Schlafstörungen aus neurologischer Sicht Dr. Torsten Helberg Abteilung für Neurologie und Stroke Unit Klinikum Plau am See
Einteilung Hypersomnien Verlängerung des Nachtschlafes und/oder unwiderstehliche Schlafneigung ausserhalb der Hauptschlafphasen (Beispiel Schlafapnoe)
Einteilung Hyposomnien Missverhältnis zwischen dem subjektiven Schlafbedürfnis und dem Schlafvermögen (Beispiel psychophysische Insomnie)
Einteilung Parasomnien Störungen während des Schlafes mit motorischen, psychischen und vegetativen Veränderungen (Beispiel Somnambulismus)
Hypersomnien OSAS (Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom) Definition : Atemstillstand > 10 Sekunden und > 10/Stunde während des Nachtschlafes mit Abfall des Sauerstoffgehaltes im Blut
OSAS Ursache : Kollaps der oberen Atemwege ohne primäre neurologische oder pulmonale Erkrankung Häufigkeit > 2 %, Männer 3-10 : 1 Frauen Risikofaktoren : Übergewicht, männliches Geschlecht, mittleres Lebensalter,
OSAS Gedrungener Körperbau Kurzes Kinn Alkoholkonsum Raumforderung im Bereich der oberen Atemwege (Lymphome, Tonsillen, Adenoide) Behinderte Nasenatmung
OSAS Folgen : Auslösung eines Schutzreflexes, der über eine Aktivierung der Hirnrinde die Obstruktion der Atemwege aufhebt Hierdurch Weckreaktion (Mikroarousal), die den natürlichen Schlafablauf stört Ausgeprägte Tagesmüdigkeit trotz ausreichender Schlafdauer bis hin zum imperativen Schlafdrang
OSAS Verminderung bis völliger Verlust der Tiefschlafphasen Konzentrationsstörungen Verminderte Leistungsfähigkeit Erhebliche Unfallgefahr (Alleinunfälle, „menschliches Versagen“) Bluthochdruck Herzrhythmusstörungen
OSAS Herzinsuffizienz Erhöhtes Schlaganfallrisiko Reduzierte Lebenserwartung (plötzlicher nächtlicher Herztod) Impotenz Symptomatik Lautes und unregelmäßiges Schnarchen mit Atempausen
OSAS Diagnostik Screening-Untersuchung z.B. MESAM (O2-Sättigung, Schnarchsignal, EKG, thorakale und abdominelle Atemexkursionen) Polysomnographie im Schlaflabor (zusätzlich EEG, EMG, EOG, Atemflow, Videoaufzeichnung)
OSAS Therapie Gewichtsreduktion !!! Vermeidung der Rückenlage („Tennisball-T-Shirt“) Nasale kontinuierliche Überdruckbeatmung (nCPAP) Ober- und Unterkieferschienen Operative Behandlung als letzte Option
OSAS Gehäuft bei folgenden Erkrankungen : Multisystematrophie (ca. 25 %) Idiopathisches Parkinson-Syndrom ALS (gehäuft OSAS u. zentrale Apnoen) Autonome Neuropathien Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung Poliomyelitis, Post-Polio-Syndrom
OSAS Neuromuskuläre Erkrankungen (z.B. Myasthenia gravis) Muskelerkrankungen Encephalitis Encephalomyelitis disseminata Schlaganfall (v.a. supratentorielle Infarkte in der Akutphase)
OSAS Hirnstammläsionen Epilepsie Restless-Legs-Syndrom Narkolepsie
Zentrale Apnoe Dysfunktion des Atemzentrums im ZNS Repetitiver Stopp der thorakalen und abdominellen Atemexkusionen Sistieren des Luftstromes trotz offener Atemwege
Hypersomnien Narkolepsie Zentrale Schlaf-Wachstörung mit REM- und Non-REM-Schlafstadien assoziierten Symptomen
Narkolepsie Lebenslange Erkrankung Variable Intensität der Symptome im Verlauf Keine erhöhte Mortalität Ursache ungeklärt, multifaktoriell Störungen im cholinergen und noradrenergen System und Verminderung Hypocretin-haltiger Neurone im Hypothalamus
Narkolepsie Symptome Tagesschläfrigkeit mit Tagschlafepisoden Kataplexie in 80-90%, nahezu beweisend Auslöser der kataplektischen Anfälle sind Lachen, Freude, Überraschung, Ärger, Furcht, Konzentration, körperliche Anstrengung Areflexie während der Kataplexie
Narkolepsie - Schlaflähmung in 50 % Hypnagoge Halluzinationen in 50 % Gestörter Nachtschlaf in 50 % Automatisches Verhalten Kopfschmerzen Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen Einschlafbedingte Unfälle
Narkolepsie Diagnostik Anamnese, Familienanamnese Schlaffragebögen, Schlaftagebücher Polysomnographie, Multiple-Sleep-Latency-Test Hypocretin-Spiegel i.L. vermindert HLA-Klasse II-Typisierung (Krankheit mit der höchsten HLA-Assoziation)
Narkolepsie Befunde Nächtlicher Schlaf : Kurze Einschlaf- und REM-Latenz Gestörte Schlafkontinuität Untersuchung am Tag : - Verkürzte Einschlaflatenz mit Auftreten von verfrühtem REM-Schlaf
Narkolepsie Therapie Verbesserung von Coping-Srategien Schlafhygiene Individuell angepasste Tagschlafepisoden Medikamentöse Therapie
Narkolepsie Modafinil (kein BTM) Gamma-Hydroxybuttersäure (BTM) Methyphenidat (BTM) 2. Wahl Ephedrin, Metamphetamin (BTM), MAO-Hemmer Kataplexie und hypnagoge Halluzinationen werden mit Gamma-Hydroxybuttersäure oder Antidepressiva behandelt
Hyposomnien Restless-Legs-Syndrom Prävalenz 3 – 10 % Bewegungsdrang der Beine, meist assoziiert mit sensiblen Störungen unterschiedlicher Qualität oder Schmerzen Auftreten ausschließlich in Ruhe und Entspannung
Restless-Legs-Syndrom Besserung oder Sistieren durch Bewegung Zirkadiane Rhythmik mit überwiegend Symptomen am Abend und in der Nacht Meist bds. symmetrisch Ein- und Durchschlafstörungen mit Tagesmüdigkeit und Erschöpfung
Restless-Legs-Syndrom - Polysomnographisch verlängerte Einschlaflatenz, häufige Arousals und Wachphasen, Verringerung der Tiefschlaf- und REM-Phasen und Nachweis von PLM (Periodic Leg Movement) In 50 % positive Familienanamnese Ansprechen auf dopaminerge Therapie Idiopathisch / symptomatisch
Restless-Legs-Syndrom Symptomatisches RLS Urämie Eisenmangelanämie Schwangerschaft Polyneuropathien Myelopathie Multiple Sklerose ? M. Parkinson ? SCA ?
Restless-Legs-Syndrom Diagnostik NLG / EMG Ferritin, Kreatinin, Harnstoff, TSH, Vit. B12, Folsäure Polysomnographie (nicht obligat) L-Dopa-Test
Restless-Legs-Syndrom Therapie Nur Einschlafstörungen – L-Dopa + Decarboxylasehemmer 100/25 mg 1 h vorm Schlafengehen Mit Durchschlafstörungen – zusätzlich retardiertes L-Dopa + Decarboxylasehemmer 100/25 mg zur Abenddosis
Restless-Legs-Syndrom Tagesdosis von L-Dopa max. 200 – 300 mg (erhöhtes Augmentationsrisiko) Dopaminagonisten (Pramipexol = Sifrol, Ropinirol = Adartrel sind zugelassen) Initialdosis Pramipexol halbe Tbl. 0,18 mg Initialdosis Ropinirol 0,25 mg Opioide bei unzureichendem Ansprechen
Hyposomnien Psychophysische Insomnie Prävalenz ca. 35 % Schlafstörung bedingt durch Stress und Belastung Anfänglich nachvollziehbare Hyposomnie, die aber dann die Belastung überdauert und schließlich i.S. einer Konditionierung persistiert
Psychophysische Insomnie Schlechte Nächte und beeinträchtigte Tage Außerhalb des eigenen Hauses und außerhalb der üblichen Schlafzeiten meist keine Probleme Einschlaflatenz und Gesamtschlafzeit werden ungünstiger beurteilt als bei objektiver Untersuchung (Polysomnographie) messbar
Psychophysische Insomnie Zeichen erhöhter innerer Anspannung (Erregtheit, muskuläre Verspannung) Therapie In erster Linie Verbesserung der Schlafhygiene Vermeiden von Tagesschlaf Legen Sie sich nur ins Bett, wenn Sie schläfrig sind !
Psychphysische Insomnie Nutzen Sie Ihr Bett zu nichts anderem als zum Schlaf ! Können Sie nicht einschlafen, stehen Sie rasch auf und gehen in einen anderen Raum ! Gehen Sie erst wieder ins Bett, wenn Sie sich schlafbereit fühlen ! Lassen Sie, wenn irgend möglich, die Uhr außer Acht !
Psychophysische Insomnie Liegen Sie nicht länger als 10 Minuten schlaflos im Bett ! Können Sie erneut nicht einschlafen, gehen Sie vor wie zuvor beschrieben, so oft wie nötig ! Stehen Sie jeden Morgen zur selben Zeit auf, egal wie lange Sie geschlafen haben ! Regelmäßige körperliche Aktivität
Psychophysische Insomnie Kühles, dunkles, ruhiges Schlafzimmer Kein Kaffee oder Alkohol am Abend Nicht hungrig zu Bett gehen Entspannungstraining (Autogenes Training, Progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen, Bio-Feedback-Training)
Psychophysische Insomnie Verhaltenstherapie (z.B. Schlafrestriktion) Psychotherapie (konfliktorientiert, supportiv, kognitive Therapien) Chronotherapie (z.B. Lichttherapie) Medikamentöse Behandlung
Psychophysische Insomnie Medikamentöse Therapie Lediglich symptomatische Therapie Verschreibung nur in kleinen Mengen Aufklärung über unerwünschte NW und Einschränkung der Fahrtauglichkeit Information über die Gefahr der Gewöhnung, des Wirkungsverlustes und von Entzugserscheinungen
Psychophysische Insomnie Therapiedauer nicht länger als 2 Wochen Benzodiazepine, Zopiclon, Zolpidem Sedierende Antidepressiva (z.B. Amitriptylin) Niederpotente Neuroleptika (z.B. Melperon)
Andere Hyposomnien Situative Insomnie (Lärm, ungewohnte Schlafumgebung, Schichtwechsel, Zeitverschiebung) Pharmakogene Insomnie (Kaffee, Tee, Nikotin, Alkohol, Stimulantien, Diuretika, Steroide etc.) Sekundäre Insomnie (Depressionen, Psychosen, Herzinsuffizienz, Bluthochdruck, Lungenerkrankungen, Hyperthyreose, Schmerzen, M. Parkinson, Demenzen)
Andere Hyposomnien Schlafwahrnehmungsstörung (Pseudo-Hyposomnie) Hyposomnie und/oder Tagesschläfrigkeit bei Hypnotikagewöhnung oder -entzug
Parasomnien Störungen des Schlafes, die beim Erwachen, beim partiellen Erwachen oder beim Schlafstadienwechsel auftreten und somit den Schlafprozess unterbrechen - Arousalstörungen (Schlaftrunkenheit, Somnambulismus, Pavor nocturnus) - REM-Schlaf-assoziierte Parasomnien (REM-Schlaf-Verhaltensstörung, rez. Isolierte Schlaflähmung, Albträume)
Parasomnien - andere Parasomnien (schlafbezogene dissoziative Störung, Enuresis nocturna, schlafbezogenes Stöhnen, Exploding head-Syndrom, schlafbezogene Halluzinationen, Sexsomnia im NREM-Schlaf, schlafbezogene Essstörungen
Somnambulismus Genuine Form, familiäre Häufung Epileptische Form 1 – 15 % der Bevölkerung Beginn meist vor der Pubertät (4-8 LJ) Komplexe Verhaltensmuster im Schlaf Pat. schwer erweckbar
Somnambulismus Amnesie für die Episode Auftreten meist im ersten Drittel der Schlafphase im Schlafstadium 3 und 4 Gewalttätige Handlungen sind möglich
Pavor nocturnus Extreme Angstzustände aus dem Schlaf heraus bei Kindern 1 – 4 % aller Kinder, Jungen > Mädchen Familiäre Häufung Begleitet von Verwirrtheit, Herzrasen, Tachypnoe Oft Tonsillenhypertrophie mit Atemobstruktion Therapie : Tonsillektomie, Imipramin, Benzodiazepine
Enuresis nocturna Erst pathologisch nach dem 15. LJ Ursache : zu tiefer Schlaf Unvollständige Weckreaktion Niedriges Blasenvolumen Vermehrte Harnproduktion Vermehrte Blasenkontraktilität Therapie : Imipramin
Danke für Ihre Aufmerksamkeit