Schulische Sozialisation Gewalt in der Schule L. Hansen J. Freytag
Entwicklungsanforderungen Problemkonstellationen bei Entwicklungsanforderungen Bewältigungskompetenzen Bewältigung der Entwicklungsanforderungen Kriminalität von Jugendlichen Gewalt in der Schule Ursachen von schulischer Gewalt Gewaltprävention
Gelingen des Sozialisationsprozess hängt von Bewältigung Entwicklungsaufgaben ab Es gilt die Kompetenzen für die vier zentralen Entwicklungsanforderungen zu erwerben
Die vier Entwicklungsanforderungen: Schulisches Leistungsvermögen und berufliche Qualifizierung Fähigkeiten zum sozialen Bindungsverhalten gegenüber Gleichaltrigen Kompetenz zur Nutzung des Konsumwarenmarktes Fähigkeit zur Durchsetzung eigener „politischer“ Interessen
Probleme ergeben sich: 1.wenn in einem oder mehreren dieser Bereiche die angeforderten Fertigkeiten und Fähigkeiten nicht erbracht werden 2.Kein Ausgleich durch personale und soziale Ressourcen
Schon die fehlende oder unzureichende Handlungskompetenz in nur einer Entwicklungsaufgabe beeinträchtigt erheblich die Gesamtkoordination der Entwicklungsaufgabe Kann zu einem „Problemstau“ kommen
Bewältigungskompetenzen Umgang mit der Problemkonstellation hängt von den Bewältigungskompetenzen ab Hohe Bewältigungskompetenz Niedrige Bewältigungskompetenz Setzen sich aus personalen und sozialen Ressourcen zusammen
Problemkonstellationen der Entwicklungsaufgaben und ihre angemessene oder unangemessene Bewältigung Personale Ressourcen (Intelligenz, Temperament, Körperliche Konstitution) Normale und gesunde weitere Persönlichkeits- entwicklung Angemessene Bewältigung Bewältigungskompetenz Problem- Konstellationen der Entwick- lungsaufgaben Nicht normale und ungesunde weitere Persönlichkeits- Entwicklung mit -außengerichtetem -ausweichendem -innengerichtetem Problemverhalten Soziale Ressourcen (Unterstützung der Umwelt Finanzmittel) UnangemesseneBewältigung
Formen der unangemessenen Bewältigung von Problemkonstellationen -außengerichtete, externalisierende Ausprägung -innengerichtete, internalisierende Ausprägung -ausweichende, evadierende Ausprägung
Ausprägungsformen der Folgen von unangemessener Bewältigung Nach außen gerichtete(externalisierende) Problemverarbeitung (z.B.Gewalt) Unangemessene Bewältigungs- kompetenz Ausweichende (evadierende) Problemverarbeitung (z.B. Konsum psychoaktiver Substanzen) Nach innen gerichtete (internalisierende) Problemverarbeitung (z.B. Psychosomatischer Störungen)
Kriminalität und Gewalthandlungen Kriminelles Verhalten → Form des Verhaltens, die nach gesetzlicher Festlegung strafbar ist Kriminalität im Jugendalter ist meist ein extremes Symptom für Nichtbewältigung von Entwicklungsaufgaben
Verbreitung und Ausmaß von Kriminalität Kriminalitätsstatistiken der Polizei Begrenzter Wert für die Beurteilung der tatsächlichen Kriminalität Seit 1960 Ansteigen der registrierten Kriminalität bei allen Altersgruppen der Bevölkerung Überdurchschnittlich hoher Anstieg bei Jugendlichen Vor allem bei sozial benachteiligten und migrierten Familien
6% aller Menschen unter 21 Jahren werden als tatverdächtig registriert (2002) Deutlich mehr junge Männer als Frauen Mehr als die Hälfte aller von der Polizei registrierten Tatverdächtigen sind Jugendliche! Verurteilungsziffern für Jugendliche haben seit 1960 nur geringfügig zugenommen
Ergebnisse von Dunkelfeldanalysen Befragung der Täter („Selbstbericht“) und der Opfer Ebenfalls keine absolut sichere Aussage Individuelle Auffassungen Veränderung der Wahrnehmung im Laufe der Generationen
Erkenntnisse über Struktur und Entwicklung von Jugendkriminalität durch Täterbefragungen Straftaten nicht nur von kleinen Außenseitergruppen → statistisch normales Phänomen der jugendlichen Entwicklungsphase Überwiegende Teil junger Menschen war schon einmal in ein delinquentes Verhalten involviert
„normal“ Einfache Diebstähle, Unterschlagung, Betrügereien, Schlägereien, Schwarzfahren, Hausfriedensbrüche, Vandalismus, Drogenbesitz Für viele männliche Jugendliche „normal“
Erhebliche Unterschiede in Verbreitung, Struktur und Intensität des deliktischen Verhaltens → Schwarzfahren, Ladendiebstahl, Körperverletzung, Sachbeschädigung dominieren → Schwere Straftaten Ausnahme
Ursachen der Jugendkriminalität Ergebnis vieler Studien Kinder aus sozial geschwächten Familien, Familien mit ungünstigen materiellen und wohnlichen Bedingungen und geringer kultureller Intergration überrepräsent bei kriminellem Verhalten
Reaktion auf unterprivilegierte Lebens- und ungünstige Sozialisationsbedingungen Sie können Werte der Gesellschaft nicht umsetzen keine sozial anerkannte Form der Leistungserbringung und Selbstbestätigung in Schule und Beruf Und keine hierauf aufbauende Entwicklung eines gesellschaftlich akzeptierten autonomen Lebensstils Randständige Position
Aggression und Gewalt in der Schule Vorsätzliche Angriffe Körperliche, psychische, sexuelle Übergriffe auf Schüler und Lehrer Demonstrativer Gebrauch von Gewalt, um einen bestimmten sozialen Status zu erlangen
Ansteigen des Ausmaßes von allen Formen der Gewalt in den letzten drei Jahrzehnten Besonders schwere körperliche Übergriffe (haptsächlich von Jungen) Psychische und verbale Aggressionen (Anteil der Mädchen oft gleich) Gewalt gegen Sachen ebenfalls deutlich gestiegen
Gewalt an Schulen in Deutschland 1993-2003
Raufunfälle 2003 nach Alter und Geschlecht
Raufunfälle 2003 nach Unfallort
Raufunfälle 2003 nach Art der Verletzung
Raufunfälle je 100 versicherte Schüler nach Schulart
Frakturen in Folge von Raufereien je 1000 versicherte Schüler
Umfrage an der Mooreger HS Wurde dir in der Schule schon einmal Gewalt angetan? Nein: 48% Ja: 52 % Gemobbt: 33% (aller Schüler) Beklaut: 1% “ Geschlagen: 24% “ Erpresst: 1% “
Bist du selbst in der Schule gewalttätig geworden? Nein: 48% Ja: 52% Gemobbt: 21% (aller Schüler) Geklaut: 1% “ Geschlagen: 27% “ Erpresst: < 1% “
Hast du in der Schule Gewalt beobachtet? Nein: 0% Ja: 100% Mobbing: 58% (aller Schüler) Diebstahl: 18% “ Schlägerei: 97% “ Erpressung: 12% “
Ursachen von schulischen Gewalthandlungen Häufigste Ursachen: Hohes Ausmaß von sozialer Regellosigkeit Leistungsversagen → schlechter Leistungsdurchschnitt → Wiederholen eines Jahrgangs → Zurückstufung in eine niedrigere Schule → Verfehlen des Schulabschlusszeugnisses
Scheitern an den schulischen Leistungsanforderungen Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls und den späteren sozialen und beruflichen Chancen
Ein starker Risikofaktor liegt im deutschen Schulsystem Stark ausgeprägte Sortier- und Auslesestrukturen Jedes Schuljahr... → 5 % Sitzenbleiber → 15 % Fast-Sitzenbleiber → 5 % Zurückgestufte → 8 % ohne Hauptschulabschluss
Häufige Ausgangsbedingung für Aggressionen in der Schule Schlechtes soziales Klima in der Schule
Umstände, die sich positiv auf Aggression von Jugendlichen auswirken Positives Betriebsklima im Kollegium Engagement für persönliche Belange Klares und strenges Einhalten von Konfliktlösungsregeln Gerechte Beurteilungsstandarts Direkte Partizipation der Schüler
Gewaltpräventionen in der Schule
Verhaltensorientierte Gewaltprävention: Leistungsförderung Individuelle Lernberichte, schriftliche Beurteilungsprofile Transparente und gerechte Leistungsbeurteilung Schule als „gerechte Gemeinschaft“ Soziales Kompetenztraining Rollenspiele, Gruppenübungen, Gruppenspiele
Förderung des sozialen Schulklimas Umgangsregeln Mitentscheidung Verhältnisorientierte Gewaltprävention: Förderung des sozialen Schulklimas Umgangsregeln Mitentscheidung Ausbau von Partizipationsmöglichkeiten Schule als gestaltbarer Raum Bildung sozialer Netzwerke Neuangebot von sozialen Beziehungen, „ausklinken“ aus der Clique
Gewaltprävention: Schülervertrag
Hauptschule „Ernst-Henning-Straße“/ HH Bergedorf Projekt „Prima Klima“ Gewinnt Wettbewerb der Alfred- Toepfer- Stiftung „Werterziehung an Hauptschulen“ ■ Vertrag enthält 7 wichtige Grundsätze
■ bei Nichteinhalten drohen Sanktionen ■Wichtig sind Belohnungen ■,,Peer-Education-Team“ sorgt für Einhaltung ■ bei Nichteinhalten drohen Sanktionen ■Wichtig sind Belohnungen Seitdem: Weniger Prügeleien und verbale Gewalt Mehr Akzeptanz untereinander Gute Stimmung überträgt sich auf Lehrer
Sind diese Verträge zukunftsfähig?
Schülergerichte
Leichte Kriminalität, wie Diebstahl, Sachbeschädigung und einfache Körperverletzung 14- bis 18-jährige Richter Vorherige Schulung Täter muss geständig sein und mit der Verhandlung vor dem Schülergericht einverstanden sein Staatsanwaltschaft sieht zunächst von einer Verfolgung der Täter ab Wird die Entscheidung vom Angeklagten akzeptiert, ist der Fall damit abgeschlossen
Fünf Jahre nach Einführung des Projekts in Die ersten Erfolge Fünf Jahre nach Einführung des Projekts in Aschaffenburg: Rückfallquote deutlich niedriger Von fast 60 Angeklagten nur drei Rückfälle Entspricht einer Quote von 5 % Ohne Verhandlung vor dem Schülergericht ist die Rückfallquote dreimal höher
Kritik an den Schülergerichten Niedrige Rückfallquote, weil die Täter geständig sind Verhandlungen freiwillig und Strafen werden einvernehmlich festgelegt Fragwürdig, ob es überhaupt einer Verhandlung bedurfte schriftliche Ermahnung hätte gereicht
Zustimmung zu Schülergerichten Bewusstmachen des Unrechts Verhandlung ist geeigneter als ein schriftliches Verfahren Seit Einführung der Gerichte größeres Interesse der Öffentlichkeit für Jugendkriminalität, insbesondere der Schulen
Quellen Hurrelmann, Klaus: Lebensphase Jugend. Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Forschung, Juventa Verlag: Weinheim und München 2004. Faulstich-Wieland, Hannelore; Mohr, Arno (Hrsg.): Individuum und Gesellschaft. Sozialisationstheorien und Sozialisationsforschung, R. Oldenburg Verlag: München 2000. Hamburger Abendblatt, Ausgabe 5.12.2006. http://www.das-parlament.de/2006/07/Inland/001.html. http://www.unfallkassen.de/files/510/Gewalt_an_Schulen.pdf.