Handlungssteuerung und Prismenadaptation

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 Präsentation transkript:

Handlungssteuerung und Prismenadaptation Christian Kaernbach

Woher wissen wir, wo die Dinge sind, die wir sehen?

Wahrnehmung und Handlung Objekt Wahrnehmung Wahrnehmung als „Bild“ ؤ ت و ك ز ظ غ ن ه ى د ج Zeichentheorie Hermann von Helmholtz, 1879 Wahrnehmung Die Wahrnehmung dient dem Handeln James J. Gibson, 1979 Handlung Korrelationstheorien

Experimente mit Prismenbrillen Fresnelprismen Wahrnehmung Handlung www.prism-adaptation.de

Experimente mit Prismenbrillen ??? Handlung Wahrnehmung zentrale Repräsentation räumlichen Wissens ؤ ت و ك ز ظ غ ن ه ى د ج Handlung Wahrnehmung  Adaptation  Handlung Wahrnehmung ??? räumliches Wissen ist „verteilt“ Martin, T.A., et al. (1996). kein Transfer von Unterhandwürfen zu Oberhandwürfen Kitazawa et al. (1997): kein Transfer von schnellem zu langsamen Zeigebewegungen Verdacht: Die genaue Bewegungsausführung ist relevant.

Repräsentation räumlichen Wissens Augenmuskeln perceptual learning °  °  °  Kopfstellung Zentrale räumliche Repräsentation ?   Körperhaltung Stift: 45 cm vor mir, 5 cm rechts von der Mitte 40 cm unter der Nase   Propriozeption Greifbewegung   Propriozeption alternative Greifbewegung

Einfluß der Trajektorie Touch screen Horizontaler Balken als Kinnstütze dadurch pro Hand zwei Trajektorien 72 Teilnehmer, zufällig in vier Gruppen eingeteilt Zielposition zentral (Block 2&4) oder horizontal randomisiert (Block 1&3) Prismenbrille (Block 3) mit 16.7° horizontaler Verschiebung (Basis links) Block 1 „Eingewöhnung“ mit visuellem Feedback (Licht ist an), 20 Versuche (5 Wiederholungen  4 Trajektorien) Block 2 „Vortest“ ohne Feedback (Licht ist aus), 20 Versuche (54) Block 3 „Adaptation“ mit Prismenbrille, mit visuellem Feedback, 80 Versuche (801) nur eine Trajektorie wird geübt, 4 Gruppen Block 4 „Nachtest“ ohne Feedback, 20 Versuche (54)

Ergebnisse Passive Hand: Block 4 vs. Block 2 Block 4 minus Block 2 µ = 3 ± 1.8 mm µ = 1 ± 1.7 mm Dynamik Horizontalfehler [mm] µ = -46 ± 2.2 mm µ = -26 ± 2.3 mm Horizontalfehler [mm] PH Passive Hand ST Selbe Trajektorie AH Aktive Hand AT Andere Trajektorie

vertraute / unvertraute Bewegungen Ergebnisse Händigkeit über/unter vertraute / unvertraute Bewegungen non-pref Dynamik PH Passive Hand ST Selbe Trajektorie AH Aktive Hand AT Andere Trajektorie

ein erstes Fazit kein Transfer zur passiven Hand nur ca. 50% Transfer zur jeweils anderen Trajektorie der aktiven Hand passiver Zerfall der Adaptation ungewohnte Bewegungen werden leichter adaptiert Adaptation ist keine Rekalibrierung der visuellen Wahrnehmung sonst hätte man 100% Transfer auf passive Hand erwarten müssen und keine vollständige Rekalibrierung der Propriozeption sonst hätte man 100% Transfer auf andere Trajektorie der aktiven Hand erwarten müssen. Umlernen von Motor Skripts ? Einwand: gleiche Startposition, aber leicht verschiedene Endposition, Endposition der anderen Trajektorie wurde nicht adaptiert.

Abhängigkeit von der Startposition Kreisbewegungen einschieben Weitere Experimente Abhängigkeit von der Startposition Kreisbewegungen einschieben

mit/ohne Gewichtsarmband Weitere Experimente mit/ohne Gewichtsarmband Vertikale Generalisierung

Weitere Experimente Dynamik der Adaptation in Block 3 abwechselnd mit/ohne Feedback / Terminales Feedback

ein zweites Fazit Adaptation überträgt sich nicht auf die passive Hand, und nicht vollständig auf andere Trajektorien der aktiven Hand, auch bei gleichen Start- und Endpunkten. Adaptation von Zeigebewegungen geschieht vermutlich hauptsächlich durch Umlernen von Motor Skripts. Es gibt keine zentrale Repräsentation räumlichen Handlungswissens. Räumliches Handlungswissen ist verteilt. Knowing where is knowing how to. Aber was ist mit unserer phänomenalen Erfahrung? Diese scheint nicht notwendig für stimulusgetriebene Handlungen (Zeigen, Greifen) blindsight Patient fängt Ball Stratton (1897) fährt Fahrrad mit Umkehrbrille obwohl er die Welt noch auf dem Kopf stehen sieht. Wozu ist phänomenale Erfahrung dann gut? ein spätes Produkt der Evolution, das es uns ermöglicht, alternative Handlungsschemas durchzuspielen. Tolman, E.C. (1948). Cognitive maps in rats and men. Psychological Review, 55, 189-208.

Zwei Repräsentationen räumlichen Wissens: ein zweites Fazit Illusion: Räumliches Wissen ist bewußt, einheitlich, zentral, genau, und dient Greifhandlungen, genauso wie Planung Zwei Repräsentationen räumlichen Wissens: I II unbewußt bewußt verteilt einheitlich, zentral genau verzerrt stimulusgetriebene Planung Handlungen

Dissoziation von Handeln und Wahrnehmung Ebbinghaus-Illusion Müller-Lyer-Täuschung ... Wahrnehmung wird getäuscht Greifhandlung erfolgt präzise (Befunde nicht unstrittig)

Das sensomotorische Kontrollsystem ZNS motorischer Plan motorisches System Feedforward Controller Plankopie + – Sensorik Feedback Controller Fehlersignal

Feedforward Controller Interne Modelle ZNS „inverses Modell“ motorischer Plan Feedforward Controller motorisches System Efferenzkopie Vorwärtsmodell + – Feedback Controller Fehlersignal Sensorik (Reafferenz)

weitere Leseschwerpunkte Kapitel 6b-3: Neuronale Repräsentationen von Bewegung Kortex primärer motorischer Kortex, M1 (somatotopisch) Assoziationskortex Basalganglien Kleinhirn Kapitel 6c-3: Motorische Wahrnehmungstheorien u.a.: Biologische Bewegungen nicht lesen: Kapitel 6c-4, Gemeinsame Repräsentationen für Wahrnehmung und Handlung Kapitel 6c-5: Dissoziationen zwischen Wahrnehmung und Handlung hervorzuheben: Abschnitt 6c-5.4: Das Modell von Goodale und Millner

eine Anwendung (?): Prismenbrillen und Neglect Frassinetti et al. (2002). Long-lasting amelioration of visuospatial neglect by prism adaptation. Brain 125, 608-623 7 Patienten 2 Sitzungen pro Tag während zwei Wochen in einer Sitzung 90 Zeigeaufgaben mit 10° Prismenbrille, Basis links, „terminales Feedback“ Bestimmung der Neglect-Schwere mit BIT Testbatterie vor dem Training nach dem Training 5 Wochen nach dem Training

Feedback-Bedingungen volles Feedback Licht/Target bleibt an terminales Feedback Licht/Target geht aus, sobald der Taster verlassen wird, Licht/Target geht wieder an bei Bildschirmberührung postterminales Feedback Licht/Target geht aus, sobald der Taster verlassen wird, Licht/Target geht wieder an wenn Hand zurück auf Taster, + eine Treffermarkierung erscheint auf dem Bildschirm kein Feedback Licht/Target bleibt aus muß die denn korrekt sein?

fake feedback postterminales Feedback Licht/Target geht aus, sobald der Taster verlassen wird, Licht/Target geht wieder an wenn Hand zurück auf Taster, + eine Treffermarkierung erscheint auf Bildschirm + versetzt um 100, 200, 300 Pixel Pilotstudie (Empiriepraktikum Potsdam SS 2003) viele VPn merken, „daß da was nicht stimmt“ z. B. ca. 50% bei 100 Pixeln

informed fake feedback postterminales Feedback Licht/Target geht aus, sobald der Taster verlassen wird, Licht/Target geht wieder an wenn Hand zurück auf Taster, + eine Treffermarkierung erscheint auf Bildschirm + versetzt um 100, 200, 300 Pixel, VP ist informiert Empiriepraktikum Potsdam SS 2003: Prismenadaptation (16.7°  215 Pixel) informed fake feedback mit 100 Pixeln informed fake feedback mit 200 Pixeln informed fake feedback mit 300 Pixeln

informed fake feedback Prismenadaptation (16.7°  215 Pixel)

informed fake feedback informed fake feedback mit 100 Pixeln

informed fake feedback informed fake feedback mit 200 Pixeln

informed fake feedback informed fake feedback mit 300 Pixeln

informed fake feedback postterminales Feedback Licht/Target geht aus, sobald der Taster verlassen wird, Licht/Target geht wieder an wenn Hand zurück auf Taster, + eine Treffermarkierung erscheint auf Bildschirm + versetzt um 100, 200, 300 Pixel, VP ist informiert shooting gallery postterminales Feedback Licht/Target bleibt an, + eine Treffermarkierung erscheint auf Bildschirm + versetzt um 100, 200, 300 Pixel, VP ist informiert

shooting gallery postterminales Feedback Licht/Target bleibt an, + eine Treffermarkierung erscheint auf Bildschirm + versetzt um 100, 200, 300 Pixel, VP ist informiert

shooting gallery Neglect Patienten MP: Schwerer Fall JB: Leichter Fall star cancellation 50/52 before 52/54 after line bisection 8/9 before 9/9 after accuracy in tactile extinction: 50% before 80% after

shooting gallery: Ausblick Hypothese: Verbesserung eher durch kognitive Anteile der Adaptation Juli 2004: kontrollierte Studie, Leipzig. 6 Patienten mit Prismenbrille 6 Patienten mit shooting gallery (mit offset) 6 Patienten mit shooting gallery (ohne offset) Vergleich Prismenbrille mit vollem versus terminalem Feedback