Nanopartikel: Herausforderung für den Gesundheitsschutz

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Thema Nr. 2 Unterschiedliche Ansätze des Standardisierungsproblems
Advertisements

Erschließen von semantischen Referenzen mit Ontology-Reasoning-Werkzeugen Das Ziel dieser Masterarbeit war die Erweiterung des ORBI Systems um ein Inferenz-System.
Sicherheitsbestimmungen
Feinstäube und ihre Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit
Software Risk Evaluation Method (SRE)
HessGiss Warum wir uns mit HessGiss beschäftigen sollten!
Umweltzone Gesundheitliche Aspekte
Biologische Strahlenwirkung
4. Runder Tisch WRRL-AG SIEG– PE
4. Runder Tisch WRRL-AG SIEG– PE
Die neue Gefahrstoffverordnung
Software Engineering SS 2009
Was ist Qualität? Qualität nach DIN ISO ist das...
1 1) Welcher Effekt kommt bei Nanomaterialien bereits zum tragen? a) der Doppler-Effekt. b) der Quanten-Effekt. c) der Effekt der Relativitätstheorie.
Mögliche Gefahren In Lebensmitteln, Kosmetik oder Textilien: Nanotechnologie ist allgegenwärtig. Doch mit dem Erfolg steigen die Gefahren. Nach dem heutigen.
Superparamagnetische Nanopartikel
SFB 522 Umwelt und Region Universität Trier, Trier gefördert durch: Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung,
Nanotechnologie Vision von gestern Zukunft von morgen
Optische Eigenschaften von Gold in der Nanodimension
Wie kommen Nanopartikel in den menschlichen Körper und was verursachen sie dort? © Streicher.
Kostenelemente aus der REACH - Verordnung Dr. ErwinTomschik Vorsitzender der Arbeitsgruppe Chemikalienpolitik/FCIO.
REACH Duty of Care & Information Flow Wien, 2. Juli 2003 Hermann Götsch.
REACH Sichere Chemikalien für eine gesündere Zukunft. Mag
Enthält mittels Nanotechnologie aufbereitetes CoQ10
Sparkling Science sucht den Nano-Star
Vergleich Nano-Transportsystem gegenüber Mikro-Transportsystem
Bedeutung der Gentechnik in der Landwirtschaft
Projekt NanoSan Arbeitspaket 2 Susanne Laumann Vesna Micić
PEGASOS - Pan-European Gas-AeorSol-climate interaction Studies Aerosole stehen im Fokus des europäischen Projekts Pan-European Gas-AeroSOls-climate interaction.
Veränderung der Kennzeichnung von Gefahrgütern und Gefahrstoffen
Entwicklung eines Medikaments
FOToN: Fibre Optic Technology Network Prof. Dr. M. Loch Prof. Dr. K. F. Klein 14. Dezember 1999.
Feinstaub Dr. Felix Geldsetzer, Januar 2007.
Vienna Conference on Consciousness Teil I "Was ist die neuronale Grundlage des Bewußtseins? Wo ist es im Gehirn?" Beitrag von Michael L. Berger (Center.
Kann REACH diese Zielstellung erfüllen ?
Nanotoxikologie & NeoSino Testung
Megatrends und deren Anknüpfungspunkte in der Steiermark
Superparamagnetische Nanopartikel
Ein Thermometer aus Flüssigkristallen
Gesundheitsschutz beim Umgang mit Nanomaterialien
Swiss Nano-Cube Lerchenfeldstrasse 5, 9014 St.Gallen Tel. +41 (0) , Bildungsplattform zur Mikro-
40 Jahre Staatsvertrag- 40 Jahre Gesundheitsbelastung Dr. Heidi Bisping-Arnold Lungenärztin Freising
Next Generation: Industrie 4.0 und Big Data
Mehrwertverpackung (Value Added Packaging VAP)
Methoden Die klassische Methode der Psycholinguistik (genauso wie der experimentellen Psychologie im Allgemeinen) ist die Messung von Reaktionszeiten.
Was ist Qigong? Qigong auch (Chi Kung) genannt hat seinen Ursprung in China und wird dort seit mehr als 1500 Jahren erfolgreich praktiziert Qigong gehört.
Nanopartikel Entwicklungschancen und Risiken im Dialog
Woher kommen Nanopartikel?
Nanotechnologie Ein möglicher Zugang.
Was sind Synthetische Nanopartikel?
Hausaufgabe 1 Was ist Sozialpsychologie und wie unterscheidet sie sich von anderen, verwandten Disziplinen? Einführung
Landwirtschaft in der Schweiz und in anderen Regionen auf der Welt
Beispiel GPS-Parametrierung
Hippokrates v.Chr..
Willkommen zur NANO Technologie Kurzpräsentation 1 NANO Technology Systems Oberflächenschutz Andreas Sachse & nanoLIP GmbH & Co.KG Andreas Sachse1.
Die Grundsätze der Pharmakologie
Europäische Patientenakademie zu Therapeutischen Innovationen Aspekte der Pharmakovigilanz: Wirksamkeitsstudien nach der Zulassung (PAES)
Was ist Pharmakovigilanz?
European Patients’ Academy on Therapeutic Innovation Spezielle Bevölkerungsgruppen.
- Digitale Strategien & Digitaler Stresstest - Chancen und Risiken für das Unternehmen 4.0 Audit Challenge Fachkonferenzserie 2015 © 2015 Audit Research.
Verantwortung für Fehler: Über den richtigen Umgang Vortrag von Prof. Dr. Carmen Kaminsky Sozialphilosophie; FH-Köln.
Die Größe macht’s. Ethische und soziale Herausforderungen der Nanobiotechnologie Johann S. Ach Centrum für Bioethik Universität Münster.
o relativ junger Begriff o Der Bestandteil des Lebens, der Innen- und Außenpolitik o EXPLIZITE SPRACHENPOLITIK Grundsätze, Regelungen, Gesetze, finanzielle.
KAAP-Tagung Die Bedeutung der gesetzlichen Grundlagen als Präventionsinstrument 4. Tagung „Kantonale Alkoholaktionspläne“ (KAAP) Dr. Jörg Spieldenner.
For a better world for you ? Unser „Leben“ im Hauptstrahl einer Mobilfunksendeanlage für UMTS und GSM.
Eidgenössisches Departement des Innern EDI Bundesamt für Gesundheit BAG Abteilung Chemikalien Altstoffe, S. Wengert Plattform Marktkontrolle, 11. Dezember.
Informationssuche bei hypothetischen & realen Entscheidungen
Neueste Entwicklung der Feinstaub-Thematik bei Laserdruckern und MFP
Cluster Policy in Bavaria – why to support Cluster Development. Dr
 Präsentation transkript:

Nanopartikel: Herausforderung für den Gesundheitsschutz Dr. Steffen Wengert BAG, Abteilung Chemikalien

Nanotechnologie: Chancen und Risiken – Fiction and Facts

Nanometer - Welt der Atome und Moleküle 1 Nanometer = 10-9 m = 1 Milliardstel Meter 12756 km ~10 8m ~10-1m ~10-10m

Nanometer - Welt der Atome und Moleküle

Nanotechnologien: Zukunft oder Vision? http://www.nanotechproject.org/index.php

Nanotechnologie Bei der Nanotechnologie handelt es sich weniger um eine Technologie als vielmehr um einen Überbegriff für eine Vielzahl von neuen Anwendungen und Produkten in Bereichen wie z.B. Materialtechnik, Oberflächentechnik, Farben- und Lacke, Medizin, Lebensmittel- und Verpackungstechnik, Kosmetik, Elektronik, Solartechnologie, etc. In allen diesen Bereichen macht man sich auf verschiedene Weise die speziellen physikalischen und chemischen Eigenschaften von nanostrukturierten Materialien (Quanteneffekte, grosse spezifische Oberfläche) zu nutzen.

Inhärente Risiken der verschiedenen NT-Felder

Nanotechnologien - Nanopartikel Anlass zur Besorgnis gibt unseres Erachtens nicht die Nanotechnologie als solche, sondern jene Produkten und Anwendungen der Nanotechnologie, bei denen Nanopartikel verarbeitet oder im Laufe des Lebenszyklus eines Produktes (gezielt oder ungewollt) freigesetzt werden. Die Gesundheitsrisiken sind allerdings je nach Exposition (Ausmass, verschiedene Aufnahmewege wie inhalativ, dermal oder  oral) und der chemischen Natur der auftretenden Nanopartikel unterschiedlich zu beurteilen.

PC-Eigenschaften von Nanopartikel: Grösseneffekte (nm) Nanoscale = High Ratio of Surface Area to Vol.

PC-Eigenschaften von Nanopartikel: Quanteneffekte ab ~100nm CdTe - Quantendots

Kohlenstoff Allotrope - Nanopartikel Diamant FullerenC60 Graphit C-Nanotube

Nanopartikel – Ultrafeinstaub

Synthetische Nanopartikel CNT, C60, Russ Silica (SiO2) Metalloxide (ZnO, TiO2, CeO2 , ..) Silber …..

Mögliche toxikokinetische Pfade für NP Nanopartikel Gehirn Nase Lunge Haut Magen/Darm Blut Knochenmark Milz Endothel Leber Herz Plazenta Tran et al. IOM Report, 2005

Eintrittsorgan Lunge: Ablagerung von NP

Lunge: Clearance – Biopersistenz von NP Clearance der Lungenalveolen: Chemisch (Auflösung, Proteinbindung) Phagozytose durch Makrophagen Ephitel-Endocytose Translokation durch die Alveolarwand und via Blutkreislauf in andere Organe Schlechte Clearance/ Biopersistenz: z.B. unlösliche Partikel (insbes. Fibern) Chronische Entzündungen Vernarbung und Zerstörung von Lungengewebe (z.B. Asbestose, Silikose) 4 Macrophagen beim Versuch eine Asbestfaser (ca. 80 m) aufzu-nehmen (Ken Donaldson, University of Edinburg)

Toxische Effekte von NP in der Lunge Adverser Effekt (Entzündung , ausgedrückt durch Anteil neutrophiler Leukozyten in der Lungen Lavage von Ratten), 24h nach intratrachaler Einträufelung von TiO2-Nanopartikel. Oberdörster et al.,, Env. Health Persp. 113: 823, 2005

Toxische Effekte von NP in der Lunge Cytotoxicität von TiO2-NP in alveo-laren Makrophagen von Ratten S. Hirano et. al (2000) Klassische Toxizität = F (Dosis) Nanotoxicity = F (Masse, Grösse, Form, Oberflächen, Oberflächen-aktivität, etc)

Translokation inhalierter Partikel zu anderen Organen? Epidemiologische Befunde: Korrelation zwischen Feinstaubbelastung und Herz-Kreislauf Erkrankungen ( UFP gelangen in den Blutkreislauf nehmen Einfluss auf Herz und Blutgefässe ?) Exposition von 5 Freiwilligen mit ultrafeinem Tc-gelabelten Kohlenstoffpartikeln (<100nm) Nemmar et. Al. Circulation 2002; 105(4):411

Hinweise auf Translokation von NP via olfaktorischen Nerven ins Gehirn Inhalations-Experimente mit 13C-Carbon (< 100nm) an Ratten weisen auf eine Translokation ins Gehirn hin, Signifikanz für Menschen muss noch betätigt werden. Oberdörster et al., Translocation of inhaled particles to the brain, Inhalation Toxicology 16:437, 2004

Vergiftungsfälle mit „Magic-Nano“ Zwischen dem 27. und 30. März wurden den Giftinformationszentren in Deutschland 97 Fälle von zum Teil schwerwiegenden Atmungsstörungen bis hin zum Lungenödem nach der Anwendung von „Magic Nano Bad- und WC-Versiegler“ und „Magic Nano Glas- und Keramikversiegler“ des Herstellers Kleinmann gemeldet. Wirkungsweise: Siloxan-Lacke, „Nanolacke“ Keine Nanopartikel! Sprayproblematik – alveolengängige Aerosole (vgl. Imprägniersprays)

Aufnahme von NP über die Haut? Langzeit-Applikation von Sonnencreme mit TiO2-Nanopartikel  NP finden sich vornehmlich in den oberen Bereich der Hornschicht, d.h. es erfolgt keine Aufnahme (Lademann et al, Skin Pharm. 12, 247, 1999) Projekt Nanoderm (unterstützt durch EU)  Vorläufige Ergebnis scheinen zu bestätigen, dass über die gesunde Haut keine Aufnahme von NP (d.h. keine Translokation Haut – Blut) erfolgt

Aufnahme von NP via Magen-Darm-Trakt (oral) Es gibt deutliche Hinweise, dass Mikropartikel und in weit höherem Ausmass auch Nanopartikel die Darm-Barriere (über die sogenannten „Peyerschen Platten“) überwinden und via Lymphsystem in die Blutbahn gelangen können. (Desai et. al, Pharm.Res. 13, 1838, 1996) es existieren keine Studien zu möglichen Schädigungen des Darms durch NP.

Toxische Effekte von NP in Zielorganen zu toxischen Effekten von NP auf Zielorgane liegen – abgesehen von der Lunge – wenig oder keine publizierten Daten vor. die wenigen vorhanden Tierstudien zeigen keine akuten adversen Effekte im Zentrum des wissenschaftlichen Interesses stehen momentan Untersuchungen zur Cytotoxizität von NP, die meist in-vitro an Zelllinien durchgeführt werden. Diese erlauben allerdings nur eingeschränkte Aussagen zur tatsächlichen Toxizität der untersuchten NP.

Nanopartikel: Entscheidende toxikologische Parameter Particle behaviour in biological fluids T2 Influence of chemical composition T4 Different cell types T8 Mobility studies T7 Chemical effects Physical effects Interesting particles for toxicology studies Sources of danger for different cell types Biological effects Studies on oxidation activity T5 Studies on redox potential T6 Size, degree of aggregation, surface and Morphology dependence T3 Production, Preparation and Characterization T1 W.J. Stark, Cytotoxicity of Nanoparticles, ETHZ (2005)

Exposition des Menschen gegenüber Nanopartikel (NP) UFP/Feinstaub natürl. und antropogenen. Ursprungs (z.B. aus Verbrennungsprozessen, Abrieb, etc.) Umgang mit freien/ unge-bunden synthetischen NP (unbeabsichtigte Expo-sition des Menschen) Freie synthetische NP mit Target Mensch  Medikamente Umgang mit Produkten, die Nanopartikel enthal-en (z.B. Verpackungs-, Funktionsmaterialien etc.  Lebenszyklus) Synthetische NP mit Target Mensch  Genuss- und Lebens-mittel, Kosmetika Synthetische NP in Umwelt (direkt oder indirekt eingebracht)

Gesetzliche Grundlagen Lebensmittelgesetz, LMG Art. 13 Nahrungs- und Genussmittel 1Nahrungsmittel dürfen bei ihrem üblichen Gebrauch die Gesundheit nicht gefährden. 2Genussmittel dürfen bei ihrem üblichen Gebrauch und Genuss die Gesundheit nicht unmittelbar oder in unerwarteter Weise gefährden. Art. 14 Gebrauchsgegenstände 1Gebrauchsgegenstände dürfen bei bestimmungsgemässem oder üblicherweise zu erwartendem Gebrauch die Gesundheit nicht gefährden. Chemikaliengesetz, ChemG Art. 5 Selbstkontrolle 1Wer als Herstellerin Stoffe oder Zubereitungen in Verkehr bringt, muss dafür sorgen, dass diese das Leben und die Gesundheit nicht gefährden….

Lücken in der Regulierung „Dosis“ (Exposition) muss neu definiert werden: Anzahl Partikel, total Oberfläche und Oberflächenbeschaffenheit scheinen wichtiger als die Menge/Masse Bestehende Teststrategien verlangen keine Analyse der systemischen Verteilung Bestehende Testmethoden decken mögliche nanospezifische, adverse Effekte ungenügend ab – neue toxikologische Endpunkte? Die gesetzlichen Regelungen zu bestimmten chemischen Stoffen (z.B. Altstoffe im Chemikalienbereich oder Lebensmittelzusatzstoffe) machen keine Aussagen über deren Partikelgrösse. Konkrete gesetzliche Änderungen, die einen Schutz vor möglichen negativen Auswirkungen von Nanopartikel gewährleisten könnten, benötigen zunächst weitere Forschungsdaten!

Wie weiter ? Vorsorgeprinzip? Sollte nicht dazu benutzt werden Forschung und Entwicklung im Bereich Nanotechnologie und Nanopartikel zu verlangsamen oder zu behindern. Aber ! Anwendungsorientierte, technische Weiterentwicklung der Nanotechnologie muss mit entsprechender Forschung hinsichtlich möglicher Risiken ergänzt werden Spezifische ungebundene Nanopartikel und Prozesse, welche solche beinhalten, müssen (vorläufig) individuell betrachtet werden Ungebundene Nanopartikel und Produkte, die solche enthalten, sollen gekennzeichnet werden. Starke nationale und internationale Zusammenarbeit zwischen Industrie, Wissenschaft und regulatorischer Behörde ist unabdingbar (Aktionsplan CH, EU, USA, OECD).

Aktivitäten BAG Forschung Risiken Kommunikation Politik Labor: W.J. Stark ETHZ, „Cytotoxicity of Nanoparticles“ EMPA St. Gallen, „Safety and Risks of Carbon Nanotubes“ IST Lausanne, „Nanoinventar“ Kommunikation TA-Suisse, „Publifocus Nanotechnologie“ Politik Aktionsplan CH, Nanoregulation Plattform OECD, internationale Interessengruppen (USA, EU)