Arbeitsrecht in Sanierung und Insolvenz

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BR-A 400 Stimmen, BR-B 300 Stimmen, vgl. § 47 VII BetrVG
 Präsentation transkript:

Arbeitsrecht in Sanierung und Insolvenz Priv.-Doz. Dr. Georg Annuß Universität Regensburg 3. Vorlesung, 18.05.2007

Grundlagen der Änderungskündigung - § 2 KSchG (1) Grundstruktur: AG kündigt das Arbeitsverhältnis und bietet gleichzeitig Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen an (auch insoweit ist Kündigungsfrist beachtlich!). AN kann Angebot der Fortsetzung zu geänderten Bedingungen unter dem “Vorbehalt annehmen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist“. AN muss Vorbehalt innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklären (§ 2 Satz 2 KSchG). HM: Kündigung und Änderungsangebot bedürfen der Schriftform gem. § 623 BGB.

Grundlagen der Änderungskündigung - § 2 KSchG (2) Grundsatz des “Vorrangs der Änderungskündigung vor der Beendi-gungskündigung“. Ist ein freier Arbeitsplatz im Unternehmen vorhanden, auf dem der AN tatsächlich eingesetzt werden kann, so muss statt Beendigungskündi-gung immer Änderungskündigung ausgesprochen werden. Ausnahmen: Beschäftigung des AN auf dem anderen Arbeitsplatz ist für AG unzumutbar. Gibt AN unmissverständlich zu erkennen, „dass er unter gar keinen Umständen – auch nicht unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfer-tigung – bereit ist, zu den geänderten Arbeitsbedingungen zu arbei-ten, kann der Arbeitgeber eine Beendigungskündigung aussprechen“ (BAG 21.04.2005 – 2 AZR 132/04).

Grundlagen der Änderungskündigung - § 2 KSchG (3) Selbständige Rechtfertigung der Entgeltänderung erforderlich? BAG: Eine besondere Rechtfertigung der Vergütungsänderung ist nur entbehrlich, wenn sich die geänderte Vergütung für die neue Tätigkeit aus einem im Betrieb angewandten Vergütungssystem ergibt (BAG 23.06.2005 – 2 AZR 642/04). Änderungskündigung nur zur Entgeltsenkung? nach BAG theoretisch ja bei Existenzgefahr für Betrieb, Voraussetzung sei aber in jedem Fall ein umfassender Sanie-rungsplan, so dass nicht nur AN einen Sanierungsbeitrag liefern. praktisch hat das BAG bislang keinen Fall anerkannt. vgl. BAG 20.1.2000 – 2 ABR 40/99; vgl. aber auch BAG 27.03.2003 – 2 AZR 74/02.

Grundlagen der Änderungskündigung - § 2 KSchG (4) Prüfungsschema betriebsbedingte Änderungskündigung nach “herrschender“ Auffassung 1. Stufe: Dringende betriebliche Erfordernisse bedingen das Änderungsangebot 2. Stufe: Ultima ratio (“ob“, “wie“ – hM: hat sich AG bei ver-schiedenen Änderungsmöglichkeiten auf den Vorschlag sol-cher Änderungen beschränkt, die der AN billiger Weise hin-nehmen muss?) 3. Stufe: Nach verfehlter Ansicht des BAG muss Vergleich-barkeit sowohl hinsichtlich des bisherigen als auch hinsichtlich des neuen Arbeitsplatzes bestehen.

Besonderheiten bei Massenentlassungen Der AG ist zur Erstattung einer Massenentlassungsanzeige gegenüber der Agentur für Arbeit verpflichtet, wenn die Zahl der Entlassungen die in § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG genannten Schwellenwerte überschreitet. Begriff der Entlassung im Sinne des § 17 Abs. 1 KSchG wurde in Deutschland früher nicht im Sinne des Ausspruchs der Kündigung, sondern im Sinne der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhält-nisses verstanden. EuGH hat zur Auslegung der Massenentlassungsrichtlinie 98/59 EG mit Urteil vom 27.01.2005 entschieden, dass Kündigungserklärung des AG als „Entlassung“ im Sinne der Massenentlassungsrichtlinie gilt (EuGH 27.01.2005 – Rs. C-188/03). BAG hat mit Rücksicht auf die Entscheidung des EuGH vom 27.01.2005 § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG mittlerweile richtlinien-konform ausgelegt (BAG 23.03.2006 – 2 AZR 243/05).

Betriebsverfassungsrechtliche Grundlagen der Restrukturierung - Übersicht (1) BetrVG und SprAuG als Kodifikationen der Betriebsverfassung privatrechtlich organisierter Unternehmen (für Körperschaften des öffentlichen Rechts gilt hingegen die Personalvertretungsgesetze). Anwendungsbereich des BetrVG (vgl. § 1 BetrVG). Betriebsrat (§§ 7 ff. BetrVG), Gesamtbetriebsrat (§§ 47 ff. BetrVG), Konzernbetriebsrat (§§ 54 ff. BetrVG). Hilfsorgan des Betriebs- bzw. Gesamtbetriebsrates ist der Wirtschaftsausschuss (§ 106 BetrVG). Jugend- und Auszubildendenvertretungen (§§ 60 ff. BetrVG). Betriebsversammlung (§§ 42 ff. BetrVG).

Exkurs: Die betriebsverfassungsrechtliche Vertretungsstruktur AG Konzernspitze: Konzernbetriebsrat Konzernjugend- und Auszubildendenvertretung Konzernschwerbehindertenvertretung Unternehmensebene: Gesamtbetriebsrat/Wirtschaftsausschuss Gesamt-Jugend- und Auszubildenden-vertretung (Gesamtschwerbehindertenvertretung) GmbH 1 GmbH 2 Betriebsebene: Betriebsrat Jugend- und Auszubildendenvertretung (Schwerbehindertenvertretung)

Betriebsverfassungsrechtliche Grundlagen der Restrukturierung – Übersicht (2) Fundamentalgrundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit gemäß §§ 2, 74 BetrVG. Beachte stets: Die Betriebsverfassung ist im Gegensatz zum tariflichen Regelungsregime eine Zwangsverfassung, da sich der Arbeitnehmer ihr nur durch ein Ausscheiden aus dem Betrieb entziehen kann. Betriebsrat und Arbeitgeber können Betriebsvereinbarungen abschließen (vgl. § 77 Abs. 1 BetrVG).