Präneoplasien und Neoplasien der Zervix Uteri Priv.-Doz. Dr. med. Daniel A. Beyer
Überblick Epidemiologie FIGO-Stadien (Federation Internationale de Gynecologie et d'Obstetrique ) Therapie Take-Home Messages
Zervixkarzinom
Gesunde Zervix uteri Zervixkarzinom
Epidemiologie Inzidenz: 15 / 100.000 Frauen/Jahr ~ ca. 7000 Frauen/ Jahr Mortalität: 6 / 100.000 Frauen/Jahr (>30%) Altersgipfel: 52 Jahre -09
Ätiologie und Risikofaktoren Rauchen Immunsuppression Häufig wechselnde Partner Frühe sexuelle Kontakte Kontrazeptiva Genitale Infektion (Herpes, Chlamydien) HPV-Viren
HPV und Zervixkarzinom Die Wahrscheinlichkeit einer HPV-Infektion im Verlauf des Lebens beträgt etwa 50-80%, 99,7 % aller Zervixkarzinome: Nachweis von HPV 9
HPV und Zervixkarzinom ca. 50-80% aller Frauen infizieren sich im Laufe ihres Lebens mit einem Humanen Papillomvirus 1-3% der HPV Infektionen entwickeln sich zu einem invasiven Tumor Voraussetzung ist eine persistierende HPV-Infektion mit einem onkogenen HPV-Typ 99,7% aller Zervixkarzinome sind mit einer HPV- Infektion assoziiert In über 70% wird HPV 16 oder HPV 18 nachgewiesen Die Wahrscheinlichkeit einer HPV-Infektion im Verlauf des Lebens beträgt etwa 50-80%, 99,7 % aller Zervixkarzinome: Nachweis von HPV Brown et al., JID 2005, Ferlay et al. Globoscan 2005, Munoz et al., Int J. Cancer 2004, Moscicki et al., J Pediatr 1998, Walboomers et al., J. Pathol 1999, Nobbenhuis et al., Lancet 1999
Familie der Humanen Papilloma - Viren ca. 100 verschiedene Virus - Typen Vorkommen im Genitaltrakt ca. 40 verschiedene Typen Typ 6,11,42,43,44 Typ 16,18,31,33,35,39, 45,51,52,56,59 High - risk Typen Häufiges Vorkommen bei CIN und Cx-Ca. Low - risk Typen Seltenes Vorkommen bei CIN und Cx-Ca.
Beteiligung von Papillomvirustypen an verschiedenen humanen Tumoren Tumorlokalisation beteiligter Papillomvirustyp Prozentsatz der HPV-positiven Fälle Zervix 16, 18, 31, 33, 35, 39, 45, 51, 52, 56, 58, 59, 66 (26, 68, 73, 82) >95 Vulva Basal 16, 18 >50 Warzig 16, 18 >50 Keratinisierend 16 <10 Vagina 16, 18 >50 Anus 16, 18 >70 Mundhöhle und Mandeln 16, 18, 33 <20 Nagelbett 16 ~75
HPV-Viren wichtiger Risikofaktor Prävalenz ca. 5 – 30% Frauen infiziert In einigen Fällen Viruspersistenz Fast in 99% aller Karzinome nachweisbar HPV 16 und 18 haben hohes onkogenes Potential (80%) HPV-Onkoproteine inaktivieren Tumorsupressorgene z.B. p53, aktivieren Proto-Onkogene z.B. c-myc
Der Medizin-Nobelpreis 2008 geht an den deutschen Krebsforscher Harald zur Hausen Schon vor 30 Jahren, 1976, stellte er die Hypothese auf, dass humane Papillomviren möglicherweise ein Faktor bei der Entstehung von Gebärmutterhalskrebs sind. Nun wurde er für die Bestätigung dieser Hypothese mit dem Medizin-Nobelpreis 2008 geehrt. In den 80er Jahren war es ihm gelungen, die Virentypen HPV 16 und HPV 18 aus einer Gebärmutterhalskrebsprobe zu isolieren.
HPV-Impfung Hintergründe: → ca. 70% der Zervixkarzinome von 2 Typen - HPV 16 und 18 – verursacht → HPV-Typen 6 und 11 sind zu 90% für die Entstehung von Kondylomen verantwortlich
Impfstoffe = Virus-ahnlichen Partikeln (VLPs = virus like particles) = leere Viruskapside, keine DNA tetravalenter Impfstoff (Gardasil /Merck) gegen die HPV-Typen 6, 11, 16 und 18 Impfschema 0 -2- 6 Zulassung Europa: durch die EMEA September 2006 bivalenter Impfstoff (Cervarix / GlaxoSmithKline ) gegen die HPV-Typen 16 und 18 Impfschema 0 – 1 – 6 Zulassung Europa: durch die EMEA September 2007
Gardasil → 98 %ige Wirksamkeit bei HPV 6, 11, 16 und 18-negativen Probanden hinsichtlich HPV-6-, -11-, -16- und -18-assoziierten Genitalwarzen, VIN 2/3, VAIN 2/3, CIN 2/3 und dem Adenocarcinoma in situ (ACIS) Villa et al. Lancet Oncol. 2005 May Block et al. Pediatrics. 2006 Nov
Cervarix → eine 91,6%ige Wirksamkeit gegen inzidente Infektionen → eine 100%ige Wirksamkeit gegen persistente Infektionen mit HPV 16/18 → eine 90,4%ige Wirksamkeit gegen HPV 16 und 18 assoziierte CIN 2/3 Harper et al Paavonen et al
Die STIKO empfiehlt Empfehlungen der Standigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut/Stand: Juli 2010 → eine generelle Impfung gegen humane Papillomviren (HPV 16, 18) für alle Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren. → eine flächendeckende Durchimpfung ist möglichst vor der Kohabitarche ist anzustreben! → Frauen > 17 Jahre, die innerhalb des von der STIKO empfohlenen Zeitraumes (Alter 12 – 17 Jahre) keine Impfung gegen HPV erhalten haben, können ebenfalls von einer Impfung gegen HPV profitieren. → Über die epidemiologische Wirksamkeit der Immunisierung von Jungen und Männern zur Verhinderung der Infektion bei Frauen liegen keine ausreichenden Daten vor.
Merke: Eine HPV-Testung zur Entscheidungsfindung vor einer Impfung ist gegenwärtig aufgrund des Fehlens geeigneter Testsysteme und mangelnder praktischer Konsequenzen nicht indiziert! Die Dauer des Impfschutzes für eine 100 prozentige Effektivität beträgt derzeit 5-6 Jahre. Für einen längeren Zeitraum liegen noch keine Daten vor. Es gibt noch keine Daten zur minimalen protektiven Titerhöhe, bei der eine Wiederholungsimpfung nötig wird.
Die ersten Ergebnisse des Nutzens: Das Beispiel Australien Donovan B. et al. Quadrivalent human papillomavirus vaccination and trends in genital warts in Australia: analysis of national sentinel surveillance data Lancet Infect Dis 2011; 11: 39–44 2) http://www.health.gov.au/internet/main/publishing.nsf/Content/pbacrec-nov11-positive
Rückgang der Neuerkrankungen an Genitalwarzen in Australien
Rückgang der Inzidenz der CIN2+ Läsionen Brotherton J.M.L. et al Lancet 2011; 377: 2085–92 Early effect of the HPV vaccination programme on cervical abnormalities in Victoria, Australia: an ecological study
HPV-Impfempfehlungen für Deutschland Empfehlung der STIKO:1) Zur Reduktion der Krankheitslast durch Gebärmutterhalskrebs ist eine generelle Impfung gegen humane Papillomviren (Typen HPV 16, 18) für alle Mädchen im Alter von 9 – 14 Jahren empfohlen. Spätestens bis zum vollendeten 18. Lebensjahr (d. h. bis zum Tag vor dem 18. Geburtstag) sollen versäumte Impfungen gegen HPV nachgeholt werden. Frauen, die älter als 17 Jahre sind und keine Impfung gegen HPV erhalten haben, können ebenfalls von einer Impfung gegen HPV profitieren. Es liegt in der Verantwortung des Arztes, nach individueller Prüfung von Nutzen und Risiko der Impfung seine Patientinnen auf der Basis der Impfstoffzulassung darauf hinzuweisen. S3-Leitlinie, noch ergänzend:2) Impfung aller Jungen und Mädchen ab dem 9. Lebensjahr Impfung gegen HPV 6 und 11, die Genitalwarzen auslösen STIKO. Empfehlung der Ständigen Impfkommission am Robert Koch- Institut. Epidemiol Bull 2014;34:306-340 http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/082-002l_Impfprävention_HPV_assoziierter_Neoplasien_2013-12.pdf letzter Zugriff 18. Feb. 2014 1) STIKO Epidemiol Bull 2014;34: 306-340 2) http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/082-002l_Impfprävention_HPV_assoziierter_Neoplasien_2013-12.pdf letzter Zugriff 18. Feb. 2014
2-Dosen-Impfschema Ausschlaggebend ist das Alter bei der ersten Impfdosis Fachinformation Gardasil® Stand Juni 2014
3-Dosen-Impfschema Fachinformation Gardasil® Stand Juni 2014
Impfung nach Konisation? Rezidivrate Gesamt N= 737 N= 36 (4,9%) Impfung N= 736 N= 9 (2,5%) Keine Impfung N= 377 N= 27 (7,2%) Multivariatanalyse: Verzicht auf Impfung ist unabhängiger RF Kang et al. 2013
Impfung nach Konisation? The risk of recurrence was higher for patients who did not receive the vaccine (HR = 2.840; 95% [CI], 1.335–6.042; P < 0.01), with cone margin involvement (HR = 4.869; 95% CI, 2.365–10.221; P < 0.01), and positive endocervical cytology involvement (HR = 3.102; 95% CI, 1.363–7.062; P =0.01) Kang et al. 2013
Zusammenfassung Für HPV naive Patienten und Patientinnen im Alter bis ~45J zeigen die Follow-up Daten der primären Prävention reproduzierbar gute Ergebnisse. Der Impfschutz kann 6 Jahre überschreiten Ein 2 Dosenschema ist für Mädchen bis 13j möglich. Eine HPV Impfung nach Konisation ist möglich (zu befürworten).
Früherkennung des Zervixkarzinoms Die Entstehung eines Zervixkarzinoms vollzieht sich über 1-2 Jahrzehnte !!! Bei regelmäßiger Vorsorgeuntersuchung werden bereits VORSTUFEN erkannt, die zu 100% heilbar sind ! George N. Papanicolaou, (1883-1962)
Prävention / Früherkennung von Zervixdysplasien und invasiven Karzinomen 1. Vermeidung einer genitalen Infektion mit humanen Papillomaviren (Kondome, sexuelle Abstinenz) = primäre Prävention 2. prophylaktische Vakzinierung mit einem Impfstoff gegen HPV 3. regelmäßige, jährliche Krebsfrüherkennungs-untersuchung mit zytologischem Abstrich der Portio = sekundäre Prävention
Häufigkeit der regelmäßigen Vorsorge: Vorsorgeleistungen nach den Richtlinien des Bundesausschußes der Krankenkassen: Frühmaßnahmen der Krebserkennung bei Frauen ( 1971) 1 x jährlich ab 20. LJ: Zervixabstrich, bimanuelle gynäkologische Untersuchung zusätzlich ab 30. Abtasten der Brustdrüse und regionalen Lymphabfluß gebiete, Anleitung zur Selbstuntersuchung zusätzlich ab 50. Digitale Untersuchung des Rektums, Hämocult - Test Häufigkeit der regelmäßigen Vorsorge: 30 – 40 % der weiblichen Bevölkerung !!!
Kolposkopie 4 – 20 x Vergrößerung von Vulva, Vagina und Portio uteri Zusätzliche Hilfsmittel: 5% Essigsäurelösung Lugol´sche Jodlösung
Grobes Mosaik / Essigpositivität Gefäßabnormalitäten Punktierung Leukoplakie
Krebsvorsorge - Zytologie Spekulumuntersuchung PAP-Abstrich Sensitivität 80-90% Cyto-Brush
Befundewiedergabe in der Gynäkologischen Zytologie Gruppe Definition Empfehlung I Normales Zellbild, Normale Vorsorge II Entzündliche Veränderungen, unreife Metaplasie Normale Vorsorge III Schwere entzündliche oder degenerative Kurzfristige Zellveränderungen; cave Karzinom Kontrolle III D Zellen einer leichten bis mäßigen Dysplasie, (Besondere Erwähnung von Zeichen einer HPV – Infektion) Kontrolle 3 Mo IV a Zellen einer schweren Dysplasie bis Carcinoma Histologische in situ ( CIS) Klärung IV b Zellen einer schweren Dysplasie bis Carcinoma Histologische in situ ( CIS) Invasion nicht auszuschließen Klärung V Zellen eines malignen Tumors
Histologie – Zytologie (%) Korrelation Histologie – Zytologie (%) Pap CIN I-II CIN III Mikrokarzinom Karzinom III 28,1 48,2 3,1 20,6! III D 63,6 35,0 1,2 0,2 IV a 16,9 77,7 3,0 IV b 7,5 73,2 5,2 14,1 V 1,3 30,6 5,5 62,6 Naujoks H 1991
Vorläuferläsionen des Zervix-Ca CIN 1 CIN 2 CIN 3 Normal Geringe Mäßige Schwere Carcinom Dysplasie Dysplasia Dysplasie Therapie: Laserevaporisation, Konisation
Progressionsrisiko der CIN Regression Persistenz Progression Invasion zu CIN 3 CIN 1 57% 32% 11% 1% CIN 2 43% 35% 22% 5% CIN 3 32% <56% 20-30%
Symptome des Zervixkarzinoms
Symptome des Zervixkarzinoms Meist symptomlos (Früherkennung !) Vaginale Blutung, Kontaktblutungen Fleischfarbener Ausfluß Lymphödeme der Beine Rückenschmerzen Anämie, Urämie und Gewichtsverlust
Zervixkarzinom Untersuchung zur prätherapeutischen Stadieneinteilung Bimanuelle und rektovaginale Untersuchung ggfs in Narkose (Parametrien) Spiegeleinstellung der Vagina und Portio, Kolposkopie Histologische Sicherung durch Biopsie, Abrasio oder Konisation
Histologie des Zervixkarzinoms
Histologie des Zervixkarzinoms Plattenepithelkarzinom 80% Verhornend Nicht verhornend Adenokarzinom 15% Sarkome und Lymphome 5%
Zervixkarzinom - Stadieneinteilung
Zervixkarzinom - Stadieneinteilung 5-JÜR 80% 60% 30% 10%
Wie wird therapiert ?
Wie wird therapiert ? Primäre Operation Primäre Strahlentherapie Kombinierte Radiatio (perkutan+Afterloading)
Brachytherapie
Zervixkarzinom - NIH Consensus Statement Stage IA1 Stage IA2 Stage IB und IIA Stage IIB ab Stage III Einfache Hysterektomie / Konisation im Gesunden Radikale Hysterektomie (+LNE) / Primäre Strahlentherapie (i.c.) (mit äquivalenten Resultaten) Primäre Strahlentherapie (i.c.+ext.b) (mit äquivalenten Resultaten) / Radikale Hysterektomie mit LNE Primäre Strahlentherapie (i.c.+ext.b) Radikale Hysterektomie mit LNE in Deutschland Primäre Strahlentherapie (i.c.+ext.b)
Operationsverfahren hängt vom Stadium ab! Trachelektomie Radikale Hysterektomie Konisation
Einfache Hysterektomie Frühinvasives Karzinom FIGO Ia1 Operationsstrategie Konisation Einfache Hysterektomie (LK-Befall 0,3 %) Lymphonodektomie nicht notwendig Alternativ: Afterloading
Stadium Ia2 (Mikrokarzinom) Operationsstrategie einfache Hysterektomie (Piver I) (LK-Befall 5-10 %) mit pelviner Lymphonodeketomie Alternativ: Trachelektomie mit pelviner Lymphonodektomie Falls: Ausschluss neuroendokriner Tumor Auch bei FIGO Ib möglich, wenn Tumor < 2 cm Alternativ: kombinierte Radiotherapie
Endoskopisch assistierte radikale Trachelektomie Voraussetzungen: Kinderwunsch, Tumor kleiner 2 cm, V0, pN0, endozervikaler Absetzungsrand tumorfrei mit 1 cm Restzervix Dargent D et al.; JOBGYN 1994; 2: 285-292
Klinisches Zervixkarzinom Ib, II a-b Operationsstrategie 1898: Wertheim Radikale Hysterektomie n. Wertheim, Meigs, Latzko, und Okabayashi Uterus Sacrouterinligamente Parametrien (partiell / gesamt) Pelvine LNE, falls befallen > paraaortale LNE Scheidenmanschette Adnexektomie nicht obligat Alternativ: Radiochemotherapie
Empfehlungen zum Einsatz des Konzepts der abgestuften operativen Radikalität nach Piver Typ II - FIGO Ib1 (< 4cm) Klasse II (mod.radikal) 1-2 cm Scheidenmanschette Parametrien Lig.sacrouterinum partiell reseziert Typ III - FIGO Ib2 – IIb Klasse III (radikal) Oberes Drittel bis Hälfte der Scheide Parametrien, Lig.sacrouterinum reseziert an der Beckenwand
Pelvine und paraaortale Lymphonodektomie
FIGO III FIGO IV Individuelles Vorgehen Primäre Radiochemotherapie perkutan + Afterloading kombiniert mit Cisplatin Individuelles Vorgehen Exenteration Radiochemotherapie
Take-Home Message: HPV spielt eine wichtige Rolle in der Pathogenese Das Zervixkarzinom entwickelt sich über Vorstufen Das Zervixkarzinom ist meist symptomlos Die Radikalität des operativen Vorgehens hängt vor allem vom Stadium ab
Fallbeispiel Pat. 27 Jahre PAP IVB Kinderwunsch Konisation Histo: invasives Mikrokarzinom Figo Ia1 -> Was würden Sie tun?
ENDE