythmus gegeben ist, werden mehrere Abfolgen von Einzelereignissen als ein zusammengehörendes Ganzes empfunden.

Grundlage von Wiederholung Auf der technischen Seite: Programmierung Auf der sozialen Seite: Konventionen

Konventionen Eine Verhaltensweise gilt in einer Gruppe als Konvention, wenn alle Mitglieder dieses regelmäßige Verhalten zeigen und von anderen erwarten, dass sie sich ebenfalls so verhalten und dass in solchen Situationen, die ein Koordinationsproblem beinhalten, alle es vorziehen, die gleichen Verhaltensweisen zu wiederholen, weil man erkannt hat, dass sich damit der Aufwand zur Überwindung des Problems ausbalanciert.

Grundbegriffe System Prozess Organisation technisches System soziales System Rhythmus Konvention Sozio-technisches System Kontingenz Autopoiesis Wicked problem Zustandsübergänge Kommunikation Elemente Beziehungen Mensch-Maschine-Interaktion Zustände Regeln Selbstbeschreibung

2. Beispiel: Klassifikation von Bildern Ausgangsproblem Um digitale Bilder zu suchen / finden, fehlt es an Beschreibungen / Verschlagwortung Automatische Bilderkennung ist unzureichend Begleittext fehlt oder ist unpassend Verschlagwortung durch Menschen ist aufwendig und teuer Lösung: Etablierung eines interaktiven Spiels zur Verschlagwortung „5,000 people continuously playing the game could assign a label to all images indexed by Google in 31 days.“ Labeling Images with a Computer Game Luis von Ahn and Laura Dabbish, CHI 2004

2. Beispiel: Spielregel Partner raten die Schlagworte, die der andere gegeben hat Bei Übereinstimmung wird das nächste Bild verschlagwortet Soviel Punkte wie Bilder in 2,5 Minuten übereinstimmend verschlagwortet werden

2. Beispiel: Taboos Bereits akzeptierte Schlagworte sind Taboo Es wird ein Schwellwert eingeführt, von wie vielen Spieler-paaren ein Schlagwort zugeordnet werden muss, um akzeptiert zu sein

2. Beispiel: weitere Bedingungen Bilder werden von der Software vorgeschlagen, können aber von den Paaren übersprungen werden Häufig übersprungene Bilder gelten vorläufig als ausreichend verschlagwortet, werden erst später wieder eingebracht Direkter Kommunikationskontakt und unangemessene Trick-Schlagworte müssen vermieden werden

2. Beispiel: Statistik A total of 13,630 people played the game during this time, generating 1,271,451 labels for 293,760 different images. Over 80% of the people played on more than one occasion (i.e., more than 80% of the people played on multiple dates). Furthermore, 33 people played more than 1,000 games (this is over 50 hours of playing!). The average number of labels collected per minute by a pair of individuals is 3.89 (std. dev. = 0.69). All (100%) of the images retrieved [in einem Suchtest, TH] made sense with respect to the test labels. In more technical terms, the precision of searching for images using our labels is extremely high. Von 6 der ersten jeweils zugeordneten Schlagworte wurden 5,105 von einem Evaluatorenteam als passend eingestuft.