Modellbildung in der Geoökologie (G5, 103) SS 2004

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 Präsentation transkript:

Modellbildung in der Geoökologie (G5, 103) SS 2004 29.4. Einführung, Modelle, Modellklassen 6.5. Zustandsmodelle, Rekursion 13.5. Beispiel Phyllotaxis, Definition von Ökosystemen 27.5. Definition von Ökosystemen 3.6. Populations- und Individuenbasierte Modelle (FK) 17.6. Individuenbasierte Modelle 24.6. Modelle der Hydrologie, Transportgleichungen 1.7. Fallbeispiel Gårdsjön: Parameteridentifikation 8.7. Modelle zur Gewässerversauerung 15.7. Flussnetzwerke, Modelle in der Geomorphologie 22.7. Besprechung der Übungsaufgaben (FK) 1-2 weitere Termine: Besprechung der Übungsaufgaben (FK)

Modelle des Wachstums Was ? Wie ? Beispiele: Populationen (Menschen, Fische, ...) Wissen (entdeckte Ressourcen, Kohle- Ölvorräte,...) Wie ? Kontinuierlich, in diskreten Schritten Begrenzt oder Unbegrenzt Konstante oder veränderliche Wachstumsrate Innere Gesetzmäßigkeiten oder äußere Umstände Beispiele: Weltbevölkerung Weltölreserven Population einer rote Liste Art

Das älteste Populationsmodell? Mesopotamien vor ca. 4000 Jahren Aus: Nissen et al. (1991) Frühe Schrift und Techniken der Wirtschaftsverwaltung im alten Vorderen Orient Eine der ältesten bekannten Populationstafeln, hier zur Berechnung des Wachstums von Rinderherden Die Schrift entstand als ein Medium der Verwaltung, nachdem alle (wichtigen) Domestikationen erfolgt waren. aus: Nissen et al. 1991

Die sumerische Keilschrift entschlüsselt: Eine Steuertabelle Aus: Nissen et al. (1991) Frühe Schrift und Techniken der Wirtschaftsverwaltung im alten Vorderen Orient aus: Nissen et al. 1991

... Eine Steuertabelle: Für das diskrete exponentielle Wachstum einer Rinderherde Aus: Nissen et al. (1991) Frühe Schrift und Techniken der Wirtschaftsverwaltung im alten Vorderen Orient In der Zeile zum 8 Jahr steckt ein Rechenfehler. Modellgrundlage: eine Kuh hat alle zwei Jahre Nachkommen, 50/50 Chance männlich oder weiblich, Nach 4 Jahren werden die Kälber geschlechtsreif Kühe leben offenbar endlos, Fruchtbarkeit konstant,.... (unrealistisch, aber möglicherweise eine Grundlage der Normierung in der Steuererhebung) aus: Nissen et al. 1991

Populations-Wachstum diskrete nicht-überlappende Generationen z.B. Schmetterlinge: effektive Geburtenrate

Ansätze exponentiell: hyperbolisch: Jeweils die Differentialgleichung und die Lösung des zugehörigen Anfangsproblems: Man benötigt nur die (Anfangs)bedingung, um daraus für beliebige folgende Zeiten die Lösung ausrechnen zu können. Man muss nicht erst die Zwischenwerte ausrechnen, sondern kann für eine Beliebig vorgegebenes t den Populationswert berechnen. Diese Eigenschaft der Lösung wird auch das „Shuttle-Prinzip“ genannt. Es ist unwahrscheinlich, dass derartige Lösungen für evolvierende Systeme überhaupt existieren. Überlegen sie sich Gründe dafür (oder dagegen).

Die Daten der Weltbevölkerung wurden von einer UN-Datenbank verwendet Die Daten der Weltbevölkerung wurden von einer UN-Datenbank verwendet. Der Fit der hyperbolischen Gleichung ist besser als der von der Exponentiellen!

Bester Fit bis ca. 1970 Relative Wachstumsraten seitdem überall rückläufig: Verbesserungen: variable Sterbe- und Geburtsraten stochastische Ansätze Migration zwischen den Kohorten Der Fit der hyperbolischen Gleichung beinhaltet ein Datum für den „jüngsten Tag“ in diesem Jahr divergiert die Lösung, d.h. Die Weltbevölkerung wird unendlich groß. Das glauben auch die stärksten Vertreter eines unbegrenzten Wachstums nicht. Wir hoffen also, dass dieses Modell unrealistisch ist.

Logistisches Wachstum Beispiel aus der Populationsbiologie Verhulst 1838 Etwas realistischer als das exponentielle Wachstum ist das logistische. Es wurde unabhängig von einem Biologen und einem Erdölingenieur entdeckt. Man kann es verwenden, um das Wachstum einer Population in der Nähe einer Kapazitätsgrenze zu berechnen. Im Fall der Ölproduktion sind das die gesamten Vorräte, die aus den bekannten Reserven geschätzt werden. Deffeyes, K.S. (2001): Hubbert‘s Peak (Hubbert war Ingenieur bei Shell). R ist die effektive Wachstumsrate (geburt, sterben, zu- und Abwanderung) im Endeffekt konstant K ist die Tragekapazität (Ressourcenverfügbarkeit, Nutzung, ...) auch konstant A die jährliche Förderung Q die Bekannten Reserven Q0 die Gesamtvorräte (geologisch) und Erdölindustrie: Hubbert 1956

Eine der erfolgreichsten Vorhersagen: Hubbert 1956 Publiziert 1956, heftig kritisiert und bekämpft, aber hat sich inzwischen als eine der besten Vorhersagen erwiesen, die jemals mit dieser Formel gemacht wurden. Das Maximum der US-Produktion wurde damit auf ca. 20 Jahre voraus gesagt. K. Deffeyes (2002): Hubbert‘s Peak, Princeton Univ. Press. Aus: K. Deffeyes (2002)

Hubbert (1956) angewendet 2000: Schätzungen der Welt-Ölförderung bis 2000 K. Deffeyes (2002): Hubbert‘s Peak, princeton Univ. Press. Wendet man das auf die Welt-Ölproduktion an, ergibt sich das Maximum bei 2003/04 Schätzen sie wie gut die Chancen stehen, dass steigende Preise eine Erhöhung der Produktion nach sich ziehen werden. Aus: K. Deffeyes (2002)

Schätzungen der Welt-Ölreserven (kumulierte Förderung) Publiziert 1956, K. Deffeyes (2002): Hubbert‘s Peak, princeton Univ. Press. Empirisch gesehen kann man das so sehen, dass die Entdeckung der Förderung ca. um 10 Jahre voraus läuft. Sie brauchen also nur nachsehen, wann das Maximum der Entdeckung gewesen ist. Wie sehen sie die Chance aus diesen Kurven die gesamten Weltvorräte zu schätzen? Aus: K. Deffeyes (2002)

Populationsmodelle Wichtigste Anwendung: Bevölkerungswachstum Originalanwendung von Malthus (1798) Zensus weltweit ca. seit 1930 Offizielle UN-Aufgabe (eigene Abteilung) Datenqualität extrem unterschiedlich Quantitativ bedeutend: Menschen haben die zweitgrößte Biomasse, nutzen 40% der Nettoprimärproduktion Die größte Biomasse sind (wahrscheinlich) die Ameisen

Effektive Geburtenraten sind variabel ! Aus: http://srs.dl.ac.uk/SPEAKERS/KAPITZA/Section3.html Das ist die demographische Wende, die bei hinreichendem Wohlstand einsetzt.

Das momentane High-End... Ex-post Analyse mit 5-Jahres-Updates Kombiniertes Zeitreihenmodell-Expertensystem Stochastische jährliche Simulation (Bayes-Ansatz) Datenbanken der UN und des US-Zensus-Büros Fertilität in den Entwicklungsländern u.a. mit „Aids-Faktor“ Monte-Carlo Ansatz zur Quantilermittlung u.v.m. Lutz et al., Nature 412, 543-545 (2001) Die Einstiegsseite bei der UN: http://www.un.org/esa/population/unpop.htm

Das ist die aktuelle Vorhersage mit den besten verfügbaren Daten für die Welt. Ablesebeispiel: mit 89,4% Wahrscheinlichkeit ist die Weltbevölkerung am Ende des 21.ten Jahrhunderts kleiner als 12 Milliarden. Der Übergang sieht harmlos aus, aber man vergleiche das mit Abb. 7

Lotka-Volterra-Modell (1932) beschreibt die Interaktion zwischen zwei Arten eines Ökosystems, einer Räuber- und einer Beute-Art zwei Funktionen: Veränderung der Räuber- und der Beute-Population: dB/dt = a B – b B R dR/dt = e b B R- c R a ist die natürliche Wachstumsrate der Beute-Population ohne den Einfluss von Räubern, c ist die natürliche Todesrate der Räuber bei Fehlen von Beute, b ist die Todesrate der Beute verursacht durch den Räuber, e ist die Effizienz, Beute in Räuber umzuwandeln.

Lotka-Volterra-Modell b = 0.0005 c = 0.01 e = 0.1

Lotka-Volterra-Modell

Logistisches Lotka-Volterra-Modell b = 0.0005 c = 0.01 e = 0.1 K = 5000

Ein berühmtes Beispiel: Luchs und Schneehase in Alaska Genauer sind es die Anzahl der von der Hudson Bay Company verkauften Pelze pro Jahr (sicher ein Indikator für den Jagderfolg der Pelzjäger, aber auch für die Populationszahlen?)

Kleines Problem: falscher Drehsinn! Hier ist der Luchs das Beutetier Da kann doch was nicht stimmen..., aber es ist das Beispiel aus dem Lehrbuch (Murray, 1980 Mathematical Biology)

Zusammenfassung Wachstumsmodelle sind Zustandsmodelle Gewöhnliche Differentialgleichungen Wachstumsmodelle sind eine alte und aktuelle Klasse von „ökologischen Modellen“ Ressourcenverbrauch (Öl) Ressourcenbedarf (Bevölkerung) Empirisch Modelle leistungsfähig in der Rekonstruktion Metaphern (ohne Encoding) Die Modelle beruhen nicht auf Verständnis Aus den Modellen folgt keine Steuerungsmöglichkeit Bzw. beim Encoding werden eine Reihe von Annahmen gemacht, die nachweislich falsch sind: Die Geburtenrate ist weder konstant noch homogen In der nächsten Stunde geht es um kleinere, überschaubare Populationen, wie z.B. solchen, die gerade vom Aussterben bedroht sind.

Individuenbasierte Modelle Jedes Individuum entspricht einem Datenobjekt Interaktione (direkte Kommunikation) Gedächtnis/Geschichte Diskrete Größen (ganzzahlig) Prozessorientiert Gruppen/Populationen entsprechen Variablen Wechselwirkung (prozessgesteuert) Individuen ununterscheidbar Kontinuierliche Größen Hier kann es außer um Wachstum auch noch um viele andere Verhaltensvarianten gehen

Individuenbasierte Modelle Zelluläre Automaten L-Systeme und Verwandte Agentenmodelle

Zelluläre Automaten (cellular automata, CA) mathematische Modelle mit diskretem Raum und diskreter Zeit Raum wird als Gitter von Zellen repräsentiert in den klassischen CA-Modellen kann jede Zelle nur endlich viele Zustände annehmen für jede Zelle gilt eine Menge lokaler Regeln, die festlegen, wie sich der neue Zustand dieser Zelle aus ihrem Zustand und dem der Nachbarzellen (im vorherigen Zeitschritt) ergibt.