Sekulärer Trend und soziale Einflussfaktoren für die Adipositas bei Erwachsenen in Deutschland Ergebnisse von elf Befragungswellen des Gesundheitsmonitors.

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Sekulärer Trend und soziale Einflussfaktoren für die Adipositas bei Erwachsenen in Deutschland Ergebnisse von elf Befragungswellen des Gesundheitsmonitors der Bertelsmann-Stiftung im Zeitraum 2002 bis 2007 Uwe Helmert Zentrum für Sozialpolitik, Universität Bremen uhelmert@zes.uni-bremen.de 44. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention 17. September 2008

Aussagen zur „Adipositasepidemie“ WHO 1997 Übergewicht hat sich zu einer weltweiten Epidemie entwickelt. Europäische Union: White Paper 2007 In den letzten drei Dekaden ist die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas in den europäischen Staaten dramatisch angestiegen. Müller, Mast & Langnäse 2001: Wie viele andere deutsche Wissenschaftler bezeichnen sie den Anstieg der Prävalenzen für Übergewicht und Adipositas in Deutschland als eine „Epidemie“. Prentice A 1998: The increase of overweight and obesity ist the inevitable penalty of civilisation.

„Adipositasepidemie“

Verwirrende Aussagen zur Prävalenz von Übergewicht in Deutschland Die Messung des relativen Körpergewichts ist denkbar einfach, dennoch sehr widersprüchliche Aussagen: Der Luxemburgische Gesundheitsminister Mars Di Bartolomeo (März 2005): “The time when obesity was thought to be a problem on the other side of the Atlantic has gone by” Die Deutschen sind dicker als die Amerikaner! (Datengrundlage: Bertelsmann Gesundheitsmonitor) Martin Kotynek, Süddeutsche Zeitung, Mai 2007: „Zank um deutsche Bäuche“ Das Berliner Robert-Koch-Institut zweifelt an der Aussagekraft eines von der International Obesity Task Force (IOTF) veröffentlichten Ländervergleichs, wonach die Deutschen die dicksten Europäer sind. Dabei hat das RKI diese Zahlen selbst veröffentlicht.

Gesundheitsmonitor der Bertelsmann-Stiftung (GeMo) Datenbasis: Acces Panel von NFO Infratest Gesundheitsforschung Mit 165 000 befragungsbereiten Personen aus Deutschland im Alter von 18-79 Jahren GeMo: Halbjährige schriftliche Befragung von 1500 Personen Schwerpunkt: Ambulante medizinische Versorgung Bisher seit 2001 14 Befragungswellen mit ca. 20 000 Befragten Beteiligungsrate: 65 – 70 % Hier: Wellen 2 bis 12, 2002-2007 Körpergröße und Körgewicht wurden ab Welle 2 abgefragt

Fragestellungen Wie hat sich die Prävalenz der Adipositas in Deutschland im Zeitraum 2002 bis 2007 verändert? Wie ausgeprägt ist der soziale Gradient für die Adipositas?

WHO-Krierien zur Adipositas Grad I: BMI 30.00 - 34.99 Grad II: BMI 35.00 - 39.99 Grad III: BMI >= 40.00 Beispiel für eine Person mit einer Körpergröße von 1.75 m Grad I: 90 bis 107 kg Grad II: 108 bis 122 kg Grad III: > 122 kg

Veränderung der Adipositas-Parameter 2002-2007 Männer BMI Adipositas Grad Mittelwert I II III I-III 2002 26.4 13.1% 1.8% 0.9% 16.0% 2007 26.6 14.8% 2.1% 1.5% 18.6% Differenz absolut 0.2 1.7 0.3 0.6 2.6 relativ in % 1% 13% 17% 67% 16%

Veränderung der Adipositas-Parameter 2002-2007 Frauen BMI Adipositas Grad Mittelwert I II III I-III 2002 25.6 12.6% 2.1% 2.2% 17.2% 2007 25.9 13.0% 3.6% 1.7% 18.8% Differenz 2007/2007 absolut 0.3 0.4 1.5 -0.5 1.6 relativ 1% 3% 71% -23% 9%

Sozialschichtspezifische Unterschiede der Adipositas-Parameter Männer Adipositas Grad Sozialschicht I II III I-III niedrigste 21.9% 3.2% 1.9% 27.6% höchste 9.8% 1.2% 1.2% 12.3% Differenz absolut 12.1 2.0 0.7 15.3 relativ in % 123% 167% 171% 124%

Sozialschichtspezifische Unterschiede der Adipositas-Parameter Frauen Adipositas Grad Sozialschicht I II III I-III niedrigste 18.2% 4.4% 3.5% 27.5% höchste 7.5% 1.5% 0.8% 9.9% Differenz absolut 10.7 2.9 2.7 17.6 relativ in % 143% 193% 338% 178%

Der Bertelsmann Gesundheitsmonitor ist ein sehr gut geeignetes Instrument zur Beschreibung von Trends in der Entwicklung der Prävalenz der Adipositas in Deutschland Von 2002 bis 2007 ist die Prävalenz der Adipositas bei Erwachsenen in Deutschland weiterhin moderat angestiegen Es existiert ein sehr stark ausgeprägter sozialer Gradient für die Adipositas in Deuschland Für die Adipositas Grad II und III ist dieser soziale Gradient besonders groß

Zur Politik der Adipositas Adipositas als Epidemie verlangt nach radikalen Maßnahmen wie: Fettsteuer, Werbeverboten, Warnhinweisen, der örtlichen, zeitlichen und altersmäßigen Beschränkung des Verkaufs ungesunder Lebensmittel Subventionierung gesunder Lebensmittel, gesundes Schul- und Kantinenessen, Schaffung von Bewegungsmöglichkeiten.

Zur Politik der Adipositas Möglichkeiten der Anti-Adipositas Politik sind abhängig von: - Dominanter Problemwahrnehmung Gesundheitssystem Rechtlichen Rahmenbedingungen Agrarpolitik Einfluss von Lobbyisten Einsicht der Bevölkerung in Maßnahmen

Zur Symbolik von Adipositas Adipositas ist Symbol für die verheerenden Verlockungen des Wohlstands Adipositas ist Symbol des Scheiterns an gesellschaftlichen Anforderungen wie Selbstdisziplin, Triebverzicht und Bedürfnisaufschub Adipositas ist Symbol für zunehmende gesellschaftliche Ungleichheit Adipositas ist Symbol für die Pluralität von Lebensformen und den Wandel von Körpern

Was tun gegen bzw. mit Adipositas? Ist es sinnvoll die Mehrheit der Bevölkerung als krank oder akut gefährdet zu klassifizieren? Wie umgehen mit der Erfahrung, dass Adipositas fast immer "unheilbar" ist? Was passiert, wenn Adipositas zur Norm wird?