Vorlesung: Andrologie und instrumentelle Samenübertragung Wintersemester 2006/7, 7. Fachsemester - Andrologische Untersuchung - Spermatologische Untersuchung
Indikationen - Zuchttauglichkeitsuntersuchung (Ankaufsuntersuchung) - Erkrankungen der Geschlechtsorgane - Überwachungsuntersuchung bei Tieren, die im Zuchteinsatz stehen - zum größten Teil gesetzlich vorgeschrieben
Anforderungen an ein männliches Zuchttier (nach Merkt und Krause, 1977) - Erbgesundheit: Freisein von nutzungsbeschränkenden Erbfehlern - Allgemeingesundheit: Freisein von extragenitalen Erkrankungen, welche die Zuchtverwendung einschränken oder ausschließen - Geschlechtsgesundheit: Freisein von genitalen Erkrankungen - Begattungsfähigkeit (Potentia coeundi): Fähigkeit, den Paarungs- akt vollständig und ungestört auszuführen - Befruchtungsfähigkeit (Potentia generandi): normale Befruchtungsergebnisse nach Paarungsakt oder Verwendung des Spermas - Absamfähigkeit: Möglichkeit, Sperma mit technischen Hilfsmitteln zu gewinnen
Beispiel:Unterkieferverkürzung (Brachygnathia inferior) sehr variable Ausprägung möglich Erbgang: autosomal-rezessiv (Rind) autosomal-rezessiv und dominat (Pferd) Wichtig ist der Zuchtausschluss von Merkmal- und Anlageträgern Erbgesundheit: genitale und extragenitale Erbgesundheit
Schwerpunkt liegt auf ansteckenden Erkrankungen Allgemeingesundheit
Geschlechtsgesundheit Merksatz: - Ist alles da? - Ist alles an der Stelle, wo es hingehört? - Ist die Ausprägung, dem Alter und der Geschlechtsaktivität entsprechend? - Funktioniert es? Morphologisch/anatomische Untersuchung Funktionelle Untersuchung
Tierartspezifische Besonderheiten Begattungsfähigkeit (Potentia coeundi)
- wird in der Regel nur indirekt erfasst - direkte Möglichkeit: Trächtigkeiten, Nachkommenanzahl - unterscheide In-vivo- und In-vitro-Befruchtungsfähigkeit Befruchtungsfähigkeit (Potentia generandi)
Formaler Ablauf der Andrologischen Untersuchung - Kennzeichen - Vorbericht - Allgemeine Untersuchung - Spezielle andrologische Untersuchung - äußere morphologische Untersuchung - innere morphologische Untersuchung - funktionelle Untersuchung - Entnahme von Proben für weitere Untersuchungen - Spermatologische Untersuchung - Mikrobielle Untersuchung - endokrine Untersuchung - Diagnose - Beurteilung
Kennzeichen - Rasse, Alter, Identität (Farbe, Chip, Tätowierung, Brandzeichen, u. a.) Vorbericht - Indikation - zielorientiert aber nicht einengend - Beispiele:- Deckeinsatz/Zuchtnutzung - Vorbehandlung/Vordiagnostik - Nachkommenzahl - Deckverhalten - Krankheiten - Erkrankungen anderer Tiere - Medikamenteneinsatz/Impfungen - Haltung - Fütterung
Allgemeine Untersuchung Mindestumfang: - Haltung - Verhalten - Ernährungszustand - Pflegezustand - Geschlechtstyp:- männlich - weiblich - kastratenhaft - Atemfrequenz - Puls - Temperatur - Bei Bedarf Erweiterung des Untersuchungsumfanges - häufig wird der Bewegungsapparat vergessen (Potentia coeundi)
Spezielle andrologische Untersuchung - äußere morphologische Untersuchung - Adspektion, Palpation - ggf. Sonographie, Vermessung der Hoden, Tonometer - vergleichend bei paarigen Organanlagen - Skrotum - Hoden - Nebenhoden - Samenstränge z. B.: Symmetrie, Verschieblichkeit, Inhalt z. B.: Größe, Form, Symmetrie, Lage, Konsistenz, Schmerzhaftigkeit z. B.: Größe, Form, Symmetrie, Konsistenz, Schmerzhaftigkeit
Spezielle andrologische Untersuchung - äußere morphologische Untersuchung - Präputium - Penis z. B.: Umfangsvermehrungen, Ausfluss im Ruhezustand und nach Vorlagerung/Erektion
Spezielle andrologische Untersuchung - innere morphologische Untersuchung - Palpation - Hengst und Bulle: rektale manuelle palpatorische Untersuchung - andere: rektale digitale Palpation - ggf. Sonographie - akzessorische Geschlechtsdrüsen - innere Darmbeinlymphknoten z. B.: Ausprägung
Spezielle andrologische Untersuchung - funktionelle Untersuchung - Ziel: Untersuchung der Begattungsfähigkeit - Methode: Beobachtung bei der Samengewinnung - Phantom - natürlicher Geschlechtspartner
Spezielle andrologische Untersuchung - funktionelle Untersuchung - Untersuchungsparameter: Ablauf der Paarungsreflexkette/ Paarungsverhalten - Geschlechtslust (Libido sexualis) Reaktionszeit: Zeit zwischen erster Kontaktaufnahme mit dem Sexualpartner und erstem Aufsprungversuch/Emission/Erektion - Ablauf des Paarungsvorganges - Annahme der künstlichen Vagina - Anzahl der erforderlichen Aufsprünge
Paarungsreflexkette/Paarungsverhalten Reflexkette:geordneter Ablauf von angeborenen (unbedingten) und erworbenen (bedingten) Reflexen Die Ausführung einer Handlung führt zur Veränderung der einwirkenden Reize, die wiederum als Auslöser für die nächste Handlung dienen. Prägung:Vorgang, bei dem Objekte eine Bedeutung erhalten, die weitgehend irreversibel ist. Prägungsphasen - Prägung auf den Artgenossen - Prägung auf den Sexualpartner Paarungsverhalten:-Prägung auf den Sexualpartner - angeborene Reflexe werden durch Erfahrung ergänzt
Paarungsverhalten Prägung: - sensible Phase - Nestflüchter und Schwein: erste 3. Monate - Hund: zwischen 3. und 12. Woche nach der Geburt - fehlerhafte Artprägung bedeutet fehlerhafte Sexualpartnerprägung - Doppelprägung bei Haustieren Aus: Bostedt und Dedie, 2001
Einflüsse auf das Paarungsverhalten - Saison - Tierarten mit saisonaler Paarungszeit - Hitze wirkt fruchtbarkeitsdepressiv - Genetik - Bulle: Heritabilität der Libido sexualis bei 0,59 0,16 - Nutzung - Hierarchie - Erfahrung
Spezielle andrologische Untersuchung - Entnahme von Proben für weitere Untersuchungen - Spermatologische Untersuchung - Ejakulatgewinnung (gesamt oder fraktioniert) - Transport/Lagerung bis zur Untersuchung - Untersuchung - wichtige Störgrößen sind Zeit und Temperatur
Spermatologische Untersuchung - Mindestanforderungen als Beurteilungsgrundlage - Berücksichtigung der Umstände: - Nativsperma oder konfektioniertes Sperma - Alter des Vatertieres - Nutzung der Vatertieres - Angaben aus dem Vorbericht zur Potentia generandi - Lagerung - Methodisches Vorgehen - makroskopische Untersuchung - mikroskopische Untersuchung - funktionelle Tests (z. B.: Penetrationstests, Bindungstests, IVF) - mikrobiologische Untersuchung
Makroskopische Ejakulatuntersuchung - Volumen: Uterusbesamer > Scheidenbesamer - Aussehen: Farbe, Konsistenz - Beimengungen: keine - Geruch: nahezu geruchlos Volumen: - saisonal bzw. nutzungsabhängige Schwankungen - Hauptvolumenanteil ist das Sekret der akkzessorischen Geschlechts- drüsen - Oligospermie: - vermindertes Ejakulatvolumen - zu starke Nutzung (Exhaustion) - Saisoneinflüsse - Aspermie:- kein Ejakulat - Verlegung der samenableitenden Wege
Makroskopische Ejakulatuntersuchung Aussehen:Farbe und Konsistenz - Farbe - grauweiß bis elfenbeinfarbig - bei Wdk. teilweise gelblich-grünliche Farbe durch Riboflavingehalt - Abweichungen: - Rot- und Braunfärbung: Hämospermie - Konsistenz - abhängig von der Spermiendichte, Beschaffenheit des Seminalplasmas, Beimengungen - Wdk.: höchste Dichte, rahmähnliche Konsistenz Hengst und Eber: molkeähnlich - Abweichungen: - Pyospermie - Urospermie - Oligozoospermie: verminderte Spermiengesamtzahl - Azoospermie: völliges Fehlen von Spermien
Makroskopische Ejakulatuntersuchung Geruch - Farbe - Abweichungen: - Urospermie - Pyospermie
Mikroskopische Ejakulatuntersuchung - Beweglichkeit - Spermiendichte - Anteil lebender Samenzellen - Lebensdauer bei Belastung - Agglutination - Fremdzellen und andere Beimengungen - morphologisch veränderte Spermien
Mikroskopische Ejakulatuntersuchung Spermienbeweglichkeit (Motilität) - Massenbewegung: Beurteilung am nativen Wdk.-Sperma linsengroßer Tropfen, ohne Deckgläschen, Hellfeld vorgewärmter Objektträger, 100fache Vergrösserung fischschwarmartige Verdichtungszonen Beurteilung im Zentrum des Tropfens (Randphänomen) - Einzelbeweglichkeit: - Schätzverfahren unter dem Lichtmikroskop - Computergesteuerte Videomikrografie (CASA) - Abweichungen:- Asthenozoospermie: verminderte Beweglichkeit - Akinozoospermie: keine Beweglichkeit
Mikroskopische Ejakulatuntersuchung Spermienbeweglichkeit (Motilität) - Grundlage: Bei der Beurteilung der Motilität zwischen Objektträger und Deckgläschen herrschen semianaerobe Bedingungen - anaerobe Stoffwechselbedingungen Wdk.: ausgeprägte Fruktolyse – starke Motilität Eber:ineffektive Anaerobier – nur vibrierende oder oszillierende Bewegungen - Gefahr der iatrogenen Pathospermie: konstante Wärmequelle 40°C - Unterscheide:- Massenbewegung - Einzelbewegung:- vorwärtsbeweglich - ortsbeweglich - unbeweglich - Linearität - Geschwindigkeit - Aufrechterhaltung der Beweglichkeit unter Belastung
Mikroskopische Ejakulatuntersuchung Spermiendichte - Bestimmung: - Zählkammer nach Verdünnung - Schätzung anhand der Konsistenz gibt Anhalte - fotoelektrische Geräte (Fotometer, Kolorimeter) und Teilchenzähler - Abweichungen: - Oligozoospermie: verminderte Spermienzahl - Azoospermie: Fehlen von Spermien
Zählkammer nach Thoma neu Zählkammer nach Bürker-Türk Mikroskopische Ejakulatuntersuchung - Dichte
Aufziehen von Sperma in die Blutzellpipette bis zur Marke 0,5; anschließend aqua dest. bis zur Marke 1,01 (Verdünnung 1:200) Durchmischen des Spermas mit aqua dest. durch Schütteln der Pipette 0,5 1,01
Mikroskopische Ejakulatuntersuchung - Dichte Einige Tropfen verwerfen, Pipettenspitze abtupfen und nächsten Tropfen auf vorbereitete Zählkammer auftragen Vorbereitung der Zählkammer: Deckgläschen auf Zählkammer auflegen und fest andrücken bis Newtonsche Farbringe sichtbar werden Einen Tropfen des Sperma-aqua dest.-Gemisches wird auf die Zählkammer direkt vor dem Deckglas aufgebracht und gelangt dann durch Kapillarkräfte gleichmäßig in die Vertiefung der Zählkammer mit den Quadraten
Mikroskopische Ejakulatuntersuchung - Dichte - Auszählung bei 40-facher Vergrößerung - es werden nur Spermien gezählt, deren Köpfe innerhalb eines Quadrates oder auf der Begrenzungslinie unten und links liegen -gezählt werden 5 große Quadrate, ein großes Quadrat besteht aus je 16 kleinen Quadraten - die 5 großen Quadrate dürfen nicht direkt benachbart sein
Mikroskopische Ejakulatuntersuchung - Dichte Gesamtzahl ausgezählter Spermien (A) Fläche x Kammerhöhe x Verdünnungsgrad in l = A x D = Berechnung der Dichte A x 10 in Mio./ml =
Mikroskopische Ejakulatuntersuchung Anteil lebender Spermien - Prinzip: Einsatz von Farbstoffen, die unterschiedlich in lebende und tote Spermien eindringen und oder in diesen verbleiben - Abweichungen:- Nekrozoospermie: ausschließlich tote Spermien Lebend-Tot-Färbung mittels Eosinausstrich - geschädigte Plasmamembran ist durchlässig für Eosin - Färbelösung: 2 g Eosin-B und 3 g Natriumcitrat ad 100 ml Aqua dest. - Auf einen Objektträger: kleiner Spermatropfen + doppelt so großer Tropfen Färbelösung - 20 Sekunden mischen - Ausstreichen - Auszählung von 200 Spermien
Mikroskopische Ejakulatuntersuchung - Abweichungen:- Nekrozoospermie: ausschließlich tote Spermien Agglutination und Fremdbeimengungen - Agglutination: Zusammenlagern von Spermienköpfen - Fremdbeimengungen: - unreife männliche Keimzellen (Rundzellen) - Epithelzellen - Erythrozyten - Leukozyten - Schmutzpartikel
Mikroskopische Ejakulatuntersuchung Spermienmorphologie - immer Abweichungen von der Morphologie zu finden - zur Beurteilung ist eine Immobilisierung der Samenzellen notwendig - nachgeschaltete Färbungen - Beurteilung bei 1000 facher Vergrößerung - Auszählung von 200 Spermien Färbemethoden: - Eosin-Ausstrich - Kopfkappenveränderungen sind nur schlecht (gar nicht) zu beurteilen - Formolcitrat-Flüssigfixierung - Spermac-Färbung - kommerziell erhältliche Färbelösungen - unterschiedliche Anfärbung von Akrosom, Kern, Äquatorialsegment, Geißel - Schnellfärbung mit Testsimplets
Mikroskopische Ejakulatuntersuchung Spermienmorphologie - immer Abweichungen von der Morphologie zu finden - zur Beurteilung ist eine Immobilisierung der Samenzellen mit Formol- Zitrat-Lösung notwendig - nachgeschaltete Färbungen Einteilung der morphologischen Spermienveränderungen - primäre Spermienveränderungen - sekundäre Spermienveränderungen - tertiäre Spermienveränderungen - Abweichungen: - Teratozoospermie: veränderte Spermienmorphologie
Funktionelle Tests - Migrationstest Prinzip: - Überschichtungsverfahren - motile Spermien schwimmen in das Medium ein (swim-up) - Penetrationstest Prinzip:- Beurteilung der Spermien-Mukus-Interaktion - Überprüfung der Membranstabilität Beispiel: Hypoosmotischer Schwelltest - Spermien werden in eine schwach hypoosmotische Lösung verbracht - vermehrte Wassaufnahme - Vergrößerung des Zellvolumens - Aufrollung des Schwanzes - geschädigte Spermien: keine charakteristischen Veränderungen - Fertilisationstest
Endokrinologische Diagnostik Testosteronkonzentrationen schwanken beim männlichen Tier stark. Mittel der Wahl ist ein Stimulationstest, d. h., die Leydigzellen werden durch hormonelle Stimulation zur Androgensynthese angeregt. Prinzip der Methode: Basalwert: Probe vor endokriner Stimulation Stimulation: Gabe des Hormones, welches die Androgensynthese anregen soll (hCG, GnRH) Stimulationsproben: Entnahme mehrere Proben, um den Anstieg der Androgenkonzentration darzustellen
Endokrinologische Diagnostik Hypothalamus Hypophysenvorderlappen Sertolizelle Leydigzelle GnRH FSH LH Inhibin Testosteron Östrogene, GnRH z. B. in Form von Buserelin hCG Leydigzellfunktion: Testosteron Hypophysenvorder- lappenfunktion: LH
Testosteronfreisetzung nach GnRH-Gabe