Workshop Arbeitsrecht Humboldt Universität Berlin

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Workshop Arbeitsrecht Humboldt Universität Berlin 07. 05 Workshop Arbeitsrecht Humboldt Universität Berlin 07.05.2010 RA Nils Kummert Betz – Dombek - Rakete Unterrichtung, Hinzuziehung eines Beraters und Beratung nach § 111 Satz 1 und 2 BetrVG Kanzlei Betz ▪ Dombek ▪ Rakete RA Nils Kummert, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Ausgangspunkt Regelung in § 111 Satz 1 BetrVG: recht-zeitige und umfassende Unterrichtung über geplante Betriebsänderung durch den Un-ternehmer Unterlagenvorlage im erforderlichen Umfang auf Grdl. des § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG iVm § 111 f. BetrVG Hinzuziehung eines Beraters in UN mit mehr als 300 AN zur Unterstützung nach § 111 Satz 2 BetrVG Kanzlei Betz ▪ Dombek ▪ Rakete RA Nils Kummert, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Unterrichtungsanspruch Anspruchsgegner: „Unternehmer“ und Konzernkonstellationen „Informationsdurchgriff“ oder „Geiseltheorie“ in Vertrags- od. qual. faktischen Konzernen? Besonderheiten im Gemeinschaftsbetrieb: „Betriebsarbeitgeber“ (IA) und „Vertrags-arbeitgeber“ (SP) WA-Ansprüche bestehen parallel, sind zeit-lich vorgelagert (str.)

Zeitpunkt der Unterrichtung 1 BAG: „wenn nach Art und Umfang die ge-plante Betriebsänderung bekannt und kon-kretisiert ist“ Auf jeden Fall vor Beginn der Umsetzung der Maßnahme(n) und noch nicht im Stadium der bloßen „Vorüberlegungen“ Danach alles sehr umstr.: erst „nach Auswahl der besten Lösung“ (GK-Oetker) oder bereits dann, wenn „mehr für als gegen eine kon-krete Betriebsänderung spricht“ (DKKW-Däubler)

Zeitpunkt der Unterrichtung 2 Gesellschafterbeschluss unschädlich /BAG 30.05.2006 – 1 AZR 25/05), vor Zustimmungsersuch-en an andere Gesellschaftsorgane umstr. Rechtsgedanke aus § 90 Abs. 2 Satz 1 BetrVG nicht Richtschnur, da Gegenstand die „geplante“ Betriebsänderung ist aber: EuGH 10.09.2009 – C-44/08: Tochter muss unterrichten, wenn Mutter strategische Entscheidung mit Folgen für Tochter getroffen hat (Massenentlas-sung), RL 2002/14/EG und richtlinienkonforme Auslegung möglicherweise geboten

Gegenstand der Unterrichtung 1 „umfassend“: Gründe, Auswirkungen, Inhalt, Zeitplan, Alternativen und deren Bewertung Unterlagen: auch UN-Beratergutachten, Problem: genaue Bezeichnung und Vollstreckbarkeit angesichts der Unkenntnis der Existenz von Papieren Anspruch auf Auskunft über existente Papiere? § 2 BetrVG: Anspruch auf Verschriftlichung umfang-reicher und komplexer Informationen (BAG 10.10.2006 – 1 ABR 68/05)

Gegenstand der Unterrichtung 2 auch: „alle Informationen, die der BR zur Wahrnehmung seines MitbR in Bezug auf den SP benötigt“ (BAG 30.03.04 – 1 AZR 7/03) „Informationen, die der BR benötigt, um eigene Vorstellungen für einen SP zu entwickeln“ M. E. nicht nur Personalia der Betroffenen (Nachteile), sondern auch wirtschaftliche Basisinformationen

Sanktion bei Verletzung der Unterrichtungspflicht zu späte und/oder unvollständige Unter-richtung führt zu Anspruch nach § 113 Abs. 3 BetrVG, auch wenn Wortlaut dies nicht auf den ersten Blick hergibt (BAG 30.03.04 – 1 AZR 7/03, Rz. 21ff.) wird nicht geheilt durch späteren Abschluss eines IA und auch nicht durch gescheiterten Einigungsversuch in E-Stelle aber: Verrechnung SP-Abfindung mit Nach-teilsausgleich

Exkurs: § 17 Abs. 2 KSchG 1 Massenentlassung nach § 17 Abs. 1 KSchG kann mit Betriebsänderung zusammenfallen (nicht: Großbetriebe wg. 5-%-Quote, Tendenzbetriebe) Beteiligung nach § 111 BetrVG und Konsultation nach § 17 Abs. 2 KSchG laufen nebeneinander (hM) § 17 KSchG sieht Konsultations- und Anzeigepflicht vor; Verhältnis der beiden Komponenten zueinander sehr umstr., zumal nationales Recht möglicherweise nicht richtlinienkonform Klar wohl: es bedarf weder eines abgeschlossenen IA noch eines SP noch eines durchgeführten Verfahrens in der E-Stelle, um die Anzeige erstatten zu können (trotz BVerfG 25.02.2010 – 1 BvR 230/09)

Exkurs: § 17 Abs. 2 KSchG 2 Inhalt: schriftliche rechtzeitige Unterrichtung über Gründe für die geplanten Entlassungen Zahl und Berufsgruppen der zu entlassenden AN Zahl und Berufsgruppen der idR beschäftigten AN Zeitraum der geplanten Entlassungen Vorgesehene Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden AN die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien

Exkurs: § 17 Abs. 3 KSchG 3 Rechtzeitigkeit: § 17 Abs. 3 KSchG (2-Wo-Frist) oder Rechtsgedanke § 90 Abs. 2 Satz 1 BetrVG (Tendenz in diese Richtung: EuGH 10.09.2009 – C-44/08) Sanktion: FESTL, § 111, 103 aE und Weber, AuR 2008, 365 (insbes. 377): Nachteilsaus-gleichsanspruch nach § 113 Abs. 3 BetrVG analog und Nichtverrechenbarkeit des Nach-teilsausgleichs mit SP-Abfindung wegen des Gebots effektiver Anschreckung

Hinzuziehung eines Beraters Ein Berater oder mehrere? Vergütung der RAe nach § 34 RVG bzw. § 612 BGB (Orts- und Branchenüblichkeit) Teilnahme des Beraters an Verhandlungen? Beratung nur bezogen auf IA-, nicht auf SP-Verhandlungen?

Beratungsanspruch Problem: der untätige BR – trotzdem Pflicht zur Anrufung der Einigungsstelle (BAG 26.10.2004 – 1 AZR 493/03) Anrufung E-Stelle durch Arbeitgeber zulässig, wenn zuvor BR (od. Arbeitgeber selbst) die BAA um Vermittlung ersucht hat (§ 112 Abs. 2 Satz 1 BetrVG), umstr. Praxisproblem 1: Unterrichtung, Positionierung des BR und Beratung gleichzeitig und ungeordnet Praxisproblem 2: Wunsch nach Aufnahme der Beratungen ohne ausreichende Unterrichtung, Anrufung der E-Stelle rechtsmissbräuchlich bzw. Fehlen eines Verhandlungsversuchs nach § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG?