05 MARMARA UNIVERSITÄT PLANUNG UND ENTSCHEIDUNG SoSe

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05 MARMARA UNIVERSITÄT PLANUNG UND ENTSCHEIDUNG SoSe 2011-2012 Deutschsprachige Abteilung für Betriebswirtschaftslehre SoSe 2011-2012 Dr. Dilek Zamantılı Nayır PLANUNG UND ENTSCHEIDUNG 05

Planung und Entscheidung Präsentation Studenten: Strategische und operative Planung

Einführung in die Entscheidungsforschung Gegenstandsbestimmung und Abgrenzung Struktur von Entscheidungssituationen Geschichte und Grundlagen der Entscheidungstheorie Typen von Entscheidungstheorien Ein Rahmenmodell für den Prozess des Entscheidens – Selektionale Phase Präselektionale Phase Postselektionale Phase Zum Einfluss von Gefühlen

Prozesse des Denkens Welche Prozesse des Denkens liegen Entscheidungen zugrunde? Auf welche Weise lassen sich Entscheidungssituationen systematisch beschreiben und darstellen? Wie wurden Entscheidungen auf theoretischer Ebene erklärt und vorhergesagt (historische Zugänge)?

Typen von Entscheidungstheorien Welche Typen von Entscheidungstheorien werden heute unterschieden? Wie lässt sich der Prozess des Entscheidens systematisch beschreiben?

Wir alle treffen täglich eine Vielzahl von Entscheidungen. Entscheidungen: Wahl des Studienfachs, grössere Anschaffungen, die Wahl einer Partei, die Entscheidung mit einem Partner zusammenzuleben und die Frage, ob man Kinder in die Welt setzen soll … Psychologie widmet sich diesem Gegenstand. Häufiges Phänomen - alle treffen täglich eine Vielzahl von Entscheidungen - nicht viel nachdenken. Zugrunde liegende Denkvorgänge verstehen, um menschliches Verhalten vorhersagen zu können.

Gegenstandsbestimmung und Abgrenzung in der VA Individuelles Entscheiden. Gruppenentscheidungen: Nicht behandelt, da hier Einflüsse zum Tragen kommen, die in anderen Feldern der Psychologie, vor allem in der Sozialpsychologie erforscht werden

In der Literatur Begriff des Entscheidens - abhängig von dem jeweiligen Forschungsfeld. Entscheidungsforschung: interdisziplinär – Psychologen, Ökonomen, Politologen und Soziologen. Forschungsfelder unterscheiden sich in Forschungsmethoden und darin, was unter Entscheidung zu verstehen ist. Ein Bereich der experimentellen Lernforschung befasst sich beispielsweise mit Routenentscheidungen von Ratten in Labyrinthen - das beobachtbare Verhalten der Tiere. In der Motivationspsychologie: Intrapsychische Vorgänge, Motive, Prozesse der Intentionsbildung und deren Realisierung

Unterschiedliche Erklärungsansätze Interschiedliche Disziplinen definieren ihren Forschungsgegenstand unterschiedlich - nicht ≫richtig≪ oder ≫falsch≪. Welcher Gegenstand und damit welches Forschungsfeld soll durch die Definition bestimmt werden?

Definition Entscheiden (≫decision making≪) ist der Prozess des Wählens zwischen mindestens zwei Optionen, mit dem Ziel, erwünschte Konsequenzen zu erreichen und unerwünschte Konsequenzen zu vermeiden. Der Prozess fuhrt im günstigen Fall zu einer Entscheidung (Wahl). Durch die Entscheidung wird eine Option selektiert und der Entschluss gebildet, diese zu realisieren, z. B. eine Handlung auszuführen.

Entscheiden als Prozess Entscheidungen werden durch Ziele geleitet Persönliche Ziele und Motive treiben die Person an, bestimmte Konsequenzen zu erreichen. Die Umwelt bestimmt aber mit, ob und wenn ja mit welcher Wahrscheinlichkeit das erwünschte Ziel erreicht und unerwünschte Konsequenzen vermieden werden können. Prozess des Entscheidens unter Kontrolle von Person und Umweltfaktoren.

Unterscheidung Zwischen Ergebnis der Entscheidung und Handlungsebene Ergebnis der Entscheidung: Handlungsabsicht (Intention) Ob diese Intention dann tatsächlich zur Implementierung der angestrebten Handlung führt, ist von anderen Prozessen und Faktoren abhängig

Struktur von Entscheidungssituationen Analyse der Struktur von Entscheidungssituationen - Elemente und Relationen. Die zentralen Elemente von Entscheidungen sind Optionen - Konsequenzen und Ereignisse (auch Zustände). Optionen bezeichnen die Elemente zwischen denen gewählt wird. Dies können Handlungen, Objekte, Pläne oder Strategien sein. Im einfachsten Fall kann man zwischen zwei Möglichkeiten wählen, eine Handlung auszuführen (Option A) oder diese zu unterlassen (Option B).

Entscheidungen und Konsequenzen Man fällt Entscheidungen, um etwas zu erreichen oder zu vermeiden. Somit gewinnt eine Option ihren Wert über die Konsequenzen, die durch sie herbeigeführt werden.

Wahl einer Option Ob die Wahl einer Option tatsächlich zu bestimmten Konsequenzen fuhrt, hängt von den Ereignissen oder Zuständen ab, die sich der unmittelbaren Kontrolle der Person entziehen. Struktur von Entscheidungssituationen, ihre Elemente und deren Relationen, lassen sich grafisch mithilfe von Entscheidungsbäumen veranschaulichen.

Wahlpunkte mit Quadraten Kreise symbolisieren Ereignisse und Dreiecke die Konsequenzen. Abb. zeigt einen solchen Entscheidungsbaum für Evas Entscheidung.

Entscheidungsbaum für Evas Entscheidung

Weiteres Merkmal von Entscheidungen Entscheidungen betreffen die Zukunft. Die Aussicht auf eine Konsequenz garantiert nicht, dass sie tatsächlich eintrifft - in unserer Welt ist nur sicher, dass nichts sicher ist. Trotz alledem können wir bestimmte Konsequenzen subjektiv als gewiss einschätzen. Wir gehen davon aus, dass morgen wieder die Sonne aufgehen wird, Steuern erhoben und Kinder geboren werden.

Entscheidungen unter Sicherheit Entscheidungen bei denen angenommen wird, dass die erwarteten Konsequenzen tatsächlich eintreffen werden: Entscheidungen unter Sicherheit bezeichnet. In dem Entscheidungsbaum in der Abb. wurde der Erkenntnisgewinn als eine sichere Konsequenz dargestellt. Streng genommen wäre das jedoch nur gerechtfertigt, wenn uns Eva bestätigt hätte, dass sie sich dieser Konsequenz auch gewiss ist. Tod und Leben sind in diesem Beispiel unsichere Konsequenzen. Sie hängen von der Entscheidung Gottes ab, die von Eva nicht beeinflusst werden kann.

Entscheidungen unter Unsicherheit Entscheidungen deren Konsequenzen mit einer nicht bestimmbaren Wahrscheinlichkeit eintreffen, werden als Entscheidungen unter Unsicherheit bezeichnet. Können wir den Konsequenzen Wahrscheinlichkeiten zuordnen, so sprechen wir von Entscheidungen unter Risiko. Ferner gibt es die Möglichkeit, dass wir die Konsequenzen von Entscheidungen nur teilweise oder gar nicht kennen. In solchen Situationen müssen wir unter Unwissenheit entscheiden.

Geschichte und Grundlagen der Entscheidungstheorie Wurzeln der psychologischen Entscheidungsforschung in der Mathematik (Wahrscheinlichkeitstheorie), Philosophie und Ökonomie. Der französische Mathematiker, Physiker und Religionsphilosoph Blaise Pascal (1623– 1662) gilt als Begründer der modernen Wahrscheinlichkeitstheorie. Pascal vertrat für die damalige Zeit die sehr progressive Position, dass die Existenz Gottes nicht bewiesen werden kann. Trotzdem lasse sich der Glaube an Gott rational begründen. Im Prinzip, so Pascal, folgt der Glaube einer Entscheidung zwischen zwei Optionen, die wie bei bestimmten Geldwetten zu unsicheren Konsequenzen führen. Entscheidet man sich für den Glauben und ein entsprechendes Leben nach christlichen Grundsätzen, so hat man folgende Konsequenzen zu erwarten:

Konsequenzen Während des irdischen Lebens seine Bedürfnisse einschränken, um den christlichen Geboten Folge zu leisten: Unannehmlichkeiten. Diesen moderaten Kosten steht jedoch der unendliche Nutzen des ewigen Lebens gegenüber. Die Alternative des Unglaubens führt während des irdischen Daseins zwar möglicherweise zu einem grösseren Nutzen, da man seine Bedürfnisse nach Lust und Laune befriedigen kann. Allerdings muss man dann die unendlich hohen Kosten ewiger Verdammnis in Kauf nehmen.

Wahrscheinlichkeit grösser Null Da weder die Existenz noch die Nichtexistenz Gottes bewiesen werden kann, muss die Wahrscheinlichkeit, dass man durch den Glauben das ewige Leben erreicht, als grösser Null angenommen werden (dasselbe gilt für die Wahrscheinlichkeit der ewigen Verdammnis). Gewichtet man einen unendlichen Gewinn mit einer noch so kleinen Wahrscheinlichkeit – der Gewinn bleibt immer unendlich gros. Aus diesem Grunde sei es rational, sich für den Glauben und für ein Leben nach christlichen Grundsätzen zu entscheiden.

Theoretische Annahmen von Pascal Wert und Wahrscheinlichkeit sind die zentralen Determinanten der Entscheidung. Pascal hatte auch schon vorgeschlagen, dass Wert und Wahrscheinlichkeit multiplikativ verknüpft werden sollen. Ausserdem können sich die mit den Wahrscheinlichkeiten gewichteten Werte von Konsequenzen kompensieren.

Negative Konsequenzen können durch positive Konsequenzen desselben Betrages aufgewogen werden und umgekehrt. Diesen Sachverhalt kann man formal durch die Addition der Produkte aus Werten und Wahrscheinlichkeiten ausdrucken. So kann jeder Option ein Gesamtwert zugewiesen werden, den man als erwarteten Wert bezeichnet.

Erwartungswert Der erwartete Wert (EV; ≫expected value≪) einer Option ergibt sich damit aus der Summe (Σ) der Werte (v, ≫value≪) der Konsequenzen (i) die mit ihrer jeweiligen Eintrittswahrscheinlichkeit (p, ≫probability≪) gewichtet werden:

Entscheidungsregel Nachdem nun der erwartete Wert von Optionen formal bestimmt ist, benötigt man noch eine Entscheidungsregel, um eine Theorie der Entscheidung zu erhalten. ≫Wähle die Option mit dem höchsten erwarteten Wert≪ (Maximierungsregel). Nun haben wir eine Theorie: die sog. Wert-Erwartungs- Theorie. Sie ist der Ausgangspunkt wissenschaftlicher Entscheidungsforschung. Implikation: Konsequenzen unabhängig von ihrem zugeschriebenen Wert für die Entscheidung irrelevant, wenn deren Wahrscheinlichkeit gleich null wird. Damit sollte beispielsweise der Anreiz eines Geldbetrages umso geringer werden, je geringer die Wahrscheinlichkeit ist, diesen zu gewinnen. Eine Wahrscheinlichkeit von null fuhrt dazu, dass auch der Anreiz der Konsequenz null wird.

Erwartungen Angenommen Sie versprechen einem Schulkind, eine teure Stereoanlage zu schenken, wenn es in der nächsten Mathematikarbeit eine Eins schreibt. Nehmen Sie an, dass das Kind nichts lieber als diese Stereoanlage besitzen wurde, aber der festen Überzeugung ist, dass es nicht fähig ist, Mathematik zu verstehen. Aufgrund der sich daraus ergebenden sehr ungünstigen Erwartung über die eigenen Fähigkeiten verliert nach der obigen Formel das ersehnte Geschenk seinen Wert. Aufgrund der multiplikativen Verknüpfung von Wert und Wahrscheinlichkeit musste man vorhersagen, dass sich das Kind eher dagegen entscheidet, konkrete Anstrengungen zur Erreichung einer besseren Zensur zu unternehmen (z. B. selbstständig Mathe zu üben).

Schweizer Mathematiker und Physiker Daniel Bernoulli Pascal beschäftigte sich mit den Regeln für rationale Entscheidungen. Psychologie der Entscheidung: nicht im Mittelpunkt seines Interesses. Der erste bedeutsame psychologische Beitrag zur Entscheidungsforschung wurde von dem Schweizer Mathematiker und Physiker Daniel Bernoulli (1700–1782) veröffentlicht. Grundlage für Bernoullis Weiterentwicklung der Entscheidungstheorie: St.-Petersburg- Paradox.

Beispiel Stellen Sie sich vor, Paula wirft eine Münze und zahlt Lea 1 €, sofern beim ersten Wurf ≫Kopf≪ fällt. Sollte dies der Fall sein, wirft Paula die Münze ein zweites Mal. Wenn nun wieder ≫Kopf≪ fällt, erhält Lea einen doppelt so hohen Gewinn, also 2 €. Danach wird Paula wieder die Münze werfen. Die Höhe der möglichen Gewinne potenziert sich, so lange die geworfene Münze in ununterbrochener Folge auf ≫Kopf≪ fällt. Sobald ≫Zahl≪ fällt, wird das Spiel abgebrochen.

Erwarteter Wert dieses Spiels unendlich Bernoulli weist darauf hin, dass der erwartete Wert dieses Spiels unendlich ist. Dies ergibt sich aus der Wert-Erwartungs-Theorie. Die Konsequenzen sind alle möglichen Geldgewinne (1, 2, 4, 8, 16, 32, …, ∞). Die Konsequenzen sind riskant, das bedeutet, man kann ihnen eindeutig Wahrscheinlichkeiten zuordnen (sofern die Münze nicht manipuliert ist und ≫fair≪ geworfen wird). Die Wahrscheinlichkeit, dass schon beim ersten Wurf ≫Kopf≪ fällt und man damit 1 € gewinnt ist 1/2. Die Wahrscheinlichkeit nimmt proportional mit der Anzahl der Würfe ab, bei denen hintereinander ≫Kopf≪ fällt. In gleichem Masse steigt die Höhe der Gewinne. Da nach der Theorie die Wert-Erwartungs-Produkte aller möglichen Ereignisse addiert werden, steigt der erwartete Wert des Spiels ins Unendliche.

EV = v × p (Ereignis: 1. Wurf ≫Kopf≪) + v × p (Ereignis: 2 EV = v × p (Ereignis: 1.Wurf ≫Kopf≪) + v × p (Ereignis: 2. Wurf ≫Kopf≪) + … v × p (Ereignis ∞ Wurf ≫Kopf≪) also, EV = 1×1/2 + 2×1/4 + 4×1/8 + 8×1/16 + … = 1/2 + 1/2 + 1/2 + 1/2 … = ∞

Worin besteht nun das Paradox? Stellen Sie sich vor, ein Milliardär würde die Möglichkeit zu diesem Spiel in einer Internetauktion versteigern. Er garantiere jeden noch so hohen Gewinn an seinen Spielpartner auszuzahlen. Spiel unter notarieller Aufsicht (Anstelle Münzwürfe auch Zufallsgenerator möglich). Die Person mit dem höchsten Gebot darf das Spiel spielen. Wie viel wären Sie bereit zu bieten?

Spiel in VA Versteigerung des Spiels in Vorlesungen und Seminaren. Die Münze wurde dabei nicht vom Authoren, sondern von einer willkürlich bestimmten Person im Plenum geworfen. Noch nie jedoch ging das Höchstgebot über 10 € hinaus. Aus der Sicht der Wert-Erwartungs- Theorie erscheint es paradox, dass Menschen so wenig für eine unendlich hohe Gewinnaussicht bieten.

Wie kann man nun mit dieser Beobachtung umgehen? Man könnte einerseits die Aussagekraft der Befunde kritisieren Andererseits konnte man die Ergebnisse so interpretieren, dass Menschen sich eben nicht rational verhalten. Nach Bernoulli bestimmt nicht der objektive, sondern der subjektive Wert einer Konsequenz die Entscheidung. Den subjektiven Wert nannte Bernoulli Nutzen.

Nutzen nach bernoulli ... the determination of the value of an item must not be based on its price, but rather on the utility it yields. The price of the item is dependent only on the thing itself and is equal for everyone; the utility however, is dependent on the particular circumstances of the person making the estimate (Bernoulli, 1954, S. 24).

Erwarteter Nutzen Damit wird aus dem erwarteten Wert, der erwartete Nutzen (EU, ≫expected utility≪) einer Option:

Nutzen kontextabhängig Nutzen kontextabhängig: Besondere Umstände des Entscheiders Nutzen eines Gewinnes (oder Verlustes) durch den aktuellen Geldbesitz der Person bestimmt. Das bedeutet, der Nutzen ergibt sich nicht allein aus dem objektiven Wert einer Konsequenz, sondern aus dessen Relation zum Besitz der Person.

Besitz und Nutzen Je grösser der Besitz, umso kleiner ist der Nutzen, der durch den Zugewinn eines bestimmten Geldbetrages erreicht werden kann. Der subjektive Anreiz, den ein konstanter Gewinnbetrag auf die Person ausübt, wird demnach umso kleiner, je mehr die Person schon besitzt. Eine Gewinnaussicht von 100 € hat also für einen Millionär einen geringeren Nutzen als für einen Sozialhilfeempfänger.

Auswirkungen auf die Modellierung von Entscheidungen Substanzielle Auswirkungen auf Modellierung von Entscheidungen und Entscheidungstheorie. Nach der Wert-Erwartungs-Theorie ist der entscheidungsrelevante Wert eine lineare Funktion des objektiven Wertes, z. B. des Preises einer Lotterie. Bei der Nutzenfunktion hingegen handelt es sich um eine logarithmische Funktion. Man spricht auch von einer negativ beschleunigten Kurve oder konkaven Funktion. Auch hier nimmt der subjektive Wert (Nutzen) mit ansteigendem objektivem Wert zu – allerdings nicht linear. Je weiter man den objektiven Wert erhöht, desto weniger stark erhöht sich der Nutzen. Dieser Sachverhalt wird in der Ökonomie auch als abnehmender Grenznutzen bezeichnet.

Hohe Geldgewinne im St.-Petersburg-Spiel Hohe Geldgewinne, die im St.-Petersburg-Spiel in Aussicht stehen, haben subjektiv eine geringere Bedeutung, als dies nach den objektiven Betragen zu erwarten wäre. Damit haben wir eine Erklärung für das Paradox. Wenn objektiv hohe Gewinne subjektiv keinen entsprechend hohen Anreiz auf die Personen ausüben, dann sollte auch die Bereitschaft abnehmen, Haus und Hof zu setzen, um das Spiel spielen zu können.

Typen von Entscheidungstheorien Bernoulli leitete einen Prozess ein, den man als die Subjektivierung der Entscheidungstheorie bezeichnen kann und der bis heute anhält. Aus einer Theorie, die bestimmt, wie rationale Entscheidungen gefallt werden sollten, machte er eine Theorie, die beschreibt, wie Menschen tatsächlich entscheiden. Damit machte er aus einer normativen Theorie eine deskriptive Theorie.

Normative Theorien Normative Theorien bestimmen, wie Entscheidungen idealerweise gefällt werden sollen. Die Wert-Erwartungs-Theorie ist eine solche normative Theorie. Sie stellt ein Regelwerk für rationale Entscheidungen auf. Dazu bestimmt sie die Parameter (Wert, Wahrscheinlichkeit) sowie deren formale Integration (linear durch Addition der Wert-Erwartungs-Produkte) und legt die Entscheidungsregel fest (Maximierungsregel). Normative Ansätze sind über die Empirie (d. h.über Beobachtungen der Realität) insofern erhaben, als sie nicht durch tatsächliches Verhalten von Menschen widerlegt werden können.

Deskriptive Theorien Deskriptive Theorien hingegen machen Annahmen und identifizieren Gesetzmässigkeiten, wie sich Menschen tatsächlich entscheiden. Damit beanspruchen sie, Entscheidungen erklären und vorhersagen zu konnen. Sie können auf normativen Theorien aufbauen, z. B. die Struktur dieser Modelle übernehmen, wie dies auch Bernoulli mit der Nutzentheorie tat. Deskriptive Modelle müssen sich empirisch bewahren. Sie verlangen nach Forschungsergebnissen, in deren Lichte die Gültigkeit ihrer Annahmen überprüft werden kann.

Struktur- und Prozessmodelle Bei deskriptiven Ansatzen werden Struktur- und Prozessmodelle unterschieden Nutzentheorie von Bernoulli: Strukturmodell. Es sagt das Ergebnis von Entscheidungen vorher, ohne den zugrunde liegenden psychischen Prozess zu beschreiben. Insofern sind strukturelle Modelle paramorph (Hoffman, 1960), weil sie lediglich versuchen eine Input-Output- Relation zu beschreiben. Der Input besteht im Falle der Nutzentheorie aus den Nutzenwerten und Wahrscheinlichkeiten der Konsequenzen der Optionen. Der Output (die Vorhersage) ist der Ausgang einer Entscheidung. Dazwischen liegenden Prozesse nicht betrachtet.

Prozessmodelle Beanspruchen die Abbildung der zwischen Input und Output vermittelnden Prozesse der Informationsverarbeitung. Modelle oder Theorien die dies leisten, werden als isomorph bezeichnet.

Präskriptive Modelle Präskriptive Modelle der Entscheidung basieren auf normativen Modellen. Sie liefern Anleitungen und Techniken, die Menschen helfen sollen, sich dem Ideal normativer Theorien anzunähern. Präskriptive Modelle werden auf der Basis normativer Ansätze bewertet. Eine präskriptive Technik ist dann gut, wenn sie Menschen tatsächlich dazu verhilft, Entscheidungen zu treffen, die sich den normativen Vorstellungen von Rationalität annähern. Ein präskriptives Regelwerk rationalen Entscheidens, also eine Liste von Regeln, wie man gemäss der Wert-Erwartungs- Theorie beim Entscheiden vorgehen sollte, enthält dabei folgende Elemente

Präskriptives Regelwerk rationalen Entscheidens 1. Bestimme die Menge aller verfügbaren Optionen. 2. Bestimme alle Konsequenzen aller Optionen. 3. Bestimme den Wert jeder Konsequenz so genau und so objektiv wie möglich. 4. Bestimme die Wahrscheinlichkeit des Eintretens jeder Konsequenz so genau und objektiv wie möglich. 5. Bilde für jede Konsequenz das Produkt aus Wert und Wahrscheinlichkeit. 6. Bilde den EV für jede Option durch Summation der Wert-Wahrscheinlichkeits- Produkte. 7. Entscheide dich für die Option mit dem höchsten EV. Obwohl sich die einzelnen Regeln leicht aus dem normativen Modell ableiten lassen, ergeben sich sicherlich Schwierigkeiten bei deren praktischen Umsetzung. Allein die Bestimmung der Optionen kann sich recht aufwendig gestalten

Schwierigkeiten Sie benötigen einen Kredit und müssen sich für einen Kreditgeber entscheiden. Neben Banken existiert eine Vielzahl anderer Möglichkeiten Bei allen Kreditgebern ausführlich über die Bedingungen der Kreditnahme informieren. Was passiert beispielsweise, wenn Sie den Kredit nicht zurückzahlen können? Die Bestimmung der Werte der Konsequenzen ist einfach, wenn es sich um monetäre Konsequenzen handelt. Wie aber bestimmen Sie den Wert der Konsequenz, dass bei privater Insolvenz Ihr toller Sportwagen gepfandet wird?

Verluste (Kosten?!) Neben dem monetären Verlust, den man mithilfe von Durchschnittspreisen der Gebrauchtwagen schätzen kann, entstehen Ihnen ja auch psychische Kosten, der Kummer nämlich, das geliebte Auto nicht mehr zu besitzen und die Hame der Nachbarn ertragen zu müssen. Schwierigkeiten auch bei der Ermittlung der Wahrscheinlichkeiten geben. Sie sehen also, dass es nicht so einfach ist, von einer normativen Theorie zu praktikablen präskriptiven Modellen zu kommen.

Fortschritte der präskriptiven Entscheidungsforschung Mittlerweile hat die präskriptive Entscheidungsforschung allerdings viele Fortschritte gemacht. Elaborierte Verfahren der Analyse und Unterstützung von Entscheidungen werden in allen Kontexten gesellschaftlichen Lebens angewandt.

Ein Rahmenmodell für den Prozess des Entscheidens Abb. : Rahmenmodell für den Prozess des Entscheidens. Keine Theorie, da weder der Anspruch erhoben wird, Entscheidungen zu erklären noch vorherzusagen. Modell benennt wichtige Teilprozesse des Entscheidens, die Gegenstand der Entscheidungsforschung sind. Konzeptueller Analyserahmen um Phänomene und Theorien einzuordnen. 3 Entscheidungsphasen: Präselektionale, selektionale und postselektionale Phase.

Rahmenmodell für Prozess des Entscheidens

Selektionale Phase Bewertung der Konsequenzen der Optionen und das Fallen einer Entscheidung (Intentionsbildung). Wert-Erwartungs-Theorie benennt zwei Klassen von Variablen als Determinanten der Entscheidung, die Werte und die Wahrscheinlichkeiten der Konsequenzen der Optionen.

Untersuchungsmethode Lotterieparadigma (≫gambling paradigm≪, vgl. Goldstein & Hogarth, 1997). Forschungsparadigma: Modell oder Schema, das Methoden spezifiziert, mit denen man einen Gegenstand untersuchen soll. Fixiertes Regelwerk - muss es aber nicht. Lotterieparadigma: Kollektive Forschungsgewohnheit. Ward Edwards veroffentlichte 1954 einen Beitrag mit dem Titel: ≫The theory of decision making≪. Bei der Theorie handelte es sich im Wesentlichen um die Nutzentheorie, die in der Ökonomie mittlerweile zur zentralen Theorie geworden war.

Edwards und sein Artikel Zeigte Möglichkeiten auf, die sich durch den Import einer Variante dieser Theorie für die psychologische Forschung ergeben konnten. Zugleich importierte er ein Forschungsparadigma, mit dem ausserhalb der Psychologie bereits menschliches Entscheiden erforscht worden war.

Definition Bei dem Lotterieparadigma handelt es sich um eine häufig verwendete Untersuchungsmethode der empirischen Entscheidungsforschung, bei der den Probanden die Optionen, deren Werte und Wahrscheinlichkeiten vollständig vorgegeben werden. Meist handelt es sich um Aufgaben, die Wahlen zwischen Lotterien verlangen, bei denen es um Geldgewinne oder Geldverluste geht.

Präselektionale Phase Alltägliche Entscheidungen ähneln jedoch in den seltensten Fallen dem Lotterieparadigma. Meist mussen die entscheidungsrelevanten Informationen erst aktiv gesucht werden, sei es im Gedächtnis oder in der Umwelt. Beispielsweise kann man einen Testbericht der Stiftung Warentest konsultieren, bevor man eine Versicherung oder eine Waschmaschine kauft. Darin findet man nicht nur Informationen über die relevanten Attribute von Optionen, sondern auch die Optionen selbst. Im Unterschied zu Lotterieaufgaben ist bei alltäglichen Entscheidungen die Menge an Optionen nicht festgeschrieben. In der Regel gibt es viel mehr Alternativen, als wir sie bei unseren Entscheidungen berücksichtigen.

Generierung von Optionen und die Suche nach entscheidungsrelevanten Informationen Obliegen im Alltag dem Entscheider selbst und sind damit wichtige Prozesse, die den Ausgang von Entscheidungen wesentlich mitbestimmten. Diese Prozesse fallen unter die präselektionale Phase, weil sie der eigentlichen Entscheidung vorangehen. Ebenfalls zu dieser Phase zählt die Identifikation einer Entscheidungssituation.

Postselektionale Phase Die meisten Entscheidungssituationen, denen wir im Alltag begegnen, wiederholen sich. Die Erfahrungen, die wir dabei mit den Ausgängen unserer Entscheidungen erwerben, haben Bedeutung für nachfolgende Entscheidungen. Damit haben Entscheidungen eine Vergangenheit und eine Zukunft. Wenn wir eine Handlung ausführen, gibt uns unsere Umwelt Feedback über die Konsequenzen unseres Verhaltens. Die Zukunft zeigt, ob unsere Entscheidungen klug waren oder nicht. Damit können wir an den Konsequenzen unseres Verhaltens etwas dazulernen. Das Gelernte wird im Langzeitgedächtnis gespeichert und kann dann nachfolgende Entscheidungen informieren und lenken. All diese Prozesse kommen nach der Entscheidung ins Spiel. Sie werden deshalb der postselektionalen Phase zugeordnet.

Zum Einfluss von Gefühlen Die Verarbeitung von positivem und negativem Feedback führt auch dazu, dass wir affektive Dispositionen zu unseren Handlungsmustern und zu den Dingen, die wir besitzen, erwerben. Die Rolle von Affekten bei Entscheidungen werden jedoch erst seit Ende der 90er Jahre intensiver beforscht.

Entscheidungsforschung eher kognitiv Rationales Kalkül, Wissen um den Wert von Konsequenzen und Wahrscheinlichkeiten – nicht Gefühle, die damit verbunden sind. Prozess des Entscheidens: Entscheidungen Produkt der Interaktion von Kognition und Affekt.