Definition: Beobachtung

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Definition: Beobachtung „Beobachtung im engeren Sinne nennen wir das Sammeln von Erfahrungen in einem nicht kommunikativen Prozess mit Hilfe sämtlicher Wahrnehmungsmöglichkeiten. Im Vergleich zur Alltagsbeobachtung ist wissenschaftliche Beobachtung stärker zielgerichtet und methodisch kontrolliert. Sie zeichnet sich durch Verwendung von Instrumenten aus, die die Selbstreflektiertheit, Systematik und Kontrolliertheit der Beobachtung gewährleisten und Grenzen unseres Wahr-nehmungsvermögens auszudehnen helfen.“ Quelle: Laatz (1993), S. 169.

Gegenstand der Beobachtung in Abgrenzung zur Befragung: Während sich die Befragung in erster Linie auf die Ermittlung von Einstellungen, Meinungen, Gefühlen, Vorstellungen und Verhaltenserwartungen konzentriert, kann sie nur sehr bedingt zur Feststellung von Verhaltensweisen eingesetzt werden. In all jenen Fällen, in denen es darauf ankommt, soziales Verhalten zu ermitteln, wird sich daher die Methode der Beobachtung anbieten. Die Beobachtung erlaubt es, soziales Verhalten zu dem Zeitpunkt festzuhalten, zu dem dieses tatsächlich geschieht, der Einsatz der Beobachtung also unabhängig ist von der Bereitschaft oder Fähigkeit der Probanden zu antworten.

Beispiel: Diskrepanzen zwischen Befragung und Beobachtung 99% Ich benutze immer den Zebrastreifen 88% überqueren die Straße nicht neben, sondern auf dem Fußgängerstreifen 88% Ich warte stets, bis kein Fahrzeug mehr da ist 78% warten tatsächlich Durchfahrt der Fahrzeuge ab 72% Ich gebe dem Fahrzeug-lenker immer ein Zeichen 10% geben tatsächlich dem Fahrzeuglenker ein Zeichen 98% Ich bedanke mich stets, wenn mich ein Fahrzeuglenken über die Straße lässt 18% bedanken sich tatsächlich beim Kraftfahrer

Vorzüge der Beobachtung Die Beobachtung ermöglicht es, ein soziales Verhalten zum Zeitpunkt des Geschehens festzuhalten. Die Beobachtung ist von der verbalen Fähigkeit und Bereitwilligkeit, Fragen zu beantworten, unabhängig. Die Beobachtung vermeidet Diskrepanz zwischen wirklichem und berichtetem Verhalten. Die Beobachtung erlaubt Dinge festzustellen, die nur von Außenstehenden gesehen werden.

These: „Ein Beobachter scheint hauptsächlich diejenigen Ereignisse bevorzugt aufzunehmen, die er am ehesten in sein persönliches Präferenzsystem einordnen kann (...); bei gegenteiligen Ereignissen findet in der Regel demgegenüber eine Wahrnehmungsabwehr statt.“ Kretschmer: Stary: a.a.O., S. 29

Nachteile der Beobachtung Beobachtungen müssen mit Hypothesen über die Bedeutung und den Sinn des Beobachteten verbunden werden. Informationsselektion (Begrenzung von Raum und Zeit) Grenzen der Feldzugänglichkeit (z.B. Privatsphäre) Grenzen der Beobachter Unzulänglichkeit der Beobachter (selektive Wahr-nehmung; Fehlinterpretation)

Beobachtungsfehler Problem der Verzerrung durch selektive Wahrnehmung - Erst-Eindruck - Voreinstellungen – Vorurteile - Halo-Effekt (Überstrahlungseffekt)  Das Versäumnis des Forschers, konzeptuell unterschiedliche und potentiell unabhängige Merkmale im Urteil zu differenzieren. Fehlattributionen (Beobachter neigen dazu, eigen Persönlichkeitsmerkmale bzw. deren Gegenteile den beobachteten Personen zuzuschreiben) Übersehen von Selbstverständlichkeiten oder Dingen, an die man sich gewöhnt hat. Problem der (Fehl-)Interpretation des beobachteten sozialen Geschehens.

Beobachtungsformen Differenzierungs- dimensionen Bandbreite der Beobachtungsformen 1. Wissenschaftlichkeit naiv systematisch 2. Strukturierung unstrukturiert strukturiert 3. Transparenz offen verdeckt 4. Beobachterrolle teilnehmend nicht teilnehmend 5. Partizipationsgrad aktiv teilnehmend passiv teilnehmend 6. Natürlichkeit der Situation Feld Labor

Klassifikation der Beobachtungsformen nach Lamnek Naive Beobachtung Theoretischer Bezugsrahmen Systematische Beobachtung strukturierte Beobachtung unstrukturierte Beobachtung Beobachtung mit hohem Partizipations-grad Beobachtung mit geringem Partizipations-grad Beobachtung mit hohem Partizipations-grad Beobachtung mit geringem Partizipations-grad offen verdeckt offen verdeckt offen verdeckt offen verdeckt Erfassung zum Zweck der Quantifizierung Erfassung vornehmlich qualitativer Merkmale

Erläuterungen: Zu 1. Die wissenschaftliche Beobachtung unterscheidet sich von der alltäglich-naiven vor allem dadurch, dass sie systematisch geplant, aufgezeichnet und analysiert wird und einer Prüfung auf Zuverlässigkeit und Gültigkeit zugeführt werden kann. Zu 2. Die strukturierte oder standardisierte Beobachtung arbeitet mit einem vorab festgelegten theoretischen Beobachtungsschema und fixierten Beobachtungskategorien, die als Raster auf das zu beobachtende Verhalten angelegt werden. Die unstrukturierte Beobachtung ist hingegen offen für die Verhältnisse und deren Entwicklungen im sozialen Feld. Zu 3. Bei der offenen Beobachtung ist den Beobachteten die Tatsache des Beobachtens bekannt (wobei der eigentliche Forschungszweck nicht notwendigerweise mitgeteilt worden ist), während bei der verdeckten Beobachtung der Beobachter seine Identität als Forscher nicht zu erkennen gibt.

Erläuterungen: Zu 4. Bei der teilnehmenden Beobachtung begibt sich der Forscher in das soziale Feld, wird Teil desselben und beobachtet aus dieser Rolle heraus. Bei der nicht teilnehmenden Beobachtung wird das Feld quasi von außen durch den Forscher als Forscher beobachtet. Kombination von 3. und 4. „Teilnehmend – offen: Eine Betriebspsychologin beteiligt sich zur Erkundung von Gruppenproblemen offen an Mitarbeitergesprächen. Teilnehmend – verdeckt: Ein Beamter des Verfassungsschutzes beobachtet unerkannt als Teilnehmer einer Demonstration das Verhalten der Demonstranten. Nicht-teilnehmend – offen: Ein Fußballtrainer beobachtet am Rande des Fußballplatzes die Einsatzbereitschaft der Spieler. Nicht-teilnehmend – verdeckt: Ein Entwicklungspsychologe beobachtet hinter einer Einwegscheibe eine Auseinandersetzung zwischen zwei Kindern.“ (Bortz / Döring: a.a.O., S. 245) Zu 5. Der Partizipationsgrad der Teilnahme im beobachteten sozialen Feld kann von aktiver bis zu passiver Teilnahme variieren. Zu 6. Die Feldbeobachtung erfolgt in natürlichen Alltagssituationen der Beobachteten, während die Labor-beobachtung in einem künstlichen geschaffenen Umfeld vorgenommen wird.

Formen der Beobachtung Standardisierte Beobachtung Halbstandardisierte Beobachtung Freie Beobachtung

Modellierungsregeln einer standardisierten/strukturierten Beobachtung Selektion - Auswahl bestimmter Beobachtungsgegenstände Abstraktion - Reduzierung des Ereignisses auf seine wesentliche Bedeutung Klassifikation / Systematisierung - Vorgang der Zuordnung von Zeichen und Symbolen zu best. Merkmalsklassen innerhalb eines systematischen Gesamtprotokolls Relativierung -Überlegungen, die sich auf den Aussagegehalt der Beobachtung beziehen

Beobachtungsplan schreibt vor,  was (von wem) zu beobachten ist,  was für die Beobachtung unwesentlich ist,  wann und wo die Beobachtung stattfindet,  ob bzw. in welcher Weise das Beobachtete gedeutet werden darf und  wie das Beobachtete zu protokollieren ist.  Es sind Regeln aufzustellen, die den Beobachtungs-prozess eindeutig festlegen, so dass die Beobachtung theoretisch nachvollzogen werden kann!

Vorteile – Standardisierte Beobachtung Gefahr der selektiven Wahrnehmung reduziert Beobachtungsprotokoll legt vorab die relevanten Geschehensmerkmale fest Trennung von Beobachter und Wissenschaftler möglich (Erhöhung der Objektivität) Beobachtungen werden wiederholbar und vergleichbar

Nachteile – Standardisierte Beobachtung Umfangreiches Vorwissen für die Erstellung eines Beobachtungsplans und -protokolls ist notwendig Flexibilität wird reduziert durch Vorgaben nur (Multi-)Momentaufnahmen werden betrachtet  kein „Aufnahme“ vom Fluss des Geschehens

Ziele und Merkmale der qualitativen Beobachtung Beobachtungen im natürlichen Lebensumfeld (vermeiden künstlicher Laborbedingungen oder Störungen des Alltags- lebens), Aktive Teilnahme des Beobachters am Geschehen (Aufhebung der Subjekt-Objekt-Trennung), Offenheit für neue Einsichten und Beobachtungen (keine Fixierung auf ein festgelegtes Beobachtungsschema) Beobachtungsinhalte sind äußeres Verhalten, aber auch latente Motivations- und Bedeutungsstrukturen, die indirekt erschlossen bzw. rekonstruiert werden. Vgl. Bortz/Döring: a.a.O., S. 297.

Vorteile – nicht standardisierte Beobachtung bei der Exploration eines neuen Feldes bei der Erforschung relativ komplexer Felder Nachteile – nicht standardisierte Beobachtung geringe Quantifizierbarkeit geringere Kontrollierbarkeit der Qualität der erhobenen Daten