Sabine Hilf / Claudia Lack / Lothar Profke

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 Präsentation transkript:

Kann man die Leistungen eines Schülers im Fach Mathematik objektiv messen? Sabine Hilf / Claudia Lack / Lothar Profke Institut für Didaktik der Mathematik Justus-Liebig-Universität Gießen Vortrag zum Einsehen und Herunterladen unter http://www.uni-giessen.de/math-didaktik/ Lack / Profke 17.02.2004

Lack / Profke 17.02.2004

Einleitung Lack / Profke 17.02.2004

Was für eine Frage: wenn nicht im Fach Mathematik, wo dann? Einleitung „Kann man die Leistungen eines Schülers im Fach Mathematik objektiv messen?“ Was für eine Frage: wenn nicht im Fach Mathematik, wo dann? Schüler, Eltern, Lehrer, ... zweifeln kaum daran: Leistung zeigt sich beim Lösen von Aufgaben. Dabei ist jeder Schritt richtig oder falsch und lässt sich eindeutig mit Punkten bewerten. Erreichte Gesamtpunktzahlen werden objektiv und leicht nachvollziehbar durch Notenspiegel in Zensuren transformiert. Verordnungen unterstützen diese Überzeugung: VOBGM, §§ 54 - 62 VOGO, §§ 13, 14, 41, 42 EPA, II Aufgabenbeispiele 1.1 VOESL, §§ 19 - 21 Lack / Profke 17.02.2004

Einleitung VOBGM = Verordnung zur Ausgestaltung der Bildungsgänge und Schulformen der Grundschule (Primarstufe) und der Mittelstufe (Sekundarstufe I) und der Abschlussprüfungen in der Mittelstufe. HKM Wiesbaden 20.03.2003 VOGO = Verordnung über die Bildungsgänge und die Abiturprüfung in der gymnasialen Oberstufe und dem beruflichen Gymnasium. HKM Wiesbaden 27.05.2003 EPA = Vereinbarung über Einheitliche Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung. KMK 01.06.1976 und 24.05.2002 VOESL = Verordnung über die Ersten Staatsprüfungen für die Lehrämter im Lande Hessen. HKM Wiesbaden 03.04.1995, ..., 14.09.2001 Lack / Profke 17.02.2004

(1) Gerechte Bewertung unterschiedlicher Anforderungen: Einleitung Was meint „objektiv“? Noten geben gültige und zuverlässige Auskunft über die zensierten Leistungen, damit über erworbene Qualifikationen (Kompetenzen). (1) Gerechte Bewertung unterschiedlicher Anforderungen: Rechenaufgabe mit 4 Punkten Sachaufgabe mit 6 Punkten Geometrieaufgabe mit 5 Punkten (2) Zensuren sind aussagekräftig: Mathematik: befriedigend (2) Dieselbe Leistung wird (verlässlich) immer gleich bewertet: heute, morgen, alle Tage unabhängig vom Prüfling von jedem Prüfer Alle Punkte sind und bleiben gleichwertig. Lack / Profke 17.02.2004

Leistungen gerecht bewerten Einleitung Gliederung Leistungen gerecht bewerten Vorher: Wie viele Punkte bekommt jede (Teil-) Aufgabe? Nachher: Wie viele Punkte gibt man einer Bearbeitung? Schließlich: Wie zensieren wir? Leistungen zuverlässig bewerten Bewerten in der Praxis Hilf, S.; Lack, C.: Praxisbeispiel zum Bewerten von und mit Zweitklässlern Lack / Profke 17.02.2004

Einschränkungen des Themas Zwecke von Lernerfolgskontrollen: Einleitung Einschränkungen des Themas Zwecke von Lernerfolgskontrollen: Hier: „Zeugnisfunktion“ Qualitätsnachweis für Absolventen (Karin Wolff 08/2003) Aber nicht: pädagogische Absichten und Funktionen Arten von Lernerfolgskontrollen: Hier: Prüfungssituationen Aber nicht: weitere Formen (mündliche) Mitarbeit Hausaufgaben Projekte Inhalte von Lernerfolgskontrollen nicht erörtert und berücksichtigt: Wissen, Fertigkeiten, Fähigkeiten, Arbeitstugenden, ... Lack / Profke 17.02.2004

Leistungen gerecht bewerten Lack / Profke 17.02.2004

Leistungen gerecht bewerten: Beispiele Klassenarbeit 3. Schuljahr: Grundanforderungen zum Thema Erweiterung des Zahlenraums bis 1000 (x) Schreibe Vorgänger und Nachfolger ___ 450 ___ ___ 999 ___ ___ 631 ___ ___ 699 ___ ___ 989 ___ für jede richtige Zeile je 1 Punkt (y) Nimm das Tausenderbuch zur Hilfe. Wie heißen die Zahlen? insgesamt 3 Punkte (z) Bilde mit den Zahlenkarten Zahlen. Findest du 4 Zahlen? je Zahl 1 Punkt 5 3 7 aus Radatz, H.; u.a.: Handbuch für den Mathematikunterricht 3. Schuljahr. Hannover: Schroedel 1999, S. 21 - 23 Lack / Profke 17.02.2004

Leistungen gerecht bewerten: Beispiele aus Krippner, W.: Mathematik differenziert unterrichten. Hannover: Schroedel 1992, S. 73 - 75 Klassenarbeit 5. Schuljahr: Grund- und erweiterte Anforderungen zum Thema Terme mit Klammern und Platzhaltern (xG) 24·(47+84:12) = (xE) 198 – 8·6 – [56 – (24:3)] = (375 – 280:7)·4 = [248 – (18+9·6)]:8 = je 1 Punkt 197 – [57 – 63:(21:7)]·4 = 65+7·8 – 72:(18:3) = insgesamt 6 Punkte 2 Punkte Schreibe zunächst einen Term und berechne ihn dann: (yG) Silke hat 85 DM. Sie kauft 3 CDs zu je 17 DM. Wie viel DM hat sie übrig? 2 Punkte (yE) Herr Scholz hat in einer Woche 39 Stunden gearbeitet. Außerdem hat er 5 Überstunden gemacht. Jede Überstunde wird mit 23 DM bezahlt. Vom gesamtem Wochenlohn werden 247 DM für Steuern und Versicherungen abgezogen. Wie viel bekommt Herr Scholz ausgezahlt? 4 Punkte Lack / Profke 17.02.2004

Leistungen gerecht bewerten: Probleme (1) Vorher: Wie viele Punkte sollen wir jeder (Teil-) Aufgabe zuordnen? (2) Nachher: Wie viele Punkte können wir für eine Bearbeitung geben? (3) Schließlich: Wie zensieren wir? Lack / Profke 17.02.2004

Leistungen gerecht bewerten: a priori Punkteverteilung Haben mathematische Leistungen Größeneigenschaft? so wie ein Körper Masse, Rauminhalt, ... besitzt Wir messen doch mit Punkten die Größen (die Werte) mathe-matischer Leistungen und rechnen mit diesen Punkten: Bei (z) eine Zahl zu legen, etwa , ist gleich viel wert wie, den Vorgänger und den Nachfolger von 631 zu nennen. Drei Teilaufgaben von (x) richtig zu haben, ist so gut wie eine vollständige Lösung von (y). Die Summe der Punkte zu (x), (y) und (z) beschreibt eine mathematische Leistung der Größe 12 Punkte. Dieselbe Größe repräsentieren wir durch ganz unterschiedliche mathematische Leistungen. Nennen wir diese Größenart mathematische Kompetenz. 5 3 7 Wir tun so, als wäre mathematische Kompetenz eine Größenart im mathematischen Sinn. Lack / Profke 17.02.2004

Leistungen gerecht bewerten: a priori Punkteverteilung Wie messen wir praktisch eine mathematische Leistung? Durch die Schwierigkeit von Aufgaben was bedeutet dabei schwierig? Mit Hilfe der Bearbeitungszeit von Aufgaben Durch die Anzahl der Lösungsschritte bei Aufgaben Anhand des Wissens, der Fertigkeiten, Fähigkeiten, ..., die man zum Bearbeiten von Aufgaben braucht. Mit einer Kombination der genannten Möglichkeiten Ist die Größe einer mathematischen Leistung immer wohldefiniert? Erfordert das Lösen von Päckchenaufgaben jeweils dieselbe Leistung wie das Lösen einzelner Aufgaben? Sind Wiederholungen einer Leistung so viel wert wie ihr erstmaliges Erbringen? Kann man etwas nicht: weshalb soll man dies mehrfach zeigen und dafür wiederholt Punktabzüge bekommen? Lack / Profke 17.02.2004

Leistungen gerecht bewerten: Punkte für Bearbeitungen Sind alle korrekten Bearbeitungen gleichwertig? „Grundsätzlich ist jede vollständige, richtige und der Aufgaben-stellung entsprechende Lösung mit voller Punktzahl zu bewer-ten, auch wenn der vom Schüler beschrittene Lösungsweg von dem im Bewertungsmaßstab vorgesehenen Weg abweicht.“ ([4] David, G., S. 9) Manchmal umständliche, aber immer erfolgreiche Standard-Lösung gleichwertig einer kurzen (kreativen) Einzelfall-Lösung? Vorteilhaft Rechnen oder nicht: 43 + 65 + 27, Gleichungen algorithmisch lösen oder mittels Raten x2 + x – 6 = 0, 4x2 – 6 = 0 Abzählfragen durch bloßes Zählen oder durch Überlegung beantworten Mit einem Spiegel aus OMA möglichst viele Wörter herstellen Lack / Profke 17.02.2004

Leistungen gerecht bewerten: Punkte für Bearbeitungen Wie viele Punkte für unvollständige und teilweise falsche Bearbeitungen? „Brunnenaufgabe“: Rohr 1 füllt das Bassin in 2 d, Rohr 2 in 3 d, Rohr 3 in 4 d, Rohr 4 in 6 h. Wie lange dauert die Füllung durch alle Rohre gemeinsam? Lösung: mittlere Füllzeit eines Rohrs = gemeinsame Füllzeit = mittlere Füllzeit : 4 Was könnte sich der Schüler Richtiges gedacht haben? Hat er dies tatsächlich getan oder nur zufällig Erinnertes ungeprüft niedergeschrieben? Weitere Beispiele: Kapitänsaufgaben einen Sinn beilegen wollen oder Zahlen irgendwie miteinander verrechnen Überzeugende, aber fehlerhafte Lösungen von Aufgaben Ohne Rückfragen beim Bearbeiter können wir nur raten. Lack / Profke 17.02.2004

Leistungen gerecht bewerten: Zensieren Gesamtpunktzahlen repräsentieren unterschiedliche mathematische Leistungsprofile. Gesamtpunktzahlen sagen nicht, welche Teilleistungen in ihnen stecken. Falscher Ansatz und richtige Rechnung oder richtiger Ansatz, aber fehlerhafte Rechnung Wenige Aufgaben vollständig oder viele Aufgaben nur teilweise bearbeitet (x) ganz richtig und (y), (z) gar nicht oder (x) gar nicht, (y) richtig und (z) zur Hälfte Aufgaben nur zu einem Gebiet oder Aufgaben zu mehreren Bereichen bearbeitet Sind verschiedene Leistungsprofile tatsächlich gleichwertig? Lack / Profke 17.02.2004

Leistungen gerecht bewerten: Zensieren Angemessenes Umrechnen von Gesamtpunktzahlen in Noten? „Es hat sich bewährt, die Note ausreichend zu erteilen, wenn ein Schüler etwa die Hälfte der Punkte erreicht hat. Der für sehr gut bis ausreichend vorgesehene Bereich sollte in annähernd gleich große Intervalle unterteilt werden.“ (aus [3] Winter, M., S. 40) Vergröberndes Messen von mathematischer Kompetenz durch Notenspiegel entsprechend der Auffassung, mathematische Leistung habe Größeneigenschaften. Bei anderen Höchstpunktzahlen proportional strecken Beim Mitteln von Einzelnoten zu Gesamtnoten unterstellen wir wieder, dass mathematische Kompetenz eine Größe ist. Lack / Profke 17.02.2004

Leistungen gerecht bewerten: Zensieren Schwierigkeiten: Vielleicht waren die Aufgaben zu leicht, zu schwer, zu umfangreich, ... ? Dann haben wir die zugehörigen mathematischen Leistungen falsch eingeschätzt und gemessen. Rechtfertigung des „Drittelerlasses“ Mindestens 2/3 der Schüler sollen die Note ausreichend und besser erhalten. Wie geht man mit Randfällen um? Zum gut fehlt noch ein Punkt. Vergabe von Zwischennoten hilft nicht weiter. Dieselbe Gesamtpunktzahl kann zu ganz verschiedenen Leistungsprofilen gehören. Lassen sich Noten inhaltlich rechtfertigen? Lack / Profke 17.02.2004

Leistungen gerecht bewerten: Zensieren Welches Leistungsprofil ist gut, befriedigend, ...? Vorschlag aus [5] Krippner, W., S. 76 ausreichend für das richtige Lösen aller Grundaufgaben. befriedigend für das zusätzliche Lösen einfacher Erweiterungsaufgaben. (sehr) gut für das Lösen aller Grundaufgaben und schwieriger Erweiterungsaufgaben. Ein solcher idealer Fall kommt nur selten vor. Meistens werden Aufgaben beiden Typs bearbeitet, aber nur teilweise vollständig und richtig. Wie geht man in solchen Fällen mit dem Vorschlag um? Welche Bedeutung hat eine Gesamtnote? Gesamtnote gut für Deutsch sehr gut gut Englisch sehr gut gut Mathematik ausreichend gut Vgl. hierzu die Regelungen in VOBGM §§ 55, 60 Lack / Profke 17.02.2004

Leistungen gerecht bewerten: Zusammenfassung Bedeutung der Praxis des Bewertens mathematischer Leistungen Wir behandeln mathematische Kompetenz wie mathematische Größenarten. Wir definieren durch die Zuordnung von und das Rechnen mit Punkten und Zensuren welche mathematischen Leistungen und Leistungsprofile zueinander gleichwertig sind und Vielfache voneinander. Solche Definitionen sind Setzungen, Vereinbarungen, vielleicht mehrheitlich beschlossen, auch wieder veränderbar sogar veränderlich (wie das Wetter, s.u.), also nicht objektiv. Vgl. das analoge Problem der Rechtssprechung. Lack / Profke 17.02.2004

Leistungen gerecht bewerten: Zusammenfassung Mathematische Kompetenz als Größe aufzufassen, setzt eine Abstraktion voraus: Punkte, Gesamtpunktzahlen, Einzelnoten und Gesamtnoten geben keine Auskunft mehr, für welche Leistungen und Leistungsprofile sie stehen. Mathematische Kompetenz ist nicht eindimensional. Lack / Profke 17.02.2004

Leistungen zuverlässig bewerten Lack / Profke 17.02.2004

Leistungen zuverlässig bewerten: Fehlerquellen Dieselbe mathematische Leistung sollte immer gleich bewertet werden ... auf der Grundlage eines anerkannten Leistungsmaßstabs. Fehlerquellen Unsere Erwartungen, wie Anforderungen zu bearbeiten sind. Was damit auf den ersten Blick übereinstimmt, betrachten wir etwas flüchtiger und oberflächlicher. Dagegen begutachten wir Abweichungen gründlicher und kritischer (oft negativ). „Vor“-Urteile über den Bearbeiter und seine Leistungsfähigkeit beeinflussen unsere Interpretation seiner Arbeit: Was könnte er gemeint haben? Flüchtigkeitsfehler oder echtes Nichtkönnen? Lücken im Gedankengang akzeptiert oder moniert? Lack / Profke 17.02.2004

Leistungen zuverlässig bewerten: Fehlerquellen Äußere Form einer Darstellung Gefälliges Layout, ordentliche Sprache, saubere Schrift, ... stimmen uns gnädiger. Schlampige Darstellungen erzeugen Widerwillen. Nachwirkungen An ordentlichen Bearbeitungen messen wir die nachfolgenden. Nach schlechten Bearbeitungen freuen wir uns über bessere. Ermüdungserscheinungen Allmähliches Abstumpfen gegen Lücken, Fehler, ... lässt uns besser bewerten. Wachsender Ärger über Fehler führt zu verschärfter Bewertung. Gefühl, sich anpassen zu müssen an Kollegen, an andere Schulen, ... an die Erwartungen von Schülern, Eltern, Gesellschaft, ... Lack / Profke 17.02.2004

Bewerten in der Praxis Lack / Profke 17.02.2004

Dieser Rat hilft dem Praktiker wenig. Bewerten in der Praxis „Zensieren wir so gut wie möglich, so diskret wie möglich und so selten wie möglich! Hüten wir uns davor, bei den Kindern die Illusion zu erzeugen, Noten seien gerecht. Noten sind immer Willkür. Für manche Kinder sind sie vernichtend.“ (Holt, J.: Wozu überhaupt Schule? Ravensburg: Ravensburger 1975, S. xxx) Dieser Rat hilft dem Praktiker wenig. Beurteilen, Zensieren müssen wir weiterhin damit andere die Leistungsfähigkeiten und Kompetenzen von Menschen miteinander vergleichen können. Beurteilungen sollten sowohl formal nachprüfbar als auch inhaltlich einsichtig sein. Bewertungsalgorithmen lassen sich zwar nachvollziehen, brauchen aber keinen Sinn zu machen und schließen Fehlurteile nicht aus. Lack / Profke 17.02.2004

Gesamt-Mindestnoten für jedes Fach Bewerten in der Praxis Auswege? Gesamt-Mindestnoten für jedes Fach Gut eine Teilleistung gut und alle anderen Teilleistungen mindestens gut Nicht gut wenn wenigstens eine Teilleistung schlechter als gut geben wohl das wieder, was wir von einem guten Handwerker erwarten. Ausführliche Qualifikationsprofile für alle Bereiche eines Faches Zeugnisse an Waldorfschulen Personalbeurteilungen in der Wirtschaft Vgl. Neue (?) Ansätze zum Bewerten von Leistungen Lack / Profke 17.02.2004

Neue (?) Ansätze zum Bewerten von Leistungen Bewerten in der Praxis Neue (?) Ansätze zum Bewerten von Leistungen [1] Beutel, S.-I.; u.a.: Ermittlung und Bewertung schulischer Leis-tungen. Expertisen zum Entwicklungs- und Forschungsstand. Hamburger Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung [2] Thillm: Einschätzungen zum Lernprozess - ein Projekt zur Schulentwicklung. Materialien Heft 40 [3] Winter, M.: „Leistungen“ im Fach Mathematik: Wie lassen sie sich feststellen und beurteilen? Konsequenzen einer veränder-ten Unterrichtskultur. Oldenburger VorDrucke 441 (2001), 28 - 47 Lack / Profke 17.02.2004

Bewerten in der Praxis: Tipps Verbessern der Bewertung mathematischer Leistungen Berücksichtige die Überlegungen zum gerechten und zuverlässigen Bewerten. Ergänze eine zusammenfassende Zensur durch ein Gutachten: Leistungsprofil, Qualifikationsprofil (falls möglich) Hinweise zum Verbessern von Qualifikationen Beurteilungsmaßstäbe offen legen, erörtern, eventuell ändern mit Kollegen absprechen „Konsiliarisches“ Beurteilen wenigstens bei unklaren Fällen Lack / Profke 17.02.2004

Bewerten in der Praxis: Tipps Bewerten in mehreren Schritten Formales Vorgehen mit Punkten und Notenspiegel liefert Rohdaten Beurteilungsmaßstab an seinen Folgen prüfen und eventuell abändern Endgültige Zensuren festlegen nach einer didaktischen Einschätzung der Prüfungsfragen: welche Leistungsprofile für eine bestimmte Zensur? einer pädagogischen Würdigung des einzelnen Betroffenen: welche Leistungen erbrachte der Kandidat bisher? Lack / Profke 17.02.2004

Bewerten in der Ausbildung von Lehrern Das Beurteilen von Schülerleistungen muss ein Thema in der Ausbildung von Lehrern sein. [4] David, G.; u.a.: Zur Ermittlung und Bewertung von Schüler-leistungen im Mathematikunterricht. Lehrmaterial zur Ausbildung von Diplomlehrern Mathematik. Jena/Potsdam 1984 Lack / Profke 17.02.2004

Literaturhinweise [5] Krippner, W.: Mathematik differenziert unterrichten. Hannover: Schroedel 1992 [6] Nestle, F.: WerWieWas.bildungsstandards.de. Beiträge zum MU 2003, S. 461-464 [7] Radatz, H.; u.a.: Handbuch für den Mathematikunterricht 2. Schuljahr. Hannover: Schroedel 1998 [8] Romagnano, L.: The Myth of Objectivity in Mathematics Assessment. Mathematics Teacher 94(2001), 31-37 [9] Schönwald, H. G.: Wie viele Punkte ist ein „falscher Beweis“ wert? mathe-journal 1/2000 Lack / Profke 17.02.2004