Themenschwerpunkt 1: Aspekte der Ausgangslage 8. November 2007 | LISUM Berlin-Brandenburg Berufs- und Studienorientierung am Gymnasium Themenschwerpunkt 1: Aspekte der Ausgangslage Wie schätzen ehemalige Abiturienten die Vorbereitung auf Beruf und Studium an Ihrer Schule ein?
Überblick Studien- und Berufsorientierung am Gymnasium Begründung und Charakteristika Rahmenbedingungen Studien- und Berufsorientierung aus der Sicht von Schülerinnen und Schülern Ergebnisse der Befragungen von Abiturienten zur Studien- und Berufsorientierung
Hintergrund Studien- und Berufsorientierung am Gymnasium Begründung Studium ist mit einem Berufsbild verbunden, dem ebenso ein erfolgreiches „Matching“ von Eignungen und Neigungen zugrunde liegen soll Motivation für den Erwerb des Abiturs: AbiturientInnen streben auch Berufsausbildungen an = heterogene Schülerschaft (lt. Heine/Scheller/Willich 2005 im Bundesdurchschnitt 39%), Erwerb berufs- und arbeitsweltbezogener Kenntnisse und Fähigkeiten zur aktiven Gestaltung des lebensbegleitenden Lernens vor dem Hintergrund einer veränderten Arbeitswelt Rund 25% Studienabbrecher (Heublein/Schmelzer/Sommer 2005) an deutschen Universitäten und Fachhochschulen
Hintergrund Studien- und Berufsorientierung am Gymnasium Charakteristika der Berufsorientierung (am Gymnasium) 1. Angebote zur Berufsorientierung hauptsächlich für SchulabgängerInnen Berufswahl als Prozess 2. Ausreichende Verfügbarkeit von Informationen Nutzen der Informationen 3. Wissensorientierte Angebote individuelle Förderung (Bertelsmann Stiftung „Jugend und Beruf 2005“)
Hintergrund Studien- und Berufsorientierung am Gymnasium Charakteristika der Berufsorientierung (am Gymnasium) 4. Berufsorientierung spielt am Gymnasium eine marginale Rolle 5. Sehr späte Entscheidung – Weichen werden schon früh gestellt (z.B. durch Kurswahlen) 6. Viele Optionen verlangen Kompetenzen und Strategien zum planvollen Vorgehen und zur Entscheidungsfindung
Hintergrund Studien- und Berufsorientierung am Gymnasium Rahmenbedingungen der Berufsorientierung (am Gymnasium): Rahmenvereinbarungen der KMK (2004) und Empfehlungen des BIBB (2005) zur Berufsorientierung erfassen in ihrer Forderung im Prinzip wichtige Aspekte der Berufwahl, wie sie theoretisch beschrieben wird: Berufswahl ist ein Prozess, der frühzeitig beginnt, nicht nur eine Statuspassage der Berufsentscheidung umfasst; daher erfordert er eine kontinuierliche Begleitung, die sich individuell an den Bedürfnissen und Voraussetzungen der Berufswähler orientiert. Hier kommt einerseits die Schulart zum Tragen, als auch Überlegungen, die die altersgemäße Entwicklung in den Blick nehmen und einseitige Orientierungen aufgrund tradierter Rollenvorstellungen thematisieren (schulartbezogen, altersadäquat, geschlechtsbezogen) sowie Den Rahmen der Orientierung steckt auch die Lebenswelt der Jugendlichen, deren Visionen und Ängste lebensweltbezogen
Schule und Berufsorientierung – aus der Sicht von Studierenden „Ich fände es hilfreich, wenn in der Schule mehr Beratungsangebote für die Studien- und Berufswahl bereit gestellt würden.“ 79,5% von 293 befragten Erstsemestern der Universität Erfurt sagten: ja
… Sicht von Studierenden 61,5% haben niemals mit Lehrern über ihr zukünftiges Studium gesprochen. Aber: Jene, die mit Lehrern gesprochen haben, fanden die Gespräche hilfreich.
Berufswahl an weiterführenden Thüringer Schulen Zustandserhebung bei für die Berufsorientierung verantwortlichen Lehrern in Thüringen Erhebungszeitraum: Herbst 2004 Art der Erhebung: 30min Telefoninterviews Stichprobe: 151 BO-Lehrer (102 RS/49 Gym.) Forschungsprojekt “Berufsorientierung in Thüringen” Prof.Dr.Bärbel Kracke/ Dipl.Psych.Nadja Olyai
Organisation der Berufsorientierung Zuständigkeit für die Berufsorientierung Wer ist an ihrer Schule für die Berufsorientierung zuständig? 1-3 Lehrer 93% Fächer übergreifend 75% Beratungslehrer 60% Wirtschaft/Recht 55% Deutsch 30% Klassenlehrer Mehrfachnennungen möglich Forschungsprojekt “Berufsorientierung in Thüringen” Prof.Dr.Bärbel Kracke/ Dipl.Psych.Nadja Olyai
Organisation der Berufsorientierung In welchen Klassen findet Berufsorientierung statt? Regelschulen Gymnasien Berufsorientierung findet vorwiegend in den abschlussnahen Klassen statt: schon hier Hinweis darauf, dass eher die späteren Stufen der Berufsorientierung berücksichtigt werden Forschungsprojekt “Berufsorientierung in Thüringen” Prof.Dr.Bärbel Kracke/ Dipl.Psych.Nadja Olyai
Inhalte der Berufsorientierung Welche Maßnahmen werden durchgeführt? Übersicht über mögl. Maßnahmen Informations-vermittelnde Maßnahmen Handlungsorientierte Maßnahmen Reflexion + Vorträge Infomaterial für Schüler und Lehrer BIZ- Besuch BA- Berater Bewerbung schreiben Projekttage Eignungstests Berufswahl-/Interessentests Rollenspiele Praktika Selbstexploration fördernde Maßnahmen Forschungsprojekt “Berufsorientierung in Thüringen” Prof.Dr.Bärbel Kracke/ Dipl.Psych.Nadja Olyai
Inhalte der Berufsorientierung Welche Maßnahmen werden durchgeführt? Forschungsprojekt “Berufsorientierung in Thüringen” Prof.Dr.Bärbel Kracke/ Dipl.Psych.Nadja Olyai
Inhalte der Berufsorientierung In welchen Klassen finden Praktika statt? Regelschule Gymnasium Forschungsprojekt “Berufsorientierung in Thüringen” Prof.Dr.Bärbel Kracke/ Dipl.Psych.Nadja Olyai
Inhalte der Berufsorientierung Wie werden Praktika nachbereitet? Regelschule Gymnasium Bewertung durch den Betrieb Reflektion = Auswertung im Unterrricht Forschungsprojekt “Berufsorientierung in Thüringen” Prof.Dr.Bärbel Kracke/ Dipl.Psych.Nadja Olyai
Inhalte der Berufsorientierung Quellen des Informationsmaterials für Lehrer Gymnasium/Regelschule: Verteilung ähnlich außer BA 60:20 und Unis nur von Gymnasien Forschungsprojekt “Berufsorientierung in Thüringen” Prof.Dr.Bärbel Kracke/ Dipl.Psych.Nadja Olyai
Auf dem Weg zu einer optimalen Berufsorientierung in der Schule Wünsche der befragten Lehrer Organisation Mehr Zeit für Berufsorientierung Bessere Abstimmung zwischen den Fächern Bessere Integration der externen Angebote in den Unterricht Inhalte - Arbeitsmarktorientierung - aktuelle und strukturierte Information - Weiterbildungsangebote Forschungsprojekt “Berufsorientierung in Thüringen” Prof.Dr.Bärbel Kracke/ Dipl.Psych.Nadja Olyai
Auf dem Weg zu einer optimalen Berufsorientierung in der Schule Wünsche der befragten Lehrer Rahmenbedingungen Finanzierung Schülermotivation Elternengagement Unterstützung durch Wirtschaft, TKM, IHK Möglichkeiten des Austausches über Berufsorientierung Forschungsprojekt “Berufsorientierung in Thüringen” Prof.Dr.Bärbel Kracke/ Dipl.Psych.Nadja Olyai
Fazit Selbstexploration sehr wenig präsent Handlungsorientierung vor allem durch Praktika Aber: Reflexion von Praktika gering Bewusstsein über die Wichtigkeit der Selbstexplorationsphase als Grundlage für weitere Schritte im Berufsorientierungsprozess muss gefördert werden Forschungsprojekt “Berufsorientierung in Thüringen” Prof.Dr.Bärbel Kracke/ Dipl.Psych.Nadja Olyai
Ergebnisse Studien- und Berufsorientierung aus der Sicht von Schülerinnen und Schülern Ergebnisse der Abiturientenstudien
Ergebnisse (1) Abiturientenstudie Hany / Driesel-Lange Stichprobe: 386 Befragte 2 Erhebungszeitpunkte (06/04, 12/04) vier Gymnasien und eine Gesamtschule Messinstrument: Fragebogen mit insgesamt 139 Items Meist vierstufiges Antwortformat Ergebnisse Berufsbezogenes Wissen und Sicherheit Berufsexploration in Schule und Freizeit Nutzwert schulischer Berufsexploration Berufswahlverhalten
Ergebnisse Studien- und Berufsorientierung aus der Sicht von Schülerinnen und Schülern „Wie weit haben Sie es schon erreicht zu wissen, welchen Beruf Sie später einmal haben möchten und wie Sie dieses Ziel erreichen können?“ Abiturientenstudie 04/05 Berufsbezogenes Wissen und Sicherheit (1)
Ergebnisse Studien- und Berufsorientierung aus der Sicht von Schülerinnen und Schülern Berufsbezogenes Wissen und Sicherheit (2) Inwiefern treffen die folgenden Aussagen auf Ihre jetzige Situation zu? Stimmt nicht weniger etwas stimmt genau Ich weiß nicht, wo ich genauere Informationen über die für mich in Frage kommenden Studien- und Berufsmöglichkeiten bekommen kann. 50,0 24,7 21,5 3,8 Ich fühle mich bisher noch nicht ausreichend auf meine Studien- und Berufswahl vorbereitet. 18,9 21,8 38,1 21,2 Ich möchte gern wissen, ob die gegenwärtig von mir ins Auge gefasste Ausbildung / das Studium wirklich das Richtige ist. 11,3 16,9 34,6 37,2 Ich bin mir nicht sicher, ob ich die von mir angestrebte Ausbildung / das Studium wirklich schaffen werde. 20,6 29,1 35,5 14,8 Ich weiß noch zu wenig darüber Bescheid, welche Anforderungen in den für mich in Frage kommenden Berufen gestellt werden. 25,9 31,7 29,9 12,5
Ergebnisse Studien- und Berufsorientierung aus der Sicht von Schülerinnen und Schülern Berufliche Orientierung in Schule und Freizeit (1) Explorations- felder Beispielitems Schule Freizeit Schule& Nicht gemacht Medien Ich habe Internetrecherchen betrieben. 0,6 77,6 6,7 14,6 Arbeitsamt Ich habe das BIZ/Arbeitsamt besucht. 27,4 30,9 19,0 22,4 Ich habe Gespräche mit einem Berufsberater geführt. 12,5 32,7 8,2 45,8 Berufswelt Ich habe an Betriebsbesichtigungen teilgenommen. 18,4 3,5 70,8 Ich habe eine Berufsinformationsmesse besucht. 8,5 21,9 1,5 67,6 Hochschule Ich habe am Tag der offenen Tür einer Hochschule teilgenommen. 2,0 28,1 68,4 Ich habe andere Angebote der Hochschulen (z.B. Sommeruniversität) genutzt. 0,0 5,0 1,0 94,2
Ergebnisse Studien- und Berufsorientierung aus der Sicht von Schülerinnen und Schülern Berufliche Orientierung in Schule und Freizeit (3)
Ergebnisse Berufwahlverhalten (1) Ausgewählte Studienwünsche im gesamten Bundesgebiet, HIS 2005
Ergebnisse Berufwahlverhalten (2) Studienwünsche Klasse 12 in Abiturientenbefragung Thüringen 2004, Universität Erfurt
Ergebnisse Berufwahlverhalten (3) Studienwünsche Klasse 12 in Abiturientenbefragung Thüringen 2004, Universität Erfurt
Ergebnisse Angebote schulischer Berufsorientierung: Unterstützen wenig bei der Entscheidungsfindung Fördern nicht die Sicherheit in der Entscheidung Sind wenig effektiv im Sinne der beurteilten Nützlichkeit Als „one-size-fits-all“-Angebote sind vor dem Hintergrund einer individualisierten Berufswahl wenig ergiebig Berücksichtigen zu wenig den Faktor Geschlecht 53% der Mädchen in 10 Ausbildungsberufen 35% der Jungen in 10 Ausbildungsberufen NBL: 58% der weiblichen Auszubildenden in Mädchenberufen (ca. 80% Frauenanteil) ABL: 42% der weiblichen Auszubildenden in Mädchenberufen Keine Änderung des Berufswahlspektrums der Mädchen seit 1980 1980 führten diesselben Berufe die Top 10 an; lediglich die Rangfolge hat sich verändert
Erfahrungen Berufs- und Studienorientierung: Unzureichende konzeptionelle Verankerung der Studien- und Berufsorientierung am Gymnasium sowohl im Unterricht als auch im Schulprofil bzw. Schulentwicklungsprozess. Angebote erfahren nur selten eine intensive Vor- und Nachbereitung; so können sie weniger gut in Bezug zum eigenen Berufswahlprozess gestellt werden und haben demzufolge einen geringen Effekt hinsichtlich der gewünschten Orientierungsfunktion. Geringer (selbst)reflektiver Charakter der Angebote. Alleiniger Fokus auf Berufs-/Studienwahlwahlent-scheidung.
Ergebnisse Abiturientenstudie (Kracke, 2006) „Was tun nach dem Abi?“ Ziele: Was wollen Jugendlichen nach dem Abitur tun? Welche Angebote werden den Jugendlichen seitens ihrer Schule gemacht? Wie bewerten sie diese? Inwiefern sind die schulischen Angebote aus entwicklungspsychologischer Sicht dazu dienlich, das grundlegende Ziel von Berufswahlorientierung zu erreichen: mehr Klarheit über die eigenen Interessen und Fähigkeiten sowie die Möglichkeiten der Berufs- und Ausbildungswelt zu gewinnen? 53% der Mädchen in 10 Ausbildungsberufen 35% der Jungen in 10 Ausbildungsberufen NBL: 58% der weiblichen Auszubildenden in Mädchenberufen (ca. 80% Frauenanteil) ABL: 42% der weiblichen Auszubildenden in Mädchenberufen Keine Änderung des Berufswahlspektrums der Mädchen seit 1980 1980 führten diesselben Berufe die Top 10 an; lediglich die Rangfolge hat sich verändert
Stichprobe: 264 Jugendliche aus zwei Thüringer Gymnasien Ende der 11. Jahrgangsstufe 17,1 Jahre alt (SD = .48) 59,1% weibliche Befragte
Ergebnisse Pläne nach dem Abitur 48,6% Studium 25,5% Ausbildung, kein Studium 9,9% echte Doppelorientierung auf Ausbildung und Abitur 16% unsicher 65,4% gaben konkreten Berufs-/ Studienwunsch an
Intensität der Informationssuche (Gespräche, Informationsmaterial, nachdenken über sich selbst) Mädchen (86%) > Jungen (78%)
Kritische Darstellung von Inhalten 64,5% ja Erleben die Jugendlichen eine die Eigeninitiative und Reflexionsfähigkeit fördernde Gestaltung des Unterrichts? Kritische Darstellung von Inhalten 64,5% ja Reflexion von Lernprozessen 12,3% ja Selbstverantwortung für das Lernen 73,3% ja
Welche konkreten berufsorientierenden Maßnahmen erleben die Jugendlichen in der Schule und wie bewerten sie diese? Berufsorientierung gesamt 12,9% ja (z.B. Themen des nachschulischen Werdegangs der Schüler werden im Unterricht behandelt.)
Aktivität % ja % etwas Schule /sehr nützlich A B ________________________________________________________________________________ Veranstaltungen in Koop. Bundesagentur BIZ-Besuch 64,4 54,9 50,4 88,1 Kontakt mit Berufsberater der BA 75,8 42,7 85,5 74,6 Praktikum 90,9 87,2 97 94,8 Informationen bereitstellende Veranstaltungen Betriebe besichtigt 28,0 60,4 36,6 22,6 Berufsinformationstage besucht 45,5 58,0 65,4 30,4 Universität/Fachhoch. besucht 40,2 63,9 25,6 63,5 Eigenaktivität erfordernde Maßnahmen Bewerbungsschreiben verfasst 53,8 78,1 57,3 57,3 Interessentest gemacht 22,0 54,2 17,1 31 Bewerbungstraining durchgeführt 17,0 66,2 15,5 21,6 Gespräche Berufsberatungslehrer 53,8 51,0 59,2 56,5 Erfahrungsberichte Berufstätige 16,7 53,5 12,5 24,3 _________________________________________________________________________________
Nützlichkeit wird unterschiedlich eingeschätzt je nach nachschulischen Zielen: BIZ Berufsinfotage Ausbildung: 64% 75% Studium: 44% 56%
Praktikum Positive Erfahrungen 85% Nützlich für Berufs-/Studienwahl 62%
Vor- und Nachbereitung des Praktikums in der Schule Suche der Praktikumsstelle 7% Ziele/Aufgaben vereinbart 21% Gespräch in der Klasse 54% Praktikumsbericht 92%
Fazit Gymnasiasten sind in Bezug auf ihre nachschulischen Pläne eine recht heterogene Gruppe Individualisierung der Betreuung. Unterrichtliche Erfahrungen werden nicht als Berufs-/Studienvorbereitend erlebt. Unzureichende konzeptionelle Verankerung der Studien- und Berufsorientierung am Gymnasium sowohl im Unterricht als auch im Schulprofil bzw. Schulentwicklungsprozess.
Fazit Angebote erfahren nur selten eine intensive Vor- und Nachbereitung; so können sie weniger gut in Bezug zum eigenen Berufswahlprozess gestellt werden und haben demzufolge einen geringen Effekt hinsichtlich der gewünschten Orientierungsfunktion. Geringer (selbst)reflexiver Charakter der Angebote. Eine gymnasiale Didaktik für die Berufsorientierung muss entwickelt werden.