Zentrale Projektgruppe Geschichte

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Zentrale Projektgruppe Geschichte Jahresplanung für die Kursstufe: Vorschlag 1 Vortrag vor den Multiplikatoren des Fachs Geschichte an der Akademie Bad Wildbad, Oktober 2010

Dan Diner: Das Jahrhundert verstehen (1999) Dieses Buch besteht aus Auslassungen. Dem kann nicht anders sein. Keine historische Darstellung, die sich nicht mit einer chronologischen Aneinander-reihung relevanter Vorgänge begnügt, kommt umhin, aus der Fülle des von der Wirklichkeit dargebotenen Materials auszuwählen. Die Auswahl ist nicht belie-big; schließlich wird sie mit dem Anspruch auf das Wesentliche getroffen. Was wiederum als wesent-lich gilt, bleibt der Urteilskraft des Historikers über-lassen. Dabei handelt es sich nicht um hermeneuti-sches Verstehen allein; vielmehr kommt es darauf an, Komplexität und Vielfalt historischer Wirklichkei-ten sinnvoll zu reduzieren. Eine solche Reduktion liegt der Konstruktion eines jeden Geschichts- narrativs zugrunde.

Stoffreduktion konkret: Aus einer Osterhammel-Rezension (2010) Stoff muss, wie immer, „reduziert“ werden... Und tauglich für das Geschäft der Reduktion sind auch die von Osterhammel zur Organisation sei-ner Stoffmassen verwendeten differenzierenden Begriffe... Sinn ergäbe, dem Unterricht über das „ganz lange“ 19. Jahrhundert in weltge-schichtlicher Perspektive eine Unterrichtseinheit zu Basisprozessen mit dem fast allen diesen Prozessen gemeinsamen Vorzeichen einer histo-risch zuvor nicht bekannten Dynamik vorzu-schalten, gewissermaßen als „advance organi-zer“. (Werner Abelein, in: Gfh 3 (2010), Nr. 4, S. 86f.)

Ordnen Sie die folgenden Daten und Begriffe so, dass Zusammenhänge deutlich werden.

„Dimensionen“ bzw. „Achsen“ nach Wehler (1987) Wenn man in einer Synthese die dominierenden Elemente eines Zeitalters in ihrem Zusammen-hang erfassen möchte, ist es unvermeidbar, sie einem abstrakten Ordnungsschema zu unter-werfen. Dazu dient die Unterscheidung von zentra-len Dimensionen oder auch „Achsen“, welche das Gesellschaftsgefüge durchziehen. „Achse“ bedeutet hier zweierlei: sowohl einen – zumindest unter-stellten – verdichteten realhistorischen Wirkungs-zusammenhang als auch ein heuristisches Hilfs-mittel, das die ge-nauere historische und syste-matische Untersuchung erleichtern soll. (H.-U. Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Band 1, 1987, S. 9)

Kategorien im Bildungsplan: Dimensionen „Der Geschichtsunterricht ermöglicht Schülerinnen und Schülern, sich mit den politischen, wirtschaftlichen, rechtlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Verhältnissen, die das Leben der Menschen in der Vergangenheit bestimmt haben, zu beschäftigen.“ (Leitgedanken zum Kompetenzerwerb: S. 216, 1. Satz)

Wehler 2008: Epilog Daher empfahl es sich, in großzügiger, keineswegs philologisch strenger Anleh-nung an Max Webers Überlegungen, von der relativ abstrakten Triade von Wirt-schaft, Herrschaft und Kultur, sowie, als Überschneidungsprodukt dieser Di-mensionen, von Sozialer Ungleichheit als den vier maßgeblichen Achsen der gesellschaftlichen Entwicklung bei der Konstruktion einer Synthesekonzeption auszugehen. (H.-U. Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Band 5, 2008, S. 420)

Leitkategorien in der Geschichtswissenschaft seit 2001 Jürgen Kocka, Das lange 19. Jahrhundert. Arbeit, Nation und bürgerliche Gesellschaft. (2001) Franz J. Bauer, Das „lange“ 19. Jahrhundert (1789 - 1917). Profil einer Epoche (2004) Christoph Nonn: Das 19. und 20. Jahrhundert (2007) Edgar Wolfrum, Cord Arendes: Globale Geschichte des 20. Jahrhunderts (2007) Jürgen Osterhammel: Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts (2009)

19./20. Jahrhundert: Leitkategorien und Begriffscurriculum Modernisierung: Leitperspektive Revolution Liberalismus, Liberalisierung Bürgerliche Gesellschaft, Zivil-gesellschaft Nation, Nationalstaat, Nationalismus

Leitperspektive: Moderne - Modernisierung Boom der Modernisierungstheorien in den 60er/70er-Jahren: „Historische Sozialwissen-schaft“ (Wehler: Modernisierungstheorie und Geschichte, 1975) Wachsende Kritik in den 80er-Jahren, neue „Basisnarrative“: Mikrogeschichte, Historische Anthropologie, Neue Kulturgeschichte Renaissance des Modernisierungs- bzw. Moder-nekonzepts seit ca. 10 Jahren (Eisenstadt, Bayly, Herbert, Osterhammel)

Exkurs Konjunkturen des Modernisierungskonzepts

Modernisierungstheorie und Entwicklungspolitik US-Modernisierungstheorie als Alternative zum stalinisti-schen Entwicklungsmodell: „Counter insurgency strategy“ für die Dritte Welt Walt Rostow, The Stages of Economic Growth. A Non-communist Manifesto (1960) Rostows Stufenmodell: - Freier Kapital- und Warenmarkt - Professionalisierte Staatsbürokratie - Partizipation durch Demokratisierung - Aufbau eines offenen Bildungssystems - Vertikale Mobilität: Leistungsprinzip - Mittelschichtgesellschaft (Bolte‘sche Zwiebel) Begrenzte Variationsräume für nationale Entwicklungs-pfade (Black 1966): „Sonderwege“ als Pfadvarianzen

Cleavage-Konzept Disparitäten gefährden die Modernisierung: Zentrum – Peripherie Staat – Kirche Agrarischer Sektor – industrieller Sektor Unternehmer – Arbeiter Fortschrittliche Kräfte – traditionale Kräfte

Neuere Moderne-Konzepte Detlev Peukert: Die Weimarer Republik. Krisenjahre der klassischen Moderne (1987) „Verstörte Modernisierung“ (Peukert 1987): Beschleuni-gungserfahrung und Modernisierungsverlierer Grundtendenzen: Polarisierung und Exklusion – das „Problem der Ausgeschlossenen“ (Judt 2010), vgl. Zygmunt Bauman: Moderne und Holocaust, 1992 Perspektive: Ambivalenzen der Moderne, prekäre Moderne Modernisierung als riskanter, immanent krisenhafter, ergebnisoffener Prozess „Vielfalt der Moderne“ - „Multiple Modernities“: „development of several modern civilizations“ (Eisenstadt 2000) „Competing Modernities“ (Mauch/Patel 2008)

Periodisierung: Von der Ersten zur Zweiten Moderne 1840 - 1870: „Frühmoderne“ (Osterham-mel 2006) und Aufstieg des „liberalen Modells“ (Wischermann 2004) 1870 - 1945: „Hochmoderne“ (Herbert 2007) und Krise des „liberalen Modells“ 1945 - 1990: „Zweite Moderne“ (Beck) und Renaissance des „liberalen Modells“

Krise der „Klassischen Moderne“: Folgen bis 1945 Seit 1895: Epoche des „Industrialismus“ in Europa Krisensymptome: Industrialisierungsängste, Großstadtfeindschaft, Antibürgerlichkeit, Kulturkritik des Fin de siècle, Katastrophenahnungen der künstlerischen Avantgarde vor dem Ersten Weltkrieg Krisenhaftigkeit des liberalen Modells: Wirtschaftskrisen, Irritationen durch kulturelle Moderne, Krieg, Revolutionen, Inflation Aufkommen der radikalen Alternativen als Regimes (Russland, Italien) und als Bewegungen (kommunistische und rechtsradikale Parteien) 1920er/30er Jahre: Legitimationsverlust der kapitalistisch-liberalen Option durch Wirtschaftskrisen Liberaldemokratisch-kapitalistische Staaten vor Beginn des Zweiten Weltkriegs in Europa in der Minderheit „Fundamentalkrise“ (Kocka) der Moderne in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (Ulrich Herbert, in: Journal of Modern European History 2007)

Jahresplan 1: Ambivalenzen der Moderne Klasse 11: „Die Erste Moderne“ – Aufstieg und Krise des liberalen Modells (1776 - 1945) Klasse 12: „Die Zweite Moderne“ – Renaissance und Wandel des liberalen Modells nach 1945

Die „Erste Moderne“ bis 1945: Kategorien Modernisierung Revolution Bgl. Ges. Nation Liberalisierung Nationalsoz. Modul Industrialis. Weimar Revolutionen Kaiserreich 1848