Was ist das eigentlich – unser Selbst? Daniel Hell

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 Präsentation transkript:

Was ist das eigentlich – unser Selbst? Daniel Hell 20. Riehener Seminar 27.10.2009

Inhalt „Selbst“ als moderner Begriff Philosophische und psychologische Selbstkonzepte „Selbst“ als Differenzerfahrung: Unterschied von Selbsterleben und Selbstbild „Selbst“ als Gefühl: Zur Bedeutung des „Selbstgefühls Scham“

Seele, Subjekt, Ich, Selbst Historisch haben sich verschiedene Begriffe für ähnliche Erfahrungen aneinandergereiht und zum Teil abgelöst: Seele: seit Antike Symbol für das Lebendige (und Göttliche im Menschen) Subjekt: seit Aufklärung Bezeichnung für das, was der menschlichen Erkenntnisfähigkeit zugrunde liegt (Lat.: sub-iectum) Ich/Selbst: Moderne Begriffe, die den Menschen von anderen abgrenzen.

Der Begriff des „Selbst“ Der Selbst-Begriff ist neueren Datums (18./19. Jh.) und sprachlich ein Kunst- bzw. Fachbegriff (Substantivierung von „Ich bin ich selbst“) Es besteht in Psychologie und Philosophie kein einheitlicher Gebrauch dieses Begriffes

Der „Selbst“-Begriff in der Tiefenpsychologie „Selbst“ als übergeordnete Instanz des „Ich“ (z. B. bei C. G. Jung) Ich Selbst „Selbst“ als Folgeinstanz des „Ich“ in der Psychoanalyse - „Selbst“ als primäre Struktur des Menschen (z. B. bei Kohut) - „Selbst“ als sekundäre Struktur, gebildet aus Introjekten (z. B. bei Kernberg)

Das „Selbst“ in der Kognitions-Psychologie Das „Selbst“ wird als menschliches Konstrukt behandelt, als selbstbezogenes Konzept der Menschen. Ein „Selbst“ als Ding bzw. Substanz wird bestritten Selbstkonzepte haben verschiedene Dimensionen, z.B.: Selbst-Schema - Selbst-Achtung Selbst-Bestätigung - Selbst-Wirksamkeit (nach Mummendey 2006)

Das „Selbst“ in der Sozialpsychologie Das „Selbst“ wird als Folge von Interaktionen und Identifikationen mit Erziehungspersonen und kulturellen Vorstellungen gesehen. z.B. Symbolischer Interaktionismus (Mead) Relationales Selbst (Andersen)

Das „Selbst“ in der Philosophie (I) In der Philosophie bestehen äusserst unterschiedliche und vielschichtige Zugänge zum „Selbst“: Die Seele (Vorgänger des „Selbst“) als Substanz (Aristoteles bis Leibniz) Das „Selbst“ als Verhältnis zu sich selber, als eine Art Selbstbespiegelung (Hegel, Fichte) Das „Selbst“ als Verhältnis zum Sein, zur Existenz (Kierkegaard, Heidegger) Das „Selbst“ als Illusion (Hume, Metzinger)

Kritik an der Vorstellung der Selbstbespiegelung Wie soll ein „Ich“ sich zum „Ich“ verhalten (wenn: A = A)? Wie soll sprachlich ein Subjekt gleichzeitig ein Objekt sein? (Tugendhat) Irreführung durch Metapher des Sehens: Innere Selbstbespiegelung ist nicht möglich.

Wen sehe ich?

mich selber ?

...oder ein Bild von mir?

Das „Selbst“ in der Philosophie (II) In der Philosophie bestehen äusserst unterschiedliche und vielschichtige Zugänge zum „Selbst“: Die Seele (Vorgänger des „Selbst“) als Substanz (Aristoteles bis Leibniz) Das „Selbst“ als Verhältnis zu sich selber, als eine Art Selbstbespiegelung (Hegel, Fichte) Das „Selbst“ als Verhältnis zum Sein, zur Existenz (Kierkegaard, Heidegger) Das „Selbst“ als Illusion (Hume, Metzinger)

Das „Selbst“ in der Religionsphilosophie Das „Selbst“ als das, was den Menschen zur Person macht und ihn dennoch übersteigt Das „Selbst“ als Du Gottes (Guardini)

Das unhintergehbare SELBST (=Seele) SELBST als Seelengrund, als Resonanzraum (abzugrenzen von „Selbst“ als Vorstellung von sich selber) Dieses SELBST (=Seele) ermöglicht eine Ich-Du-Beziehung und nicht nur eine Ich-Er-Beziehung (Martin Buber)

Das „Selbst“ als Differenzerfahrung Differenz des Ausgangspunktes: Ich (erste Person) versus Er/Sie (dritte Person) Differenz vom leiblichen Wahrnehmen („Innensicht“) und Wahrnehmungen von Objekten („Aussensicht“) Differenz von SELBST und Selbst

Entwicklungspsychologisch lassen sich 3 „Selbstebenen“ beschreiben: körperlich: „mein“ Körper (Propriozeptivität) seelisch: „meine“ Gefühle (Affektivität) geistig: „meine“ Gedanken (Rationalität) Auch diese „Selbstebenen“ können Anlass zu Differenzerfahrungen geben.

Unterscheidung von Selbst-Erleben und Selbst-Bild (cognitives Selbst) Gesamtheit aller Einstellungen zur eigenen Person bzw. Selbstbeurteilungen (reflexives) Verhältnis zu sich selber Selbsterleben (phänomenales Selbst) Gesamtheit des persönlichen Erlebens (Präreflexive) leibseelische Resonanz

Selbstbild Wahrnehmen, Erinnern (Aussenperspektive) Selbsterleben Innewerden, Spüren (Innenperspektive)

Glaube, Philosophie, Haltungen Sozialisation Gesellschaft Glaube, Philosophie, Haltungen Ausbildung Hobbys, Vorlieben Erziehung Kultur Medien Freunde Selbstbild Schule Familie Wohnen, Geschlecht Arbeit

Die Scham als Selbstgefühl Die Differenzierung von Ich und Er, Innen und Aussen zeigt sich besonders deutlich im Schamerleben. Scham ist ein Affekt an der Schnittstelle von Verborgenem/Persönlichem und Öffentlichem/Sozialen Scham verweist auf ein unerwünschtes Offenlegen von Selbst-Anteilen (körperlich, seelisch, geistig). Das Schamgefühl ist der Türhüter des Selbst.

Scham als Agens in der Entwicklung des Selbst-Bewusstseins Scham macht Differenzerfahrung emotional spürbar. Scham fördert wahrscheinlich Entwicklung von (präreflexivem) Selbsterleben zu (reflexivem) Selbstbild, indem dieses sehr unangenehme Gefühl das individuelle Anderssein hervorhebt. Scham als Schaltstelle zwischen Körper, Mitwelt und Kultur. Scham ist zugleich: Leibgefühl (Körper) Soziales Gefühl (Mitwelt) Wertgefühl (Kultur)

Ziel im Umgang mit dem „Selbst“ eines anderen Menschen ist: Beschämung vermeiden Scham verstehen Achtung vor dem „SELBST“ (=Seele)

Danke