Samuel Pfeifer, Klinik Sonnenhalde, Riehen

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Seminar I: „Stressbewältigung“
Advertisements

Einfach Rauchfrei |.
Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie
Internet-Sex-Sucht als Herausforderung in Seelsorge und Beratung Dr
Depression hat viele Gesichter
Wenn Sensibilität zur Krankheit wird.
Hirnbiologie, Verletzlichkeit und Neurosen – neue Erkenntnisse und medikamentöse Therapiemöglichkeiten.
Stimmenhören - Differentialdiagnose
bei nahestehenden Menschen
Schizophrenie und Seelsorge
A n t i d e p r e s s i v a.
Gesundheitstraining – Rückenschule
Gesundheitstraining „Koronare Herzkrankheit“
Gesundheitstraining „Koronare Herzkrankheit“
Klinische Bedeutung somatoformer Störungen
Modul 3 Stressbewältigung.
Umgang mit schwierigen Schülern – Eine Einführung
ACT.
Stabilisation: Was gehört alles dazu?
Burnout und Sucht Koinzidenz oder Folgeerscheinung?
Aktuelle Behandlungsansätze von COPD und seinen Begleiterkrankungen
7 d Ursachen und Behandlung Angst - Sozialisation
7 b Ursachen und Behandlung Angst - Lernen
Wirksamkeit der NADA-Ohrakupunktur bei Menschen mit psychiatrischen Diagnosen im ambulanten Bereich Euro-NADA Konferenz 2013.
Dissoziation: Definition
Depression und Therapiemöglichkeiten
Umgang mit der Angst Wege zur Gelassenheit
Burnout Dr. Margot Peters FÄ f. Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin.
7. gesamtösterreichisches IC-Patiententreffen
Psychosen By Kevin und Oliver.
Steirische Akademie für Allgemeinmedizin Dr. Klaus Gstirner
Keine Panik auf der Titanic
Schmerzaspekte aus psychosozialer Sicht
Der EFT-Prozess EFT oder Emotional Freedom TechniquesTM stammt von Gary Craig und ist seit mehr als 10 Jahren in einer ständigen Entwicklung. Sie können.
Psychotherapie bei MS P. Calabrese.
Wie häufig ist ADHS?.
Vorstellung Grundlagen des Schildrüsenstoffwechsels (Quelle: Herold, Innere Medizin 1995) Ergebnisse der Grundlagenforschung von Schildrüsenhormonen.
geistig behinderter Erwachsener
Vom Umgang mit Angst und Depression
Suche nach Hilfe.
Angst Entstehung und Bewältigung
Dr. C. Gamm, Hamburg Baby Blues oder Wochenbettdepression?
Stalking - Betroffene Aus allen Schichten und Altersgruppen
Absetzen - aber wie? Fachtagung „Gratwanderung Psychopharmaka“
Da ist was dran! „Wenn es mir besser gehen würde,
Thema „Hilfe mein Kind ist in der Trotzphase“
Die neue S3-Leitlinie Depression Antidepressiva Suizidalität
Seminareinheit "Streß und Streßbewältigung"
Samstagvormittag Thema: Gedanken.
Es gibt nichts Gutes außer man tut es!
Medizinische Schule Cottbus K13/H3 Jenna, Christin, Anne, Oliver
Gesunder Umgang mit Stress und negativen Emotionen im Ganztag
Stress.
Einsamkeit aus hausärztlicher Sicht
Angststörungen im Kindes- und Jugendalter
Ganz einfach nur mit Hilfe Ihrer Hände!
Vorlesung SoSe 2011 Mo Uhr, Raum J101
Konzeptpräsentation „Gesund Führen“ / Comline AG
18. Mai 2015 Dr. med. Cyrill Jeger-Liu, Olten
Die Angebote der Fachstelle XX
Gesundheitliche Folgen von h ä uslicher Gewalt. Was interessiert wen? Beispiel ÄrztInnen  22% aller Frauen erleiden im Laufe ihres Lebens Gewalt in einer.
Basiscurriculum Verhaltenstherapie 2 Methoden: Konfrontationsverfahren exemplarisch bei Angst- und Zwangstörungen Mag. Dr. Ulrike Demal Klinische Psychologin,
Neurobiologische Grundlagen Vorlesung „Psychische Störungen“ Prof. Dr. Ralph Viehhauser.
Möglichkeiten und Grenzen der Palliativmedizin Tagung „Aus Mitleid zum Sterben helfen?“ Tutzing Dr. Claudia Bausewein Interdisziplinäre Palliativmedizinische.
Psychologische und psychotherapeutische Behandlung bei Krebs Birgit Hladschik-Kermer Univ. Ass.,Mag.phil., Dr.rer.nat. Klinische und Gesundheitspsychologin/
Der psychische Druck und deren Auswirkung (kurze Einleitung) B ornemann ewegt Juni 2016; Themenreihe: Menschen und Emotionen; Folie 1 eobachtet und.
„Einem Depressiven zu sagen, dass er seine Probleme einfach vergessen soll, ist wie einem Blinden zu sagen, dass er genauer hinsehen soll.“ Affektive Störungen:
Angst und Depression eine häufige Kombination
Depression hat viele Gesichter
 Präsentation transkript:

Samuel Pfeifer, Klinik Sonnenhalde, Riehen Komorbidität von Angst und Depression

Angst Franz Hohler Der Vogel Angst hat sich ein Nest gebaut in meinem Innern und sitzt nun manchmal da und manchmal ist er lange weg oft kommt er nur für einen Augenblick und fliegt gleich wieder weiter dann aber gibt es Zeiten da hockt er tagelang da drin mit seinem spitzen Schnabel und rührt sich nicht und brütet seine Eier aus. Franz Hohler

Angst „Zeitalter der Angst“ (19. Jh., der englische Dichter Auden) „Zeitkrankheit“ „die eigentliche Signatur unserer Epoche“ (Körten 2000) Angst

Rolf Lyssy: Swiss Paradise Ich lag wach im Bett mit zunehmendem Herzklopfen, und während sich in meinem Kopf die Gedanken immer schneller zu drehen begannen, beschlich mich ein unheimliches Angstgefühl, das sich zunehmend in Panik verwandelte. Irgendetwas musste doch in meinem Hirn passiert sein. Kopfschmerzen hatte ich keine, aber ich hatte das Gefühl, als ob meine Hirnchemie völlig ausser Rand und Band geraten sei. Wenn Panik die Steigerung von Angst war, was würde wohl die Steigerung von Panik sein? (S. 22)

Gesunde vs. ungesunde Angst Realangst (vor echten Gefahren) Gewissensangst Vitalangst als Warn-symptom körperlicher Erkrankung Die Angstreaktion ist der Situation nicht angemessen Angst überdauert Auslöser Keine Erklärung, keine Verminderung, keine Bewältigungsmöglichkeit deutliche Beeinträchtigung der Lebensqualität

Symptome der Angst Körperliche Symptome Psychische Symptome Beklemmung, Atemnot Herzklopfen Schwindel Zittern / Kribbeln Schweissausbrüche Mundtrockenheit Harndrang Magen-Darm-Symptome Blutdruckanstieg Qualvolle Einengung Fixierung auf ängstliche Erwartung innere Unruhe / Anspannung Schlafstörungen Gefühl, ausgeliefert zu sein verminderte Belastbarkeit Gefühl der Unwirklichkeit

Konzentrations- schwierigkeiten Symptomüberlappung Major Depression Angststörung Angst Anspannung Chron. Schmerz GI Symptome Herzklopfen Sorgen Erregung Konzentrations- schwierigkeiten Schlafstörungen Erschöpfung Energiemangel Stimmungstief Freudlosigkeit Gewichtsverlust /-zunahme Interessenverlust Suizidgedanken Erwartungsangst Platzangst Zwanghafte Rituale

Komorbidität von Angst und Depression Komorbidität von Depression und Angst sind häufig. Komorbidität ist die Regel, nicht die Ausnahme. Eine begleitende Depression verschlechtert den klinischen Outcome von Angststörungen.

Gemeinsame Eigenschaften PMDD PTSD Zwang OCD Panik störung Depression Spezif. Phobie Soziale Angst- störung Generalisierte Angst (GAD) GAD = generalized anxiety disorder OCD = obsessive-compulsive disorder PTSD = post-traumatic stress disorder PMDD = premenstrual dysphoric disorder

Primary Care Study (Univ. Southampton) HADS Anxiety and Depression Scores Thompson et al Lancet 2000; 355 185-191.

Komorbidität in der Hausarztpraxis Angststörungen Depression Komorbidität 4.6% (+ 1.3%) 5.6% (+ 5.0%) 7.1% (+ 6.5%) (+ sub-threshold Angst) (+ sub-threshold Depression) Sartorius et al. Br J Psychiatry 1996; 168(Suppl 30): 38-43.

National comorbidity survey 57.7 Secondary MDE 69.3 12.2 Primary MDE 12.1 30.1 Pure MDE Females The US National Comorbidity Survey reported that 58% of patients with DSM-III-R major depressive disorder (MDD) also suffered from an anxiety disorder.(1) Diagnoses were based on a modified version of the Composite International Diagnostic Interview (CIDI). This finding from a large community survey reinforces the comorbid nature of depression and anxiety. It is also noteworthy that the lifetime prevalence of a “pure” major depressive episode (MDE) (i.e., major depression NOT preceded by another mental disorder) or primary MDE was lower than the prevalence of secondary MDE, in which a preexisting disorder, such as GAD, was present. Thus, discrete depression occurring “out of the blue” without any comorbidity is rare, and the majority of major depressive episodes are associated with current or previous comorbidity. References: Kessler RC, Nelson CB, McGonagle KA, Liu J, Swartz M, Blazer DG. Comorbidity of DSM-III-R major depressive disorder in the general population: results from the US National Comorbidity Survey. Br J Psychiatry Suppl 1996 Jun;(30):17-30. 18.6 Males 10 20 30 40 50 60 70 Lifetime Prevalence (%) MDE = Maj. Depressive Episode Kessler et al. Br J Psychiatry 1996; 168 (Suppl 30): 17-30.

Implikationen einer Komorbidität Schwerer Krankheitsverlauf und schlechtere Prognose. Erhöhtes Suizidrisiko vermehrte Inanspruchnahme medizinischer Dienste. Grössere Einschränkung der Arbeitsfähigkeit Erhöhte Kosten

Pathophysiologische Überlappung Angst und Depression können als unterschiedlicher phänotypischer Ausdruck mit gemeinsamer neurchobiochemischen Ursache betrachtet werden. Depression und Angst werden durch die Balance zwischen Noradrenalin und Serotonin Aktivität bestimmt.

Noradrenalin und Serotonin (5-HT) im Frontalhirn. NAD 5-HT Frontaler Cortex DA Cortex non-frontal Mood Cognition Attention Mobility Basal ganglia Limbic system Thalamus

STAR*D Algorithmus Sequenced Treatment Alternatives to Relieve Depression Quelle: Am. Journal of Psychiatry 2003, 160:237

STAR*D Algorithmus Augmentation des ersten Antidepressivums mit andern Medikamenten oder mit Psychotherapie. Wechsel auf ein anderes Antidepressivum oder Psychotherapie. Hinzufügen einer Psychotherapie mit oder ohne Weiterführung der antidepressiven Therapie. Wechsel auf ein anderes Antidepressivum. Augmentation des ersten Mittels mit einem zweiten. Augmentation oder Wechsel auf ein anderes Antidepressivum. Quelle: www.edc.gsph.pitt.edu/stard Sequenced Treatment Alternatives to Relieve Depression

Der Mensch ist keine Maus Trotz mancher biologischer Befunde bleiben viele Fragen offen. Auch unter einer Behandlung mit Medikamenten bleibt eine Bearbeitung auslösender Belastungen und seelischer Konflikte, sowie das Training von neuen Verhaltens- mustern eine wesentliche Hilfe bei der Behandlung von Angststörungen.

Multimodale Therapiestrategien Bei akuten Ängsten lindern und beruhigen: aufklären, beruhigen, schnell wirksame Medikamente einsetzen (Benzodiazepine) Besprechen psychischer und sozialer Konflikte Veränderung des Denkens Erlernen von hilfreichen Bewältigungsstrategien Anleitung zur Entspannung Basisbehandlung mit Medikamenten (Anti- depressiva) -- psychosoziale Unterstützung

10 Regeln zur Bewältigung der Angst 1. Angstgefühle und dabei auftretende körperliche Symptome sind verstärkte normale Streßreaktionen. 2. Angstreaktionen sind nicht schädlich für die Gesundheit. 3. Verstärken Sie Angstreaktionen nicht durch furchterregende Phantasievorstellungen 4. Bleiben Sie in der Realität; beobachten und beschreiben Sie innerlich, was um Sie herum wirklich geschieht. 5. Bleiben Sie in der Situation bis die Angst vorbeigeht 6. Beobachten Sie, wie die Angst von allein wieder abnimmt. 7. Versuchen Sie nicht, Angstsituationen zu vermeiden 8. Setzen Sie sich allen Situationen bewußt aus, die Ihnen angst machen. 9. Nehmen Sie sich in Angstsituationen Zeit 10. Seien Sie stolz auf kleine Erfolge, auch auf die ganz kleinen!

Was ist Ihr bevorzugte medikamentöse Behandlung bei Depression und Angst? 1. Benzodiazepine 2. Trizyklische Antidepressiva 3. SSRIs 4. SNRI (z.B. Venlafaxine)

Lang dauernden Störungen Patienten mit chronischen Angststörungen brauchen therapeutische Unterstützung, ihre Grenzen kennenzulernen und anzunehmen. Zudem: Langzeitmedikation. Wesentliches Ziel: Balance zwischen Wagnis zu Neuem Annahme einer gewissen Grundangst und Sensibilität

Zusammenfassung Depression und Angst sind unterschiedliche, aber überlappende Zustände Depression und Angst können unterschiedlicher Ausdruck der gleichen neurobiologischen Ursache. Verbindung durch das Zusammenspiel von Noradrenalin und Serotonin Medikation einbetten in ein ganzheitliches bio- psycho-soziales Therapiekonzept.

Weiter Präsentationen www.seminare-ps.net