Prof. Dr. Thomas Blanke Institut für Rechtswissenschaften Fakultät II

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Beschäftigungsförderung zwischen Lokalisierung und Zentralisierung.
Advertisements

Europäische Wege und Instumente bei Umstrukturierungen im Konzern
Staatliche Aktivitäten in der Schweiz - Überblick -
Workshop Vorstellung / Übersicht
Europäisches Unternehmensrecht
Präsentation zum Europäischen Parlament
Europäische Aktiengesellschaft
politischen System der EU
Rechtliche Aspekte von Unternehmensübergaben
Ulrich Freese, stellv. VorsitzenderG/GKV/GKV-Reform/Folien/GKV-WSG – Bezirk Leipzig Fassung-2.ppt 1 Ulrich Freese Stellv. Vorsitzender der IG.
Europäische Aktiengesellschaft (SE)
Betriebliche Bündnisse für Arbeit (BBfA)
Mitbestimmung in Deutschland – mit europäischer Perspektive oder Auslaufmodell? Überlegungen im Kontext des europäischen Wirtschafts- und Sozialmodells.
Gewerkschaftliche Organisation
Die Politische Ökonomie der Europäischen Union
Solidarische Alterssicherung Einführung in das Rentenmodell
Vorlesung: Einführung in die Sozialstrukturanalyse
Betriebliche Weiterbildung – aber wie?
Europäische Gesellschaft (SE), Fusion und Sitzverlagerung von Unternehmen in der EU Aktuelle Informationen des Referats Mitbestimmung und Aufsichtsräte.
WORKSHOP Arbeitsrecht Humboldt-Universität Berlin 7. Mai 2010 Dr. Alexander Wolff Baker & McKenzie Berlin.
EIN EUROPÄISCHER BETRIEBSRAT WOZU DIENT DAS ?
Der einfache und der erweiterte Wirtschaftskreislauf
Pflegekammer -Selbstverwaltung der Pflege
Rechtliche Anforderungen an unternehmerische Hochschultätigkeit Dr
Unabhängigkeit nach angelsächsischen Corporate Governance Regeln und deutsche Unternehmensverfassung Vortrag im Rahmen der Reihe „Governance und Recht“
Internationale Fachkonferenz der EVA vom Der Blick über die Grenzen - Schieneninfrastruktur-Investitionen in Deutschland und ausgewählten.
Perspektiven für eine Europäische Stiftung
1 Flexicurity Eine Perspektive für flexible Arbeitsmärkte und soziale Sicherheit?
Akteursanalyse im umweltpolitischen Kontext Dr
Sozialpolitik.
Tagung des Hattinger Kreises am Juni 2008
Der Wert des Alters im demographischen Wandel
Europäische Erfahrungen zur Gewerkschaftsintegration “
Regierungsprogramm. 10 Themen für den Info-Stand Projektgruppe Regierungsprogramm.
Die EU-Dienstleistungsrichtlinie
Übersicht: Arbeit & Wirtschaft
The Crisis of Democracy
Financial Expert und Corporate Governance
26. Passauer Arbeitsrechtssymposion „Vielfalt in der Einheit“
Quo Vadis Ruhr Universität Bochum am 06. November 2013
Laura Antonelli Müdespacher,
Arbeitnehmermitbestimmung in der Europäischen Aktiengesellschaft
Räumliche Orientierung Lehrveranstaltungsraum:
1 Luc Triangle, Vorsitzender der kleinen Arbeitsgruppe des EMB- Ausschusses für Unternehmenspolitik EMB-Handbuch über die UMSTRUKTURIERUNG TRANSNATIONALER.
Anja Brun 23. November 2006 Arbeit in der Informationsgesellschaft Einige Überlegungen aus einer (fast schon) ungewohnten Perspektive Text von Andrea Baukrowitz.
„Europäische Betriebsräte“ – behindern oder ermöglichen sie die europäische Kapitalmobilität Volkswirtschaftliches Seminar Europäische Wirtschaftpolitik.
Parität in der 2. Säule Zwischen Ideal & Real BVG-Apéro vom im Käfigturm Bern Innovation Zweite Säule.
Societas Europaea Employee involvement Implication des travailleurs
Von umfassender zu nachhaltiger Sicherheit?
Wirtschaftsperspektiven: Finanzkrise / Wirtschaftskrise: Wie sieht es wirklich für die Kärntner Wirtschaft aus? Ao.Univ.-Prof. MMag. Dr. Gottfried Haber.
Kollektives und Individuelles Überlegungen zur betrieblichen Sozialpartner_innenschaft und Betriebsdemokratie Martin Risak Institut für Arbeits- und Sozialrecht.
Grundsätze der Mitbestimmung Betriebliche Mitbestimmung
KASKO GMBH 10. Fall EBWL. Erläutern Sie die rechtlichen und tatsächlichen Chancen der Arbeitnehmer der Kasko GmbH, ihre Interessen durch die Mitbestimmung.
Bildung eines Europäischen Betriebsrates
Der Wohlfahrtsstaat im Zeitalter der permanenten Austerität Festvortrag an den Bremer Universitäts- Gesprächen Prof. Dr. Klaus Armingeon Institut für Politikwissenschaft.
§ 10 VO 1/2003 als Grundlage des EU-Kartellverfahrensrechts 2. Teil: Europäisches Kartellrecht C Kartellverfahrensrecht I. Die VO 1/2003 als neues Kartellverfahrensrecht.
Der Policy-Prozess in der EU
Welche Bedeutung hat der Konzern im Arbeitsrecht? Stellen Sie Ihre Erwägungen anhand des BetrVG und des KSchG dar.
Voraussetzungen des MBR nach § 111 ff.
Arbeitsrecht in Sanierung und Insolvenz
Auswirkungen von TTIP und CETA auf den Rechtsrahmen für öffentliche Dienstleistungen in Europa Prof. Dr. Markus Krajewski TTIP, CETA und TISA, Auswirkungen.
Der proaktive EBR. Proaktiver EBR ● EBR-Arbeit, ein Sisyphusjob? 2.
GK/LK Sozialwissenschaften Informationen Klasse 9 1. Februar 2016.
Interessenausgleich und Sozialplan bei Betriebsänderungen – Eine kurze Übersicht Marc Hessling, Rechtsanwalt in Mülheim an der.
Technische Universität München Industrielle Beziehungen in Europa – eine neue Erfindung Dr. Michael Whittall Lehrtstul für Soziologie SS 2010.
Univ.-Prof. Dr. Winfried Hamel DBS 2007– Betriebsverfassung und Arbeitsrecht Seite 1 Betriebsverfassung und Arbeitsrecht Univ.-Prof. Dr. Winfried Hamel.
Offshoring Dieter ScheitorFolie Nr. 1 Einführung Nicht neu: Erbringung von IT Leistungen „von außen“: Freiberufler, Subkontraktoren. Diese bislang.
Hafnersee September 2004 KOLLEKTIVES ARBEITSRECHT ARBEITSVERFASSUNGSGESETZ ArbVG.
Frankreich Deutschland Polen
Perspektiven der Unternehmensmitbestimmung in Europa
 Präsentation transkript:

Prof. Dr. Thomas Blanke Institut für Rechtswissenschaften Fakultät II Europäische Aktiengesellschaft und die betriebliche Mitbestimmung in Deutschland Prof. Dr. Thomas Blanke Institut für Rechtswissenschaften Fakultät II Vortrag auf der Tagung am 22.3.2006, CvO-Universität Oldenburg

Regelfall: Beteiligungsvereinbarung Vereinbarung von transnationaler Unterrichtung und Anhörung (SE-BR) + (evtl) Unternehmensmitbestimmung Vergleichbar EBR-Bildung (BVG), SE-BR verdrängt EBR (Ausnahme: BVG-Negativbeschluss: doppelte 2/3 Mehrheit, nicht zulässig bei Umwandlung) Nationale betriebl. Beteiligung bleibt erhalten, Mitbestimmung in der SE wird ersetzt Wahlfreiheit von monist. + dualist. System Vortrag auf der Tagung am 22.3.2006, CvO-Universität Oldenburg

Vortrag auf der Tagung am 22.3.2006, CvO-Universität Oldenburg SE-Verhandlungen - Einleitung durch Gründerunternehmen - Dauer 6 Monate, ggf. 1 Jahr - Scheitern der Verhandlungen: Auffangregelungen – immer SE-BR, ggf. Unternehmensmitbest. gemäß „Vorher-Nachher-Prinzip“ (Sicherung des Höchstniveaus, § 35 II SEBG) - Beratung durch Sachverständige und ggf. EU-Gewerkschaftsvertreter - Art. 12 SE-VO: Keine Eintragung ohne Beteiligungsregelung (Vereinbarung, Auffangregelung, Negativbeschluss) - Gewerkschaftsbeauftragte als Mitglied des BVG (jeder 3. inländische Sitz) Vortrag auf der Tagung am 22.3.2006, CvO-Universität Oldenburg

Verhältnis SE-BR zum BetrVG I Regelfall: Errichtung durch Vereinbarung, nicht Gesetz (nur subsidiär) – weite Vereinbarungsbefugnis („Parteiautonomie“) Regelfall: Information und Konsultation, keine Mitbestimmung (str., ob vereinbart werden kann) Gegenstände: „Entwicklung der Geschäftslage und Perspektiven der SE “ Außergewöhnliche Umstände Mischung aus Gegenständen des Informationsrechts des Wirtschaftsausschuss (§ 106 BetrVG) und der Tatbestände von Betriebsänderungen (§ 111 BetrVG) Vortrag auf der Tagung am 22.3.2006, CvO-Universität Oldenburg

Jährl. Unterrichtung und Anhörung  1. die Struktur des Unternehmens oder der Unternehmensgruppe sowie die wirtschaftliche und finanzielle Lage,  2. die voraussichtliche Entwicklung der Geschäfts-, Produktions- und Absatzlage,  3. die Beschäftigungslage und ihre voraussichtliche Entwicklung,  4. Investitionen (Investitionsprogramme),  5. grundlegende Änderungen der Organisation,  6. die Einführung neuer Arbeits- und Fertigungsverfahren,  7. die Verlegung von Unternehmen, Betrieben oder wesentlichen Betriebsteilen sowie Verlagerungen der Produktion,  8. Zusammenschlüsse oder Spaltungen von Unternehmen oder Betrieben,  9. die Einschränkung oder Stillegung von Unternehmen, Betrieben oder wesentlichen Betriebsteilen, 10. Massenentlassungen. Vortrag auf der Tagung am 22.3.2006, CvO-Universität Oldenburg

Unterrichtung und Anhörung in außergewöhnlichen Fällen Verlegung oder Verlagerung von Unternehmen, Betrieben oder wesentlichen Betriebsteilen, Stilllegung von Unternehmen, Betrieben oder wesentlichen Betriebsteilen, Massenentlassungen. Vortrag auf der Tagung am 22.3.2006, CvO-Universität Oldenburg

Verhältnis SE-BR zum BetrVG II Bei außergewöhnl. Umständen: Aufschiebendes Vetorecht des SE-BR und Verhandlungsanspruch mit SE-Leitung Nur grenzübergreifende Angelegenheiten Fazit: Geringere Rechte des SE-BR als BR/GBR/KBR (aber: Kein 100-AN Quorum wie nach § 106 BetrVG) Vortrag auf der Tagung am 22.3.2006, CvO-Universität Oldenburg

Erweiterung der Rechte des SE-BR durch Vereinbarung? „Echte“ Mitbestimmungsrechte: str. (aber: Vereinbarungsautonomie) Nationale betriebliche Rechte nicht erweiterbar (zwingendes Organisationsrecht, Art. 34 EGBGB, „Subsidiaritätsprinzip“) Keine Delegation nationaler Rechte auf SE-BR Vortrag auf der Tagung am 22.3.2006, CvO-Universität Oldenburg

Tendenzen der AN-Beteiligung in der EU Verhandlungslösung statt Gesetz – Vorgaben: Internationale Zusammensetzung des BVG (SE: 10% -Quorum) „Vorher-Nachher-Prinzip“ bei Mitbestimmung Auffangvorschriften Kooperation statt Konflikt Erweiterung der Beteiligungsrechte Vortrag auf der Tagung am 22.3.2006, CvO-Universität Oldenburg

Grundlagen des Europ. Beteiligungsmodells Primat der Ökonomie: Marktintegration Institutionen: Rechtliche Garantien (Art.14 II EG) Freier Verkehr von Waren (Zollunion 23ff., aber: Landwirtschaft, Art.32ff., 36) Personen, Dienstleistungen und Kapital Ausnahmen: Dienste von allg. wirtsch. Interesse Art.16 EG) Vortrag auf der Tagung am 22.3.2006, CvO-Universität Oldenburg

Politische Reaktion (Nationalstaatliche Ebene) Ausbildung von Sozial- bzw. Wohlfahrtsstaaten: Begrenzung der Entgrenzung Elemente Soziale Sicherungssysteme Arbeitsschutz Arbeitsbeziehungen Staatliche Beschäftigungspolitik Vortrag auf der Tagung am 22.3.2006, CvO-Universität Oldenburg

Vortrag auf der Tagung am 22.3.2006, CvO-Universität Oldenburg Europäische Ebene Vorlauf der Marktintegration: Steigerung der Exit-Optionen der Unternehmen Sinkende nationale Steuerungsmöglichkeiten der Sozialpolitik Vorrang der Negativintegration vor Positivintegration: Deregulierung auf EU- und nationaler Ebene Unterschiedliche Modelle von Sozialstaat und Arbeitsbeziehungen in der EU Vortrag auf der Tagung am 22.3.2006, CvO-Universität Oldenburg

Kapitalismusmodelle in der EU I „Soziale Systeme“ der Produktion: Nichtökonomische Voraussetzungen ökonomischen Handelns Einbettung in soziale Institutionen (Schaffung von Erwartungssicherheit) Alternativen ökonom Handelns Grundtypen: Liberaler und korporatistischer Typus Vortrag auf der Tagung am 22.3.2006, CvO-Universität Oldenburg

Kapitalismusmodelle in der EU II Liberaler Typus (GB): Kurzfristig einzelwirtschaftlich orientiert (corporate governance: Dominanz betriebswirtschaftlicher Zielsetzungen) Refinanzierung an der Börse (shareholder value: Kurzfristige Renditeerwartung) Marktgeleitete Koordinierungsmechanismen Rückgang des industriellen Sektors (20%), Spaltung in standardisierte Masssenproduktion („screwdriver manufacturing“, „low skill- low wage“) und per Risikokapital finanzierte high-tech Produktion Vortrag auf der Tagung am 22.3.2006, CvO-Universität Oldenburg

Kapitalismusmodelle in der EU III Korporatistischer Typus („Rheinischer Kapitalismus“,D) Langfristige Bankanleihen oder strategische Börseninvestoren (Stakeholder) Kooperative corporate governance (Aufsichtsrat – Vorstand, Mitbestimmung im AR) Unternehmensziele: Marktsicherung, Beschäftigungsstabilität (flexible interne Arbeitsmärkte, nach außen abgeschottet) Kooperative Organisation der Ausbildung (duales System) und der betrieblichen Weiterbildung Folge: „inkrementalistisches Innovationssystem“, preisunelastische Qualitätsprodukte im medium tech Bereich („high qualification – high wage – high quality“) – Exportweltmeister Deutschland Vortrag auf der Tagung am 22.3.2006, CvO-Universität Oldenburg

Konsequenzen für nationale und EU-Beteiligungsrechte Konvergenz der Kapitalismusmodelle und der Beteiligungsmuster Entstehung neuer Zwischenformen („Hybridbildung“) Zunahme von Verhandlungslösungen (§ 3, 28a BetrVG) Dezentralisierung, Verbetrieblichung: Bündnisse für Arbeit Vom Klassen- zum Wettbewerbsmodell der Beteiligung? Vortrag auf der Tagung am 22.3.2006, CvO-Universität Oldenburg