Tatverleugner im Strafvollzug

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 Präsentation transkript:

Tatverleugner im Strafvollzug Frankfurt, 5. Mai 2015 Prof. Dr. Dr. Hauke Brettel

Vorkommen einer Tatverleugnung keine Dichotomie von Einräumen oder Ableugnen der Tat: Abstreiten von Teilaspekten bis totales Leugnen aller Vorwürfe Leugnen der Verantwortlichkeit; Taten werden auf entlastende Faktoren zurückgeführt (z. B. Alkoholisierung, Irrtum) Leugnen des Unrechts (z. B. wenn sexuelle Handlung als einvernehmlich dargestellt wird) Leugnen der Folgen (z. B. wenn Opferschaden bestritten wird) Leugnen von Motiven auch: Negierung einer Wiederholungsgefahr, Berufung auf fehlende Erinnerung, Entschuldigungen, Rechtfertigungen oder kognitive Verzerrungen z. T. Unklarheiten, z. B. Schweigen (als Ableugnen oder Einräumen des Tatvorwurfs)

Rechtliche Vorgaben das Gesetz macht (namentlich in § 57 StGB) keine Vorgaben für einen Umgang mit der Tatverleugnung als normative Schranken bei der Berücksichtigung einer Tatverleugnung gelten v. a. anerkannte Verteidigungspositionen Tatverleugnung ist zulässiges Verteidigungsverhalten und darf deshalb z. B. bei der Strafzumessung grundsätzlich nicht negativ zu Buche schlagen aber: Verteidigungsrechte dienen Abwehr des staatlichen Strafanspruchs gleichwohl hat sich Betroffener bis zur Verurteilung mit ausdrücklicher offizieller Billigung ein bestimmtes Bild von sich und der Tat aufgebaut

Befunde zur Tatverleugnung Tatleugner nehmen seltener an Behandlungsprogrammen teil Varianz des Leugnens geht v. a. auf Herkunft, Lebensalter, Haft- und Viktimisierungserfahrung sowie Berufsausbildung zurück nach Baldwin und Roys haben leugnende Täter niedrigeren Intelligenzquotienten; kognitiv ist Ableugnen anspruchsloser als Einräumen der Tat Cooper (2005): Leugner geben auch im täglichen Leben ihre Verletzlichkeit nur mühsam preis Salter (1988): Leugnen als Folge „magisches Denkens“; „Wenn ich nichts sage, gibt es auch nichts.“

Motive eines Leugnens nach Vanhoeck und van Daele (2007) kriminogenes oder „motivationales“ Leugnen: strategischen Täuschen zur Fortsetzung von Straftaten extrinsisches Leugnen: Vermeidung unangenehmer Konsequenzen (Strafe, Abwertung durch andere) intrinsisches Leugnen: Aufrechterhaltung eines positiven Selbstkonzepts

zirkuläre Deutung einer Tatverleugnung Relevanz einer Tatverleugnung darf nicht durch Wechselbezüglichkeit entstehen, die es erst nachzuweisen gilt Bsp.: fehlende Mitwirkungsbereitschaft wird am Ableugnen festgemacht und dieses gleichzeitig wegen fehlender Mitwirkungsbereitschaft für prognostisch relevant gehalten Schutz durch „conditio sine qua non“-Probe

Diskussionsstand zur Tatverleugnung in der Therapie es fehlen Belege dafür, dass das Leugnen eine erfolgreiche Behandlung verhindert „Risk-need-responsivity“(RNR)-Modell: Leugnen ist nicht Risikofaktor, sondern Problem der Ansprechbarkeit Leugnen schließt Behandelbarkeit nicht aus es verlangt jedoch besondere Behandlungsformen und -techniken (z. B. Konzepte der motivierenden Gesprächsführung) Leugnen als „gesunder“ Bewältigungsversuch: z. B. Bemühen um soziale Anpassung, Sorge um den guten Ruf

Empfehlungen zum Umgang mit Tatverleugnung kein explizites Bearbeiten des geleugneten Delikts keine totale Konfrontation Bearbeitung von (dynamischen) Risikofaktoren, die der Tat zugrunde liegen Verlagerung der Aufmerksamkeit auf die Zeitspanne, während der Taten begangen wurden Orientierung am „Good-lives-model“: postdeliktisch zufriedenstellende Lebensführung reduziert die Wahrscheinlichkeit von Straftaten Verständnis für den Selbstschutz des Betroffenen vertrauensbildende Maßnahmen, z. B. tatkräftige Unterstützung bei Alltagsproblemen

Empfehlungen zum Umgang mit Tatverleugnung Anerkennung des Leugnens als normaler psychologischer Mechanismus Leugnen als Resultat einer Abwägung von Nach- und Vorteilen Erfassung der Gründe, die für Leugnen sprechen Neutralisierung von Einflussfaktoren auf Leugnen (z. B. Auseinandersetzung mit Scham) Konfrontation mit Beweismaterial oder anderem Quellenmaterial nur nach vorheriger Zustimmung