Landesfrauenrat ver.di Nord / DGB Bezirk Nord

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Landesfrauenrat ver.di Nord / DGB Bezirk Nord Equal P(l)ay) – Entgeltgleichheit für Frauen und Männer Dr. Karin Tondorf Landesfrauenrat ver.di Nord / DGB Bezirk Nord Lübeck 26.2.2008

Grundlagen für das Verständnis von Entgeltdiskriminierung Zum richtigen Verständnis der Problematik: Mißverständnis 1: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Richtig: Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit. Wann ist eine Arbeit gleich, wann gleichwertig? Mißverständnis 2: Es wird nicht diskriminiert, weil es für Männer keine anderen Regelungen gibt als für Frauen. Es gibt auch indirekte mittelbare Diskriminierung. Geschlechtsneutral formulierte Regelungen können auf Frauen und Männer unterschiedlich wirken.

Gleiches Entgelt für gleiche und gleichwertige Arbeit Grundsatz: Gleiches Entgelt für gleiche und gleichwertige Arbeit Wann sind Tätigkeiten gleich, wann gleichwertig?  gleiche Tätigkeiten = Kassiererin / Kassierer vergleichbare Anforderungen und Rahmenbedingungen, eine Person kann die andere bei Bedarf ersetzen,  gleichwertige Tätigkeiten = ? muss im Einzelnen geprüft werden Art der Tätigkeit, Ausbildungsanforderungen, Verantwortung, Belastungen etc. sind inhaltlich verschieden, jedoch von „gleichem“ Wert.

Sind diese Tätigkeiten gleichwertig? Schreibkraft Abgeschlossene einschlägige Berufsausbildung auch erworben durch mehrjährige, anderweitige Qualifikation Lagerarbeiter/in Vorkenntnisse aufgrund aufgabenbezogener Einweisung oder Einarbeitung Erhöhte Anforderungen an Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit Erhöhte, fallweise Belastungen Unterschiedlicher Art Erhöhte Verantwortung für Betriebsmittel

Zwei Formen von Diskriminierung Unmittelbare Diskriminierung bezeichnet „eine Situation, in der eine Person aufgrund ihres Geschlechts eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.“ (Art. 3 Abs. 2 RL 76/207/EG). Unmittelbare Diskriminierung kann erfolgen durch  geschlechtsbezogen formulierte Regelungen Beispiel: Lohnabschlagsklauseln für Frauen  praktische Anwendung Beispiel: Mann wird bei gleicher Tätigkeit zu hoch eingruppiert.

Wann liegt eine mittelbare Diskriminierung vor? bezeichnet „eine Situation, in der dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die einem Geschlecht angehören, in besonderer Weise gegenüber Personen des anderen Geschlechts benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.“ (Art. 3 Abs. 2 RL 76/207/EG). Mittelbare Diskriminierung kann erfolgen durch:  geschlechtsneutral formulierte Regelungen Beispiel: Belastungen werden nur bei männerdominierten Tätigkeiten bewertet.  betriebliche Umsetzung Beispiel: Durch BV wird zeitliches Engagement in der Freizeit mit Leistungsprämie honoriert.

Diskriminierung durch Arbeitsbewertung Mittelbare Diskriminierung kann bei der Bewertung der Arbeit erfolgen.  Was wird bewertet? Was nicht?  Wie wird bewertet? Pauschal? Analytisch genau? Zur Arbeitsbewertung: Mit Hilfe der Arbeitsbewertung werden Unterschiede bei den Anforderungen und Belastungen der Tätigkeiten sichtbar gemacht und bewertet. Beispiel: Verwaltungsangestellte – Facharbeiter/in Haben die Tätigkeiten gleichen Wert? Haben sie unterschiedlichen Wert?

Diskriminierung durch weitere Schritte Ergebnisse der Arbeitsbewertung bestimmen nur die Werterelationen und den Platz im Entgeltsystem (Entgeltgruppe). Diskriminierung ist auch möglich durch Zuweisung von Geldbeträgen zu den Gruppen z.B. unangemessene hohe Abstände Festlegung von Stufen in einer Gruppe weitere Eingruppierungsregelungen, z.B. Ausnahmen von der Regel, Regelungen für Teilzeitkräfte

Wie lasst sich Diskriminierungsfreiheit prüfen? Gibt es eine Arbeits-/Stellenbeschreibung? Bewertungskriterien unter die Lupe nehmen! Bewertungsmethode prüfen! Betriebliche Eingruppierungspraxis prüfen Paarvergleiche von Tätigkeiten m/w anstellen – sie geben Hinweise auf mögliche Diskriminierungen.

Liegt eine Arbeits-/Stellenbeschreibung vor? Was nicht beschrieben ist, wird oft auch nicht bewertet. Anforderungen an die Stellenbeschreibung: Sie muss  aktuell und  umfassend (auch Routinetätigkeiten enthaltend)  einheitlich  sachlich (nicht wertend)  eindeutig und verständlich sein.

Sind alle bedeutenden Kriterien der Tätigkeit berücksichtigt? Checkliste zur Prüfung von Anforderungskriterien Welches sind die zur Ausübung der Tätigkeit erforderlichen Qualifikationen? O Grundausbildungen O Zusatzqualifikationen O Erfahrung Welche organisatorischen und sozialen Kompetenzen werden abgefordert? O Planen / Organisieren O Teamfähigkeit O Einfühlungsvermögen O Kommunikation O Überzeugungsvermögen Wird Verantwortung abgefordert, falls ja wofür? O Geld, Sachwerte O strategische Ziele O Arbeit anderer O Gesundheit anderer O soziale Prozesse O Umwelt Stellt die jeweilige Tätigkeit auch körperliche Anforderungen? O Körperkraft O an die Bewegungspräzision Sind Belastungen typisch, sowohl physische als auch psychische? O umgebungsbedingte Belastungen, z.B. Lärm, Hitze, Staub O ständiges Stehen oder Sitzen, einseitige Körperhaltung oder Bewegungsabläufe O zeitlich bedingte Belastungen, z.B. unregelmäßige Arbeitszeiten, Schichtarbeit O Monotonie O isolierte Tätigkeit O Konfrontation mit Leid oder Problemen anderer Personen O vorgegebene zeitliche Abläufe

Sind die Bewertungskriterien überschneidungsfrei? Die Kriterien sollten für unterschiedliche inhaltliche Anforderungen stehen und klar voneinander abgrenzbar sein. Würden gleiche Anforderungen mit verschiedenen Begriffen bewertet werden, brächte dies Pluspunkte für die Beschäftigten, bei denen diese Kriterien stark ausgeprägt sind. Beispiel: „Bedeutung der Tätigkeit“ und „Verantwortung“ sind nicht überschneidungsfrei, da bedeutende Tätigkeiten in der Regel auch durch hohe Verantwortung gekennzeichnet sind.

Sind die Bewertungskriterien diskriminierungsfrei ausgewählt und ausgelegt? Eine möglichst eindeutige Definition der Kriterien ist notwendig, um subjektive Auslegungsspielräume zu Lasten eines Geschlechts zu vermeiden. Darüber hinaus ist darauf zu achten, dass sie nicht einseitig zu Gunsten eines Geschlechts ausgelegt sind. Beispiel: Das Kriterium „Verantwortung“ wird nur als Verantwortung für Sach- und Geldmittel sowie als Führungsverantwortung interpretiert, nicht aber als Verantwortung für Ausbildung und Anleitung, obgleich dies bei Tätigkeiten von weiblichen Beschäftigten abgefordert wird.

Schließt das Bewertungsverfahren Diskriminierung aus? Die Arbeitsbewertung erfolgt in vielen Tarifverträgen nach einem „summarischen“ Bewertungsverfahren, vereinzelt werden auch „analytische“ Verfahren angewendet. Was ist darunter zu verstehen? Summarische Arbeitsbewertung: Hierbei wird der Wert einer Arbeit pauschal eingeschätzt. Die gewählten Anforderungskriterien wie z.B. Kenntnisse und Fertigkeiten, Verantwortung und Belastungen werden „in der Summe“, d.h. nicht jeweils für sich abgeschätzt. Eines oder mehrere Kriterien werden einer Entgeltgruppe zugeordnet. Beispiel: Der Entgeltgruppe 4 werden alle Tätigkeiten zugeordnet, „die eine längere Anlernzeit erfordern und durch erhöhte Belastungen gekennzeichnet sind.“

Schließt das Bewertungsverfahren Diskriminierung aus? Kritikpunkt 1 an der summarischen Arbeitsbewertung: Es wird nicht ausgewiesen, welches Gewicht die einzelnen Bewertungskriterien im Rahmen der Gesamtbewertung haben. Beispiel: EG 5: Tätigkeiten, die eine  abgeschlossene Berufsausbildung sowie  eine mehrjährige Berufserfahrung im Ausbildungsberuf sowie  Verantwortung für Sach- und Betriebsmittel erfordern

Schließt das Bewertungsverfahren Diskriminierung aus? Kritikpunkt 2 an der summarischen Arbeitsbewertung: Die Bewertungskriterien werden den einzelnen Entgeltgruppen zugeordnet, ohne vorab die Anforderungen im einzelnen analytisch zu ermitteln. So können Vorurteile und Stereotype leichter in die Bewertung eingehen. Beispiele für Vorurteile und Stereotype: Tätigkeiten von Sekretär/-innen, Erzieher/-innen, Reinigungskräften - weisen keine Belastungen auf erfordern keine hohen Qualifikationen erfordern keine besondere Verantwortung erfordern keine sozialen Kompetenzen

Wo steht‘s geschrieben? Europäisches Recht Deutsches Recht EG-Vertrag Art. 141: Grundsatz der Entgeltgleichheit bei gleicher und gleichwertiger Arbeit, Definition von Entgelt Richtlinie 75/117/EWG (Entgeltgleichheitsrichtlinie) Vorgaben an Entgeltsysteme Richtlinie 76/207/EG (2002) (Gleichbehandlungsrichtlinie) Diskriminierungsbegriff Entscheidungen des EuGH Grundgesetz Art. 3, Abs. 2 und 3 Gleichberechtigungsgrundsatz Allgemeines Gleichbehandlungs- Gesetz Umsetzung u.a. der Richtlinien 75/117/EwG und 75/207/EG in deutsches Recht Teilzeit- und Befristungsgesetz Diskriminierungsverbote für Teilzeit- und befristet Beschäftigte

Rechtliche Anforderungen bezüglich der Kriterien Auswahl der Kriterien „Die Art der zu verrichtenden Arbeit muss objektiv berücksichtigt“ werden und die Arbeit muss „ihrem Wesen nach“ entlohnt werden. Es sind auch solche Kriterien zu berücksichtigen, hinsichtlich derer „die weiblichen Arbeitnehmer besonders geeignet sein können.“ (EuGH-Entscheidung „Rummler“ v. 1.7.1986) Gewichtung der Kriterien Sie „müssen einen adäquaten Platz im Gesamtsystem finden.“

Rechtliche Anforderungen an die Systeme Entgeltsysteme … müssen auf für männliche und weibliche Arbeitnehmer gemeinsamen Kriterien beruhen und so beschaffen sein, dass Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts ausgeschlossen werden. (Richtlinie 75/117/EWG) Transparenz Es muss erkennbar sein, worauf Unterschiede beim Entgelt zurückzuführen sind. Überprüfungen und Vergleiche müssen möglich sein. (EuGH-Entscheidung „Danfoss“ 1989)

Forschung und Beratung zu Entgelt- & Gleichstellungspolitik Vielen Dank! Dr. Karin Tondorf Forschung und Beratung zu Entgelt- & Gleichstellungspolitik Am Waldessaum 8 14554 Seddiner See Tel. 033205/45056 karintondorf@t-online.de www.karin-tondorf.de