Intelligenzforschung

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 Präsentation transkript:

Intelligenzforschung Intelligenz: Erbe oder Umwelt? Seminarleitung: Prof. Wittmann Referent: Quirin Seitenberger 13.12.2004

Gliederung Der Ursprung der Genforschung Varianzzerlegung der Erblichkeit Zwillingsstudien Adoptionsstudien Identifikation von Genen Diskussion Ursprünge Varianz Zwillinge Adoption Gene Diskussion Quirin Seitenberger

Der Ursprung der Genforschung Francis Galton (1822-1911): - stark durch Darwin beeinflusst  Evolution hängt von der Vererbung ab - Frage: beeinflusst Vererbung menschliches Verhalten? - schlug die wesentlichen Methoden der Verhaltensgenetik vor (Familien-, Zwillings- und Adoptionsstudien) - „Erfinder“ der Korrelation Ursprünge Varianz Zwillinge Adoption Gene Diskussion Quirin Seitenberger

Galton (1869): Genie und Vererbung Reputation als Index (andere Methoden noch nicht möglich) Galton identifizierte 1000 „eminente“ Männer, die aber aus nur 300 Familien stammten Ausgehend von eminentesten Mann aus 100 Familien baute er Familienstammbäume auf Aber was ist mit Erziehung (= Umwelt) Spielte jedoch Umwelt gegen Anlage aus: „Natur sehr viel einflussreicher als die Erziehung“ Ursprünge Varianz Zwillinge Adoption Gene Diskussion Quirin Seitenberger

Galton (1869): Genie und Vererbung Ursprünge Varianz Zwillinge Adoption Gene Diskussion Quirin Seitenberger

Labyrinth-intelligente Ratten (Tryon, 1934) Trainierte heterogene Gruppe von Ratten darauf, Weg zu Zielbox in komplizierten Labyrinth zu finden Paarte anschließend die erfolgreichsten männlichen mit den erfolgreichsten weiblichen Ratten (Labyrinth-intelligente R.) und entsprechend umgekehrt (L.-dumme) Anschließend wurde mit den Nachkommen entsprechend verfahren Ursprünge Varianz Zwillinge Adoption Gene Diskussion Quirin Seitenberger

Labyrinth-intelligente Ratten (Tryon, 1934) Ursprünge Varianz Zwillinge Adoption Gene Diskussion Quirin Seitenberger

Labyrinth-intelligente Ratten (Cooper & Zubek, 1958) 2 Bedingungen: reizarme vs. abwechslungsreiche Umgebung Ursprünge Varianz Zwillinge Adoption Gene Diskussion Quirin Seitenberger

Erblichkeitsschätzung aufgrund von Varianzzerlegung VP = (VG+VAM)+VD+Vi+VE+2*Cov(H,E)+VI+VE (nach Jensen, 1969) Ursprünge Varianz Zwillinge Adoption Gene Diskussion VH Erbanteil VE Umweltanteil Fehler- anteil Quirin Seitenberger

VP = (VG+VAM)+VD+Vi+VE+2*Cov(H,E)+VI+VE VP: Phänotypische Varianz in der Population Mit Hilfe von Test- und Schätzverfahren ermittelte Variabilität (oft auf 1 festgesetzt  Interpretation) VG: genische (oder additive) Varianz Interindividuell unterschiedliche Wirkung von Genen an einem oder mehreren Loci (additive Gene, Ähnlichkeit zwischen Eltern und Kindern) VAM: „Assortative Mating“ (gezielte Partnerwahl) Intelligenzquotient der Eltern korreliert mit ca. 0.50 Ursprünge Varianz Zwillinge Adoption Gene Diskussion Quirin Seitenberger

VP = (VG+VAM)+VD+Vi+VE+2*Cov(H,E)+VI+VE VD: Dominanzabweichung Allele an einem Locus interagieren, statt dass sich ihr Einfluss addiert (vgl. VG) (rezessive Gene); nicht alle phänotypischen Merkmale der Eltern zeigen sich bei Nachkommen Vi: Epistase Interaktion von zwei oder mehreren Genen auf verschiedenen Loci; verantwortlich für die außergewöhnlichen Genies, die in ansonsten „unauffälligen“ Familien auftreten (z.B. Beethoven, Shakespeare, Michelangelo usw.; vgl. Fam. Bach) Ursprünge Varianz Zwillinge Adoption Gene Diskussion Quirin Seitenberger

VP = (VG+VAM)+VD+Vi+VE+2*Cov(H,E)+VI+VE VE: Umweltvarianz (Varianz zwischen und innerhalb von Familien) Alle systematischen Effekte, die nicht genetischer Herkunft sind (z.B. kultureller Hintergrund, Bildung der Eltern, Bücher im Haus etc.) 2*Cov(H,E): Erbe-Umwelt Kovarianz Verschiedene Genotypen sind verschiedenen Umwelteinflüssen ausgesetzt Man unterscheidet passiven, reaktiven und aktiven Typ Ursprünge Varianz Zwillinge Adoption Gene Diskussion Quirin Seitenberger

VP = (VG+VAM)+VD+Vi+VE+2*Cov(H,E)+VI+VE VI: Statistische Interaktion zwischen genetischen und Umweltfaktoren VE: Meßfehler (durch mangelnde Zuverlässigkeit) Ursprünge Varianz Zwillinge Adoption Gene Diskussion Quirin Seitenberger

Eineiige Zwillinge (EEZ) Methode der Wahl zur Untersuchung der Erblichkeit von Intelligenz ist die Zwillingsforschung Besonders von Interesse sind hier die eineiige Zwillinge, die getrennt aufwachsen (und möglichst bald nach der Geburt getrennt wurden)  keine (?!) geteilte Umwelt, aber 100 % identische Gene Weltweit sind 162 solcher Zwillingspaare bekannt (va. USA und Schweden) Ursprünge Varianz Zwillinge Adoption Gene Diskussion Quirin Seitenberger

Eineiige Zwillinge (EEZ) Dabei wurde ein mittlerer gewichteter IQ-Wert von 0.74 festgestellt Dazu kommt, dass die Reliabilität der verwendeten Intelligenztests bei ca. 0.90 liegen  Attenuationskorrektur Daraus wurde geschlossen, dass die geschätzte Erblichkeit des IQ bei ca. 70 % liegt (genetische Varianz) (andere Schätzungen geht von 50 % aus) Aber!!! ... Ursprünge Varianz Zwillinge Adoption Gene Diskussion Quirin Seitenberger

Eineiige Zwillinge (EEZ) Schwächeres Design betrifft EEZ, die gemeinsam aufwachsen (100 % Gene und Umwelt (?!) identisch) Bei EEZ, die gemeinsam aufwachsen, korreliert die Intelligenz mit ca. 0.85 Zusätzlich sind ähnliche Studien mit zweieiigen Zwillingen (ZEZ) denkbar (50 % identische Gene) Jedoch kaum durchgeführt, weil ... Ursprünge Varianz Zwillinge Adoption Gene Diskussion Quirin Seitenberger

Adoptionsstudien ... Adoptionsstudien ein wesentlich mächtigeres Design darstellen (höhere statistische Power) Hier wird die Korrelation der Intelligenz zu den leiblichen Eltern versus einer Parallelgruppe betrachtet, bei denen die Kinder bei den leiblichen Eltern aufwuchsen Je nachdem welche Korrelation größer ist, spielt Erbe oder Umwelt eine größere Rolle Ursprünge Varianz Zwillinge Adoption Gene Diskussion Quirin Seitenberger

Adoptionsstudien Scarr und Weinberg (1979a): Adoptivfam.: 0.09 (M); 0.16 (V); -0.03 (G) Biolog. Fam.: 0.41 (M); 0.40 (V); 0.35 (G) Allerdings sind die Korrelationen in den Sprachuntertests höher zur Adoptionsfamilie Daraus ergibt sich ein Erblichkeit des IQ von ca. 0.46 (der in Wirklichkeit durch Selektionseffekte (Korrelation des Bildungsgrads) jedoch etwas niedriger ist) Ursprünge Varianz Zwillinge Adoption Gene Diskussion Quirin Seitenberger

Texas Adoption Project Dieses war in jeglicher Hinsicht vorbildlich (Loehlin, Willermann & Horn) Sehr detaillierte Studie, die einige interessante Aspekte hervorgebracht hat So steigt z.B. die Korrelation des IQ zwischen adoptierten Kind und leiblichen Eltern mit der Zeit an So konnte durch Pfadanalysen ( Hauptstudium) ebenfalls eine Erblichkeit von ca. 0.75 festgestellt werden Ursprünge Varianz Zwillinge Adoption Gene Diskussion Quirin Seitenberger

Gene der Intelligenz Da Intelligenz zu Verhaltensdimensionen mit höchster Erblichkeit zählt, ist die Suche nach verantwortlichen Genen naheliegend Zu den bekanntesten Gendefekten mit stark verminderter Intelligenz gehört die Phenylketonurie (PKU) Inzidenzrate ist 1 auf 10000 Geburten Verantwortlich ist ein einzelnes rezessives Gen (auf Chromosom 12) Ursprünge Varianz Zwillinge Adoption Gene Diskussion Quirin Seitenberger

Gene der Intelligenz Fragiles X-Chromosom: - Erweiterte Tripletwiederholung (CGG) auf dem X-Chromosom - ab >200 tritt eine geistige Behinderung auf - verhindert die korrekte Transkription des Genes FMR-1 (genaue Funktion unbekannt) Inzidenzrate ca. 1:2500, bei Männern doppelt so hoch als bei Frauen (warum?;-) ) Ursprünge Varianz Zwillinge Adoption Gene Diskussion Quirin Seitenberger

Gene der Intelligenz Poly-genetische Ursachen mit traditioneller Linkage-Analysen schwieriger zu finden, da relativ große Zahl von Personen notwendig um kleine Effekte zu finden Umgekehrt: Bei der großen Anzahl von LRS müsste es sich um einen einzelnen Gendefekt mit großen Effekt handeln  gibt es aber nicht (wahrscheinlich auf Chromosom 6) Deshalb wird heute mit sog. DNA-Markern geforscht Ursprünge Varianz Zwillinge Adoption Gene Diskussion Quirin Seitenberger

Gene der Intelligenz Ein Gen, das wohl im Zusammenhang mit der allgemeinen Intelligenz steht, ist Apo-E Steht im Zusammenhang mit einer Form von Alzheimer, die schon sehr früh ausbricht Klärt ca. 1 % der Varianz auf  zeigt die Schwierigkeit, einzelne Gene zu identifizieren (nicht zu sprechen von Wechselwirkungen und ähnlichem) Ursprünge Varianz Zwillinge Adoption Gene Diskussion Quirin Seitenberger

Diskussion Ursprünge Varianz Zwillinge Adoption Gene Diskussion Quirin Seitenberger

Diskussion Ähnliche Umwelten durch strenge Adoptionsvorschriften Zuverlässigkeit der Intelligenztests, vor allem bei frühen Untersuchungen Ähnliches physisches Aussehen (Attraktivität) Ursprünge Varianz Zwillinge Adoption Gene Diskussion Quirin Seitenberger

Statt Erbe oder Umwelt bzw. Erbe vs. Umwelt: Fazit Statt Erbe oder Umwelt bzw. Erbe vs. Umwelt: Erbe über Umwelt Ursprünge Varianz Zwillinge Adoption Gene Diskussion Quirin Seitenberger

Literatur Amelang, M. & Bartussek, D. (2001). Differentielle Psychologie und Persönlichkeitsforschung. Stuttgart: Kohlhammer Standards Psychologie. Sternberg, R. (1997). Intelligence, heredity, and environment. Cambridge: Cambridge University Press. Pinel, J. (1997). Biopsychologie. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag. Plomin, R., DeFries, J., McClearn, G. & Rutter, M. (1999). Gene, Umwelt und Verhalten. Bern: Verlag Hans Huber. Ursprünge Varianz Zwillinge Adoption Gene Diskussion Quirin Seitenberger