Einführung in das Altitalienische (II)

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 Präsentation transkript:

Einführung in das Altitalienische (II) 2. Sitzung am 18.10.2010

Semesterplan

Die theoretischen Grundlagen der Periodisierung Die Periodisierung ist ein wichtiger Bestandteil geschichtswissenschaftlicher Betätigung. Der kontinuierliche Prozess der sprachlichen Entwicklung wird dabei in einzelne, zeitlich fassbare und begründbare Sprachstufen unterteilt, wobei jede Periodisierung ein künstliches Gebilde der Wissenschaft in Auseinandersetzung mit ihrem Untersuchungsgegenstand darstellt. Die theoretischen Grundlagen der Periodisierung

Die theoretischen Grundlagen der Periodisierung Periodisierungen können aufgrund unterschiedlicher Kriterien vorgenommen werden. Diese können sprachexterner oder -interner Natur sein. Die theoretischen Grundlagen der Periodisierung

Die theoretischen Grundlagen der Periodisierung Zur ersten Kategorie gehören gesamtgeschichtliche Epochen (Antike, Mittelalter, Neuzeit), kirchengeschichtliche Entwicklungen (Christianisierung, Scholastik, Reformation etc.), sozialgeschichtliche (höfische Kultur, Entfaltung des Bürgertums etc.) und kulturgeschichtliche (Beginn der schriftlichen Überlieferung, Auswirkungen des Buchdrucks, der elektronischen Massenmedien etc.) und bildungsgeschichtliche (schriftlicher Ausbau der Volkssprachen, Ausbreitung der Lese- und Schreibfähigkeit) Faktoren sowie literaturgeschichtliche Epochen. Die theoretischen Grundlagen der Periodisierung

Die theoretischen Grundlagen der Periodisierung Zur zweiten Kategorie zählen Entwicklungen im Bereich der Lautung, Grammatik und Lexik. Die theoretischen Grundlagen der Periodisierung

Die theoretischen Grundlagen der Periodisierung Die zeitliche Einteilung von Sprachgeschichte lässt sich weiter hierarchisch gliedern. Eine Epoche kann in Perioden unterteilt werden, diese wiederum in Etappen und Phasen. Die theoretischen Grundlagen der Periodisierung

Die theoretischen Grundlagen der Periodisierung Als weiteres wichtiges Kriterium sprachlicher Periodisierung kann z.B. die Verstehbarkeit älterer Texte herangezogen werden, wobei im Falle des Italienischen aufgrund seines konservativen Charakters eine besondere Situation besteht, die sich von der anderer europäischer Sprachen grundsätzlich unterscheidet. Die theoretischen Grundlagen der Periodisierung

Die theoretischen Grundlagen der Periodisierung Auch heute kann man toskanische Texte früherer Epochen ohne Mediävistikstudium verstehen. Die Grundlage zahlreicher germanistischer, anglistischer und romanistischer Periodisierungsmodelle ist der Lautwandel. Doch auch dieses Kriterium greift beim Italienischen nicht, da im Gegensatz zum Deutschen, Englischen oder Französischen seit dem Mittelalter keine nennenswerten Lautveränderungen mehr stattgefunden haben. Die theoretischen Grundlagen der Periodisierung

Die theoretischen Grundlagen der Periodisierung Eine andere Möglichkeit der sprachlichen Periodisierung besteht darin, eine Kombination allgemein historischer, sprachsoziologischer oder auch literaturhistorischer Kriterien heranzuziehen. Dieser Ansatz scheint im Falle des Italienischen am fruchtbarsten zu sein. Die theoretischen Grundlagen der Periodisierung

Periodisierungsmodelle Giuseppe Baretti History of the Italian Tongue (1757) Erste knappe Sprach- geschichte des Italienischen auf literarischer Basis

Periodisierungsmodelle Giuseppe Baretti, History of the Italian Tongue (1757) Die erste Phase ist durch mündliche Kommunikation und das völlige Fehlen schriftlicher Überlieferung in der Volkssprache geprägt. In der zweiten Phase werden in Italien neben dem Lateinischen das Provenzalische und Sizilianische verwendet. In der dritten Phase fehlt zwar noch eine gesamtitalienische Standardsprache, jedoch ist bereits eine zunehmende Erstarkung des Florentinischen zu beobachten. Die vierte Phase (buon secolo) fällt mit dem Wirken von großen Dichtern wie Petrarca zusammen. Die fünfte Phase (cattivo secolo) ist geprägt durch den Barockdichter Giambattista Marino. Als sechste Phase können wir Barettis eigene Zeit interpretieren, die literaturästhetisch weder als gut noch als schlecht eingestuft wird. Die siebte Phase befasst sich mit der Zukunft des Italienischen, dem nach Meinung des Verfassers Gefahr durch den zunehmenden Einfluss des Französischen und Deutschen drohte. Periodisierungsmodelle The Italian library containing an account of the lives and works of the most valuable authors of Italy, with a preface, exhibiting the changes of the tuscan language, from the barbarous ages to the present time

Periodisierungsmodelle Ugo Foscolo Epoche della lingua italiana (1825)

Periodisierungsmodelle Die erste Epoche reicht von 1180 bis 1230. Sie ist geprägt durch das Fehlen einer eigenständigen italienischen Literatur. Gedichtet wird auf Latein und Provenzalisch (z.B. durch Sordello da Goito). In der zweiten Epoche (1230-1280) tritt mit der Scuola siciliana zum ersten Mal eine italienische Literatur in Erscheinung. In der dritten Epoche (1280-1330) wirken die Dichter des dolce stil nuovo (Guido Cavalcanti, Cino da Pistoia etc.) sowie Dante mit seiner Divina Commedia. Die vierte Epoche (1350 bis 1400) wird bestimmt durch das literarische Wirken Giovanni Boccaccios und Francesco Petrarcas. Als positiv hervorgehoben wird der Ausbau des Florentiner Dialektes zur angesehenen Literatursprache (insbesondere durch Boccaccios Decameron), als negativ hingegen das Engagement des späten Petrarca für das Lateinische. Das Hauptmerkmal der fünften Epoche (1400-1500) ist der rasche Verfall der Literatursprache nach dem Tode Boccaccios, der erst zur Zeit von Lorenzo de’ Medici zum Stillstand kommt. Die sechste Epoche (1500-1600) wird bestimmt vom wiedererwachten Interesse an der Literatur der großen Trecentisten und den Protagonisten der Questione della lingua (insbesondere Pietro Bembo ). Periodisierungsmodelle Sprach-geschichte auf literatur- wissen-schaftlicher Basis

Die Etappen der italienischen Sprachgeschichte Blasco Ferrer (1994, 1999) stützt sich auf das Periodisierungsmodell der Accademia della Crusca, das eine Einteilung in insgesamt fünf Etappen vorsieht. Die Etappen der italienischen Sprachgeschichte

Die Etappen der italienischen Sprachgeschichte Altitaloromanisch (9. – 10. Jh.): Vorhandensein von italoromanischen Texten aus verschiedenen Regionen Altitalienisch (1275-1375): Vermehrung der alttoskanischen Dokumentation und die Entstehung bedeutender literarischer Werke (bis zum Tode Boccaccios). Altitalienisch / Neuitalienisch (1375-1525): Aufnahme diatopisch und diastratisch markierter Innovationen ins Florentinische. Neuitalienisch (1525-1840): Von der Kodifikation des Trecento-Florentinischen durch Bembo bis zur Überarbeitung der Promessi sposi auf neuflorentinischer Grundlage durch Manzoni. Italiano del Duemila: noch nicht abgeschlossen.

Die Etappen der italienischen Sprachgeschichte Italiano predocumentario (bis ca. 800). Die italoromanische(n) Volkssprache(n) existierte(n) bereits vor der ersten Manifestation schriftlicher Dokumente. Italiano delle Origini (ca. 800 bis ca. 12./13. Jahrhundert). Die italoromanischen Dialekte sind in Texten dokumentiert und bildeten bis zum Spätmittelalter eine eigene literarische Tradition heraus, wobei die Toskana im Laufe der Zeit eine Führungsrolle einnahm. Italiano antico (ca. 12./13. Jahrhundert bis ca. 1525). Das Altitalienische endet mit Bembos sprachprogammatischer Grammatik Prose della volgar lingua. Italiano moderno (ca. 1525 bis ca. 1840). Das Gegenwartsitalienische beginnt mit Manzonis Romanüberarbeitung.  Italiano contemporaneo e futuro (ca. 1840 bis 2000).

Die Etappen der italienischen Sprachgeschichte Haase (2007, 52-54) beschränkt sich auf drei Etappen:   Dialektale Periode (= Altitalienisch): von den Anfängen bis ca. 1500 mit verschiedenen dialektalen Schreibtraditionen (scriptae). Koiné-Periode (= Neuitalienisch): von 1500 bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit einer großen Distanz zwischen gesprochener und geschriebener Sprache. Standard-Periode (= modernes Italienisch): seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit der Entwicklung einer modernen Standardsprache durch die Einführung der Schul- und Wehrpflicht, durch die Medien etc. Zusätzlich hat sich seit dem frühen 20. Jahrhundert eine sozial und regional stark differenzierte Umgangssprache herausgebildet.

Vom Lateinischen zum Italoromanischen Etappen der Sprachgeschichte

Sprachhistorisches Denken im ausgehenden Mittelalter Dante Alighieri

Sprachhistorisches Denken im ausgehenden Mittelalter: Dante Informationen zu Dante Geb. 1265 in Florenz Gest. 1321 in Ravenna Dichter, Philosoph, Politiker Wichtige Werke Vita nuova Convivio Divina Commedia De vulgari eloquentia De Monarchia

Sprachhistorisches Denken im ausgehenden Mittelalter: Dante Sprachhistorisches Gedankengut in De vulgari eloquentia im Überblick Latein ist unveränderlich (Latein wird als Kunstsprache betrachtet, die sich natürlichen Veränderungen entzieht) Alle (natürlichen) Volkssprachen verändern sich in Zeit und Raum Hebräisch ist die Ursprache aller Menschen Turmbau zu Babel (Verwirrung) Entstehung verschiedener Sprachfamilien mit zunehmender Diversifizierung (…)

Sprachhistorisches Denken im ausgehenden Mittelalter: Dante Die Unbständigkeit des Menschen hat eine Unbeständigkeit der Sprache zur Folge „ Non etenim admiramur si extimationes hominum qui parum distant a brutis, putant eandem civitatem sub inmutabili semper civicasse sermone, cum sermonis variatio civitatis eiusdem non sine longissima temporum successione paulatim contingat et hominum vita sit etiam ipsa sua natura brevissima.“ De vulgari eloquentia Liber I Capitulum ix

Sprachhistorisches Denken im ausgehenden Mittelalter: Dante Gemeinsamer Ursprung der romanischen Sprachen, der allerdings nicht mit dem Lateinischen identifiziert wird „…tertium tenuit ydioma, licet nunc tripharium videatur; nam alii oc, alii oïl , alii sì affirmando locuntur; ut puta Yspani, Franci et Latini. Signum autem quod ab uno eodemque ydiomate istarum trium gentium progrediantur vulgaria, in promptu est, quia multa per eadem vocabula nominare videntur, ut Deum, celum, amorem, mare, terram, est, vivit, moritur, amat, alia fere omnia.“ De vulgari eloquentia Liber I Capitulum viii

Sprachhistorisches Denken im ausgehenden Mittelalter: Dante Latein = gramatica [sic] unveränderlich (inalterabilis) in Zeit und Raum „Hinc moti sunt inventores gramatice facultatis; que quidem gramatica nichil aliud est quam quedam inalterabilis locutionis idemptitas diversis temporibus atque locis. “ (De vulgari eloquentia Liber I Capitulum ix)

Sprachhistorisches Denken im ausgehenden Mittelalter: Dante “…perché lo latino è perpetuo e non corruttibile, e lo volgare è non stabile e corruttibile.” Convivio Trattato I Capitolo v

Die Entstehung der romanischen Sprachen nach Dante

Sprachhistorisches Denken im ausgehenden Mittelalter: Dante Variationslinguistik ante litteram Sprache verändert sich in Zeit und Raum Die von den Menschen verwendete Sprache ist raschen Veränderungen unterworfen (in Abhängigkeit von der menschlichen Unbeständigkeit) Als unveränderliche Sprache wurde daher das Lateinische (= Grammatik) erschaffen

Sprachhistorisches Denken im ausgehenden Mittelalter: Dante Komparatistik ante litteram Sprachvergleich Die Ähnlichkeit der romanischen Sprachen (lingua oc, lingua oil, lingua si) lässt darauf schließen, dass sie einen gemeinsamen Ursprung haben

Vom Lateinischen zum Italoromanischen Auch das von Dante als unveränderlich wahrgenommene Lateinische war einem starken Wandel unterworfen. Die kodifizierte lateinische Schriftsprache war nur eine Zwischenstation des kontinuierlichen Sprachwandels ebenso wie heute das Italienische (wie alle übrigen romanischen Sprachen). So lässt sich auch das Italienische bis zu den ältesten erhaltenen schriftlichen Zeugnissen der archaischen Latinität zurückverfolgen. Ebenso bescheiden und fragmentarisch wie die ersten dokumentierten Zeugnisse des Lateinischen sind auch die ältesten überlieferten Texte des Italoromanischen des frühen Mittelalters.

Vom Lateinischen zum Italoromanischen

Vom Lateinischen zum Italoromanischen Das archaische Latein Der offiziell älteste lateinische Text befindet sich auf einer Kleiderspange, die nach ihrem Fundort (lat. Praenestae – it. Palestrina) den Namen Fibula Praenestina (= it. fibbia di Palestrina) trägt. Sie ist ebenfalls unter dem Namen Manios-Spange bekannt. Die Inschrift, deren Echtheit von Gelehrten allerdings immer wieder angezweifelt wird, muss von rechts nach links gelesen werden.

Vom Lateinischen zum Italoromanischen

Vom Lateinischen zum Italoromanischen In normaler Links-rechts-Richtung liest sich der archaische Text: MANIOS MED FHE FHAKED NUMASIOI. In klassischer lateinischer Übersetzung lautet die Inschrift MANIUS ME FECIT NUMERIO. Im Italienischen kann der Text mit Manio mi fece per Numerio wiedergegeben werden.

Vom Lateinischen zum Italoromanischen Zu den sprachlichen Besonderheiten der Inschrift gehört u.a. die Nominativendung -OS (statt späterem, d.h. klassischen -US) sowie die Aspiration der anlautenden Konsonanten (FH- statt F-), das auslautende -D beim Pronomen MED (> klat. ME ) sowie die Reduplikation des Perfekt. Zwei Elemente der altlateinischen Inschrift finden ihre Fortsetzung im Italienischen, wobei das klassische Latein, wie bereits erwähnt lediglich eine strukturelle Zwischenstufe darstellt:

Vom Lateinischen zum Italoromanischen

Vom Lateinischen zum Italoromanischen Aus dem 6. vorchristlichen Jahrhundert stammt die Duenos-Inschrift auf einem Drillingsgefäß (it. il vaso di Dueno), das 1880 auf dem Quirinal in Rom ausgegraben worden war. Der Text ist bislang noch nicht eindeutig erschlossen worden. Die erste Inschrift beginnt wie folgt: 

Vom Lateinischen zum Italoromanischen IOVESATDEIVOSQOIMEDMITATNEITEDENDOCOSMISVIRCOSIED […]. Es bietet sich folgende Aufschlüsselung an: iouesāt deiuōs qoi mēd mitāt, nei tēd endō cosmis vircō siēd […]. Ins klassische Latein lässt sich der Text wie folgt übersetzen: iurat deos, qui me donat, ni in te comis virgo sit […] In moderner italienischer Übersetzung lautet die Inschrift: Colui che mi invia scongiura gli dei che le fanciulle non ti concedano favori […].

Vom Lateinischen zum Italoromanischen

Vom Lateinischen zum Italoromanischen Der aus dem 6. vorchristlichen Jahrhundert stammende Lapis niger wurde im Jahre 1899 von dem Archäologen Giacomo Boni bei Ausgrabungsarbeiten auf dem Forum Romanum entdeckt. Der Anfang der religiösen Inschrift lautet: QUOI HON… SAKROS ESED… REGEI KALATOREM… IOUXMENTA KAPIA… IOUESTOD 

Vom Lateinischen zum Italoromanischen In klassischer Übersetzung liest sich der Text etwa so: QUI HUNC… SACER SIT… REGI CALATOREM… IUMENTA CAPIAT… IUSTO   In italienischer Sprache könnte die Inschrift folgendermaßen interpretiert werden: Chi violerà [questo luogo] sia maledetto… al re l’araldo…prenda il bestiame… giusto